brennpunkt 2-2011 .indd - Edition dibue
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© ROBERT POLIDORI, MATERNITY WARD,<br />
PRIPYAT, 2001<br />
Detail der großformatigen Aufnahmen<br />
und ist bis heute spürbar.<br />
Kehren wir zurück ins Leben, ein Leben,<br />
das sich »Hinter den Linden« abspielt<br />
und bis 1. Mai zu erkunden ist in der<br />
Galerie exp12 am Prenzlauer Berg.<br />
Gemeint sind die Räume der Lindenoper,<br />
in der das Staatsballett zuhause<br />
war, vor seinem Umzug in die Bismarckstraße.<br />
Kerstin Zillmer hat den<br />
Arbeitsalltag der Tänzer in stillen und<br />
poetischen Bildern eingefangen. Die<br />
<strong>Edition</strong> Braus hat daraus einen Bildband<br />
gemacht.<br />
Auch Arnd Weider war in der Staatsoper<br />
unterwegs, im Foyer, und in anderen<br />
Theatern und Sportstätten. »Heterotopien<br />
– Die äußeren Räume« nennt<br />
er seine Recherchen in der Fotogalerie<br />
am Helsingforser Platz. Die lastende<br />
Schwärze in den Nebenräumen soll<br />
»Projektionsfläche für den Betrachter<br />
sein, die auf dahinter Liegendes lenkt«,<br />
während die hellen Sportplätze eine<br />
kritische Verarbeitung eigener Erfahrungen<br />
sind. Das ist alles ziemlich verrätselt.<br />
Norbert Bunge zieht für seine<br />
Galerie argus fotokunst eine gradlinige<br />
Erzählweise vor. Er hat im riesigen<br />
Archiv des eben 80 gewordenen Will<br />
McBride gestöbert und eine wunderbar<br />
lebendige Serie gefunden, die der Fotograf<br />
1956 (!) in einer einzigen Straße in<br />
Florenz aufgenommen hat, der Via di<br />
Camaldoli. Da war der gebürtige Amerikaner<br />
von München mit dem Fahrrad<br />
hingeradelt, Jahre bevor seine Karriere<br />
bei twen, Stern, Geo und Life begann.<br />
Er erinnert sich: »Die Straße war eine<br />
einzige Bühne, ein Straßendrama voller<br />
Gestik und Geschrei… Die Filme liefen<br />
durch meine Leica wie der Wein durch<br />
die Kehle«. Auf meine törichte Frage, ob<br />
das Drucke seien, rief Norbert Bunge<br />
© Will McBride<br />
gekränkt: »Ich stelle keine Drucke aus!<br />
Das sind alles Barytabzüge des Fotografen«.<br />
Ein hehres Prinzip in unserer Welt<br />
der schnellen Bilder.<br />
Die von Schink beschworene Aura eines<br />
Bildes hängt ja auch mit dem Bildgedächtnis<br />
des Betrachters zusammen.<br />
Das fiel mir auf bei Dana Gluckstein im<br />
Willy-Brandt-Haus. Ihr Thema: »Dignity<br />
– Die Würde des Menschen«, Anlass:<br />
Der 50. Geburtstag von Amnesty International.<br />
Gluckstein hat wunderbare<br />
Porträts vor allem in Afrika und Südamerika<br />
gemacht. Doch das gewollte<br />
Gute macht sich leicht verdächtig, wie<br />
das zu Kolonialzeiten der Fall war. Da<br />
war es das voyeuristische Interesse der<br />
Europäer am Exotischen.<br />
Glucksteins Blick ist ein anderer, ein<br />
weiblicher zumal. Aber es ist auch der<br />
einer amerikanischen Starfotografin, die<br />
an Werbung und Glamour geschult ist.<br />
Sie inszeniert ihre Menschen vor neutralem<br />
Hintergrund, nicht in ihrem Lebensraum.<br />
Das wirkt bei einigen zu plakativ,<br />
andere sind bewegend lebendig wie bei<br />
einem Schnappschuss.<br />
Die räumliche Begrenzung eines Ateliers<br />
zwingt den Fotokünstler zu besonderer<br />
schöpferischer Bemühung, weil er<br />
sich nicht auf ein vorgefundenes Ambiente<br />
stützen kann. Er muss die eigene<br />
Persönlichkeit stärker einbringen und<br />
seine Stars vor der Linse mehr fordern.<br />
Gerhard Kassner (Photoplatz im Hotel<br />
© Dana Gluckstein<br />
Galeriebericht<br />
Bogotá) hat von 2003 bis 2010 im Auftrag<br />
der Biennale alle fotografiert, die<br />
in der Filmbranche Rang und Namen<br />
haben, sehr nahe, sehr perfekt, mit<br />
großer Achtsamkeit. Tilda Swinton hat<br />
er mit unterschiedlichem Outfit dreimal<br />
vor der Linse gehabt, 2005, 2008 und<br />
2009. Ihr Ausdruck ist auf den Bildern<br />
merkwürdigerweise so gleich, dass sie<br />
wie unmittelbar hintereinander entstanden<br />
wirken.<br />
Das könnte Jim Rakete nicht passieren.<br />
Die Kunsthalle Koidl zeigte von<br />
ihm zur Berlinale 87 aufregende Inszenierungen<br />
mit den Protagonisten<br />
der deutschen Filmlandschaft, jeweils<br />
ergänzt mit den Utensilien ihrer Rolle<br />
oder Tätigkeit. Die großen, kraftvollen<br />
Bilder sprangen den Betrachter an<br />
von den hohen Wänden des ehemaligen<br />
Charlottenburger Umspannwerks,<br />
voller Leben, voller Witz und Charme.<br />
Der Berliner würde sagen: Da ist Musike<br />
drin! Und das ist kein Wunder, denn Jim<br />
Rakete hat viele bekannte Musiker als<br />
Produzent betreut und unbekannte mit<br />
seinen Fotos bekannt gemacht.<br />
Schön, dass es solche einsamen Höhepunkte<br />
gibt. In der Bildsprache wird<br />
sonst heutzutage zuviel gequatscht und<br />
zu wenig gesprochen.<br />
Klaus Rabien<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
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