brennpunkt 2-2011 .indd - Edition dibue
brennpunkt 2-2011 .indd - Edition dibue
brennpunkt 2-2011 .indd - Edition dibue
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ennpunkt<br />
2/<strong>2011</strong> 4,00 Euro Magazin für Fotografie<br />
April <strong>2011</strong> bis Juni <strong>2011</strong><br />
Galerien • Buchbesprechungen • Fotoszene<br />
Portfolio Miriam Tamayo
2 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
FÜR ORIGINALE<br />
„Ich fotografiere für den Fine Art Druck. Erst die Kombination von hochwertigen traditionellen<br />
Büttenpapieren und modernster Drucktechnik bringt die sinnliche Qualität meiner Bilder optimal<br />
zur Geltung.“ Manfred Kriegelstein Die Digital FineArt Collection bietet exklusive Künstlerpapiere<br />
mit edler Haptik und bestechender Optik für den Inkjetdruck. Brillante Schwarz-Weiß-Aufnahmen<br />
oder subtile Farbfotografie werden dank unserer feinen Papiere der Individualität Ihrer Kunstwerke<br />
mehr als gerecht. Mehr Papierkunst unter www.hahnemuehle.de<br />
P A P I E R E M I T M U S E U M S Q U A L I T Ä T, A L T E R U N G S B E S T Ä N D I G U N D M E H R F A C H P R Ä M I E R T .
Impressum:<br />
<strong>brennpunkt</strong><br />
Magazin für Fotografie<br />
Erscheint vierteljährlich,<br />
erhältlich in Fotogalerien,<br />
Geschäften, Buchhandlungen<br />
und über Abonnement.<br />
Jahresabo 13,50 Euro<br />
Einzelpreis 4,00 Euro<br />
Konten:<br />
Postbank Berlin<br />
Konto-Nr. 3751 06-104<br />
BLZ 100 100 10<br />
Redaktionsschluss:<br />
jeweils am 10. vor dem Erscheinungsmonat<br />
Herausgeber:<br />
edition buehrer<br />
c/o Dietmar Bührer<br />
Odenwaldstraße 26<br />
12161 Berlin<br />
Telefon u. Telefax: (0 30) 8 53 35 27<br />
e-Mail: buehrer-berlin@t-online.de<br />
e-Mail: brennp@web.de<br />
Internet: http://www.edition-<strong>dibue</strong>.de<br />
Copyright bei <strong>Edition</strong><br />
Druck:<br />
schöne drucksachen<br />
Bessemerstraße 76a, 12103 Berlin<br />
ISSN 0932-7231<br />
Redaktion:<br />
Dietmar Bührer V.i.S.d.P.<br />
Michael Gebur<br />
Klaus Rabien<br />
Manfred Kriegelstein<br />
Hinweis:<br />
Für unverlangt eingesandte<br />
Manuskripte und Fotografien<br />
wird keine Haftung übernommen.<br />
© RUSSEL JAMES, »Emanuela«,<br />
Necker Island, 2010<br />
In eigener Sache ....................................................................................................................... 5<br />
Galerien<br />
� Karl Ludwig Lange ............................................................................................................. 6<br />
� Dirk Hasskarl »one man´s trash is another man´s treasure« .................................................. 7<br />
� Das XX. Jahrhundert ............................................................................................................ 8<br />
� YTO BARRADA ................................................................................................................... 9<br />
� Alice Springs ........................................................................................................................ 10<br />
� Daniel Sebastian Schaub »Authentische Räume« ................................................................. 11<br />
� Max Scheler ........................................................................................................................ 12<br />
� Gerhard Kassner »Berlinale Porträts« ................................................................................... 14<br />
� Hein Gorny, Adolph C. Byers, Friedrich Seidenstücker ........................................................ 15<br />
� Abschlussarbeiten der Fotoklasse 25 ................................................................................... 16<br />
� Margareta Broich »Wenn der Vorhang fällt« ........................................................................ 18<br />
� KARIN SZÉKESSY »LES FILLES DANS L`ATELIER« ................................................................. 19<br />
� Amin El Dib »empty rooms« ................................................................................................ 20<br />
� Knut Wolfgang Maron »Dakota -Bar, Barns and rotten cars« ................................................ 21<br />
� Stefanie Seufert »Photographische Aggregatzustände« ......................................................... 22<br />
� Manfred Paul »Fotografien« ................................................................................................. 24<br />
� Clemens Kalischer »Country Road« ..................................................................................... 25<br />
� Just Loomis »As we are« ...................................................................................................... 26<br />
� Stefan Heyne »Woran denkst Du?« ...................................................................................... 27<br />
� Henrik Isaksson Garnell »Apsis« .......................................................................................... 28<br />
� Die Mauer–Leben mt der Mauer .......................................................................................... 29<br />
� Max Scheler »Photographien« ............................................................................................. 30<br />
� Birgit Kleber »Photographien« ............................................................................................. 31<br />
� World Press Photo 11 .......................................................................................................... 32<br />
� Micha Bar-Am »Israel« ......................................................................................................... 33<br />
� Ingo Kuzia, Akira Nakao »Stadtlandschaft Berlin« ................................................................ 34<br />
� Jacques H. Sehy »Lichtzeichnungen« ................................................................................... 34<br />
� Rüdiger Lubricht »Verlorene Orte / Gebrochene Biografien« ............................................... 35<br />
� RUSSEL JAMES .................................................................................................................... 36<br />
� Alfred Ehrhardt im Bildarchiv »Volk und Welt« .................................................................... 38<br />
� Cornelia Janetscheck von Vietinghof »Marie« ...................................................................... 39<br />
� Marikel Lahana »Nobody knows« ........................................................................................ 40<br />
� Sibylle Mundt, Claudia Prokop, Michael Magdeburg .......................................................... 41<br />
� Wolfgang Scholvien »Michael Schumacher« ........................................................................ 44<br />
Galeriebesprechungen<br />
� Lebens Räume (Klaus Rabien) ............................................................................................. 42<br />
Ausstellungen in Berlin ............................................................................................................. 45<br />
Ausstellungen<br />
� Martin Munkacsi »Think white you shoot« ........................................................................... 46<br />
� Thomas Lüttge, Hugo Jaeggi ................................................................................................ 47<br />
� Nadar Kander »Yangtze–The Long River« ............................................................................ 48<br />
Fotoszene<br />
� Amin El Dib »Autonome Bilder« .......................................................................................... 49<br />
� Das Plagiat (Manfred Kriegelstein) ....................................................................................... 60<br />
Portfolio<br />
� Miriam Tamayo .................................................................................................................... 50<br />
Buchbesprechungen<br />
� Die Tricks der Photoshop-Profis ......................................................................................... 61<br />
� Scott Kelbys Ligthtroom 3 ................................................................................................... 61<br />
� Das Photoshop-Buch, People & Porträt .............................................................................. 61<br />
Vorschau 3-<strong>2011</strong> ...................................................................................................................... 62<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
3
Rede anlässlich der Verleihung des Verdienstkreuzes<br />
am Bande des Verdienstordens<br />
der Bundesrepublik Deutschland<br />
an Herrn Dietmar Bührer am<br />
7. Februar <strong>2011</strong><br />
Sehr geehrter Herr Bührer, sehr geehrte<br />
Angehörige und Freunde von Herrn Bührer,<br />
es ist – auch für mich – ein besonderes<br />
Ereignis, ein Verdienstkreuz zu übergeben<br />
und so freue ich mich sehr, dass ich<br />
Ihnen, sehr geehrter Herr Bührer, heute<br />
im Auftrag des Herrn Bundespräsidenten<br />
das Verdienstkreuz am Bande des<br />
Verdienstordens der Bundesrepublik<br />
Deutschland überreichen darf.<br />
Von Konrad Adenauer stammt der Ausspruch:<br />
»Ehrungen – das ist, wenn die Gerechtigkeit<br />
ihren liebenswürdigen Tag hat«.<br />
Heute ist solch ein »liebenswürdiger« Tag.<br />
Der Bundespräsident hat Ihnen, sehr geehrter<br />
Herr Bührer, das Verdienstkreuz am Bande<br />
verliehen. Damit wird Ihr langjähriges<br />
soziales Engagement zu Recht öffentlich<br />
gewürdigt.<br />
Sehr geehrter Herr Bührer, Sie haben sich<br />
besondere Verdienste durch Ihren beruflichen,<br />
persönlichen und fotografischen<br />
Umgang mit Inhaftierten vor und hinter<br />
den Mauern der Justizvollzugsanstalt Tegel<br />
erworben. Lassen Sie mich daher Ihren<br />
beruflichen Werdegang in der JVA Tegel<br />
und Ihre fotografische Karriere in einigen<br />
Sätzen skizzieren:<br />
Ihre Laufbahn in der JVA Tegel begann am<br />
1. Januar 1990, als Sie als Industriemeister<br />
in der Fachrichtung Druck eingestellt<br />
wurden. Zwei Jahre später absolvierten Sie<br />
die Laufbahnprüfung für den Werkdienst<br />
und waren zunächst als Mitarbeiter und<br />
stellvertretender Leiter der Druckerei, seit<br />
2001 dann bis zu Ihrem Ausscheiden als<br />
Leiter der Druckerei tätig. Dort waren Sie<br />
im Schwerpunkt mit der Ausbildung und<br />
Anleitung der Inhaftierten betraut. Daneben<br />
übernahmen Sie vielfältige Sonderaufgaben<br />
und unterstützten die Anstaltsleitung<br />
umfangreich bei internen Projekten. So<br />
haben Sie zahlreiche öffentlichkeitsrelevante<br />
Unterlagen über den Organisationsentw<br />
icklungsprozess in den Jahren 1995 bis<br />
1999 erstellt und die Broschüren anlässlich<br />
des 100-jährigen Bestehens der JVA Tegel<br />
© Michael Gebur<br />
»Die Berliner Justizsenatorin,<br />
Frau Gisela von der Aue, überreicht Dietmar<br />
Bührer das Verdienstkreuz am Bande«, <strong>2011</strong><br />
durch eigene Fotografien, das Layout oder<br />
beim Druck maßgeblich mit gestaltet.<br />
Darüber hinaus haben Sie am Logo der<br />
Anstaltsbetriebe und der Erstellung von<br />
Produktmappen und Werbebroschüren für<br />
die Produkte der Anstaltsbetriebe im Rahmen<br />
des Projekts »Reorg« mitgearbeitet.<br />
Ihre fotografische Kariere begann indes<br />
schon 20 Jahre früher. Seit 1970 widmen<br />
Sie sich als Autodidakt der Fotografie. Seitdem<br />
haben Sie zahlreiche Einzelausstellungen<br />
durchgeführt und an vielen Gruppenausstellungen<br />
mitgewirkt. Seit 1984 –<br />
und damit seit über einem Vierteljahrhundert<br />
– geben Sie das Fotomagazin »<strong>brennpunkt</strong>«<br />
heraus und haben damit die Berliner<br />
Fotokunstszene bundes- und europaweit<br />
bekannt gemacht. Im selben Jahr – 1984 –<br />
wurden Sie auch in die Gesellschaft für<br />
Photographie berufen. Seit 1987 gehören<br />
Sie als Ehrenmitglied dem Deutschen Verband<br />
für Fotografie an. 4 Jahre später – im<br />
Jahr 1991 – erhielten Sie den Willy-Hengl-<br />
Preis. Zuletzt gewannen Sie beim Fotowettbewerb<br />
der Stiftung „Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus“<br />
mit dem Titel »Die Würde<br />
des Menschen ist unantastbar« den 1. Preis<br />
in der Kategorie »Menschenwürde«.<br />
Die letztgenannte Auszeichnung beweist,<br />
dass ein Foto für Sie mehr ist als nur die<br />
visuelle Nachbildung einer Situation. Sie<br />
zeigt, dass Sie die Fotografie als Kunst verstehen,<br />
mit der Inhalte transportiert werden<br />
können und sollen. Dies findet sich ein-<br />
In eigener Sache<br />
drucksvoll auch in der von Ihnen geschaffenen<br />
künstlerischen Verbindung von Vollzugsalltag<br />
und Fotografie wieder. Sie haben<br />
Ihre Liebe zur Fotografie in bemerkenswerter<br />
Weise mit den Eindrücken Ihres Arbeitsumfeldes<br />
und Ihren persönlichen Erfahrungen<br />
in der Vollzugsanstalt verbunden. Betrachtet<br />
man Ihre Fotografien vom Vollzugsalltag, so<br />
spürt man, dass Sie nicht einfach die fotografische<br />
Linse auf bestimmte Schauplätze<br />
gehalten haben. Vielmehr merkt man Ihren<br />
Bildern mit dankenswerter Klarheit an, dass<br />
Sie genau wissen, was Sie dort fotografiert<br />
haben. Es ist beeindruckend, wie Sie sich<br />
dem schwierigen Thema »Vollzug« aus fotografischer<br />
Perspektive mit großer Sensibilität<br />
gewidmet haben, ohne dass Ihre Bilder<br />
dabei an Realitätsnähe oder Ausdruckskraft<br />
verloren hätten. Besonders anschaulich<br />
wird dies in Ihren Büchern »Zeitgitter/Gitterzeit«,<br />
»Tegelzeit« »Seelsorge im Knast« und<br />
»Zellenstille – Knastgedichte«. Der zuletzt<br />
genannte Bildband enthält neben Fotos aus<br />
dem Vollzugsalltag mehrere Gedichte, die<br />
im Rahmen einer Literaturgruppe mit Inhaftierten,<br />
einer Sozialarbeiterin der JVA Tegel<br />
und Ihnen entstanden sind.<br />
Mit solchen Veröffentlichungen haben Sie<br />
den Justizvollzug auf künstlerische Art in die<br />
Öffentlichkeit gerückt. Im Jahr 2000 haben<br />
Sie zusammen mit anderen Bediensteten der<br />
JVA Tegel an einer Tagung der Evangelischen<br />
Akademie Loccum über künstlerische<br />
Projekte in Vollzugsanstalten teilgenommen<br />
und dabei aus Ihren Werken vorgelesen.<br />
Ihre Publikationen und Lesungen haben<br />
dazu beigetragen, in der Öffentlichkeit<br />
Verständnis für die Situation von Inhaftierten<br />
zu wecken.<br />
Mit Ihrer Arbeit mit Inhaftierten haben<br />
Sie den betreffenden Gefangenen darüber<br />
hinaus dabei geholfen, sich mit ihrer Situation<br />
bewusst auseinanderzusetzen, ihre<br />
Fähigkeiten auf einem bisher meist unbekannten<br />
Gebiet zu entdecken und positiv<br />
einzusetzen. Damit haben Sie für die Gefangenen<br />
eine neue Tür geöffnet und einen wertvollen<br />
Beitrag auf dem Gebiet der Resozialisierungsarbeit<br />
geleistet. Sehr geehrter Herr<br />
Bührer, Sie haben Mut bewiesen, mit Menschen<br />
zu arbeiten, die keine Lobby haben,<br />
und zwar in einem Maß, das über Ihre rein<br />
beruflichen Verpflichtungen weit hinausging.<br />
Hiefür möchte ich Ihnen heute meinen<br />
besonderen Dank und meine Anerkennung<br />
aussprechen.<br />
Gisela von der Aue<br />
Justizsenatorin<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
5
Galerien<br />
Karl-Ludwig Lange<br />
»Von den Brücken:<br />
Stadtautobahnen und<br />
Eisenbahnanlagen«<br />
Westberlin 1973 – 1988<br />
Karl-Ludwig Lange, 1949 in Minden<br />
geboren, kam 1967 nach Berlin, erhielt<br />
eine Fotografenausbildung und begann<br />
1973, die Stadt zu fotografieren.<br />
In der Kommunalen Galerie Berlin<br />
werden nun zwei Werkkomplexe aus<br />
dem Westberlin der Jahre 1973-1988<br />
vorgestellt: Gleisanlagen und Schnellstrassen,<br />
jeweils von den Berliner Brücken<br />
aus gesehen.<br />
Es sind für Lange auch Geschichtsorte.<br />
Die Gleisanlagen stehen für Waren-<br />
Umschlag und sind ein Symbol für die<br />
Industriestadt Berlin, aber sie waren<br />
auch Ausgangspunkt für den Transport<br />
von Juden in die Vernichtung.<br />
Schnellstrassen – entlang der Bahntrassen<br />
gebaut! – waren der trotzige Versuch,<br />
die Inselstadt mit der Entwicklung<br />
im Westen Schritt halten zu lassen, was<br />
uns heute bekanntlich zu Gute kommt.<br />
Von Anfang an fotografierte Karl-<br />
Ludwig Lange in Zyklen und war<br />
auf Vollständigkeit bedacht. Um das<br />
jeweilige Stadtbild umfassend zu<br />
würdigen, entwickelte er seine Art von<br />
Panoramen, nämlich zwei, drei oder<br />
mehr Aufnahmen einer Stadtansicht<br />
von unterschiedlichen Standorten<br />
zu machen, mit Lücken und auch<br />
Überschneidungen, gegebenenfalls in<br />
unterschiedliche Himmelsrichtungen.<br />
Dies ergibt eine dynamische Darstellung,<br />
die es dem Betrachter erlaubt, in den<br />
Bildern auf Entdeckungsreise zu gehen,<br />
unterstützt von der Präzision und dem<br />
Detailreichtum auf den Fotografien.<br />
Er kann wahrlich den Blicken des<br />
Künstlers folgen und eine Zeitreise<br />
unternehmen.<br />
. Hansgert Lambers<br />
www.kultur.charlottenburgwilmersdorf.de<br />
www.kommunalegalerie-berlin.de<br />
6 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Karl-Ludwig Lange, »Wilmersdorf, Blick von der Paulsborner Brücke gen Halensee«, 1985<br />
© Karl-Ludwig Lange, »Stadtautobahn«, 1985<br />
bis 24. April <strong>2011</strong><br />
Kommunale Galerie Berlin<br />
Hohenzollerndamm 176<br />
10713 Berlin-Wilmersdorf<br />
Di – Fr 10 – 17 Uhr<br />
Mi 10 – 19 Uhr<br />
So 11 – 17 Uhr
Dirk Hasskarl<br />
»one man’s trash<br />
is another man’s<br />
treasure«<br />
photographs & short clips 2004-<strong>2011</strong><br />
Endlich einmal wieder lässt uns der Berliner<br />
Fotokünstler, Musiker und Kürzestfilmemacher<br />
Dirk Hasskarl einen Blick<br />
in seine Schatzkammer werfen. Die<br />
Galerie pixel:grain zeigt fünf Bildstorys<br />
und einen visuellen Roman von Hasskarl.<br />
Arbeiten, die allesamt als Schnappschüsse<br />
einer konträren Weltgleichzeitigkeit<br />
funktionieren und in ihrer intellektuellen<br />
Originalität verzaubern.<br />
Dabei stehen Hasskarls Werke in einem<br />
Spannungsverhältnis, das uns schon im<br />
Titel der Ausstellung anspringt: »Dein<br />
Müll ist mein Schatz. Mein Schatz ist<br />
dein Müll«.<br />
Der Betrachter entscheidet: Trash oder<br />
Treasure?<br />
Im Bildarrangement »mekong vs. thuringia«<br />
begegnen sich mitteldeutsche und<br />
asiatische Fauna in einem nie gesehenen<br />
fotografischen Wettstreit. Im Beuysschen<br />
Sinne zeigen die Pflanzen ihre<br />
Wunden. Sie offenbaren sich in ihrer<br />
Verletzlichkeit und fordern von uns:<br />
Respekt statt Kettensäge!<br />
Seltsame, hochpolitische Fischwesen<br />
treffen wir in den beiden Bildtafeln<br />
»greed & flow«. Goldfische gierig. Goldfische<br />
strömend. Wir sehen Fischwesen,<br />
die die Transformation gepackt haben.<br />
Weg von der Gier (greed), hin zum Strömen,<br />
zum Fließen (flow). Das ist Hasskarls<br />
poetische Gesellschaftskritik: »Vergiss<br />
die Gier. Lass es fließen. Und alles<br />
wird gut«.<br />
In den großformatigen an Altarbilder<br />
gemahnenden Tafeln von »confessions«<br />
beichten, gestehen, berichten Menschen<br />
als Schattenrisse. Fast erscheinen<br />
sie uns als überindividuelle Wesenheiten,<br />
die den Betrachter an die eigenen<br />
Leichen im Seelenkeller gemahnen:<br />
Erzähl uns dein Geheimnis!<br />
In seiner Videoinstallation nähert sich<br />
Hasskarl schließlich der visuellen Langform,<br />
dem absurden Bildroman.<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
© Dirk Hasskarl, »Greed«, 2009, (Original in Farbe), 150x100 cm, Archival Pigment Print, <strong>Edition</strong><br />
© Dirk Hasskarl, »Thuringia vs. Mekong #2«,<br />
(Polyptychon), 2009, 60x45 cm, (Original in<br />
Farbe)<br />
Verdichtet, ja geradezu eingedampft,<br />
fasst er das alltägliche Welttheater des<br />
Globus in hochkomische Kürzestfilme.<br />
Nihilistisch rauschen an uns vorbei:<br />
amerikanische Güterzüge, sizilianische<br />
Blaskapellen, strömendes Chiemseewasser,<br />
thailändisches Trash-TV ...<br />
Wir erfahren und lernen: Film ist mehr<br />
als Hollywood und Berliner Schule. Film<br />
kann aufregendes, humoriges, abgründiges,<br />
visuelles Experiment sein.<br />
Fazit: Hasskarls Arbeiten sind im besten<br />
aller Sinne originell. Sie sind einmalige<br />
Wachpillen für Herz und Hirn. Wer sich<br />
ihnen öffnet, erfährt Momente bildhafter<br />
Offenbarungen. Also: Treasures!<br />
Matthias Herrmann, Limburg, <strong>2011</strong><br />
Eröffnung:<br />
Donnerstag, den 5. Mai <strong>2011</strong>,<br />
um 18 Uhr<br />
© Dirk Hasskarl, »Wired (01)«, Panjim, India<br />
2010, 80x57 cm, (Original in Farbe)<br />
6. Mai bis 15. Juni <strong>2011</strong><br />
Galerie: pixelgrain<br />
Rosenstraße 16/17<br />
10178 Berlin-Mitte<br />
Mo – Fr 10 – 19 Uhr<br />
Sa 14 – 19 Uhr<br />
7
Galerien<br />
Das XX. Jahrhundert<br />
– Menschen – Orte –<br />
Zeiten<br />
Zwei Jahrzehnte<br />
Fotosammlung<br />
am Deutschen<br />
Historischen Museum<br />
Seit zwanzig Jahren sammelt das Deutsche<br />
Historische Museum Fotografien<br />
zur Zeitgeschichte und zum Alltagsleben.<br />
Teilnachlässe von Fotografen und<br />
Bildagenturen konnten gekauft oder<br />
auch als Schenkungen übernommen<br />
werden. Neben diesen Erwerbungen<br />
und Übernahmen hat das DHM künstlerisch<br />
ambitionierte Fotografie gesammelt.<br />
So gelang es im Jahr 2007 das<br />
Archiv des »Jurypreis Junger Bildjournalismus«<br />
mit über 400 prämierten Arbeiten<br />
zu übernehmen, der alle zwei Jahre<br />
zwischen 1992 und 2002 stattfand. Seit<br />
2009 befinden sich auch die Arbeiten<br />
aller Preisträger des »Deutschen Jugendfotopreises«<br />
ab 1960 bis heute als Dauerleihgabe<br />
in der Sammlung.<br />
Die Ausstellung zeigt in über 250 Motiven<br />
die fotografischen Highlights der<br />
Sammlung von den letzten Jahren des<br />
19. Jahrhunderts bis zum Ende der DDR<br />
1990 in einem chronologischen Überblick.<br />
Die aus den vielen Regalmetern<br />
mit Fotografennachlässen ausgewählten<br />
Fotografien laden zu einem Rundgang<br />
durch die bewegte Geschichte der<br />
letzten 130 Jahre ein. Darüber hinaus<br />
stellen Themen wie Porträt, Sport und<br />
Modefotografie Schwerpunkte der<br />
Sammlung vor.<br />
Der Fotoband »Menschen, Orte, Zeiten.<br />
Fotografie am Deutschen Historischen<br />
Museum« bietet mit 616 Abbildungen,<br />
detaillierten Bestandsangaben und über<br />
hundert Kurzbiografien zu Fotografen<br />
und Agenturen eine Übersicht über die<br />
Sammlung am DHM.<br />
8 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Michael Ruetz, Protestmarsch gegen Fluglärm der Hahn Air Force Base im Hunsrück,<br />
11. Juli 1969, Stiftung Deutsches Historisches Museum<br />
Agentur Puck / Horst Urbschat, Postzustellung im zerstörten Berlin, Herbst 1945<br />
Stiftung Deutsches Historisches Museum<br />
bis 3. Oktober <strong>2011</strong><br />
Deutsches Historisches Museum<br />
Ausstellungshalle von I. M. Pei<br />
Unter den Linden 2<br />
Hinter dem Zeughaus<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
täglich 10 – 18 Uhr
YTO BARRADA<br />
Das Werk Yto Barradas reflektiert die<br />
besondere Situation ihrer Heimatstadt<br />
Tanger. Im Norden Marokkos gelegen,<br />
bildet sie eine Schnittstelle zwischen<br />
arabischer, afrikanischer und europäischer<br />
Kultur.<br />
Yto Barradas, (* 1971), 2010<br />
© Benoît Peverelli (Original in Farbe)<br />
Die Motive von Barradas meditativen<br />
Fotoarbeiten, Filmen und Installationen<br />
schärfen das Bewusstsein für den<br />
Wandel, der diese Region prägt: die sich<br />
beständig verschiebenden Grenzen in<br />
Kultur, Wirtschaft und Politik. Zugleich<br />
untersucht sie, welche Auswirkungen<br />
diese Veränderungen auf den urbanen<br />
Raum und die einheimische Pflanzenwelt<br />
haben. Im Zuge ihrer Auseinandersetzung<br />
mit dem Stellenwert von<br />
Bildern in einer postkolonialen Welt,<br />
engagiert sich Barrada als Mitbegründerin<br />
und Direktorin für die Cinémathèque<br />
de Tanger. Ihre Werke wurden in vielen<br />
internationalen Ausstellungen gezeigt,<br />
unter anderem im Museum of Modern<br />
Art (San Francisco und New York), auf<br />
der Biennale in Venedig 2007 und im<br />
Jeu de Paume, Paris.<br />
Die Deutsche Bank präsentiert die<br />
Künstlerin des Jahres <strong>2011</strong>.<br />
© Yto Barradas, »Belvedere 1«, 2001<br />
© Yto Barradas, »Red Walls No 3«, 2010<br />
(Original in Farbe)<br />
htpp://www.deutsche-guggenheim.de<br />
© Yto Barradas, »Ferris Wheel«, 2001<br />
(Original in Farbe)<br />
15. April bis 19. Juni <strong>2011</strong><br />
Deutsche Guggenheim<br />
Unter den Linden 13<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
täglich 10 – 20 Uhr<br />
Montags freier Eintritt<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
9
Galerien<br />
Alice Springs<br />
June Newton hat von 1970 an unter dem<br />
Pseudonym Alice Springs ein eigenständiges<br />
photographisches Werk geschaffen.<br />
Seit 2005 wird es regelmäßig in<br />
wechselnden Ausstellungen der Helmut<br />
Newton Stiftung in »June’s Room« präsentiert.<br />
Die jetzige Retrospektive in<br />
Berlin erlaubt erstmals einen umfassenden<br />
Blick auf das vier Dekaden umspannende<br />
Gesamtwerk; gezeigt werden<br />
Werbe- und Modebilder sowie Aktphotographien<br />
und Porträts.<br />
Am Anfang des eigenen Œuvres stand<br />
eine Grippe ihres Mannes. June Newton<br />
ließ sich von ihm die Handhabung<br />
von Kamera und Belichtungsmesser<br />
erklären und photographierte 1970 in<br />
Paris anstelle des eigentlich gebuchten<br />
Helmut Newton ein Werbebild für<br />
die französische Zigarettenmarke Gitanes.<br />
Das Porträt des rauchenden Models<br />
war der Startschuss für eine neue Karriere.<br />
Anfang der 1970er Jahre photographierte<br />
Alice Springs mehrere Kampagnen<br />
für den französischen Haarstylisten<br />
Jean Louis David; die Werbebilder<br />
erschienen – unter Nennung ihres<br />
Namens – als ganzseitige Anzeigen in<br />
renommierten Modezeitschriften. Und<br />
1974 war das erste Alice-Springs-Motiv<br />
auf dem Cover der französischen Elle<br />
zu sehen.<br />
Ab Mitte der siebziger Jahre kamen zahlreiche<br />
Porträtaufträge hinzu, und so entstanden<br />
teilweise ikonische Aufnahmen.<br />
Die Liste der von Alice Springs porträtierten<br />
Künstler, Schauspieler und Musiker<br />
liest sich wie ein who’s who der internationalen<br />
Kulturszene aus den vergangenen<br />
vierzig Jahren diesseits und jenseits<br />
des Atlantik. Manche Aufnahmen<br />
sind im Auftrag für Zeitschriften zwischen<br />
Paris und Los Angeles entstanden,<br />
andere aus freiem Antrieb.<br />
Alice Springs dokumentiert nicht allein<br />
das Aussehen der Prominenten oder<br />
der namenlosen Zeitgenossen, sondern<br />
fängt deren Ausstrahlung, mitunter<br />
deren Aura ein. Ihren Blick für und<br />
auf die Menschen konzentriert sie meist<br />
auf deren Gesichter; zuweilen fasst sie<br />
sie im engen Bildausschnitt als Brust-<br />
oder Dreiviertelporträt, dann bekom-<br />
10 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Yves Saint Laurent and Hazel, Paris, 1978<br />
© Alice Springs<br />
Brigitte Nielsen and son, Beverly Hills, 1990<br />
© Alice Springs<br />
men auch die Hände eine besondere<br />
Bedeutung. Möglicherweise hilft ihr die<br />
tiefe Kenntnis des Schauspiels, gleichzeitig<br />
auf und hinter die Fassade des<br />
Menschlichen zu schauen. Das gilt insbesondere<br />
für ihre Doppelporträts, in<br />
denen die Interaktion der Protagonisten<br />
– wie auf einer Bühne – geradezu<br />
inszeniert ist.<br />
Gerhard Richter, Bonn, 1987<br />
© Alice Springs<br />
Wir entdecken in den Bildern eine<br />
gewisse Vertrautheit, vermeintlich<br />
zumindest; tatsächlich schwanken sie<br />
zwischen Distanz und Nähe. Es begegnet<br />
uns in ihren subtilen Porträts ebenso<br />
die eitle Pose oder ein natürliches Selbstbewusstsein<br />
wie der schüchterne Blick.<br />
Dramatische Posen sind selten, und<br />
der Arbeitsprozess wird auch nicht von<br />
großen Gesten der Photographin begleitet.<br />
Ihre Bildnisse werden zu visuellen<br />
Kommentaren, zu Interpretationen der<br />
Dargestellten.<br />
Matthias Harder<br />
bis 15. Mai <strong>2011</strong><br />
Helmut Newton Stiftung<br />
Jebensstraße 2<br />
10623 Berlin-Charlottenburg<br />
Di – So 10 – 18 Uhr<br />
Do 10 – 22 Uhr
Daniel Sebastian<br />
Schaub<br />
»Authentische Räume«<br />
Daniel Sebastian Schaubs aktuelles Projekt<br />
»Authentische Räume« zeigt Ladengeschäfte<br />
für Waren und Dienstleistungen.<br />
In abgekoppelten und entlegenen<br />
Stadträumen entstanden Ladengeschäfte<br />
mit einer besonderen Gestaltungsweise<br />
und einer hohen Ausdruckskraft.<br />
Fernab der gängigen Logik permanenter<br />
Veränderung haben diese Orte<br />
einen Platz im urbanen Raum eingenommen<br />
und ihre Anwesenheit über lange<br />
Zeit gesichert. Gerade ihre besondere<br />
Lage macht es möglich, dass sie eine<br />
authentische Wirkung und eine starke<br />
Unmittelbarkeit entfalten können. Auf<br />
Grund ihrer hohen Individualität sind<br />
sie unverwechselbar und symbolisch<br />
höchst wertvoll.<br />
Die aktuellen Aufwertungstendenzen<br />
in marginalisierten Stadtlagen erzeugen<br />
jedoch erhebliche Veränderungen und<br />
führen langfristig zum Verschwinden<br />
dieser bedeutsamen Orte und der damit<br />
zusammenhängenden Milieustrukturen.<br />
Hierdurch reduziert sich nicht nur das<br />
breite Spektrum an individuellen Ladengeschäften<br />
für Waren und Dienstleistungen<br />
sowie die Differenziertheit an stadträumlich<br />
interessanten Orten, sondern<br />
auch die Vielfalt an sozialen Lebensformen<br />
und Seinsweisen.<br />
Biografie<br />
Daniel Sebastian Schaub.<br />
Seit 2001 in Berlin lebend.<br />
Geboren 1981 in Kehl.<br />
Studium der Soziologie.<br />
Studium der Fotografie.<br />
Freischaffender Künstler.<br />
Kontakt<br />
Telefon: 030-895 688 04<br />
Mobil: 0151-144 348 36<br />
info@transformationselder.de<br />
www.transformationsfelder.de<br />
© Daniel Sebastian Schaub<br />
© Daniel Sebastian Schaub<br />
bis 22. Mai <strong>2011</strong><br />
Cafe Aroma Photogalerie<br />
Hochkirchstraße 8<br />
10829 Berlin-Schöneberg<br />
Mo – Fr 18 – 24 Uhr<br />
Sa – So 14 – 24 Uhr<br />
und nach Vereinbarung<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
11
Galerien<br />
Max Scheler<br />
Mit Schelers Blick auf die Welt bleibt<br />
das damals lebendig<br />
Immer wieder zog es den Photographen<br />
Max Scheler ins Ausland. Seinem<br />
sicheren gesellschaftlichen Auftreten,<br />
seiner Vielsprachigkeit und seiner<br />
grundsätzlichen Neugier auf die Welt<br />
verdankte er das Privileg, dass ihn die<br />
Verantwortlichen der Magazine überall<br />
auf der Welt einsetzten. So hat Scheler,<br />
gemessen an den wenigen Jahren<br />
seines photographischen Schaffens, ein<br />
Werk hinterlassen, das zu den bedeutendsten<br />
der Nachkriegszeit gehört. Es<br />
verbindet Tagesaktualität mit langfristig<br />
angelegten Bildessays, und hinter<br />
der Dokumentation steckt gelegentlich<br />
auch Interpretation.<br />
Zunächst geschult an der Bildsprache<br />
von Herbert List, der für ihn seit den<br />
1940er Jahren eine Art Vaterrolle übernommen<br />
hatte, begann Scheler nach<br />
ein paar Semestern Studium der Kunstgeschichte<br />
und Literatur um 1950 mit<br />
der eigenen Photographie und assistierte<br />
List bei der Dunkelkammerarbeit.<br />
Eine professionelle Ausbildung<br />
zum Photographen hatte Scheler nicht,<br />
aber auch List und einige von Schelers<br />
gleichaltrigen Kollegen waren Autodidakten.<br />
Anfang der fünfziger Jahre entstanden<br />
erste Aufnahmen, die bereits<br />
den eigenen Stil vorbereiteten. Gelegentlich<br />
ging die Rolleiflex auch von<br />
Hand zu Hand, wie man anhand einiger<br />
Kontaktbögen sehen kann, so dass<br />
man heute nicht mehr mit Sicherheit<br />
sagen kann, wer bei manchen Aufnahmen<br />
definitiv der Bildautor war, Scheler<br />
oder List. Dieser befand sich seinerzeit<br />
auf dem Zenit seiner Karriere,<br />
auch wenn die meisten Bücher über<br />
sein photographisches Werk erst später<br />
erscheinen sollten, posthum veröffentlicht<br />
von Max Scheler.<br />
Die Mittelformatkamera Rolleiflex<br />
tauschte Scheler jedoch bald gegen<br />
die leichtere und schnellere Leica ein.<br />
1953 entstand ein Schlüsselbild für<br />
beider Werk, dass das Lehrer-Schüler-Verhältnis<br />
aufbrach: List photographierte<br />
im römischen Trastevere, wo er<br />
den inzwischen weltgewandten Max<br />
12 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Max Scheler, »Imbissstube an der Karl-Marx-Allee«, Ost-Berlin 1963<br />
Scheler besuchte, vorbeieilende Passanten<br />
auf der Piazza vor dem Haus; »Blick<br />
aus dem Fenster« wurde zum deskriptiven<br />
Titel der Serie. Erstmals benutzte List<br />
eine Kleinbildkamera, Schelers Leica,<br />
inklusive Teleoptik.<br />
Ein Jahr zuvor traf der erst 24jährige Scheler<br />
in Paris Robert Capa und wurde Junior-<br />
Mitglied der legendären Photographenkooperative<br />
Magnum. Dadurch war er<br />
bei den ganz Großen angekommen,<br />
und so veröffentlichte er seine Momentaufnahmen<br />
auch in LOOK und LIFE.<br />
Zuhause in Deutschland entwickelte<br />
Scheler seinen kritischen Blick: Bilder<br />
aus dieser Zeit zeigen weniger die Verheißungen<br />
des Wirtschaftswunders als<br />
vielmehr die harte Arbeit der Werktätigen,<br />
in den Stahlwerken im Ruhrgebiet<br />
oder den Bergwerken im Saarland.<br />
Das Amerika der fünfziger Jahre wirkte<br />
auf Scheler wie eine Befreiung. Für ihn<br />
war die »Neue Welt«, was für List Griechenland<br />
war: Flucht- und Sehnsuchtsort.<br />
Aus den USA berichtete Scheler über<br />
die unterschiedlichsten Themen, über<br />
Armut und Reichtum, von der Bigotterie<br />
der Weißen und dem Stolz der Schwarzen,<br />
vom hegemonialen Anspruch der<br />
Militärmacht und den vergessenen Indianern<br />
in den Reservaten. Scheler war<br />
ein begeisterter Anhänger des »American<br />
Way of Life«, und das zu einer Zeit,<br />
als andere das Land des »Kalten Krieges«<br />
beschuldigten und wegen der Brutalität<br />
der amerikanischen Soldaten in Vietnam<br />
heftig kritisierten. Doch auch er zeigte<br />
nicht nur die Sonnenseiten, sondern<br />
© Max Scheler, »Retusche«, Peking 1967<br />
auch deren Schatten. Amerikanische<br />
Politiker gehören zu Schelers bekanntesten<br />
Motiven, so porträtierte er John<br />
F. Kennedy während seiner kurzen Präsidentschaft<br />
im »Oval Office« des Weißen<br />
Hauses, und er photographierte<br />
dessen Trauerfeier und Beisetzung nur<br />
einige Monate später, im November<br />
1963. Immer wieder taucht auch die<br />
damalige »First Lady«, Jacqueline Bouvier<br />
Kennedy, in seinen Bildern auf. Sie<br />
wurde gleich nach dem Amtsantritt von<br />
»JFK« in vielen Medien zur Stilikone und<br />
durch ihre Heirat mit Aristoteles Onassis<br />
1968 zu »Jackie O.«, einer Kultfigur
© Max Scheler, »Jackie und John F. Kennedy erwarten Hassan II von Marokko«, Washington 1963<br />
© Max Scheler, »Atombunker zu verkaufen«, Los Angeles 1961<br />
des internationalen Jet-Set. Schelers<br />
Doppelporträt von Kennedy und seiner<br />
Frau im Profil, 1963 in Washington entstanden,<br />
wurde später zu einer Ikone im<br />
eigenen Werk. Auch die Wahlkämpfe<br />
im Jahr 1964, Barry Goldwater gegen<br />
Lyndon B. Johnson, und vier Jahre später,<br />
Richard Nixon gegen Hubert Humphrey,<br />
begleitete Scheler für den Stern<br />
mit seiner Kamera.<br />
Schelers Photographien blieben stets<br />
diskret, gelegentlich begleitet von einem<br />
melancholischen Unterton; sie zeigen<br />
die Zeitgenossen mit einer Mischung<br />
aus Zurückhaltung, Bewunderung und<br />
Respekt. Es sind anrührende, amüsante,<br />
überraschende und im besten Sinne<br />
unterhaltsame Geschichten. Doch auch<br />
um die Krisenregionen machte er keinen<br />
Bogen, ganz im Gegenteil: Scheler reiste<br />
bereits 1956 nach Ägypten während der<br />
Suez-Krise, wo sein enger Freund David<br />
»Chim« Seymour zeitgleich erschossen<br />
wurde. Im Jahr zuvor hatte er auch die<br />
Quemoy-Krise photographisch begleitet,<br />
insbesondere die Evakuierung der<br />
Inselbevölkerung durch amerikanische<br />
Kriegsschiffe. So waren es nicht nur<br />
gesellschaftliche, sondern auch politisch-brisante<br />
Themen, die sein viel-<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
schichtiges Gesamtwerk prägen. Das<br />
Festland-China bereiste Scheler für den<br />
Stern 1967 – zu Beginn (und anlässlich)<br />
der so genannten Kulturrevolution.<br />
Auf dieser Reise ins »Reich der Mitte«<br />
wurden ihm »Aufpasser« an die Seite<br />
gestellt, die peinlich genau darauf achteten,<br />
dass der westliche Besucher nicht<br />
etwas aufnahm, das der chinesischen<br />
Propaganda widersprach. Doch Scheler<br />
war nicht offiziell als Photograph im<br />
Lande, sondern inoffiziell als Tourist;<br />
und so gelang es ihm, Bilder zu machen,<br />
die auch den ungeschönten Alltag zeigten:<br />
alte Männer in den Straßen oder<br />
vor Tempeln, spielende Kinder oder<br />
auch eine Gruppe von missgelaunten<br />
Frauen, die alle die gleiche Mao-Gipsbüste<br />
präsentieren. Scheler konnte sich<br />
und seinen Stil grundsätzlich der Situation<br />
und dem Auftrag anpassen, ohne<br />
sich von den herrschenden Regeln einengen<br />
zu lassen.<br />
Es waren die Photojournalisten, die<br />
den Menschen die Welt durch die<br />
Illustrierten bis ins Wohnzimmer<br />
brachten. Dieser aufklärerische und<br />
humanitäre Impuls war typisch für<br />
Scheler; und ab Mitte der Siebzigerjahre<br />
hat er als Bildchef zunächst von<br />
GEO, später von Merian der nächsten<br />
Photographen-Generation die Chance<br />
gegeben, im Auftrag der Magazine<br />
zu reisen. Schelers eigene Bilder<br />
erzählen von den großen menschlichen<br />
Emotionen, von Freunde und Trauer,<br />
Begeisterung und Verzweiflung; sie<br />
lassen das Damals lebendig werden.<br />
Was er in dem Vierteljahrhundert als<br />
aktiver Photograph geschaffen hat, ist<br />
einzigartig.<br />
Matthias Harder<br />
31. Mai bis 31. Juli <strong>2011</strong><br />
Willy-Brandt-Haus<br />
Stresemannstraße 28<br />
10963 Berlin-Kreuzberg<br />
Di – So 12 – 18 Uhr<br />
13
Galerien<br />
Gerhard Kassner<br />
»Berlinale Portraits«<br />
2003 – 2010<br />
Das Leben ist kurz und jede Minute<br />
zählt. Besonders, wenn man weltberühmte<br />
Stars vor der Linse hat...<br />
Seit 2003 lichtet der Berliner Fotograf<br />
Gerhard Kassner (*1959) nationale und<br />
internationale Celebrities des Berlinale<br />
Wettbewerbs und des Panoramas ab.<br />
Jahr um Jahr entstehen so neue intime,<br />
eindringliche und manchmal auch witzige<br />
Porträts. Großformatige Momentaufnahmen<br />
für die Ewigkeit.<br />
Mit ca. 35 Fotografien aus den Jahren<br />
2003 – 2010 präsentiert das Hotel Bogota<br />
einen kleinen Auszug aus Kassners Portfolio<br />
und stimmt auf die diesjährigen 61.<br />
Internationalen Filmfestspiele in Berlin<br />
ein. Zwar fernab des roten Teppichs,<br />
aber mit derselben Intensität und erhöhten<br />
Konzentration im Blick »begegnen«<br />
wir Nicole Kidman, den Rolling Stones,<br />
Jack Nicholson und Kate Winslet, Seite<br />
an Seite mit Doris Dörrie, Martin Scorsese<br />
und Madonna.<br />
Parallel zum Auftakt der Kosslick-Ära<br />
hatte Gerhard Kassner 2003 begonnen,<br />
die erst in diesem Jahr verfügbare,<br />
hochauflösende Digitaltechnik einzusetzen,<br />
welche das bis dahin genutzte<br />
Polaroidverfahren ablöste, und größere<br />
Portraits möglich machte. In einheitlichem<br />
Stil, auf einer Größe 80 x 120 cm<br />
und mit freundlicher Unterstützung von<br />
Canon, fertigt Kassner 3x täglich, immer<br />
vor der jeweiligen Pressekonferenz, die<br />
Portraits an.<br />
Sein Studio befindet sich in der VIP-<br />
Lounge, die im Pressezentrum des<br />
Grand Hyatt ist. Nach der Begrüßung,<br />
Make-up Auffrischung und ein wenig<br />
Smalltalk bleiben oftmals nur 1 - 3<br />
Minuten, um den Star und dessen Aura<br />
einzufangen. Bei der wenige Stunden<br />
später stattfindenden Filmpremiere geht<br />
es über den roten Teppich zum Signieren<br />
der Bilder. Anschließend werden<br />
14 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Gerhard Kassner vor seinen Portraits, Berlinale Palast, 2007, Foto: Dirk Michael Deckbar<br />
Schauspielerin Sarah Polley, Berlinale Portrait 2010, Potsdamer Platz, Foto: Gerhard Kassner<br />
diese im Berlinale Palast ausgestellt. Auf<br />
diese Art entstehen jedes Jahr zwischen<br />
100 und 120 Portraits, welche sich auf<br />
die fünf Etagen des Berlinale Palastes<br />
verteilen.<br />
www.bogota.de<br />
bis 11. April <strong>2011</strong><br />
Hotel Bogota<br />
Schlüterstraße 45<br />
10707 Berlin-Charlottenburg<br />
Mo – So 11 – 23 Uhr
Hein Gorny<br />
Adolph C. Byers<br />
Friedrich Seidenstücker<br />
»Hommage à Berlin«<br />
Photographien 1945-1946<br />
Mehr als 65 Jahre später als geplant, im<br />
Mai <strong>2011</strong>, wird das nie realisierte Buchprojekt<br />
»In Memoriam« der Photographen<br />
Hein Gorny (1904 – 1967) und<br />
Adolph C. Byers (1913 - 1974) in Form<br />
einer Ausstellung und einer Publikation<br />
unter dem Titel »Hommage à Berlin« in<br />
der Berliner Collection Regard präsentiert.<br />
1945 hatten sich der deutsche Photograph<br />
Hein Gorny und der US-Amerikaner<br />
Adolph C. Byers zusammengetan,<br />
um eine abenteuerliche, damals<br />
fast unmögliche Photoexkursion zu<br />
begehen. Entstanden sind einzigartige<br />
Luftaufnahmen, die die Stadt Berlin<br />
und deren Zerstörung durch den Krieg<br />
dokumentieren. Mit einer durch die<br />
Neue Sachlichkeit geprägten Bildsprache,<br />
für die Gorny bereits durch seine<br />
viel publizierten Tier- und Werbeaufnahmen<br />
bekannt geworden war, sowie<br />
dramatischen Hell-Dunkel-Kontrasten,<br />
werden die Ruinen ehemals bedeutender<br />
Bauwerke auf eindrucksvolle<br />
Weise photographisch nachgezeichnet.<br />
So rücken Ansichten solcher Bauten,<br />
wie das Brandenburger Tor, der Reichstag,<br />
der Gendarmenmarkt oder der Alexanderplatz,<br />
die zum tradierten Repertoire<br />
der Berlin-Bilder gehören, in den<br />
Blick. Hein Gorny konzentrierte sich<br />
aber auch auf weniger bekannte Architekturen,<br />
wie den Kaiserhof, die Ahmadiyya-Moschee<br />
in Wilmersdorf oder<br />
den Gasometer in der Nähe des Victoria-Luise-Platzes.<br />
Die eingangs genannten Luftaufnahmen<br />
werden durch Photographien<br />
ergänzt, die Gorny und Byers auf dem<br />
Boden Berlins aufgenommen haben.<br />
Mit weiteren Aufnahmen des Tierphotographen<br />
Friedrich Seidenstücker, der<br />
auch als einer der Pioniere der unprätentiösen<br />
Street Photography gilt, gelang<br />
Hein Gorny und Adolph C. Byers eine<br />
Hein Gorny, Adolph C. Byers, Brandenburger Tor, 1945 – 1946<br />
Copyright Hein Gorny / A.C. Byers - Collection Regard<br />
Hein Gorny: (Siegesallee, Tiergarten., Berlin),<br />
1945-1946, Silbergelatineabzug/gelatin silver<br />
print, 17,3 x 23,2; (18,1 x 23,8), Copyright<br />
Hein Gorny - Collection Regard<br />
unverwechselbare, kraftvolle wie einfühlsame<br />
Assemblage von Nachkriegszeugnissen.<br />
Alle 80 Silber Gelatine Photographien<br />
stammen aus der Collection Regard von<br />
Marc Barbey. Seit 2005 widmet sich der<br />
in Paris gebürtige Geschäftsmann dem<br />
Aufbau seiner Sammlung, die von den<br />
Anfängen der Photographie bis hin zu<br />
den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts<br />
reicht. Neben dem umfangreichen<br />
Œuvre von Hein Gorny, mit dessen<br />
Nachlassverwaltung die Collection<br />
Regard betraut ist, beinhaltet diese u.a.<br />
auch Werke von Lotte Jacobi, Heinrich<br />
Riebesehl, Siegfried Lauterwasser und<br />
Robert Capa.<br />
7. Mai bis 9. Oktober <strong>2011</strong><br />
Collection Regard<br />
Kontakt: Marc Barbey<br />
Steinstraße 12<br />
10115 Berlin-Mitte<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
Zusammen mit dem künstlerischen<br />
Leiter, Antonio Panetta, arbeitet Barbey<br />
kontinuierlich an der Verfeinerung und<br />
Erweiterung des fotografischen Repertoires.<br />
Hierbei liegt ein besonderer Schwerpunkt<br />
auf dem Thema »Berlin« und der<br />
deutschen Photographie im Allgemeinen.<br />
Die Sammlung selbst liegt in Berlin-<br />
Mitte und hat sich zum Ziel gesetzt,<br />
neben der Präsentation verschiedener<br />
thematischer Ausstellungen als Ort des<br />
internationalen Dialogs und der fokussierten<br />
Auseinandersetzung mit der Photographie<br />
zu fungieren.<br />
Anlässlich der Ausstellung »Hommage<br />
à Berlin« erscheint im Mai ein gleichnamiges<br />
Buch mit einem Text des Photohistorikers<br />
und Berlinkenners Enno<br />
Kaufhold.<br />
Fr 14 – 19 Uhr<br />
und nach terminlicher Vereinbarung<br />
15
Galerien<br />
Abschlussarbeiten der<br />
Fotoklasse 25<br />
Julia Bahr,<br />
Sibylle Brühn,<br />
Jan Dams,<br />
Daniel Gebhardt,<br />
Johanna Henning,<br />
Tanya Kahana,<br />
Herbert Leass,<br />
Erika Mor,<br />
Beate Ronneburger,<br />
Claudia Warstedt,<br />
Nina von Waechter<br />
Künstlerische Leitung:<br />
Ursula Kelm<br />
»Ich fotografiere, um herauszufinden,<br />
wie etwas aussieht, wenn es fotografiert<br />
wurde«. (Garry Winogrand)<br />
Nach zehn Monaten intensiver Auseinandersetzung<br />
mit den Möglichkeiten<br />
des Mediums Fotografie, stehen die elf<br />
Teilnehmer der 25. Fotoausbildungsklasse<br />
der Berliner Galerie imago fotokunst<br />
nun vor den Ergebnissen ihrer<br />
fotografischen Beschäftigung und präsentieren<br />
vom April bis Mai <strong>2011</strong><br />
einen Überblick ihrer Abschlussarbeiten.<br />
Ob klassische Street Photography,<br />
persönliche Portraits, hyperrealistisch<br />
Inszeniertes, Abstraktes, Märchenhaftes,<br />
Schrill-Farbiges oder Kontrastreiches<br />
in Schwarz-Weiß: Die Ausstellung<br />
lotet unterschiedliche ästhetische Spielräume<br />
des Mediums aus und dokumentiert<br />
zugleich die Auseinandersetzung<br />
der Ausbildungsklasse mit Geschichte<br />
und Technik der Fotografie.<br />
Jeder der Teilnehmer war unermüdlich<br />
auf der Suche nach seiner ureigenen<br />
Foto-Serie, seinem persönlichen<br />
16 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Johanna Henning<br />
© Claudia Warstedt © Daniel Gebhardt<br />
Motiv, den besten seiner Bilder. Zahlreiche<br />
Bilder wurden vorgeschlagen,<br />
diskutiert und dann einige doch wieder<br />
verworfen. Die unermüdliche Suche<br />
ging weiter: Plötzlich tauchen Barbie-<br />
Puppen zwischen 50er Jahre Vasen auf,<br />
entfalteten argentinische Wasserfälle ihr<br />
Rauschen, abstrakte Farbspiele kreuzten<br />
Kreuzberger Straßenzüge, nächtliche<br />
Tankstellen warfen ihre Schatten<br />
voraus und neben filmischen Waldgängen<br />
im Nirgendwo wurden faszinierende<br />
Frauenportraits sichtbar. Die Vielzahl<br />
der visuellen Eindrücke und Perspektiven<br />
zu einem Gesamteindruck zu<br />
formen, so lautete am Ende die Hauptaufgabe<br />
des Kurses unter der künstlerischen<br />
Leitung von Ursula Kelm. Was ist<br />
der richtige Bildausschnitt, eine gelungene<br />
Komposition oder eine, dem Motiv<br />
angemessene Technik? Wann ist ein Bild<br />
abstrakt und soll es genauso oder doch<br />
anders sein? Was erzählt eine Aufnahmetechnik<br />
oder ein bestimmtes Motiv?<br />
© Herbert Leass
© Jan Dams<br />
© Nina von Waechter © Beate Ronneburger<br />
© Tanya Kahana<br />
Und was verschweigt es oder deutet es<br />
nur an? Diese und viele andere Fragen<br />
wurden lang und lebhaft im Kreis der<br />
angehenden Fotografen diskutiert. Klar<br />
war dabei meist, dass es keine einfachen<br />
und keine fertigen, auf alle Fotos<br />
gleichermaßen anwendbaren Antworten<br />
geben kann. Es entspann sich ein<br />
intensiver künstlerischer Dialog, der<br />
den gezeigten Fotos sehr zugute kam.<br />
Jeder Teilnehmer hat so seinen eigenen<br />
Weg wählen und finden können, überzeugende<br />
Bilder bei imago fotokunst in<br />
der Berliner Linienstraße zu präsentieren.<br />
Daniel Gebhardt<br />
Eröffnung<br />
am 29.April <strong>2011</strong>,19 Uhr<br />
© Erika Mor<br />
© Sibylle Brühn<br />
© Julia Bahr<br />
30. April bis 28. Mai <strong>2011</strong><br />
imago fotokunst<br />
Linienstraße 145<br />
10115 Berlin-Mitte<br />
Di – Fr 12 – 19 Uhr<br />
Sa 14 – 18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
17
Galerien<br />
Margarita Broich<br />
»Wenn der Vorhang<br />
fällt«<br />
Fotografien<br />
Als Schauspielerin zählt Margarita<br />
Broich zu den Großen, als Fotografin ist<br />
sie für viele eine Neuentdeckung. Erstmals<br />
zeigt der Martin-Gropius-Bau eine<br />
Werkgruppe der Künstlerin mit über 60<br />
Künstlerportraits, darunter Ben Becker,<br />
Kate Winslet, Veronika Ferres, Klaus<br />
Maria Brandauer, Christoph Schlingensief,<br />
Thomas Quasthoff u.v.m. Margarita<br />
Broichs hält darin flüchtige Momente<br />
fest, wenn die Rolle den Künstler verlässt<br />
in den Pausen oder wenige Minuten<br />
nach dem Ende der Vorstellung. Die<br />
Rolle steht den Spielern noch ins Gesicht<br />
geschrieben, die Welt der Kulissen und<br />
Spiegel umgibt sie noch, aber sie spielen<br />
nicht mehr. Sie befinden sich in Garderoben,<br />
in Theaterfluren oder beim Maskenbildner.<br />
Sie schminken sich ab, sind<br />
umgeben von den Utensilien ihrer Verwandlung.<br />
Broich portraitiert die Künstler mit dem<br />
Instinkt einer Kollegin. Ihre Fotografien<br />
fangen renommierte und zu ihrem<br />
Bekanntenkreis gehörende Künstler in<br />
jenen Momenten ein, da sie aus ihrer<br />
eben gespielten Rolle von der Bühne<br />
zurückkehren. So nüchtern die äußere<br />
Situation der Aufnahmen bisweilen<br />
erscheint, so besitzt jede Fotografie<br />
doch ihren eigenen Charme. Dem<br />
Betrachter geben die Fotografien Blicke<br />
frei, die zu den intimsten im Bühnengeschäft<br />
gehören: Martin Wuttke mit blonder<br />
Warhol-Mähne und Pudel Taxi, rauchend<br />
nach der Vorstellung von »Gretchens<br />
Faust«. Klaus Maria Brandauer<br />
nach 10-stündigem Wallenstein-Epos<br />
auf einem Hocker mit Bierflasche sitzend.<br />
Es sind Momentaufnahmen voller<br />
Spannung.<br />
Margarita Broich, 1960 in Neuwied<br />
geboren, studierte zunächst Fotodesign<br />
in Dortmund und arbeitet als Theaterfotografin<br />
am Bochumer Schauspielhaus<br />
unter Claus Peymann, bevor sie<br />
selbst Schauspiel an der Hochschule der<br />
Künste in Berlin studierte. Seitdem ist<br />
sie an zahlreichen deutschsprachigen<br />
18 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Ben Becker, Jedermann, Salzburger Festspiele, 17.8.2010, © Margarita Broich<br />
Bühnen und in Fernsehfilmen präsent<br />
und arbeitet mit Regisseuren wie Claus<br />
Peymann, Robert Wilson und früher mit<br />
Christoph Schlingensief zusammen<br />
Katalog<br />
Margarita Broich und Hanns Zischler<br />
»Wenn der Vorhang fällt«,<br />
Schauspielerportraits<br />
112 Seiten, 70 Abbildungen, 26,5 x 24,5<br />
cm, zweisprachig deutsch/englisch<br />
Alexander Verlag<br />
Museumsausgabe 15,- Euro<br />
Buchhandelsausgabe 28,- Euro<br />
ISBN 978-3-89581-248-4<br />
bis 30. Mai <strong>2011</strong><br />
Martin-Gropius-Bau<br />
Niederkirchnerstraße 7<br />
10963 Berlin-Kreuzberg<br />
Mi – Mo 10 – 20 Uhr<br />
Dienstags geschlossen
KARIN SZÉKESSY<br />
»LES FILLES DANS<br />
L´ATELIER«<br />
Karin Székessy portraitiert seit den<br />
60iger Jahren in ihren Aktphotographien<br />
nicht das Reale, sondern begibt<br />
sich auf die Suche nach der Wahrheit<br />
hinter dem scheinbar Ersichtlichen. In<br />
Licht- und Schattenspielen, verzerrten<br />
Perspektiven oder artifiziellem Farbenspiel<br />
inszeniert Karin Székessy den Akt<br />
als vielschichtiges Bildnis. Leidenschaft,<br />
Einsamkeit und Schönheit zeigen sich<br />
in Zeit und Raum mit einer melancholischen<br />
Poesie in den Photographien, die<br />
wie Maren Deicke feststellt, mit »zum<br />
Teil objekthaft ästhetisierten Körper im<br />
weichen Tageslicht, (...) in denen selbst<br />
sexuelle Schlüsselreize wie Busen oder<br />
Schenkel ohne Aggressivität, ohne die<br />
Herausforderung: `Nimm mich, wenn<br />
Du kannst´.... dargestellt werden.«<br />
© KARIN SZÉKESSY, »Mme Recamier«, 1975<br />
Meist wird in ihren Aufnahmen die<br />
feminine Erotik, die weibliche Eleganz<br />
zelebriert - `Madame Recamier´ (1975)<br />
gehört zu den Klassikern der Bildgeschichte.<br />
Entblößt und doch vielsagend<br />
verhüllt wirkt Karin Székessy in ihren<br />
Arbeiten durch Posen, Draperien und<br />
Requisiten der Trivialität purer Nacktheit<br />
entgegen. Ihre hüllenlosen Modelle<br />
verbergen ihre Identität teilweise hinter<br />
Accessoires und Masken wie in `La<br />
belle et la bête´, sie posieren sinnlich<br />
mit einer unwirklichen Körperblässe<br />
oder inszenieren sich wie `Madame<br />
est seule ´ in manieristischer Art. Karin<br />
Székessy führt den Betrachter in eine<br />
Traumwelt und umgibt den weiblichen<br />
Körper mit Rätseln und Geheimnissen.<br />
© KARIN SZÉKESSY, »Schattenhand«, 2000<br />
Nach Max Bense zeigen »ihre Schöpfungen<br />
das doppelte Gesicht der Realität«,<br />
auch wenn sie bemerkt: »Ich photographiere<br />
weibliche Körper und dirigiere<br />
sie, damit sie schön sind.«<br />
In Karin Székessys Aktphotographien<br />
entstehen Körperlandschaften der Sanftheit<br />
und Stille, frei von Bewertungen<br />
und Sichtweisen, unberechenbar und<br />
voller Überraschungen.<br />
Miriam Stewering<br />
bis 30. April <strong>2011</strong><br />
Johanna Breede<br />
PHOTOKUNST<br />
Fasanenstraße 69<br />
10719 Berlin-Charlottenburg<br />
Di – Fr 11 – 18 Uhr<br />
Sa 11 – 16 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
© KARIN SZÉKESSY, »Im Studio VII«, 1974<br />
19
Galerien<br />
Amin El Dib<br />
»empty rooms«<br />
Der experimentelle Ausstellungsraum<br />
»in our empty rooms«, einer Textzeile<br />
aus T.S. Eliots »The Waste Land« entlehnt<br />
und später zu »empty rooms«<br />
verknappt, bestand in Berlin-Kreuzberg<br />
von 1996 bis 1999. Der Berliner<br />
Kunsthistoriker Matthias Harder und<br />
der griechische Künstler Thrafia Daniylopoulos<br />
initiierten den Raum in dessen<br />
Privatwohnung, später kamen als Kuratoren<br />
noch Sotirios Bahtsetzis, Gritta<br />
Ewald und Sarah Canarutto hinzu. Die<br />
Idee war eine Art Salon mit sonntäglichen<br />
Vernissagen und Finissagen. Der<br />
Ausstellungsschwerpunkt lag auf dem<br />
Medium Installation, doch auch Objektkunst<br />
oder Photographie wurde für die<br />
monatlich wechselnden Präsentationen<br />
ausgewählt.<br />
Amin El Dib hat mit seiner Bildserie<br />
der Künstler und Kuratoren von »empty<br />
rooms« etwas Interessantes versucht –<br />
und es ihm gelungen: Eine unkonventionelle<br />
Dokumentation kreativer Menschen,<br />
die – jenseits einer mimetischen<br />
Ähnlichkeit des Menschen mit sich<br />
selbst – eine Art künstlerische Selbstrepräsentation<br />
im privaten Kontext darstellt.<br />
Der Berliner Photograph verwandelt<br />
die Wohnungen oder Studios<br />
der Protagonisten gewissermaßen in<br />
eine Bühne; er selbst wird zum Regisseur<br />
eines seltsamen Schauspiels. Die<br />
Künstler und Kuratoren werden mehrfach<br />
aufgenommen und schließlich<br />
(meist) in Triptychen vorgestellt. Es sind<br />
drei völlig unterschiedliche Szenen, ja<br />
Akte eines Stückes, das sich der Photograph<br />
individuell und teilweise spontan<br />
für sie ausgedacht hat. Es geht ihm wohl<br />
auch um die Aufhebung der traditionellen<br />
Verbindung von Künstler und Werk<br />
im Künstlerbildnis. So entstanden in den<br />
vielen Einzelsitzungen über einen Zeitraum<br />
von mehreren Jahren keine Repräsentationsporträts.<br />
Gleichzeitig erscheinen<br />
die Künstler in ihrem Arbeitskontext<br />
oder im Ausstellungsraum, teilweise<br />
mit oder vor den von ihnen verwendeten<br />
oder herumliegenden Materialien:<br />
Karin Rosenberg beispielsweise verschwindet<br />
hinter einer Bahn Luftpols-<br />
20 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Amin El Dib, »Brigitte Waldach«<br />
terfolie, Catrin Otto unter einem Sitzsack,<br />
manche werden über Körperdetails,<br />
vorzugsweise über Hände, oder<br />
über Spiegelungen ihrer Körper charakterisiert,<br />
einige Künstler blicken<br />
konzentriert und andere beiläufig in<br />
die Kamera.<br />
In Gänze betrachtet, mutet die Zusammenstellung<br />
der hier als Bildnisse versammelten<br />
Menschen möglicherweise<br />
etwas willkürlich an – doch der verbindende<br />
Punkt bleibt »empty rooms«,<br />
eine lockere Vereinigung von kulturell<br />
Gleichgesinnten und Überzeugungstätern,<br />
vergleichbar einer Produzentengalerie,<br />
die als Institution einige Zeit später<br />
in Berlin bekanntlich Hochkonjunktur<br />
hatte. Es war ein internationales Projekt,<br />
das bereits damals die Internationalität<br />
der in Berlin lebenden Künstler<br />
offenbarte, verbunden mit einer Londoner<br />
Partnerinstitution, dem Museum of<br />
Installation.<br />
Von den raumbezogenen Arbeiten<br />
selbst sieht man in diesen S/W Photographien<br />
nichts, es geht Amin El Dib<br />
schließlich auch nicht um Kunstdokumentation,<br />
sondern um die Künstler und<br />
Organisatoren dahinter. »empty rooms«<br />
war bezüglich Besucherresonanz und<br />
Medienecho ein großer Erfolg, ökonomisch<br />
jedoch ein Desaster, denn alles<br />
wurde auf eigene Kosten ohne jegliche<br />
Drittmittelfinanzierung organisiert. Das<br />
konnte natürlich keine Zukunft haben,<br />
und so starb das Projekt in zwei Schritten:<br />
zunächst, als »empty rooms« 1999<br />
aus der Kreuzberger Linienstraße (später:<br />
Axel-Springer-Straße) aus- und in die<br />
Studiogalerie im Haus am Lützowplatz<br />
einzog und gänzlich, nachdem die fünf<br />
dort verabredeten Ausstellungen organisiert<br />
waren. In dieser Umbruchphase<br />
jedoch entstanden die meisten Porträts<br />
von Amin El Dib.<br />
Es sind häufig Grenzbereiche, die der<br />
Photograph betritt und die uns nicht<br />
unbeeindruckt lassen, ja teilweise verstören<br />
können. Auch in den Porträts der<br />
26teiligen »empty rooms«-Serie irritieren<br />
uns die mitunter radikalen, durch<br />
den Bildrand determinierten Schnitte<br />
durch die Köpfe der Künstler – ein künstlerisches<br />
Stilmittel, das seit der damals<br />
avantgardistischen Photographie des<br />
»Neuen Sehens« Verwendung findet.<br />
Jenseits von Aufträgen und somit Zwängen<br />
seitens Zeitschriften oder der Porträtierten<br />
sind Amin El Dibs Bildnisse<br />
im wahrsten Wortsinn freie Arbeiten. So<br />
etwas kann nur im engen Zusammenspiel<br />
zwischen dem Photographen und<br />
seinem Gegenüber entstehen, indem<br />
die Protagonisten nämlich auf die ungewöhnlichen<br />
Bildideen eingehen und<br />
gleichsam mitspielen. Das Echo der<br />
Kunst, repräsentiert durch die Künstler<br />
und Kuratoren, hallt in den Photographien<br />
von Amin El Dib vielfach und<br />
subtil wider.<br />
Matthias Harder<br />
Vernissage: 13. April <strong>2011</strong>, 19 Uhr<br />
14. April bis 22. Mai <strong>2011</strong><br />
PHOTOPLATZ<br />
im Hotel Bogota<br />
Schlüterstraße 45<br />
10707 Berlin-Charlottenburg<br />
Mo – So 11 – 23 Uhr
Knut Wolfgang Maron<br />
»Dakota -Bar, Barns<br />
and rotten cars«<br />
Mit seinen neuen Farbfotoarbeiten zeigt<br />
Knut Wolfgang Marin Maron Einblicke<br />
in die Vergänglichkeit des amerikanischen<br />
Traums.<br />
Beispielhaft für die Kultur der amerikanischen<br />
Wegwerfgesellschaft, die sich<br />
zuguterletzt selbst entsorgen muss, zeigt<br />
der Pionier der zeitgenössischen Farbfotografie<br />
erstmals einen repräsentativen<br />
Auszug aus seinem neuen umfangreichen<br />
Zyklus. In seiner Ästhetik, die<br />
Vanitas darstellt, entwickelt Maron ein<br />
Szenario der schönen neuen Welt, die<br />
in der dialektisch interpretierten Schönheit<br />
des Zerfalls, an die Visionen eines<br />
Andrei Arsenjewitsch Tarkowski, erinnert.<br />
Der amerikanische Traum wird<br />
zum schöngefärbten Alptraum.<br />
© Knut Wolfgang Maron<br />
»Das Universum Knut Marons überrascht<br />
weder durch befremdende<br />
Formen noch durch neue Sujets. Seine<br />
tiefgreifende Andersartigkeit ist nicht<br />
mehr Ergebnis eines Abweichens von<br />
den bisher zulässigen Grenzen der<br />
Kunst. Sie resultiert vielmehr aus einer<br />
meditativen Rückkehr der Kunst zu sich<br />
selbst, aus einer Vertiefung ihrer zeitlosen<br />
Wahrheiten. Knut Maron schockiert<br />
uns nicht, er sieht die Dinge nur anders.<br />
© Knut Wolfgang Maron<br />
Die Kunst partizipiert hier nicht mehr an<br />
dem Vorwärtsdrang moderner Zivilisation<br />
mit ihren technologischen Durchbrüchen<br />
und revolutionären Ambitionen.<br />
Und genau dadurch befreit sie<br />
sich von einer letzten Hörigkeit, nämlich<br />
derjenigen, sich der Entwicklung<br />
der uns umgebenden Gesellschaft anzudienen,<br />
ja sich ihr anzuhängen.<br />
Weil er die Grundgegebenheiten<br />
seines Mediums mit der Beherrschung<br />
eines neu geschaffenen Universums<br />
in Übereinstimmung bringt, hat er es<br />
nicht nötig, etwas zu vertuschen oder<br />
nachzuweisen. So kommt er zu der<br />
Farbenskala, die uns erstaunt und in<br />
eine andere Welt versetzt, wo unsere<br />
gewohnten Vorstellungen von Altem<br />
und Neuem, von Natürlichem und<br />
Künstlichem, von Realismus und Traum<br />
nicht mehr gelten, da sie durch eine<br />
souveräne Vision ersetzt worden sind«.<br />
Jean Claude Lemagny<br />
»Sich zum Blick machen, zum reinen<br />
aufmerksamen Blick, nicht berühren,<br />
nicht stören, nicht aufrühren - für Knut<br />
Maron ist die ehrfürchtige Betrachtung<br />
vielleicht die Haltung menschlichen<br />
Seins schlechthin. Auf die Natur, die uns<br />
ihre Flüsse, ihre verletzten Eingeweide,<br />
ihre Felsen und Bäume entgegenhält,<br />
gibt es eine mögliche Antwort: Die<br />
Gabe des Blickes.«<br />
Dominique Baqué<br />
© Knut Wolfgang Maron<br />
bis 28. Mai <strong>2011</strong><br />
Galerie zone B<br />
Brunnenstraße 149<br />
10115 Berlin-Mitte<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
Maron studierte an der Folkwangschule<br />
in Essen in der Klasse Prof. Dr. Otto Steinert<br />
und Prof. Erich vom Endt gemeinsam<br />
mit Gosbert Adler, Joachim Brohm<br />
und Andreas Gursky. Wesentliche Prozesse<br />
der Auseinandersetzung unter den<br />
Folkwangschülern spielten sich dabei<br />
im Farblabor der ersten, von Erich vom<br />
Endt an einer deutschen Hochschule<br />
,konzipierten professionellen Farbfotoabteilung<br />
ab. Erste Farbarbeiten Marons<br />
von 1979 stellte Ute Eskildsen bereits<br />
1981 im Museum Folkwang aus . Knut<br />
Maron erhielt neben zahlreichen Stipendien<br />
und Preisen bereits 1993 den<br />
Leopold Godowsky Jr. Award für Farbfotografie<br />
des Photographic Recource<br />
Centers , Boston USA. Knut Maron ist<br />
in zahlreichen Sammlungen vertreten<br />
u.a. im Museum Folkwang, Essen im<br />
Museum Ludwig, Köln in der Staatsgalerie<br />
Stuttgart, dem Musee Europeen de la<br />
Photo , Paris der Bibliotheque Nationale<br />
de France, Paris dessen Direktor obiges<br />
Zitat zu Marons Bildern über Landschaften<br />
verfasste.<br />
Do 11 – 18 Uhr<br />
Fr + Sa 11 – 18 Uhr<br />
nach telefonischer Vereinbarung<br />
21
Galerien<br />
Stefanie Seufert<br />
»Photographische<br />
Aggregatzustände«<br />
Wenn Stefanie Seufert Objekte für ihre<br />
Bilder auswählt, geht es ihr zunächst um<br />
deren allgemeine Zugänglichkeit: Deshalb<br />
entscheidet sie sich beispielsweise<br />
für Eier, Tabletts, Drahtkörbe und Nadelbäume,<br />
die sie vor neutralen Hintergründen<br />
platziert. Sie möchte vermeiden,<br />
dass der Gegenstand fremd erscheint.<br />
Gleichzeitig erschafft sie Abbilder, die<br />
uns die Dinge neu sehen lassen. Ihre Bildideen<br />
und Konzepte sind immer eng<br />
mit dem verwendeten Material verknüpft.<br />
Seufert wählt souverän für eine<br />
konkrete Sequenz einen experimentellen<br />
Aggregatzustand zwischen Realismus<br />
und Abstraktion und zielt darin auf<br />
das Skulpturale des Objektes ab; sie verwandelt<br />
gewissermaßen das Echte in ein<br />
Modell seiner selbst. Ihre Photographie<br />
entspricht daher weniger einer Behauptung<br />
als vielmehr einer Vermutung.<br />
Die Natur ist ein seit den Anfängen des<br />
Mediums weit verbreitetes Motiv, und<br />
der Wald wiederum – mit all seinen<br />
Konnotationen – wird besonders oft thematisiert.<br />
Dies ist in Deutschland sicher<br />
keine Überraschung, wo doch beispielsweise<br />
Märchen wie »Hänsel und Gretel«,<br />
aber auch die deutschen Romantiker bis<br />
hin zum Photographen Stefan Moses<br />
auf den Wald als wichtigen Referenzpunkt<br />
im jeweiligen Werk rekurrieren.<br />
Der Wald wird vermeintlich von Elfen,<br />
Trollen und Geistern bevölkert, er wird<br />
gelegentlich mit dem Unheimlichen<br />
gleichgesetzt, und jeder Baum steht<br />
© Stefanie Seufert »o.T.«, 2009/10,<br />
Farbfotografien, je 40 x 30 cm<br />
22 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
über die Gleichung Lebensbaum-Weltenbaum<br />
für ein Individuum und seine<br />
Verwurzelung in der Gesellschaft. Doch<br />
bei Seufert ist all das nur eine hintergründige<br />
Referenzfolie; sie zeigt etwa<br />
Nadelbäume im radikalen Anschnitt mit<br />
hellem Himmel als Fond, als wollte sie<br />
alles Dunkle und Mystische des Waldmotivs<br />
eliminieren. Tannen und Fichten<br />
stehen bekanntermaßen auch in Stadtparks<br />
oder deutschen Vorgärten, präzise<br />
gepflanzt, bewusst platziert wie ein<br />
Setztischchen im Wohnzimmer des Einfamilienhauses.<br />
Durch den ausschnitthaften<br />
Blickwinkel ihrer Kamera zeigt<br />
sie zwar einen konkreten Baum, aber<br />
weder dessen Umfeld noch Stamm oder<br />
Wurzeln. Die fehlende Kontextualisierung<br />
macht aus dem einzelnen, stattlichen<br />
Nadelgewächs gleichsam den<br />
Typus eines Baumes – und eine abstrakte<br />
Form. Denn das flächige, meist hochformatige<br />
Bild kann formal durchaus auf<br />
bloße Dreiecksformen oder angedeutete<br />
Risslinien reduziert werden. Dieses<br />
Wechselverhältnis zwischen Materialität<br />
und Bildinformation einerseits und<br />
Reduktion der Objekthaftigkeit andererseits<br />
macht die Spannung im Werk<br />
Seuferts aus.<br />
Auch wenn die Dinge unmanipuliert für<br />
sich selbst stehen, kann in der Rezeption<br />
der ebenso einfachen wie klaren<br />
Motive beim Betrachter eine Verunsicherung<br />
aufkommen, dies spricht ebenfalls<br />
für die besondere Intensität ihres<br />
Werkes. Es sind Bilder für den zweiten<br />
Blick. So rückt Stefanie Seufert in<br />
ihrem Triptychon eines gemusterten<br />
Holztabletts einerseits den Alltagsgegenstand<br />
in den Mittelpunkt, andererseits<br />
eine auf Flächen und Linien reduzierte<br />
Form. Sie photographiert das<br />
Tablett zunächst als liegendes Objekt,<br />
© Stefanie Seufert »o.T.«, 2009/10,<br />
Farbfotografien, je 40 x 30 cm<br />
kippt es für die zweite Aufnahme ein<br />
wenig in die Fläche, wodurch sich das<br />
illusionistische Muster einer flächigen<br />
Wabenform zu verräumlichen scheint.<br />
In der letzten Aufnahme schließlich ist<br />
das Tablett in einer Draufsicht wiedergegeben,<br />
wodurch dieses als Fläche,<br />
die Binnenzeichnung jedoch wie in<br />
einem Escher-Bild aus dreidimensionalen<br />
Würfelformen zu bestehen scheint –<br />
eine simple wie enigmatische Metamorphose<br />
im Dreischritt. Die Suche nach<br />
solchen formalen Prinzipien exemplifiziert<br />
sie an gewöhnlichen Dingen. Der<br />
ältere Kollege und ehemalige Hochschullehrer<br />
Timm Rautert fand für ähnliche<br />
Experimente in den 1970er Jahren<br />
den Begriff der »bildanalytischen Photographie«.<br />
Auch er zerlegte in seiner<br />
medial selbstreflexiven Arbeit die Photographie<br />
als Medium gewissermaßen<br />
in ihre Bestandteile.<br />
Manche ihrer Experimente sind in<br />
der Photographiegeschichte verankert,<br />
etwa die Aufnahmeserie mit dem<br />
Ei: Stefanie Seufert rekurriert hier auf<br />
Hans Finsler oder die Lehre am Bauhaus,<br />
gleichzeitig verbindet sie die Bildidee<br />
subtil mit einem formalen photographischen<br />
Trick: Sie photographiert<br />
zunächst bildmittig ein handelsübliches<br />
weißes Hühnerei auf schwarzem<br />
Grund und stellt davon ein Umkehrnegativ<br />
her. In zehn Zeitintervallen legt sie<br />
das Negativ jeweils wiederum auf ein zu<br />
belichtendes Photonegativ; so entsteht<br />
eine technisch anspruchsvolle, unbetitelte<br />
Serie, die sich aus einer Photographie,<br />
dem Umkehrnegativ und neun<br />
Photogrammnegativen in unterschiedlich<br />
kontrastierenden Grauwertabstufungen<br />
zusammensetzt. Die puristisch<br />
anmutende Sequenz gleicht einer Versuchsanordnung,<br />
einer wissenschaftli-<br />
© Stefanie Seufert »o.T.«, 2009/10,<br />
Farbfotografien, je 40 x 30 cm
© Stefanie Seufert »1-01«, 2006, Farbfotografie, 140 x 98 cm<br />
chen Typologie zum binären System;<br />
und doch könnte man in dieser metamorphotischen<br />
Motivverdoppelung<br />
auch eine ironische Anspielung auf die<br />
Zeit als Prinzip herauslesen, beim Ei-<br />
Motiv als Entwicklung des Lebens oder<br />
profan: als Paraphrase auf weich oder<br />
hart gekochte Eier.<br />
In ihren Lichtbildern, ein Begriff, der<br />
gelegentlich etwas zu schnell als Synonym<br />
für Photographien im Allgemeinen<br />
gesetzt wird, wirkt ähnlich wie<br />
beim Photogramm das Licht als wich-<br />
tigster Bildfaktor auf die entstehende<br />
Photographie ein – und ist gleichzeitig<br />
alleiniges Bildmotiv; das gilt insbesondere<br />
für Seuferts Lichtspuren-, Lichtblitz-<br />
und Scannerlaserlichtaufnahmen,<br />
aber auch für die neuesten Bildserien:<br />
Farbphotogramme aus geometrisch<br />
sich überlagernden Farbflächen ohne<br />
jegliche Realitätsreferenz und monochrome<br />
Farbstreifen, mit denen sie die<br />
verschiedenen Lichtqualitäten handelsüblicher<br />
Baumarktleuchten untersucht.<br />
Hier wählt sie den Weg über die analoge<br />
Kamera (inklusive Objektiv) und<br />
bis 23. April <strong>2011</strong><br />
Morgen Contemporary<br />
Oranienburger Straße 27<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Di – Sa 12 –18 Uhr<br />
und nach Vereinbarung<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
© Stefanie Seufert »F1«, Farbfotogramm, <strong>2011</strong><br />
ein Filmnegativ und nicht über das Photogramm<br />
als kameralose Photographie.<br />
Diese Entwicklung entspricht dem noch<br />
radikaleren Ansatz einer bildnerischen<br />
und auch inhaltlichen Reduktion, die<br />
kunsthistorisch bereits in den 1960er<br />
Jahren mit den meist weißen Gemälden<br />
und Lichtobjekten der Zero-Gruppe vorformuliert<br />
wurde. Den Vertretern jener<br />
Bewegung, Otto Piene, Heinz Mack<br />
oder Günther Uecker, ging es bekanntlich<br />
um Abstraktion, Leere und Stille im<br />
Werk.<br />
Auch Stefanie Seufert möchte, wie sie<br />
selbst sagt, das Äußere nach Innen<br />
kehren und die Schwatzhaftigkeit der<br />
zeitgenössischen Kunst und Photographie<br />
auf ein Minimum reduzieren. Dies<br />
gelingt ihr spielend, und gleichzeitig<br />
sieht man ihren präzisen wie zeitlosen<br />
Bildern den formalen und intellektuellen<br />
Spaß bei der Arbeit an.<br />
Matthias Harder<br />
23
Galerien<br />
Manfred Paul<br />
»Fotografien«<br />
Fotografische Aufnahmen von der<br />
Unendlichkeit des Meeres, dem sich<br />
ständig verändernden Licht und der<br />
bewegten Struktur der Wasseroberfläche<br />
sind Sinnbilder der ewigen Wiederkehr,<br />
Bilder, die das Kommen und<br />
Gehen im großen Lebenszyklus der<br />
Schöpfung einfangen. Zu ihnen gehören<br />
Bildnisse vom Menschen, die in ihrer<br />
zeitlosen Schönheit dem Meer gleichen.<br />
Die Kamera hat der natürlichen Vergänglichkeit<br />
des Menschen Halt geboten<br />
und einen Moment des Seins für<br />
immer eingefangen. Stillleben erinnern<br />
als dritter Bildzyklus an die zeitliche<br />
Begrenzung aller Dinge. Sie zeigen die<br />
Schönheit des Vergehens, des Abschieds<br />
von der Dauer, ohne den nichts Neues<br />
wachsen kann.<br />
Prof. Dr. Eugen Blume<br />
Leiter Hamburger Bahnhof, Museum für<br />
Gegenwart - Berlin<br />
© Manfrd Paul, »Weintraube auf weißem Teller«<br />
© Manfrd Paul, aus dem Zykus: »END-ZEIT-LOS«<br />
24 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Manfred Paul, »Verena«<br />
© Manfred Paul, »Tulpen«<br />
© Manfred Paul, aus dem Zyklus:»Strand Nr. 2«<br />
bis 1. Mai <strong>2011</strong><br />
Kunstallianz Berlin<br />
An den Treptowers 3<br />
12435 Berlin-Friedrichshain<br />
Di – So 11 – 18 Uhr
Clemens Kalischer<br />
(1921)<br />
»Country Road«<br />
Bilder aus dem Süden der USA<br />
Die Menschen und die Landschaft<br />
der Appalachian Region faszinierten<br />
Clemens Kalischer. Bei seinen Reisen<br />
durch Virgina, North- und South Carolina,<br />
Tennessee und Georgia in den<br />
1950er Jahren entstanden eindrucksvolle<br />
Fotografien, die mit ihrer Qualität<br />
an die Bilder der großen amerikanischen<br />
Fotografen der 1930er Jahre<br />
wie Walker Evans, Dorothea Lange oder<br />
Margaret Bourke-White erinnern.<br />
© Clemens Kalischer<br />
Vernissage mit dem Künstler<br />
am Freitag, den 8. April <strong>2011</strong>,<br />
19 bis 21 Uhr<br />
9. April bis 28. Juni <strong>2011</strong><br />
Galerie argus fotokunst<br />
Marienstraße 26<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Di – Sa 14 – 18 Uhr<br />
© Clemens Kalischer<br />
© Clemens Kalischer<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
25
Galerien<br />
Just Loomis<br />
»As we are«<br />
Anhand von ca. 30 Farb- und S/W-<br />
Fotografien gewährt die Werkschau<br />
einen Einblick in das einfühlsame,<br />
eindringliche wie intime Portfolio des<br />
ehemaligen Assistenten von Helmut<br />
Newton.<br />
In der Tradition von Robert Frank, der<br />
bereits Mitte der 1950er Jahre mit<br />
seiner sozialdokumentarischen Serie<br />
»The Americans« ein neues naturalistisches<br />
Genre ins Leben rief, werden auch<br />
in den Bildern von Just Loomis diese<br />
erzählerischen, ästhetischen und dokumentarischen<br />
Qualitäten sichtbar.<br />
»Loomis verzichtet auf formale Experimente<br />
und vertraut stattdessen seinem<br />
zurückhaltenden und liebevollen Blick<br />
auf die Mitmenschen. Die Aufnahmen<br />
geben die tief empfundenen Begegnungen<br />
des Fotografen mit anderen,<br />
die seinen Blick oft mit Offenheit und<br />
Neugierde erwidern, ohne Künstlichkeit<br />
wieder. Man sieht Kinder neben Kellnerinnen,<br />
Fotomodellen und Stripperinnen;<br />
einsame Fremde und Paare, Alte<br />
und Junge. Immer wieder steht auch die<br />
eigene Familie im Mittelpunkt – alle<br />
sind im Augenblick gebannt, auf einer<br />
Straße in der Nachbarschaft, in einem<br />
vorbeifahrenden Auto oder einem<br />
schwach beleuchteten Motelzimmer in<br />
irgendeinem Vorort. Mit diesen Porträts<br />
und Landschaften, rau und einzigartig<br />
amerikanisch, fängt Just Loomis Erinnerungen<br />
und Sehnsüchte ein; so evoziert<br />
er die Intensität und Spontaneität der<br />
Kindheit. Just Loomis führt uns ein<br />
Amerika vor Augen, das uns gleichzeitig<br />
vertraut und fremd vorkommt: in seiner<br />
Vitalität, dem Gefühl von großer Weite,<br />
in der Vielfalt von Menschen unterschiedlicher<br />
Herkunft und dem Vorhandensein<br />
ikonischer Merkmale«.<br />
Matthias Harder<br />
Und, er zeigt uns seine Helden: Kinder,<br />
Kellnerinnen, die Familie, Menschen,<br />
die er geliebt hat, und andere, denen<br />
er zufällig begegnet ist. Er fokussiert<br />
auf Blicke und Berührungen und zeigt<br />
gerade im Nichtperfekten eine besondere,<br />
subtile Schönheit. So entstehen<br />
26 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Just Loomis »Annabelle and James«, Memphis, 1988, © Just Loomis<br />
außergewöhnliche Porträts, die sich<br />
aus einer seltenen Seelenverwandtschaft<br />
zwischen Fotograf und Objekt<br />
ergeben.<br />
Die Werksschau wird durch eine Anzahl<br />
von bisher teilweise unveröffentlichten<br />
Fotografien der norwegischen Popband<br />
a-ha ergänzt. Bereits 1985, zu einer Zeit,<br />
als die Gruppe um Leadsänger Morten<br />
Harket auf dem Zenit ihrer Karriere<br />
stand, begegneten sich Fotograf und<br />
Musiker. Schnell wurden sie Freunde<br />
und es entstanden die unvergesslichen<br />
Coveraufnahmen für die Alben »Hunting<br />
High and Low«, für das Just Loomis für<br />
den Grammy Award nominiert wurde,<br />
sowie für »Stay on these Roads«, »East<br />
of the Sun« und »Memorial Beach«.<br />
Neben dem Werk »Hunting High and<br />
Low« zeigt die Galerie Hiltawsky auch<br />
das Fototagebuch, welches Just Loomis<br />
im Jahr 1991 während der a-ha Tour<br />
durch Brasilien und Argentinien aufnahm.<br />
Just Loomis lebt und arbeitet in Los<br />
Angeles.<br />
Mehr Informationen unter: www.justloomis.com.<br />
Im Vorfeld der Ausstellung<br />
ist die gleichnamige Publikation »As we<br />
are« mit einem Text von Matthias Harder<br />
bei Hatje Cantz erschienen.<br />
Hardcover, Preis: 39,80 EUR<br />
ISBN: 978-3-7757-2636-8<br />
Just Loomis »Danielle«, Las Vegas, Nevada, 2007<br />
© Just Loomis<br />
9. April bis 21. Mai <strong>2011</strong><br />
Galerie Hiltawsky<br />
Tucholskystraße 41<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Mi – Sa 14 – 18 Uhr
Stefan Heyne<br />
»Woran denkst Du?«<br />
Mit dem Fotokünstler Stefan Heyne präsentiert<br />
die Kommunale Galerie Berlin<br />
in ihrer neuen Ausstellung einen Vertreter<br />
der neuen Abstraktion in der zeitgenössischen<br />
Fotografie und macht<br />
sein Werk erstmals in einem größeren<br />
Umfang dem Berliner Publikum zugänglich.<br />
Nach der Düsseldorfer Schule, die<br />
trotz aller Variationsbreite immer doch<br />
dem Abbildcharakter der Fotografie,<br />
dem Realen und Realität suggerierenden,<br />
verpflichtet und verhaftet blieb,<br />
kommt zunehmend eine ganz neue<br />
Gruppe von Künstlern in den Focus,<br />
die die Fotografie als Kunst viel grundsätzlicher<br />
hinterfragen. Stefan Heyne<br />
hat hier in den letzten Jahren ein Werk<br />
geschaffen, das als eine radikale Reflexion<br />
auf das, was Fotografie sein kann<br />
und wie unsere Wahrnehmung funktioniert,<br />
gelten kann. In seinen Arbeiten<br />
führt er uns zurück zu den Anfängen des<br />
Sehens, bringt uns dazu, bisher Ungesehenes<br />
zu sehen.<br />
In der Ausstellung werden mehr als 30<br />
großformatige Arbeiten gezeigt. Ein<br />
Schwerpunkt sind dabei die Arbeiten<br />
aus 2009 und 2010. Darüber hinaus<br />
wird Stefan Heyne einen ganz neuen<br />
Werkblock vorstellen: Am 2.3.<strong>2011</strong><br />
kurz nach 15 Uhr wurde der Künstler<br />
Augenzeuge des Attentats vom Frankfurter<br />
Flughafen. Gerade selbst in Frankfurt<br />
gelandet und wartend, hat er sich<br />
aus unmittelbarer Nähe mit eigenen<br />
Augen ein Bild von den realen Vorgängen<br />
gemacht. Fotografien dieses Ereignisses<br />
und des Tatortes werden erstmals<br />
in dieser Ausstellung zu sehen sein.<br />
Stärker als in den Fotografien der vergangenen<br />
Jahre konzentriert sich Stefan<br />
Heyne mit den jüngsten Werken auf die<br />
Auflösung alles Gegenständlichen und<br />
die Reduktion auf Licht und Schatten.<br />
Nur schemenhaft taucht im Licht etwas<br />
auf, was von der angrenzenden Dunkelheit<br />
wieder verschluckt wird, doch<br />
© Stefan Heyne / VG BildKunst Bonn, 0456, 120 x 180 cm, 2010<br />
was genau, das bleibt unsichtbar. Vielmehr<br />
machen die Werke genau dieses<br />
Unsichtbare zum Bildgegenstand.<br />
Der aus dem Chiaroscuro, der Hell-<br />
Dunkelmalerei, bekannte Einsatz von<br />
Licht und Schatten wird hier nicht<br />
zur Dramatisierung eines Geschehens<br />
eingesetzt, auch nicht zur Kontrastierung<br />
einer Räumlichkeit. Das aus dem<br />
Barock bekannte Gestaltungsmittel ist<br />
zum Bildgegenstand an sich geworden.<br />
Es ist die bislang radikalste Abstraktion,<br />
die sein Oeuvre hervorgebracht hat und<br />
eine konsequente Fortsetzung seiner<br />
Reflexion über das, was Fotografie im<br />
Kern ist und wie unser Sehen funktioniert.<br />
Heyne hinterfragt in seinen Arbeiten,<br />
was wir Abbildern unserer Welt entnehmen<br />
können. Indem sie uns das<br />
ursprünglich Sichtbare vorenthalten,<br />
nehmen sie uns die Gewissheit, alles<br />
Fotografierte bereits erkannt zu haben,<br />
bevor es wirklich gesehen wurde. Die<br />
gewohnten Betrachtungsparameter sind<br />
gegenstandslos geworden und der Weg<br />
damit frei, sich in die Ungewissheit zu<br />
vertiefen.<br />
Stefan Heyne, geboren 1965 in Brandenburg/<br />
Havel. Lebt und arbeitet in<br />
Berlin.<br />
29. April bis 19. Juni <strong>2011</strong><br />
Kommunale Galerie Berlin<br />
Hohenzollerndamm 176<br />
10713 Berlin-Wilmersdorf<br />
Di – Fr 10 – 17 Uhr<br />
Mi 10 – 19 Uhr<br />
So 11 – 17 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
© Stefan Heyne / VG BildKunst Bonn, 8642,<br />
180 x 120 cm, 2010<br />
Eröffnung am 28. April <strong>2011</strong>, 19 Uhr<br />
27
Galerien<br />
Henrik Isaksson Garnell<br />
»Apsis«<br />
Der schwedische Fotograf Henrik Isaksson<br />
Garnell ist mehr als nur ein Fotograf.<br />
Er ist in gleichem Maße ein talentierter<br />
Erfinder, Bildhauer und Kunstvisionär.<br />
Statt Motive zu gewöhnlichen Naturthemen<br />
zu suchen, deformiert er diese und<br />
schafft so völlig neue Formen.<br />
Isaksson Garnell erschafft Bilder, in<br />
den er Themen der Wissenschaft und<br />
der Natur kombiniert. Seine bearbeiteten<br />
Motive lassen den 24jährigen zum<br />
einen wie einen Künstler, zum anderen<br />
aber auch wie einen verrückten Wissenschaftler<br />
erscheinen. Er bewegt sich<br />
immer zwischen Surrealem und Konkretem,<br />
was in der Fotografie eher selten ist<br />
und sich nur schwer in einer eindeutigen<br />
Begrifflichkeit festlegen lässt.<br />
Henrik Isaksson Garnell begann sehr<br />
früh mit der Schaffung von »nichtkonzeptionellen<br />
Bildern«. Jede Arbeit ist<br />
ein Solitär - stark und kraftvoll zugleich.<br />
Seine kreative Arbeitsweise kennt keine<br />
Kompromisse. Er produziert ausnahmslos<br />
fantastische Arbeiten in großformatigen<br />
Serien.<br />
Isaksson Garnells Ausstellungsserie<br />
»Apsis« untersucht die Frage, wo das<br />
Zentrum der Erde liegt. Er kombiniert<br />
dabei wissenschaftlichen Forschungsdrang<br />
mit ästhetischer Sinnesempfindung.<br />
Als Apsis (griechisch »Wölbung«,<br />
Plural: Apsiden) bezeichnet<br />
man die beiden Hauptscheitel auf der<br />
elliptischen Umlaufbahn eines Himmelskörpers.<br />
Nach der neuzeitlichen<br />
Himmelsmechanik liegt der Fokus auf<br />
dem Zentrum der Masse eines Systems.<br />
Ursprünglich wurden Apsiden vom Erdmittelpunkt<br />
aus gemessen.<br />
Die Apsis von Henrik Isaksson Garnells<br />
persönlicher, elliptischer Umlaufbahn<br />
liegt ganz in der Nähe von Stockholm.<br />
Ein kleines Landhaus ist sein Zuhause -<br />
mitten in der Natur, die für seine künstlerische<br />
Arbeit so bedeutend ist.<br />
28 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Henrik Isaksson Garnell<br />
© Henrik Isaksson Garnell<br />
www.swedishphotography.org<br />
bis 21. Mai <strong>2011</strong><br />
Swedish Photography<br />
Oranienburger Straße 27<br />
Kunsthof<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Mi – Sa 13 – 18 Uhr
Die Mauer<br />
The Wall<br />
Le Mur<br />
Leben mit der Mauer<br />
Vor 50 Jahren, am 13. August 1961<br />
wurde die Mauer errichtet.<br />
Die Menschen in Ost und West mussten<br />
sich mit der Situation arrangieren – im<br />
Schatten der Mauer ging das alltägliche<br />
Leben in Berlin weiter.<br />
Fotografische Zeugnisse von René Burri,<br />
Will McBride, Max Jacoby, Leonard<br />
Freed Barbara Klemm, Ute und Bernd<br />
Eickermeyer, Karl Ludwig Lange, Norbert<br />
Bunge u.a. spiegeln diese Zeit wider.<br />
© Norbert Bunge<br />
© Will McBride<br />
© Leonard Freed<br />
© René Burri<br />
© Norbert Bunge<br />
© Max Jacobi<br />
10. Juni bis 30. Juli <strong>2011</strong><br />
Galerie argus fotokunst<br />
Marienstraße 26<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Di – Sa 14 – 18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
29
Galerien<br />
Max Scheler<br />
»Photographien«<br />
Max Scheler hat es verstanden, auf die<br />
Zwischentöne im Umgang mit den Menschen<br />
zu achten. Auch seine Aufnahmen<br />
von Prominenten oder von zeithistorischen<br />
Momenten zeichnen sich durch<br />
diese Gabe aus, die kleinen, unscheinbaren<br />
Gesten und Regungen des Gegenübers<br />
zu bemerken und im richtigen, im<br />
entscheidenden Augenblick im Bild festzuhalten.<br />
Das Schauspiel der menschlichen<br />
Reaktionen beobachtete er aus der<br />
Perspektive distanzierter Gelassenheit.<br />
Eine besondere Fähigkeit zur Empathie<br />
und ein ausgeprägtes Interesse an der<br />
Psychologie von Personen und Situationen<br />
zeichneten bereits die frühesten<br />
Reportagen für die Illustrierte Heute<br />
zu Beginn seiner Karriere aus. »Mein<br />
Hauptinteresse ist die ‚Reportage mit<br />
dramatischem Inhalt’«, bekannte Scheler<br />
1958 anlässlich eines Portraits über<br />
seine Arbeit. »Da, wo das Geschehen in<br />
der Reaktion, im Gesicht des einzelnen<br />
und der Masse fixiert werden kann. Das<br />
menschliche Antlitz in der Emotion, in<br />
der Freude, Trauer, Begeisterung, Hysterie,<br />
Gläubigkeit, Verzweiflung, wie<br />
etwa in Reportagen über Königskrönungen<br />
oder Hochzeiten, über Naturkatastrophen<br />
oder Bergwerksunglücke,<br />
über sportliche Erfolge, über Massendemonstrationen<br />
oder politischen Fanatismus,<br />
religiöse Ereignisse oder Prozessionen,<br />
über den Wahnsinn kriegerischer<br />
Verheerung. Das Psychologische interessiert<br />
mich dabei mehr als das rein<br />
Lichtbildnerische, Ästhetische. Gute<br />
Bildkomposition, graphische Qualitäten,<br />
Verteilung des Lichtes betrachte<br />
ich als Vorraussetzung für jedes gute<br />
Foto. Sie beschäftigen mich höchstens<br />
im Unterbewusstsein«.<br />
Schelers Reportagestil befand sich voll<br />
im Trend der »human interest«-Fotografen,<br />
deren wichtigster Vereinigung, der<br />
Gruppe Magnum, er mehrere Jahre als<br />
Mitglied angehörte.<br />
Ulrich Pohlmann<br />
30 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Max Scheler, »John Lennon mit Fan-Post«, London, 1964<br />
© Max Scheler, »Alfred Hitchock auf der<br />
Reeperbahn«, Hamburg, 1963<br />
Ausstellungseröffnung am Freitag, dem<br />
17. Juni <strong>2011</strong> von 19 bis 21 Uhr<br />
18. Juni bis 20. August <strong>2011</strong><br />
Johanna Breede<br />
PHOTOKUNST<br />
Fasanenstraße 69<br />
10719 Berlin-Charlottenburg<br />
Di – Fr 11 – 18 Uhr<br />
Sa 11 – 16 Uhr
Birgit Kleber<br />
»Photographen«<br />
Birgit Kleber - 1956 in Hannover geboren<br />
- arbeitete nach ihrer Ausbildung<br />
als Photographin und Bildredakteurin<br />
bei verschiedenen Zeitschriften. In den<br />
USA absolvierte sie Workshops bei Lotte<br />
Jacobi und Berenice Abbott. Seit 1984<br />
arbeitet sie als freie Photographin und<br />
konzentriert sich überwiegend auf Portraitaufnahmen<br />
aus den Bereichen Literatur,<br />
Film, Musik und Kunst sowie der<br />
Photographie, deren Protagonisten hier<br />
eine eigene Ausstellung gewidmet ist.<br />
40 Portraits zeitgenössischer Photographen<br />
versammelt die Ausstellung. Portraits,<br />
die von einer intensiven Beschäftigung<br />
mit dem Gegenüber erzählen.<br />
Alles reduziert sich auf die Landschaft<br />
des Gesichts, die Birgit Kleber einfühlsam<br />
und respektvoll wiederspiegelt.<br />
© Birgit Kleber, »Will McBride«<br />
© Birgit Kleber<br />
Ausstellungseröffnung am Freitag, dem<br />
6. Mai <strong>2011</strong> von 19 bis 21 Uhr<br />
in Anwesenheit der Photographin.<br />
Zur Eröffnung spricht Rainer Traube,<br />
Leiter Kultur Deutsche Welle/TV.<br />
Zur Ausstellung erscheint im JOVIS<br />
Verlag das Buch »Photographers«,<br />
ISBN 978-3-86859-133-0<br />
7. Mai bis 11. Juni <strong>2011</strong><br />
Johanna Breede<br />
PHOTOKUNST<br />
Fasanenstraße 69<br />
10719 Berlin-Charlottenburg<br />
Di – Fr 11 – 18 Uhr<br />
Sa 11 – 16 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
31
Galerien<br />
World Press Photo 11<br />
Zum WORLD PRESS PHOTO des Jahres<br />
2010 wurde eine Fotografie der südafrikanischen<br />
Fotografin Jodi Bieber<br />
gewählt. Das Siegerfoto zeigt ein Porträt<br />
der 18-jährigen Afghanin Bibi Aisha.<br />
Sie war in ihr Elternhaus geflüchtet, weil<br />
ihr Ehemann sie schlug. Die Taliban griffen<br />
sie auf, ihr Ehemann schnitt ihr zur<br />
Strafe für ihren Ungehorsam Ohren und<br />
Nase ab. Mitarbeiter einer Hilfsorganisation<br />
und US-amerikanische Soldaten<br />
retteten ihr das Leben. Heute lebt Bibi<br />
Aisha in den USA.<br />
Die Jury bezeichnet die Aufnahme als<br />
eines der Bilder, die man nicht vergisst.<br />
Das Bild sorgt weltweit für große<br />
Aufmerksamkeit und wurde vom Time<br />
Magazin auf dem Titel veröffentlicht.<br />
Inzwischen wurde Bibi Aisha in den<br />
USA eine künstliche Nase angepasst,<br />
eine so genannte Epithese. Jurorin Ruth<br />
Eichhorn (GEO) sagte zur Begründung<br />
der Jury: »Es ist ein unglaublich starkes<br />
Foto. Es sendet eine mächtige Botschaft<br />
in eine Welt, in der fünfzig Prozent der<br />
Bevölkerung Frauen sind. Frauen, von<br />
denen viele immer noch in furchtbaren<br />
Umständen leben, von denen viele<br />
Opfer von Gewalt sind.« Mit einem<br />
World Press Photo Award wurden insgesamt<br />
55 Fotografen aus 23 Ländern<br />
in neun Themenkategorien ausgezeichnet.<br />
Unter ihnen auch sechs Fotografen<br />
aus Deutschland. 108.059 Fotos waren<br />
von 5.847 Fotografen aus 125 Nationen<br />
eingereicht worden - so viele wie noch<br />
nie zuvor. Seit 54 Jahren kürt eine internationale<br />
Jury in Amsterdam die besten<br />
Pressefotos des vergangenen Jahres.<br />
Dabei werden in verschiedenen Kategorien<br />
sowohl Einzelfotos als auch Fotoreportagen<br />
ausgezeichnet. Der WORLD<br />
PRESS PHOTO Award, veranstaltet von<br />
der World Press Photo Foundation, ist<br />
der weltweit größte und anerkannteste<br />
Wettbewerb für Pressefotografie.<br />
17. Juni bis 10. Juli <strong>2011</strong><br />
Willy-Brandt-Haus<br />
Stresemannstraße 28<br />
10963 Berlin-Kreuzberg<br />
Di – So 12 – 18 Uhr<br />
32 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Jodi Bieber, Südafrika, Institute for Artist Management/Goodman Gallery for Time magazine<br />
World Press Photo des Jahres 2010<br />
»Junge Afghanin, deren Mann ihr Nase und Ohren abgeschnitten hat, weil sie ihn verlassen wollte.«<br />
© Omar Feisal, Somalia, für Reuters<br />
Erster Platz - Kategorie Daily Life Singles<br />
»Ein Mann trägt einen Hai durch die Straßen<br />
Mogadischus«.<br />
© Reinhard Dirscherl, Deutschland<br />
Zweiter Platz - Kategorie Nature Singles<br />
»Fächerfische bei der Jagd nach Sardinen im<br />
Mexikanischen Yucatan«.
Insight:<br />
Micha Bar-Am´s Israel<br />
Er ist international einer der bedeutendsten<br />
Fotografen Israels: Micha Bar-<br />
Am. Der Freundeskreis Willy-Brand-<br />
Haus e.V. würdigt in einer umfassenden<br />
Retrospektive »Insight: Micha Bar-<br />
Am’s Israel« das Werk des inzwischen<br />
81-jährigen Fotografen. 22 Jahre lang<br />
war Micha Bar-Am Nahost-Fotokorrespondent<br />
der New York Times und seine<br />
Fotografien zierten die Titelseiten von<br />
Newsweek, New York Times Magazine,<br />
Paris Match und Stern. Er ist Gründungsmitglied<br />
des International Center of<br />
Photography (ICP) in New York und bis<br />
heute das einzige israelische Mitglied<br />
der legendären Fotoagentur Magnum.<br />
1930 als Michael Anguli in Berlin geboren,<br />
flüchtete Bar-Am als Sechsjähriger<br />
mit seiner Familie aus Hitler-Deutschland<br />
ins damalige Palästina. Bar-Ams<br />
Biographie ist eng mit seinem Hauptmotiv<br />
verwoben, das sich wie ein roter<br />
Faden durch sein Werk zieht: die faszinierende<br />
Komplexität des Lebens im<br />
Nahen Osten. Mit neugierigem Blick<br />
widmet der Autodidakt sich seit Anfang<br />
der 1950er Jahre seiner neuen Heimat<br />
und begleitet dabei den Aufbau des<br />
jungen Staates Israel.<br />
Mit seinen Fotografien blickt Bar-Am auf<br />
die menschliche Dimension der politischen<br />
Konflikte: auf das Schicksal der<br />
Araber in den Grenzregionen, auf den<br />
Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern,<br />
auf die Hoffnungen und Nöte<br />
der neuen Einwanderer der 1950er<br />
Jahre, auf die Narben des letzten Krieges<br />
und die Angst vor dem nächsten. Oder<br />
auch nur auf das einfache Glück und<br />
die Lebensfreude der Menschen, die<br />
ihren Alltag meistern. Dabei gewährt<br />
diese Ausstellung erstmalig Einblicke<br />
in eine Werkgruppe persönlicher Fotografien,<br />
die u.a. bisher unveröffentlichte<br />
Bilder aus dem Album der Familie Bar-<br />
Am beinhaltet. Heute lebt und arbeitet<br />
Micha Bar-Am in Ramat Gan, Israel.<br />
© Micha Bar-Am/ Magnum Photos<br />
© Micha Bar-Am/ Magnum Photos, Ofra, israelische Siedlung, Westbank, 1979<br />
75 Jahre nach seiner Vertreibung aus<br />
Deutschland kehrt der Chronist der Zeitgeschichte<br />
nach Berlin mit dieser Retrospektive<br />
ins Willy-Brandt-Haus zurück.<br />
Die Ausstellung ist eine Kooperation<br />
zwischen dem Freundeskreis Willy-<br />
Brandt-Haus e.V. und den Open Museums<br />
Israel; Kuratorin ist Dr. Alexandra<br />
Nocke, Berlin, Ausstellungskonzeption:<br />
Dr. Alexandra Nocke, Gisela Kayser.<br />
bis 21. Mai <strong>2011</strong><br />
Willy-Brandt-Haus<br />
Stresemannstraße 28<br />
10963 Berlin-Kreuzberg<br />
Di – So 12 – 18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
Treffen zwischen David Ben-Gurion und Konrad Adenauer, Speisesaal des Kibbuz Sde Boker, 1966<br />
Begleitend zur Ausstellung erscheint<br />
das Buch (engl./dt.): »Insight: Micha Bar-<br />
Am’s Israel«. Alexandra Nocke (Hrsg.)<br />
Koenig Books, <strong>2011</strong>,<br />
ISBN 978-3-86560-982-3,<br />
29,80 Euro.�<br />
33
Galerien<br />
Ingo Kuzia und<br />
Akira Nakao<br />
»Stadtlandschaft<br />
Berlin«<br />
Eigens für diese Ausstellung haben<br />
sich der japanische Maler Akira Nakao<br />
und der deutsche Fotograf Ingo Kuzia<br />
zu einem Projekt zusammengefunden,<br />
das die »Stadtlandschaft Berlin« zum<br />
Thema hat.<br />
Beide beschäftigt dieses Thema schon<br />
seit Jahren in zentraler Weise. Beide<br />
wollen in der Ausstellung mit ihren<br />
unterschiedlichen Ausdrucksmitteln<br />
in einen Dialog treten. Beide wollen<br />
deutlich machen, welche Spuren der<br />
Mensch in einer Landschaft hinterläßt,<br />
um sie bewohnbar zu machen. Beide<br />
versuchen, sich dem Wesen der Stadtlandschaft<br />
zu nähern. Nicht, indem sie<br />
sie detailgetreu und »nach der Natur«<br />
abbilden, sondern indem sie die inneren<br />
Strukturen einer ganzen Stadtlandschaft<br />
auf das einzelne Gebäude, auf<br />
den Straßenzug, auf das städtebauliche<br />
Ensemble übertragen.<br />
Jacques H. Sehy<br />
»Lichtzeichnungen«<br />
Linien und Flächen, herausgearbeitet<br />
aus Licht und Dunkelheit, Schattierungen,<br />
Graustufen und Kontrasten - nicht<br />
mehr, aber auch nicht weniger bedarf<br />
es in der Bildsprache von Jacques H.<br />
Sehy.<br />
Ausgangsmotiv des Künstlers ist immer<br />
der menschliche Körper, ohne Attribute<br />
von Mode, Status und Zeit. Das photographische<br />
Bild ist kein Dokument eines<br />
geschichtlichen Ereignisses, kein Abbild<br />
eines historischen Moments, sondern<br />
ein sensibel eingefangener, existenzieller<br />
Augenblick des Daseins, ein einfühlsames<br />
Portrait der Innerlichkeit und<br />
der Intimität.<br />
Jacques H. Sehy setzt das Licht kalkuliert<br />
ein. Seine Bildkompositionen sind<br />
Produkt eines virtuosen Spiels mit der<br />
Topographie des Körpers, mit Flächen<br />
34 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Ingo Kuzia, »Olympiastadion«, <strong>2011</strong> (Original in Farbe)<br />
© Akira Nakao, »Zoofenster«, 2010<br />
(Original in Farbe)<br />
Vernissage: 8. April <strong>2011</strong>, 19 Uhr<br />
und Linien, die sich allein aus Kontrasten,<br />
Nuancierungen und Abstraktion<br />
der schwarz-weiß Photographie ergeben.<br />
Einer Metamorphose vergleichbar<br />
läßt er komplexe, hybride Figuren mit<br />
skulpturaler Wirkung entstehen. Fragmentarische<br />
Strukturen werden über<br />
veränderte Wahrnehmung neu konstruiert<br />
und definiert. Die bisher unbekannte<br />
Wirklichkeit der Bilder erzählt<br />
dann eine andere, subjektive, manchmal<br />
surreale Geschichte.<br />
Ulla Lohmann, Hamburg<br />
18. Juni bis 31. Juli <strong>2011</strong><br />
carpentier galerie<br />
Meinekestraße 13<br />
10719 Berlin-Charlottenburg<br />
www.carpentier-galerie.de<br />
Öffnungszeiten nach Vereinbarung<br />
Akira Nakao tut dies, wo er seine Motive<br />
mit grundrissartigen Farbflächen überlagert.<br />
Ingo Kuzia paßt in seinen Fotografien<br />
die ruhenden Objekte Berlins der<br />
Geschwindigkeit ihrer Umgebung an.<br />
9. April bis 31. Mai <strong>2011</strong><br />
carpentier galerie<br />
Meinekestraße 13<br />
10719 Berlin-Charlottenburg<br />
www.carpentier-galerie.de<br />
Öffnungszeiten nach Vereinbarung<br />
© Jacques H. Sehy, ohne Titel, 2007<br />
Vernissage: 17. Juni <strong>2011</strong>, 19 Uhr
Rüdiger Lubricht<br />
»Verlorene Orte<br />
Gebrochene<br />
Biografien«<br />
25 Jahre des Vergessens, des Ignorierens,<br />
des Verschweigens und offizieller<br />
Fehlmeldungen kennzeichnen den<br />
Umgang mit dem größten Atomunfall<br />
der Geschichte, der Explosion des Atomkraftwerks<br />
Tschernobyl am 26. April<br />
1986.<br />
Der Fotograf Rüdiger Lubricht holt<br />
die Reaktorkatastrophe aus der sicheren<br />
Entfernung und zeigt in der Ausstellung<br />
»Tschernobyl | Verlorene Orte<br />
| Gebrochene Biografien« Momente<br />
aus der Wirklichkeit vor Ort: die verstrahlten<br />
Lebensräume in der Sperr- und<br />
Todeszone; die Rückkehrer, die trotz<br />
der Strahlengefahr in die Zone zurückkamen,<br />
um dort ihren Lebensabend<br />
zu beschließen; die Liquidatoren, die<br />
damals stolz darauf waren, für ihr Land<br />
und ihre Mitmenschen zu arbeiten und<br />
sich nachträglich die Frage nach dem<br />
Sinn ihres Einsatzes stellen. Ca. 800.000<br />
Liquidatoren riskierten ihr Leben, um<br />
das außer Kontrolle geratene friedliche<br />
Atom zu besiegen, den Reaktorbrand zu<br />
löschen und die Katastrophenfolgen zu<br />
begrenzen. Viele von ihnen sind gestorben,<br />
die noch lebenden Liquidatoren<br />
kämpfen meist mit gesundheitlichen<br />
Problemen. Nur ihrem Einsatz ist es<br />
zu verdanken, dass wir in Westeuropa<br />
von einem größeren Unglück verschont<br />
blieben. Ihrem Andenken ist diese Ausstellung<br />
gewidmet.<br />
»Wenn wir Tschernobyl vergessen,<br />
erhöhen wir das Risiko weiterer solcher<br />
Technologie- und Umweltkatastrophen<br />
in der Zukunft…Mehr als sieben Millionen<br />
unserer Mitmenschen können sich<br />
den Luxus des Vergessens nicht erlauben.<br />
Sie leiden noch immer… Das Vermächtnis<br />
von Tschernobyl wird uns und<br />
unsere Nachkommen begleiten – und<br />
zwar für viele kommende Generationen«.<br />
Kofi Annan, New York 2000<br />
© Rüdiger Lubricht, Riesenrad vor Wohnblocks in Pripjat, 2005<br />
Die Erzeugung von Atomenergie birgt<br />
auch in Zukunft Risiken für Mensch<br />
und Umwelt. Es gibt keine Lösung für<br />
den Atommüll. Künftige Generationen<br />
werden mit dieser hoch radioaktiven<br />
Hinterlassenschaft leben müssen.<br />
Katalog zur Ausstellung:<br />
Rüdiger Lubricht<br />
»Verlorene Orte | Gebrochene Biografien«,<br />
IBB Dortmund,<br />
ISBN 978-3-935950-11-4<br />
14. April bis 29. Mai <strong>2011</strong><br />
Willy-Brandt-Haus<br />
Stresemannstraße 28<br />
10963 Berlin-Kreuzberg<br />
Di – So 12–18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
© Rüdiger Lubricht, Liquidator Dimitrij Birkukov, Diagnose Leukämie und Herzerkrankung, 2010<br />
Die Ausstellung ist am Karfreitag,<br />
22. April <strong>2011</strong>, geschlossen, an allen<br />
Osterfeiertagen incl. Ostermontag<br />
von 12 bis 18 Uhr geöffnet.<br />
35
Galerien<br />
RUSSELL JAMES<br />
CAMERA WORK freut sich, erneut<br />
Arbeiten von Russell James zu präsentieren.<br />
Nie zuvor gezeigte Akt-Aufnahmen<br />
der schönsten Frauen der Welt<br />
aus der Serie »V2« werden um Bilder<br />
seines Künstlerprojektes »Nomad – Two<br />
Worlds« und um weitere Ikonen, wie<br />
z.B. reizvolle Bilder aus dem Backstage-<br />
Bereich der legendären Victoria’s Secret-<br />
Show ergänzt.<br />
Russell James’ Aufnahmen von den<br />
acht schönen Frauen Brooklyn Decker,<br />
Miranda Kerr, Candice Swanepoel, Erin<br />
Heatherton, Emanuela de Paula, Jarah<br />
Mariano, Rosie Huntington-Whiteley<br />
und Lindsay Ellingson sind auf der malerischen<br />
Insel »Necker Island« unter dem<br />
Titel »V2« entstanden und in einem, die<br />
Ausstellung begleitenden Buch zusammengefasst<br />
worden. Eine exklusive Auswahl<br />
der Bilder wird nun von CAMERA<br />
WORK zum ersten Mal in Europa ausgestellt.<br />
Die im pazifischen Ozean liegende<br />
Privatinsel des VIRGIN-Gründers Sir<br />
Richard Branson diente Russell James<br />
und seinem Team als Szenerie für das<br />
außergewöhnliche Photoshooting. Die<br />
Insel wird auf Grund ihrer üppigen<br />
Vegetation, dem tiefblauen Meer und<br />
den endlos weißen Sandstränden als<br />
Paradies auf Erden beschrieben und war<br />
somit eine ideale Umgebung, um einige<br />
der attraktivsten Frauen der Gegenwart<br />
hüllenlos abzulichten. So schmiegt auf<br />
traumähnlichen Bildern das südafrikanische<br />
Model Candice Swanepoel ihren<br />
von Blättern und Sand bedeckten Körper<br />
an mächtige Bäume, während Brooklyn<br />
Decker – im vergangenen Jahr zur<br />
»Sexiest Woman Alive« gewählt – sich<br />
in der Hitze der Nacht in den Fluten<br />
des Ozeans räkelt oder Emanuela de<br />
Paula sinnlich und anmutig auf einer<br />
graphisch ausgewogen Schwarzweiß-<br />
Photographie vor der Linie des endlosen<br />
Horizonts posiert. Mit Miranda Kerr,<br />
der Freundin des Schauspielers Orlando<br />
Bloom, besuchte Russell James eine<br />
Nachbarinsel, um auf dieser wundervoll<br />
natürliche und private Aufnahmen<br />
zu machen.<br />
36 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Russel James, »Rosie«, Necker Island, 2010<br />
Neben der Serie »V2G werden Arbeiten<br />
des Projekts »Nomad – Two<br />
Worlds« gezeigt; einzigartige Collagen,<br />
die in Zusammenarbeit mit australischen<br />
Künstlern entstanden sind. Russell<br />
James’ atemberaubende Landschaften,<br />
seine Photographien von strahlend<br />
schönen Frauen und charismatischen<br />
Persönlichkeiten, werden künstlerisch<br />
ergänzt und bilden ein starkes Symbol<br />
der Versöhnung zweier sich ehemals<br />
feindlich gegenüberstehenden Kulturen.<br />
Das von Russell James ins Leben gerufene<br />
Projekt zieht immer weitere Kreise,<br />
so dass es mittlerweile auch Kooperationen<br />
mit indianischen sowie haitianischen<br />
Künstlern umfasst. »Nomad – Two<br />
Worlds« wird von Prominenten wie Sir<br />
Richard Branson, Heidi Klum, Hugh<br />
Jackman oder Donna Karan unterstützt.<br />
Spektakuläre Eröffnungen der international<br />
tourenden Ausstellung, wie Ende<br />
Februar in Los Angeles, sind auch auf<br />
Grund der Anwesenheit vieler prominenter<br />
Persönlichkeiten gesellschaftliche<br />
Ereignisse der besonderen Art.<br />
So werden auch zur Eröffnung bei<br />
CAMERA WORK voraussichtlich einige<br />
der Topmodels aus der Serie »V2« anwesend<br />
sein. Russell James’ Photographien<br />
erscheinen regelmäßig in Zeitschriften<br />
wie Vogue, W, American Photo oder<br />
GQ. Der 1962 geborene Australier hat<br />
ein ereignisreiches Leben als Polizist
© Russel James, »Adriana Smoking«, Los Angeles, 2003<br />
einer Spezialeinheit oder auch als Photomodel<br />
geführt, bevor ihm letztendlich<br />
mit 34 Jahren in New York der Durchbruch<br />
als Photograph gelang. Seit vielen<br />
Jahren arbeitet er mit den Topmodels der<br />
Welt zusammen.<br />
Seine Teilnahme an Heidi Klums TV-<br />
Format »Germany’s Next Topmodel«<br />
hat ihn auch in Deutschland einem breiten<br />
Publikum bekannt gemacht. Neben<br />
seinem umfangreichen Bildband »Russell<br />
James« aus dem Jahr 2008 ist nun<br />
sein neues Buch »V2« im teNeues Verlag<br />
erschienen. Das Buch ist bei CAMERA<br />
WORK erhältlich.<br />
© Russel James, »Brooklyn«,<br />
Necker Island, 2010<br />
© Russel James, »Heidi Portrait«,<br />
Costa Careyes, Mexico, 2005<br />
© Russel James, »Faith«,<br />
Nashville, Tennessee, 2008<br />
bis 7. Mai <strong>2011</strong><br />
Galerie Camera Work<br />
Kantstraße 149<br />
10623 Berlin-Charlottenburg<br />
Di – Sa 11 – 18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
37
Galerien<br />
Alfred Ehrhardt im<br />
Bildarchiv »Volk und<br />
Welt«. Leihgaben aus<br />
dem Bildarchiv<br />
Preußischer Kulturbesitz<br />
Die Alfred Ehrhardt Stiftung präsentiert<br />
78 Originalfotografien von Alfred<br />
Ehrhardt aus dem Bestand des Bildarchivs<br />
Preußischer Kulturbesitz (bpk).<br />
Nach der Ausstellung Mikrofotografie –<br />
Schönheit jenseits des Sichtbaren, die<br />
vom September 2010 bis Januar <strong>2011</strong><br />
im Museum für Fotografie zu sehen war,<br />
setzt die Alfred Ehrhardt Stiftung erneut<br />
auf eine Kooperation mit der Stiftung<br />
Preußischer Kulturbesitz.<br />
Der programmatische Ansatz der ersten<br />
vier Ausstellungen der Alfred Ehrhardt<br />
Stiftung zielte auf den Dialog der zeitgenössischen<br />
Fotografie mit dem Werk von<br />
Alfred Ehrhardt zum Thema »Natur«.<br />
Nach diesen Veranstaltungen im ersten<br />
Jahr des Neubeginns in Berlin widmet<br />
die Alfred Ehrhardt Stiftung erstmals eine<br />
Ausstellung ausschließlich den Arbeiten<br />
des Fotokünstlers selbst, dessen Namen<br />
die Stiftung trägt, dessen Werk sie besitzt<br />
und betreut. Die Ausstellung bietet<br />
einen Blick zurück in einen genau definierten<br />
Zeitabschnitt der Rezeptionsgeschichte<br />
des fotografischen Werks von<br />
Alfred Ehrhardt: seine Bild- und Textveröffentlichungen<br />
in der Zeitschrift Volk<br />
und Welt zwischen Januar 1940 und<br />
Juni 1944, ergänzt durch damals nicht<br />
veröffentlichte Bilder aus dem Archiv<br />
dieser Zeitschrift.<br />
Die Kulturzeitschrift Volk und Welt<br />
bestand von 1934 bis 1944, erschien<br />
einmal monatlich in Hannover und<br />
wurde herausgegeben von Prof. Oppermann.<br />
Ihre Haltung war völkisch, national,<br />
zum konservativen Bildungsbürgertum<br />
neigend. In einer werbenden Selbstcharakteristik<br />
beschrieb sie sich folgendermaßen:<br />
»Deutschlands Monatsbuch<br />
‚Volk und Welt’ - die Großzeitschrift der<br />
Anspruchsvollen ist eine einzigartige<br />
Höchstleistung!<br />
38 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Alfred Ehrhardt, »Gehäuse einer heute<br />
noch lebenden Art der Tintenfische in den<br />
ozeanischen Gewässern der Philippinen,<br />
(Nautilus pompilius Lam.)«, um 1940<br />
Vintage, Gelatinesilberabzug, 24,0 x 18,0 cm<br />
© bpk / VG BILD-KUNST <strong>2011</strong><br />
Leihgeber: bpk – Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz<br />
Kunst, Wissen, Unterhaltung pflegt<br />
‚Volk und Welt‘ in vorbildlicher Form.<br />
Jeder Band bietet – stark kartoniert –<br />
über 160 Seiten wertvollen Inhalt mit<br />
etwa 60 zum Teil ganzseitigen Bildern<br />
auf bestem Kunstdruckpapier.« Die Zeitschrift,<br />
die eine Vorgängerin hatte mit<br />
Namen Ernte, ebenfalls hg. von Oppermann,<br />
ging mit neuem programmatischen<br />
Namen und veränderter moderner<br />
Gestaltung auf Erfolgskurs: im Jahr<br />
1934 noch mit einer Auflage von 5.000<br />
Exemplaren, war sie 1938 schon bei<br />
einer Auflage von 47.000 angelangt,<br />
ein Niveau, das bis zum Schluss gehalten<br />
wurde. Eine maßgebliche Rolle bei<br />
dieser Erfolgsgeschichte publizistischer<br />
Modernisierung spielte der wachsende<br />
Einsatz von guter Fotografie im redaktionellen<br />
Konzept. Unter den abgedruckten<br />
Fotografen fehlte kaum ein bekannter<br />
Name der dreißiger Jahre. Einer von<br />
ihnen: Alfred Ehrhardt.<br />
Das Bildarchiv der Zeitschrift Volk und<br />
Welt umfasste insgesamt 25.000 Fotografien.<br />
Seit 1945 in Privatbesitz in<br />
Hannover, wurde es im Jahr 1981 nach<br />
West-Berlin verkauft. Zwei Kulturinstitutionen,<br />
das Bildarchiv Preußischer<br />
Kulturbesitz (bpk) und die Berlinische<br />
Galerie erwarben den Bestand gemein-<br />
sam und teilten ihn anschließend zwischen<br />
sich auf: Das bpk besitzt heute<br />
ca. 13.000 Fotografien, die Berlinische<br />
Galerie etwas mehr als 3.500 Fotografien<br />
aus dem Archiv Volk und Welt.<br />
Der kleineren aber fotografisch »edleren«<br />
Sammlung von Bildmotiven in der<br />
Berlinischen Galerie ist eines gemeinsam:<br />
der Bezug zur Stadt Berlin (tatsächlich<br />
vorhanden oder zumindest behauptet),<br />
während die Sammlung von Bildmotiven<br />
im bpk den quantitativ bedeutenderen<br />
und thematisch vielfältigeren<br />
Anteil des ehemaligen Verlagsarchivs<br />
repräsentiert.<br />
Das ausgestellte Konvolut Alfred Ehrhardts<br />
aus dem Besitz des bpk zeigt uns<br />
die Originalabzüge in dem Zustand, in<br />
dem sie im Verlag Volk und Welt archiviert<br />
waren und so auf die Nachwelt<br />
überkommen sind: Aufgeklebt auf<br />
Karton, mit handschriftlichen Bildbetextungen,<br />
Retuschen, Markierungen,<br />
Stempeln, Aufklebern auf der Rückseite,<br />
Veröffentlichungs- und Honorarvermerken.<br />
»Vom Wind erzeugte Riffelungen im<br />
Wattenmeer«, »Architekturkünste der<br />
Meeresschnecken«, »Zauber der Edelsteine«,<br />
»Eisenblüte«, »Bronzeköpfe«,<br />
oder »Fohlen auf der Weide« …. – an<br />
den Wänden und in Vitrinen präsentiert,<br />
zeigen diese Bilder herausragende<br />
Motive innerhalb des Oeuvres<br />
des Fotografen. Eine sorgfältige Auswahl<br />
der besten Motive innerhalb einer<br />
Serie ergibt einen repräsentativen Querschnitt<br />
des Ehrhardtschen Schaffens bis<br />
1944. Dargestellt ist das ganze Spektrum<br />
seiner Themen – fasziniert von der<br />
Schönheit der Naturformen in der physischen<br />
Natur überträgt sich die Faszination<br />
des Künstlers von den Formen<br />
der Natur über die Fotografie auf den<br />
Betrachter. Damals wie heute.<br />
14. Mai bis 26. Juni <strong>2011</strong><br />
Alfred Ehrhardt Stiftung<br />
Auguststraße 75<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Di – So 11 – 18 Uhr<br />
Do 11 – 21 Uhr
Cornelia Janetscheck<br />
von Vietinghoff<br />
»Marie«<br />
Eine Frau sitzt an einem Tisch und wartet.<br />
Worauf, wie lange schon und in welcher<br />
Stimmung befindet sie sich?<br />
1991 insziniert die Fotografin Cornelia<br />
Janetscheck v V. die Szene, die sie<br />
atmosphärisch an eine Sommernacht<br />
in den Strassen von Paris erinnert.<br />
Inspiriert durch die fotografische Arbeit<br />
in der Forschung an der FU - Berlin<br />
(1978-1981) findet Cornelia Janetscheck<br />
v V. unterschiedlichste Erscheinungsformen,<br />
um ein Foto räumlich erfahrbar zu<br />
machen. »Ich möchte dem Betrachter<br />
eine erweiterte Möglichkeit der Bildwahrnehmung<br />
zur Verfügung stellen,<br />
die zweidimensionale Form einer Fotografie<br />
brechen«, sagt die Fotografin.<br />
Sie experimentiert dabei mit diversen<br />
Trägermaterialien und Techniken. Einige<br />
Ergebnisse dieser experimentellen Fotografie<br />
aus dem Jahr 1991 zeigt Cornelia<br />
Janetscheck v V. in ihrer aktuellen<br />
Ausstellung.<br />
© Cornelia Janetscheck von Vietinghoff<br />
© Cornelia Janetscheck von Vietinghoff<br />
Cornelia Janetscheck arbeitet ohne Grafiksoftware<br />
und Effekt-Plugins. Kreativ<br />
über Software zu arbeiten heißt für die<br />
Fotografin »second hand kreiert«. Das<br />
Experiment in der real- erlebbaren Welt<br />
ist für sie die größere Herausforderung.<br />
Vernissage:<br />
Freitag, 6. Mai <strong>2011</strong>, 19 Uhr<br />
9. Mai bis 17. Juni <strong>2011</strong><br />
Luxad<br />
Mommenstraße 42<br />
10629 Berlin-Charlottenburg<br />
Mo – Fr 10 – 19 Uhr<br />
Sa 12 – 18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
39
Galerien<br />
Marikel Lahana<br />
»Nobody knows«<br />
Im Zentrum ihres Schaffens stehen bei<br />
der französischen Fotografin Marikel<br />
Lahana die Wahrnehmungen von Isolation<br />
und Einsamkeit, von Eingeschlossen-<br />
und Anderssein. Diese Themen<br />
lassen sich aus ihrer Sicht am besten<br />
am menschlichen Körper erforschen.<br />
Um diese zu veranschaulichen, zeigt sie<br />
den Körper meistens von seiner natürlichen<br />
Umgebung isoliert. Marikel sieht<br />
sich in erster Linie als Portraitfotografin<br />
– die jedoch fern von allem Glamour<br />
die Komplexität ihres Gegenübers<br />
mit all seinen Schwierigkeiten, die<br />
ihm im Leben begegnen, zu erfassen<br />
sucht. Bei diesen fotografischen Begegnungen<br />
setzt sie einen Dialog in Gang,<br />
der auch den Betrachter erfasst. Sie<br />
verspürt dabei eine Affinität zu Menschen,<br />
die mit sich hadern und die oftmals<br />
am Rande der Gesellschaft stehen.<br />
Vielleicht weil sie die Spielregeln nicht<br />
akzeptieren wollen oder weil sie, um<br />
sich selbst sein zu können, lieber auf<br />
bürgerliche Sicherheiten verzichten.<br />
In der Serie »La vanité des ecchymoses«<br />
(Die Eitelkeit der Blutergüsse) portraitiert<br />
sie Menschen, die sich nach<br />
einer schmerzhaften Erfahrung in einer<br />
Phase der Erholung befinden. Die<br />
Farben dieser Serie sollen dabei an das<br />
Farbspektrum eines Blutergusses erinnern.<br />
Weitere Bestandteile ihrer Fotografie<br />
sind milchig blasse Pastelltöne<br />
und eine hohe Körnigkeit. Wie bei<br />
ihrem Bild von einer Sanduhr möchte<br />
sie damit auf das unaufhaltsame Zerrinnen<br />
der Zeit hinweisen. Beispielhaft für<br />
die schon bei den Rencontres d’Arles<br />
2009 gezeigte Serie »Fictions Aptères«<br />
(Flügellose Fiktionen) ist Nelson, der<br />
wie folgt beschrieben wird: »Vierzigjähriger,<br />
unangepasster sozialer Träumer,<br />
der nach Leben süchtig ist«. Bezeichnenderweise<br />
schwingt bei Marikels stillen<br />
und nüchternen Fotografien immer<br />
auch eine unterschwellige Gewalt und<br />
wilde Kraft mit.<br />
40 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Marikel Lahana<br />
Im Mittelpunkt ihrer Ausstellung bei<br />
exp12 / exposure twelve steht die Diashow<br />
»Nobody knows«, die musikalisch<br />
von der dynamischen Pariser Pianistin<br />
Trami Nguyen begleitet wird. Speziell<br />
zur Show konzipiert erklingen Jodlowskis<br />
»Série blanche“«, Luigi Nonos »…<br />
Sofferte onde serene« und Kenji Sakais<br />
»Chronofaille III«. Am letzten Ausstellungswochenende<br />
wird die Pianistin<br />
live vor Ort spielen.<br />
Marikel Lahana ist Absolventin der Pariser<br />
Hochschule für Angewandte Kunst<br />
ENSAD. Sie hat sich 2008 an der ENSP<br />
in Arles und 2010 am Studio National<br />
des Arts Contemporain Le Fresnoy diplomiert.<br />
Ein Erasmus-Stipendium führte<br />
sie 2007 an die UIAH in Helsinki, Finnland<br />
und ein Aufenthaltsstipendium der<br />
Alliance Francaise 2009 nach Toronto,<br />
Kanada. Ihre mehrfach ausgezeichneten<br />
Arbeiten wurden international auf<br />
Festivals und in Ausstellungen in Frankreich<br />
gezeigt.<br />
www.marikellahana.com<br />
© Marikel Lahana<br />
Eröffnung: 13. Mai <strong>2011</strong>, 19 Uhr<br />
14. Mai bis 5. Juni <strong>2011</strong><br />
exp12 / exposure twelve<br />
Senefelderstraße 35<br />
10437 Berlin-Prenzlauer Berg<br />
www.exp12.com<br />
Fr – So 14 – 20 Uhr
Sibylle Mundt,<br />
Claudia Prokop<br />
Michael Magdeburg<br />
»Poesie der<br />
Architekturen«<br />
Die zentrale Herausforderung des Fotografierens<br />
von architektonischen Gebäuden<br />
als Ganzes oder im Detail, die Darstellung<br />
räumlicher Gebilde, hat immer<br />
wieder zu äußerst kreativen Arbeiten<br />
angeregt. Vielen Fotografen geht es<br />
dabei nicht mehr um eine rein sachliche<br />
Präsentation architektonischer Formen.<br />
Viel mehr scheint sie zu interessieren,<br />
wie Gebäude in Synthese mit den<br />
gestalterischen Möglichkeiten des Mediums<br />
zu ganz neuen Erfahrungsräumen<br />
werden können. So lösten sich schon<br />
in der Frühzeit der Fotografie Fotografen<br />
von der reinen Sachaufnahme hin<br />
zum künstlerischen Abbild architektonischer<br />
Bauwerke und Ensembles. Diese<br />
Wahrnehmung von Architektur im urbanen<br />
Umfeld STADT und im Zusammenklang<br />
mit ganz individuellen Sichtweisen<br />
spielt dabei eine große Rolle, und<br />
es ist überraschend zu sehen, wie viele<br />
künstlerische Ansätze es dabei gibt. In<br />
dieser Tradition stehen die drei Aussteller,<br />
auch weil sie sich weniger den »heroischen«<br />
als den »alltäglichen« Architekturen<br />
widmen. Gemeinsames Ziel ihres<br />
Abbildens ist meist nicht das ganze Bauwerk,<br />
sondern die ebenso wichtige Darstellung<br />
von Details als ästhetisch-poetisches<br />
Bild.<br />
© Michael Magdeburg<br />
Michael Magdeburg (in Berlin geboren,<br />
lebt in Berlin) steht in seinen frühen Fotografien<br />
der minimalistischen Auffassung<br />
von Sibylle Mundt nahe. Menschenleer<br />
wirkt die Szenerie einer Bushaltestelle<br />
bei Michael Magdeburg, wie eine zart<br />
verblassende Kulisse. Mit seinen Arbeiten<br />
spürt der Fotograf nach der Seele<br />
eines Ortes.<br />
An die Auffassung der malerischen Fotografie<br />
des 19. Jahrhunderts mit ihrer<br />
optischen Verklärung knüpft Michael<br />
Magdeburg mit seiner Handhabung der<br />
Unschärfe und dem bewussten Einsatz<br />
des Gegenlichtes in seinen jüngsten Bildern<br />
an.<br />
Sein Abstraktionsweg geht hin zur Raumauflösung,<br />
bis zu vibrierenden Farbflächen<br />
mit der Ahnung von Räumlichkeit<br />
und in der Unschärfe verschwimmenden<br />
Farbflächen. Magdeburgs monochrome<br />
Bilder und zarte Farbimpressionen<br />
bestechen mit ihrer stillen, meditativen<br />
Ausstrahlung.<br />
© Sibylle Mundt<br />
Bei Sibylle Mundt (1970 in Berlin geboren,<br />
lebt in Halle) sind es immer wieder<br />
die Abschlüsse von Giebelwänden, oft<br />
vor dem Hintergrund des blauen Himmels,<br />
als konstruktivistische transzendente<br />
Raumbilder. Das fein ausdifferenzierte<br />
Flirren und optische Vibrieren<br />
des Bildraumes kommt in der nuancierten<br />
Dualität der Farbflächen zum Ausdruck.<br />
Die Silhouettenlinie erscheint als<br />
schmaler bewegter Streifen in der Bildmitte.<br />
Dagegen werden ihre kahlen<br />
Parkhausräume mit den aufgebrachten<br />
© Claudia Prokop<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
Piktogrammen zu nüchternen Zeichenbildern<br />
Claudia Prokop (in Berlin geboren, lebt<br />
in Berlin) faszinieren die Raumdimensionen<br />
großer Bauwerke, gefunden auf<br />
vielen Reisen oder hier in der Stadt,<br />
denen sie in Weitwinkelaufnahmen mit<br />
ihren stürzenden und tiefen Perspektiven<br />
nachspürt. So blickt sie monoperspektivisch<br />
mit einem Objektiv großer<br />
Brennweite mitten hinein in de Weiten<br />
der architektonischen Räumlichkeit.<br />
der fotografische Blick ist sowohl<br />
ästhetischer- als auch kritischer Natur.<br />
Die enorme Verdichtung des Raumes<br />
sowohl in der Horizontalen als auch<br />
in der Senkrechten wird auf eindrückliche<br />
Weise sinnfällig. Dabei werden<br />
viele Ihrer Bilder zu Sinnbildern bis hin<br />
zu Metaphern. Das Treppenhaus wird<br />
etwa zur Metapher für ständige Bewegung,<br />
für ständigen Auf- und Abstieg.<br />
Die drei Künstler finden in der Auseinandersetzung<br />
mit Architektur zu einer<br />
jeweils ganz eigenen Sprache. Die<br />
Fotografien sind sachlich und virtuos<br />
zugleich. Oberflächeneigenschaften<br />
und Lichtspiele werden zum Gegenstand<br />
eines sinnlichen Genusses.<br />
bis 6. Mai <strong>2011</strong><br />
galerie ratskeller<br />
Galerie für zeitgenössische Kunst<br />
Möllendorffstraße 6<br />
(im Rathaus Lichtenberg)<br />
10367 Berlin-Lichtenberg<br />
www.kultur-in-lichtenberg.de<br />
Mo – Fr 10 – 18 Uhr<br />
41
Galeriebericht<br />
Lebens Räume<br />
Unsere alte und neue Hauptstadt war<br />
nie eine Schönheit. Bekanntlich lässt<br />
sich der Mangel an äußeren Reizen ausgleichen<br />
durch Klugheit, zum Beispiel<br />
in der Stadtplanung. Wenn man heute<br />
durch Berlin streift, hat man den Verdacht,<br />
dass Schinkel und seine Schüler<br />
Persius und Stüler im 19. Jahrhundert die<br />
letzten waren, die sich über die Stadt als<br />
Lebensraum Gedanken gemacht haben.<br />
Zum ersten Hotelbau am neuen Hauptbahnhof<br />
sagte der Architekt des ja auch<br />
umstrittenen Bahnhofs, Meinhard von<br />
Gerkan: »Ordinärer kann man einen<br />
öffentlichen Raum nicht verramschen«.<br />
Dabei hatte Berlin zweimal die Chance<br />
zur Erneuerung, nach den Zerstörungen<br />
des 2. Weltkriegs und nach dem<br />
Ende der Teilung 1989. Die Stadt war<br />
vorher schon einmal aus zwei Teilen<br />
zusammengewachsen. Im Ephraimpalais,<br />
unserem Stadtmuseum, waren<br />
unter dem Titel »Berlins vergessene<br />
Mitte« 400 photographische Originale<br />
von 1840 bis heute zu sehen, räumlich<br />
getrennt nach den beiden »Urstädten«<br />
Cölln und Berlin. Vor allem die Panoramen<br />
mit ihrem Reichtum an feinsten<br />
Details erzählen uns Geschichten. Nur<br />
braucht man dazu eine Lupe, weil die<br />
Kuratoren aus lauter Stolz auf den Besitz<br />
der Originale keine großen Reproduktionen<br />
an die Wand hängen. Technisch<br />
wäre das kein Problem, Titzenthaler,<br />
Schwartz und andere haben ja ihre<br />
Motive auf große Glasplatten belichtet,<br />
da ist vom Dachziegel bis zur Hutmode<br />
alles erkennbar. Und alle stürzenden<br />
Linien sind nach Scheimpflug perfekt<br />
entzerrt. Vor allem Max Missmann<br />
hat sich immer einen erhöhten Standort<br />
gesucht, um den Kontext aufzuzeigen,<br />
in dem die Gebäude stehen. Dem<br />
Betrachter wird klar, was heute fehlt:<br />
Dieser Kontext. Seit 7 Jahren ist Ingeborg<br />
Junge-Reyer (SPD) Senatorin für<br />
Stadtentwicklung. Sie hat Architektur<br />
nicht studiert und sagt: »Stadtentwicklungspolitik<br />
ist auch Wirtschaftspolitik«.<br />
Auch? War da noch was?<br />
Das Ephraimpalais zeigt die heutige<br />
Stadtmitte u.a. in den farbigen Panoramen<br />
von Arwed Messmer. Die digitale<br />
Technik macht wieder eine ähnli-<br />
42 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Max Missmann, »Bayerischer Platz«, 1912<br />
che Perfektion möglich wie die Plattenkamera<br />
des 19. Jahrhunderts. Wir<br />
sehen ein Berlin, in dem »alles aufeinandertrifft<br />
und nichts zusammen passt«<br />
(Annett Gröschner). Damit wir aber<br />
auch etwas über die Menschen erfahren,<br />
die in Mitte lebten und leben, finden<br />
wir in der obersten Etage Fotos von Barbara<br />
Metselaar-Berthold, keine Unbekannte<br />
in der Szene. Diesmal hat sie vor<br />
allem Bildpaare zusammengestellt, hat<br />
jeweils ein schwarzweißes Streetphoto<br />
aus den Achtzigern kombiniert mit einer<br />
farbigen Stadtansicht von 2010. Dieses<br />
Konzept funktioniert nicht durchgehend.<br />
Auch die Bezeichnung »Vexierbilder«<br />
trifft nicht zu, weil ein Doppelsinn<br />
nicht erkennbar ist.<br />
Einer der allerersten Chronisten Berlins<br />
war Leopold Ahrendts, im Stadtmuseum<br />
vertreten und in der Galerie<br />
Berinson bis 22. April gewürdigt. Die<br />
kostbaren Albumin- und Salzpapierabzüge<br />
aus den 1850er und 1860er Jahren<br />
stammen aus dem Nachlass der Dichterin<br />
Fanny Lewald und sind ganz wunderbar<br />
erhalten, nach 150 Jahren! Das<br />
soll ein Digiprint mal nachmachen.<br />
Hans-Christian Schink meint in »Photonews«:<br />
»Die Entstehungsgeschichte<br />
eines Kunstwerks, ob mehr oder weniger<br />
ablesbar, ist Teil seiner Aura«. Das<br />
gilt in hohem Maße für Schinks eigene<br />
Arbeit »1 h«, die noch bis 16. April bei<br />
Kicken zu sehen ist. Bei der Belichtungszeit<br />
von einer Stunde wird die Sonnenbahn<br />
durch natürliche Solarisation zu<br />
einem dunklen Balken, der über der<br />
Landschaft zu schweben scheint. 2007<br />
brachte ihm die Beschäftigung mit<br />
diesem Phänomen den REAL Photography<br />
Award ein, der immerhin mit<br />
50.000.- Euro dotiert ist.<br />
Im brennpunt 1/<strong>2011</strong> auf Seite 34 steht<br />
Näheres.<br />
Auch Thomas Wrede war in Landschaften<br />
unterwegs, am liebsten in bizarren,<br />
lebensfeindlichen. Er »zivilisiert« sie<br />
dann am Computer auf witzige und hintergründige<br />
Weise, indem er Modelle<br />
von typischen menschlichen Behausungen<br />
an einen schroffen Berghang oder<br />
eine wilde Felsenküste setzt, mit Auto,<br />
Mülltonne und heimeligem Licht. Er<br />
täuscht uns so perfekt, dass wir erst auf<br />
den zweiten Blick stutzig werden. Die<br />
riesigen Acryls sind zwischen den riesigen<br />
ruppigen Betonpfeilern der Galerie<br />
Wagner + Partner noch bis 9. April<br />
zu sehen.<br />
Viel bescheidener gibt sich Karl-Ludwig<br />
Lange bis 24. April in der Kommunalen<br />
Galerie Wilmersdorf. Er ist uns bekannt<br />
als der Chronist der Teilung, hat fast<br />
zwei Jahrzehnte die Berliner Mauer<br />
dokumentiert, bis zu ihrem Fall. Parallel<br />
war er in Westberlin auf den Brücken<br />
unterwegs, die Bahngleise und<br />
Stadtautobahn überspannen. Das klingt<br />
nicht sehr spannend, ist aber ein ästhetischer<br />
Genuss, der freie Blick über die<br />
urbane Landschaft, perfekt vergrößert in<br />
edlem Schwarzweiß. Und die Sünden<br />
der Stadtplaner werden genau so sichtbar<br />
wie bei Max Missmann vor hundert<br />
Jahren.<br />
Daniel Sebastian Schaub rückt der<br />
oft trostlosen Architektur von Ladengeschäften<br />
in Randlagen auf die Pelle<br />
und nennt sie »Authentische Räume«.<br />
Er hält sie für »symbolisch höchst wertvoll«.<br />
Er liebt Reihungen von Glascontainern<br />
und andere serielle Strukturen<br />
im Stadtbild. Bis 22. Mai zeigt Gino<br />
Puddu seine spartanischen Farbmotive<br />
im Galeriecafé Aroma.<br />
Noch ein bisschen morbider geht es bei<br />
Inge Zimmermann zu in der Inselgalerie.<br />
»Verlassen« nennt sie ihre Architekturfragmente<br />
aus Berlin und Brandenburg.<br />
Doch ihre Motive leben, sie<br />
haben räumliche Tiefe und atmen Vergangenheit.<br />
Dass die ganz furchtbar gewesen sein<br />
kann, zeigt Robert Polidori bei Camera<br />
Work mit seinen beklemmenden Dokumenten<br />
aus Pripyat/Chernobyl. Die nukleare<br />
Katastrophe jährt sich am 26. April<br />
zum 25. Mal. Die damals in panischer<br />
Flucht verlassenen Räume hat Polidori<br />
vor 10 Jahren fotografiert. Da drang die<br />
grausige Aura des Ortes noch in jedes
© ROBERT POLIDORI, MATERNITY WARD,<br />
PRIPYAT, 2001<br />
Detail der großformatigen Aufnahmen<br />
und ist bis heute spürbar.<br />
Kehren wir zurück ins Leben, ein Leben,<br />
das sich »Hinter den Linden« abspielt<br />
und bis 1. Mai zu erkunden ist in der<br />
Galerie exp12 am Prenzlauer Berg.<br />
Gemeint sind die Räume der Lindenoper,<br />
in der das Staatsballett zuhause<br />
war, vor seinem Umzug in die Bismarckstraße.<br />
Kerstin Zillmer hat den<br />
Arbeitsalltag der Tänzer in stillen und<br />
poetischen Bildern eingefangen. Die<br />
<strong>Edition</strong> Braus hat daraus einen Bildband<br />
gemacht.<br />
Auch Arnd Weider war in der Staatsoper<br />
unterwegs, im Foyer, und in anderen<br />
Theatern und Sportstätten. »Heterotopien<br />
– Die äußeren Räume« nennt<br />
er seine Recherchen in der Fotogalerie<br />
am Helsingforser Platz. Die lastende<br />
Schwärze in den Nebenräumen soll<br />
»Projektionsfläche für den Betrachter<br />
sein, die auf dahinter Liegendes lenkt«,<br />
während die hellen Sportplätze eine<br />
kritische Verarbeitung eigener Erfahrungen<br />
sind. Das ist alles ziemlich verrätselt.<br />
Norbert Bunge zieht für seine<br />
Galerie argus fotokunst eine gradlinige<br />
Erzählweise vor. Er hat im riesigen<br />
Archiv des eben 80 gewordenen Will<br />
McBride gestöbert und eine wunderbar<br />
lebendige Serie gefunden, die der Fotograf<br />
1956 (!) in einer einzigen Straße in<br />
Florenz aufgenommen hat, der Via di<br />
Camaldoli. Da war der gebürtige Amerikaner<br />
von München mit dem Fahrrad<br />
hingeradelt, Jahre bevor seine Karriere<br />
bei twen, Stern, Geo und Life begann.<br />
Er erinnert sich: »Die Straße war eine<br />
einzige Bühne, ein Straßendrama voller<br />
Gestik und Geschrei… Die Filme liefen<br />
durch meine Leica wie der Wein durch<br />
die Kehle«. Auf meine törichte Frage, ob<br />
das Drucke seien, rief Norbert Bunge<br />
© Will McBride<br />
gekränkt: »Ich stelle keine Drucke aus!<br />
Das sind alles Barytabzüge des Fotografen«.<br />
Ein hehres Prinzip in unserer Welt<br />
der schnellen Bilder.<br />
Die von Schink beschworene Aura eines<br />
Bildes hängt ja auch mit dem Bildgedächtnis<br />
des Betrachters zusammen.<br />
Das fiel mir auf bei Dana Gluckstein im<br />
Willy-Brandt-Haus. Ihr Thema: »Dignity<br />
– Die Würde des Menschen«, Anlass:<br />
Der 50. Geburtstag von Amnesty International.<br />
Gluckstein hat wunderbare<br />
Porträts vor allem in Afrika und Südamerika<br />
gemacht. Doch das gewollte<br />
Gute macht sich leicht verdächtig, wie<br />
das zu Kolonialzeiten der Fall war. Da<br />
war es das voyeuristische Interesse der<br />
Europäer am Exotischen.<br />
Glucksteins Blick ist ein anderer, ein<br />
weiblicher zumal. Aber es ist auch der<br />
einer amerikanischen Starfotografin, die<br />
an Werbung und Glamour geschult ist.<br />
Sie inszeniert ihre Menschen vor neutralem<br />
Hintergrund, nicht in ihrem Lebensraum.<br />
Das wirkt bei einigen zu plakativ,<br />
andere sind bewegend lebendig wie bei<br />
einem Schnappschuss.<br />
Die räumliche Begrenzung eines Ateliers<br />
zwingt den Fotokünstler zu besonderer<br />
schöpferischer Bemühung, weil er<br />
sich nicht auf ein vorgefundenes Ambiente<br />
stützen kann. Er muss die eigene<br />
Persönlichkeit stärker einbringen und<br />
seine Stars vor der Linse mehr fordern.<br />
Gerhard Kassner (Photoplatz im Hotel<br />
© Dana Gluckstein<br />
Galeriebericht<br />
Bogotá) hat von 2003 bis 2010 im Auftrag<br />
der Biennale alle fotografiert, die<br />
in der Filmbranche Rang und Namen<br />
haben, sehr nahe, sehr perfekt, mit<br />
großer Achtsamkeit. Tilda Swinton hat<br />
er mit unterschiedlichem Outfit dreimal<br />
vor der Linse gehabt, 2005, 2008 und<br />
2009. Ihr Ausdruck ist auf den Bildern<br />
merkwürdigerweise so gleich, dass sie<br />
wie unmittelbar hintereinander entstanden<br />
wirken.<br />
Das könnte Jim Rakete nicht passieren.<br />
Die Kunsthalle Koidl zeigte von<br />
ihm zur Berlinale 87 aufregende Inszenierungen<br />
mit den Protagonisten<br />
der deutschen Filmlandschaft, jeweils<br />
ergänzt mit den Utensilien ihrer Rolle<br />
oder Tätigkeit. Die großen, kraftvollen<br />
Bilder sprangen den Betrachter an<br />
von den hohen Wänden des ehemaligen<br />
Charlottenburger Umspannwerks,<br />
voller Leben, voller Witz und Charme.<br />
Der Berliner würde sagen: Da ist Musike<br />
drin! Und das ist kein Wunder, denn Jim<br />
Rakete hat viele bekannte Musiker als<br />
Produzent betreut und unbekannte mit<br />
seinen Fotos bekannt gemacht.<br />
Schön, dass es solche einsamen Höhepunkte<br />
gibt. In der Bildsprache wird<br />
sonst heutzutage zuviel gequatscht und<br />
zu wenig gesprochen.<br />
Klaus Rabien<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
43
Galerien<br />
Wolfgang Scholvien<br />
»Michael<br />
Schumacher«<br />
Estoril ist eine einzigartige Schwarzweiß-<br />
Reportage, die den jungen Michael<br />
Schumacher am Beginn seiner großen<br />
Karriere zeigt. Wolfgang Scholvien<br />
portraitierte den heute erfolgreichsten<br />
Rennfahrer aller Zeiten im Auftrag des<br />
Stern während seines dritten Formel-1-<br />
Rennens 1991 in Portugal aus nächster<br />
Nähe. Im Jahr 2004 erschien exklusiv<br />
bei Camera Work ein bibliophil<br />
ausgestattetes Portfolio Estoril mit 21<br />
Motiven, Format 52 x 42 cm, Auflage<br />
20 Exemplare, vergriffen.<br />
© Wolfgang Scholvien, »Estoril«, 1991<br />
44 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Wolfgang Scholvien, »Estoril«, 1991<br />
2. Juni bis 2. Juli <strong>2011</strong><br />
imago fotokunst<br />
Linienstraße 145<br />
10115 Berlin-Mitte<br />
Di – Fr 12 – 19 Uhr<br />
Sa 14 – 18 Uhr
Deutsches Technik<br />
Museum<br />
bis 3. Juli <strong>2011</strong><br />
Mit der Kamera auf Tauchgang in<br />
verborgenen Welten<br />
Unterwasserfotografie<br />
Trebbiner Straße 9<br />
10963 Berlin-Kreuzberg<br />
Di–Fr 9–17.30 Uhr<br />
Sa + So 10–18 Uhr<br />
Petra Rietz<br />
Salon Galerie<br />
bis 14. Mai <strong>2011</strong><br />
Hans Könings<br />
»Die andere Geschichte«<br />
Koppenplatz 11a<br />
10115 Berlin-Mitte<br />
Mi–Sa 15–18 Uhr<br />
Haus am Waldsee<br />
24. Juni bis 28. August <strong>2011</strong><br />
Mette Tronvoll<br />
»At Eye Level«<br />
Argentinische Allee 30<br />
14163 Berlin-Zehlendorf<br />
Mo–So 11–18 Uhr<br />
CAMERA WORK<br />
bis 7. Mai <strong>2011</strong><br />
Russel James<br />
14. Mai bis 2. Juli <strong>2011</strong><br />
Herb Ritts<br />
Kantstraße 149<br />
10623 Berlin-Charlottenburg<br />
Di–Sa 11–18 Uhr<br />
Café Aroma<br />
Photogalerie<br />
2. Juni bis 18. September <strong>2011</strong><br />
Valentina Strada<br />
»36 ore a Berlino«<br />
Hochkirchstraße 8<br />
10829 Berlin-Schöneberg<br />
Mo–Fr 18–24 Uhr<br />
Sa + So 14–24 Uhr<br />
Rathaus<br />
Charlottenburg<br />
bis 29. Mai <strong>2011</strong><br />
Themenwettbewerb des DFV<br />
»Momente«<br />
Otto-Suhr-Allee 100<br />
10585 Berlin-Charlottenburg<br />
Mo–Fr 8-18 Uhr<br />
Rathaus Köpenick<br />
bis 29. April <strong>2011</strong><br />
»17. Fotoklub Forum Berlin <strong>2011</strong>«<br />
Arbeitskreis Freie Lichtbildner Berlin<br />
BSW Fotogruppe Berlin<br />
Colorclub Berlin-Treptow<br />
Fotoclub 1092 Berlin<br />
Fotoclub Berlin-Lichtenberg<br />
Fotoclub Fischerinsel<br />
Fotoclub Ludwigsfelde<br />
Fotofreunde Zehlendorf<br />
fotografen vereinigung kreuzberg<br />
fotografie.berlin e.V.<br />
Fotogruppe´98<br />
Fotogruppe »Natur und Kultur«<br />
(Labsaal)<br />
Fotoklub Eberswalde<br />
Fotoklub Strausberg<br />
Fotostudio Köpenick<br />
Fototreff Bernau<br />
Sinnbildfotoklub Brandenburg<br />
Alt-Köpenick 21<br />
12555 Berlin-Köpenick<br />
Mo–Fr 9–18 Uhr<br />
Sa + So 10–16 Uhr<br />
C / O Berlin<br />
7. Mai bis 19. Juni <strong>2011</strong><br />
Fritz Eschen<br />
»Berlin unterm Notdach«<br />
Fotografien 1945-1955<br />
Ausstellungen<br />
25. Juni bis 4. September <strong>2011</strong><br />
Gregory Crewdson<br />
»On a Lonely Place«<br />
Oranienburger Straße 35/36<br />
Postfuhramt<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Täglich 11–20 Uhr<br />
Caritas Galerie<br />
5. Mai bis 8. Juli <strong>2011</strong><br />
Jörg Rüger<br />
»the beauty of ruins«<br />
Residenzstraße 90<br />
13409 Berlin-Reinickendorf<br />
Mo–Fr 8–18 Uhr<br />
Deutsches<br />
Historisches Museum<br />
12. Mai bis 3. Oktober <strong>2011</strong><br />
Thomas Hoepker, Daniel Biskup<br />
»Ansichten vom Alltag«<br />
Anfang und Ende der kommunistischen<br />
Herrschaft<br />
Unter den Linden 2<br />
Hinter dem Zeughaus<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Täglich 10–18 Uhr<br />
Martin-Gropius-Bau<br />
11. Juni bis 11. September <strong>2011</strong><br />
André Kertész<br />
»Vint«<br />
23. Juni bis 12. September <strong>2011</strong><br />
Daniel Schwartz<br />
Niederkirchnerstraße 7<br />
10963 Berlin-Kreuzberg<br />
Täglich 10–20 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
45
Ausstellungen<br />
Martin Munkacsi<br />
»Think while you<br />
shoot«<br />
Martin Munkacsi (1896 – 1963) zählt<br />
unbestritten zu den wichtigsten Fotografen<br />
des 20. Jahrhunderts. Der Ungar<br />
hat die Anfänge des modernen Fotojournalismus<br />
geprägt und das bis dahin<br />
statische Medium in Bewegung versetzt.<br />
Munkacsi verband journalistische<br />
Genauigkeit mit einem hohen formalästhetischen<br />
Anspruch. Seine Modefotos<br />
waren bahnbrechend, als Sportfotograf<br />
bleibt er unerreicht. In dieser Ausstellung<br />
finden Munkacsis Fotografien<br />
aus dem Nachlass, die zuvor in aller<br />
Welt verstreut waren, wieder zusammen.<br />
Sie enthält Bilder aus allen Schaffensphasen<br />
und dokumentiert so eine<br />
spannungsvolle, technikversessene, glamouröse<br />
und widersprüchliche Epoche.<br />
Die von F.C. Gundlach im Jahr 2005<br />
als Eröffnungsausstellung des Hauses<br />
der Photographie in den Deichtorhallen<br />
Hamburg kuratierte Retrospektive<br />
Martin Munkacsi. »Think while you<br />
shoot« macht vom 23. Februar bis 22.<br />
Mai <strong>2011</strong> im Kunstfoyer der Versicherungskammer<br />
Bayern in München ein<br />
letztes Mal Station. Präsentiert werden<br />
rund 280 Werke, darunter Portraits von<br />
Fred Astaire, Katharine Hepburn, Greta<br />
Garbo, Joan Crawford, Marlene Dietrich,<br />
Max Schmeling, Louis Armstrong,<br />
Frida Kahlo und Diego Rivera.<br />
Für ihn tanzte Fred Astaire auf Zehenspitzen,<br />
für ihn liefen die Damen mit<br />
wehenden Kleidern über den Strand –<br />
Munkacsi brachte Bewegung in die statische<br />
Fotografie der 1920er Jahre. Der<br />
ausdrucksstarke Ungar gilt als unerreichter<br />
Sport- und Reportagefotograf,<br />
als Revolutionär der Modefotografie<br />
und als Inbegriff der Moderne.<br />
»Think while you shoot« – so fasste<br />
Martin Munkacsi sein fotografisches<br />
Credo 1935 im Modemagazin Harper’s<br />
Bazaar zusammen. Die vier Wörter charakterisieren<br />
seine Arbeitsweise auf das<br />
Vortrefflichste: spontan, ungezwungen,<br />
dynamisch, oft vor Lebensfreude überbordend<br />
wirken seine Aufnahmen. Sie<br />
sind Zeugnis einer Gabe, die Munkacsi<br />
46 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
»Jungen laufen in die Brandung des Tanganyika-<br />
Sees«, Tanganyika, um 1930<br />
© Estate of Martin Munkacsi / Lester Nafzger,<br />
Woodstock<br />
wie wenige andere Fotografen auszeichnet:<br />
das intuitive Begreifen des<br />
Augenblicks. In Windeseile gelang es<br />
ihm, Bewegungen abzuschätzen, vorübergehende<br />
Arrangements zu erspüren,<br />
um im rechten Moment am rechten<br />
Ort zu sein und auf den Auslöser<br />
zu drücken.<br />
Schon seine frühen Arbeiten für die<br />
ungarische Zeitung Pesti Napló lassen<br />
Munkacsis Gespür für Dynamik erkennen.<br />
1928 verlässt er Ungarn in Richtung<br />
Berlin, der quirligen europäischen<br />
Metropole, Inbegriff der »Roaring Twenties«.<br />
Dort hat er die Fortune des Autodidakten:<br />
Der Ullstein Verlag macht ihn<br />
zum Chef-Fotografen der Berliner Illustrirten<br />
Zeitung, dem seinerzeit auflagenstärksten<br />
Bilderblatt der Welt. Munkacsis<br />
Themenspektrum ist weit gefächert:<br />
Es reicht vom Sport über die Reportage<br />
bis zur Mode. Das Jahr 1933 stellt<br />
auch für Munkacsi einen Wendepunkt<br />
dar. Das quirlig-avantgardistische Berlin<br />
verkommt unter den Nationalsozialisten<br />
zum Aufmarschplatz für SA und<br />
SS. Der Ullstein Verlag wird »arisiert«,<br />
der jüdische Chefredakteur Kurt Korff<br />
und der Verlagsdirektor Kurt Safranski<br />
werden entlassen. Im Mai 1934 verlässt<br />
auch Munkacsi Deutschland, um sich<br />
in den USA eine neue Existenz aufzubauen.<br />
Dort wird er mit vielen Publikationen<br />
bei Harper’s Bazaar, Life und<br />
Ladies’ Home Journal den Zenit seines<br />
»Peignoir in a soft Breeze« USA 1936<br />
© Estate of Martin Munskacsi / Lester Natzger,<br />
Woodstock<br />
Ruhms erreichen. Aber auch aus großer<br />
Fallhöhe abstürzen.<br />
Seit 2005 auf Tournee im Haus der Photographie<br />
in den Deichtorhallen Hamburg,<br />
im Martin-Gropius-Bau Berlin,<br />
im International Center of Photography<br />
(ICP) New York, im Museum of Modern<br />
Art San Francisco, im Moscow House of<br />
Photography und im Ludwig Museum<br />
Budapest, hat die Ausstellung das Werk<br />
eines der einflussreichsten Fotografen<br />
des 20. Jahrhunderts der Vergessenheit<br />
entrissen und bei Publikum und Presse<br />
international begeisterte Reaktionen<br />
hervorgerufen.<br />
Dank gebührt der Tochter des Fotografen<br />
Joan Munkacsi (1948-2008), dem<br />
ullstein bildarchiv Berlin, der Stiftung<br />
F.C. Gundlach und der Howard Greenberg<br />
Gallery New York.<br />
Ohne ihre Leihgaben und ihre Unterstützung<br />
wären die Ausstellung und<br />
der bei Steidl in Göttingen erschienene<br />
Bildband nicht vorstellbar.<br />
bis 22. Mai <strong>2011</strong><br />
KUNSTFOYER DER<br />
VERSICHERUNGSKAMMER BAYERN<br />
Maximilianstraße 53,<br />
80530 München<br />
täglich 9–19 Uhr
Thomas Lüttge<br />
Hugo Jaeggi<br />
Zeit in der Zeit, so betitelt der Schweizer<br />
Fotograf Hugo Jaeggi seine Aufnahme,<br />
die einen Mann auf Reisen zeigt, im<br />
Zug von Brüssel nach Basel. Unübersehbar<br />
im Vordergrund: die Uhr. Unser<br />
Messwerkzeug für Zeit, gleichzeitig das<br />
Symbol einer Begrenzung. Zeit lässt sich<br />
messen wie eine Währung: Zeit ist Geld<br />
… ein jeder besitzt viel, wenig, gar keine<br />
Zeit … sie wird gespart, verschwendet,<br />
verschenkt …<br />
© Thomas Lüttge, »Montagsdemostration«,<br />
Leipzig, 1989<br />
© Thomas Lüttge, »o.T.«, 1985<br />
Oder geht es um die kulturphilosophische<br />
Bedeutung, um den Zeitgeist?<br />
Dokumentiert das Bild der Montagsdemonstration,<br />
1989 in Leipzig, den<br />
damaligen Geist der Zeiten, diese wenig<br />
konstante Größe?<br />
© Hugo Jaeggi, »Zeit in der Zeit«, Im Zug Brüssel-Basel, 1988<br />
© Hugo Jaeggi, »Traumbild«, Riehen, 1984<br />
16. April bis 5. Juni <strong>2011</strong><br />
Ausstellungen<br />
Fotogalerie Karin Schneider-Henn<br />
Schmidzeile 12<br />
83512 Wasserburg am Inn<br />
Sa + So 14–18 Uhr<br />
und nach Vereinbarung<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
47
Ausstellungen<br />
Nadav Kander<br />
»Yangtze – The Long<br />
River«<br />
Mit der Serie »Yangtze - The Long River«<br />
dokumentiert Nadav Kander die tief greifenden<br />
Veränderungen der Uferlandschaften<br />
des drittgrößten Flusses der<br />
Welt infolge der ungezügelten Modernisierung<br />
Chinas. Zwischen 2005 und<br />
2007 bereiste der Fotograf mehrmals<br />
den Jangtsekiang, immer stromaufwärts,<br />
von dessen Mündung im Ostchinesischen<br />
Meer bis zur Quelle im Qinghai-Plateau<br />
von Tibet.<br />
Kanders Aufnahmen zeigen nebliggraue<br />
Landschaften, die ihr Gesicht<br />
durch den massiven Eingriff des Menschen<br />
im Namen des Fortschritts so<br />
schnell ändern, dass sie heute bereits<br />
Geschichte sind. Großprojekte wie der<br />
Drei-Schluchten-Staudamm und das<br />
Süd-Nord-Wassertransfersystem, gigantische<br />
Brücken und Wohnblöcke westlicher<br />
Bauart oder Schutt- und Müllberge<br />
nehmen der Landschaft Schönheit und<br />
Idylle. Die sonnenlose Natur wirkt leer<br />
und distanziert.<br />
Tradition und Moderne stehen am<br />
»Großen Fluss«, der im Bewusstsein<br />
der Chinesen sowohl historisch als<br />
auch spirituell immer schon eine Identität<br />
stiftende Rolle spielte, unversöhnlich<br />
nebeneinander. Die am Flussufer lebenden<br />
Menschen stehen der hemmungslosen<br />
und einschneidenden Umgestaltung<br />
ihrer Umgebung klein und verloren<br />
gegenüber. Ohne Einfluss auf die Entwicklung<br />
nehmen zu können, müssen<br />
sie sich mit dem Wandel arrangieren<br />
und sich damit abfinden, dass es ein<br />
Wiedersehen mit einer Landschaft aus<br />
Kindheitstagen für sie nicht mehr gibt. In<br />
der Landschaft eine Konstante zu finden<br />
ist ihnen fremd geworden.<br />
Der Jangtsekiang ist in Nadav Kanders<br />
Fotografien das Sinnbild eines unnatürlich<br />
schnellen und oft genug inhumanen<br />
Fortschritts. Sein Werk ist eine ins Bild<br />
gesetzte sehr persönliche Reflexion über<br />
die sozialen und ökologischen Konsequenzen<br />
der wirtschaftlichen Entwicklung<br />
des modernen China. In »Yangtze<br />
- The Long River« gelingt es Kander, die<br />
48 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Nadav Kander, »Chongqing I«, Chongqing Municipalty, 2006<br />
© Nadav Kander, »Blue Trucks«, Mouth Shanghai<br />
gewaltsamen Umwälzungen ebenso<br />
wie die Erhabenheit und Größe der<br />
Natur in einem ungelösten Spannungsverhältnis<br />
zu verbinden. Dabei »sprechen<br />
diese paradoxerweise schönen<br />
Fotografien«, wie es Kofi A. Annan in<br />
der Einleitung zum Buch treffend formuliert,<br />
»eine darüber hinausgehende<br />
Wahrheit an. Die Fotografien erinnern<br />
uns an die Fragilität unserer Welt und an<br />
den Schaden, den wir angerichtet haben<br />
– Schaden, der über die Grenzen nationaler<br />
Staaten hinausgeht«.<br />
Versammelt findet sich die komplette<br />
Werkserie in dem von Hatje Cantz<br />
veröffentlichten gleichnamigen Fotobuch,<br />
das mit einem Vorwort von Kofi<br />
Annan versehen ist und 2009 mit dem<br />
renommierten Prix Pictet ausgezeichnet<br />
wurde.<br />
Der 1961 in Israel geborene und im südafrikanischen<br />
Johannesburg aufgewachsene<br />
Nadav Kander zählt zu den renommiertesten<br />
Fotografen der Gegenwart.<br />
Die fotografische Bandbreite umfasst<br />
künstlerische, redaktionelle und werbliche<br />
Arbeiten, die in Büchern und zahlreichen<br />
Magazinen wie dem Sunday<br />
Times Magazine, Rolling Stone, Another<br />
Man und Dazed & Confused erschienen<br />
sind. 2009 widmete das New York<br />
Times Magazine eine ganze Ausgabe<br />
mit Kanders »Obama’s People«, einer<br />
Porträtserie des gesamten Ministerstabs<br />
und der engsten Mitarbeiter Obamas.<br />
Kander erhielt zahlreiche Auszeichnungen<br />
und wurde 2009 im Rahmen der<br />
Annual Lucie Awards zum International<br />
Photographer of the Year ernannt. Seit<br />
1986 lebt der Fotograf mit seiner Familie<br />
in London. Seine Arbeiten sind Teil<br />
der Sammlungen der National Portrait<br />
Gallery sowie des Victoria und Albert<br />
Museums in London.<br />
10. April bis 22. Mai <strong>2011</strong><br />
Forum für Fotografie<br />
Schönhauser Straße 8<br />
50968 Köln<br />
Mi – Fr 14 – 18 Uhr<br />
Sa 12–18 Uhr, So 12–16 Uhr
Amin El Dib<br />
Autonome Bilder<br />
Amin El Dib macht Kunst mit Photographie,<br />
und das ist wörtlich zu nehmen:<br />
Das Medium ist ihm nicht mehr und<br />
nicht weniger als das Material, dessen<br />
Erforschung sein Œuvre bestimmt. Mit<br />
den Künstlern aller Zeiten und Medien<br />
eint ihn die Radikalität seines Ansatzes;<br />
aus grundsätzlichen Erwägungen zur<br />
Materialität und Medialität der Photographie<br />
heraus bestimmt er die Grenzen,<br />
die er überschreitet – vor allem<br />
um zu wissen wo sie sind. Wo ist die<br />
Schönheit von Schnittblumen im Verfall,<br />
wo die Wiedererkennbarkeit eines<br />
Menschen im Portrait, wo die Integrität<br />
eines Bildes im Prozess des Zerreißens?<br />
Hinter jeder neuen Fragestellung<br />
steht die Überlegung, was das Bildermachen<br />
an sich zu bedeuten hat, wieweit<br />
es Selbstzweck ist und wo die Autonomie<br />
einer jeden Kunst die Grenze der<br />
Vermittelbarkeit überschreitet – und das<br />
im etabliertesten technischen Medium<br />
der Neuzeit.<br />
Amin El Dib arbeitet in größeren Werkgruppen,<br />
die ihn oft jahrelang beschäftigen,<br />
die sein Leben begleiten und<br />
bestimmen. Umgekehrt wirken einzelne<br />
Momente dieses Lebens auf die<br />
Ausformung mancher Arbeitsweisen<br />
und damit die Art der Bilder zurück;<br />
das reicht von Spaziergängen mit dem<br />
Hund über familiäre Reisen nach Ägypten<br />
bis zu erotischen Obsessionen. Oft<br />
genug jedoch definieren die Arbeitsprozesse<br />
der Photographie selbst seine<br />
Arbeit: Was im Negativdruck geschieht,<br />
ist genau so spannend wie die Frage<br />
nach der Größe, dem Ausschnitt, dem<br />
Seitenverhältnis und der Grauwertverteilung<br />
von Bildern. Ein guter Teil seiner<br />
Radikalität des Œuvres verdankt Amin<br />
El Dib dem Umstand, dass er jeden Parameter<br />
seiner photographischen Arbeit<br />
gleich ernst nimmt – nichts ist zu klein,<br />
als dass es nicht die Wirkung seiner<br />
Bilder verändern könnte.<br />
Bei alledem ist Amin El Dib ein Künstler,<br />
den das Endprodukt seiner Arbeit<br />
brennend interessiert: Er schafft Bilder.<br />
© Amin El Dib<br />
© Amin El Dib © Amin El Dib<br />
Jedes dieser Bilder steht – ungeachtet<br />
der Tatsache, dass es im Kontext einer<br />
Serie entstand – für sich allein da, repräsentiert<br />
ihn als Künstler und sein Werk<br />
als Œuvre. Klassische Kompositionsregeln<br />
haben in diesem Prozess der Bildwerdung<br />
ebenso viel Bedeutung wie<br />
die Verfahrenstechniken der Photographie.<br />
Das Beharren auf dem Bildermachen<br />
befreit den Künstler Amin El Dib im<br />
übrigen von lästigen Fragen nach dem<br />
Fotoszene<br />
Ursprung seiner Bildideen: Sie sind einfach<br />
da, genau so wie die Bilder einfach<br />
da sind. Als Bild jedoch muss jedes Einzelne<br />
von ihnen entschlüsselt werden,<br />
eine ebenso wunderbare wie lohnende<br />
Arbeit – für die Bildbetrachter.<br />
Rolf Sachsse<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
49
Portfolio Miriam Tamayo<br />
Miriam Tamayo<br />
Das Wahrhaftige ist für mich immer<br />
das Naheliegende; der Zauber des Alltags.<br />
Die Auseinandersetzung mit Identität<br />
im Zusammenhang mit kultureller<br />
Zugehörigkeit, Herkunft und Verwurzelung<br />
fasziniert mich.<br />
Ich arbeite vorzugsweise mittels des<br />
fotografischen Portraits. Dabei gehe ich<br />
sowohl dokumentarisch vor, im Sinne<br />
der klassischen Fotoreportage, als auch<br />
durch Inszenierung.<br />
Manchmal verschmelzen beide Formen<br />
miteinander. Deswegen fotografiere ich<br />
gern Inszenierungen bei Tanz und Theater.<br />
Ich hatte die Chance in verschiedenen<br />
Kulturen aufzuwachsen und das Besondere<br />
darin schätzen zu lernen. Unterschiedliche<br />
Lebensweisen bedeuten<br />
für mich neue Horizonte und Inspiration.<br />
Ich lebe und arbeite gern in Berlin<br />
– auf ihre Art eine inspirierende kosmopolitische<br />
Stadt.<br />
© Miriam Tamayo, »Ina und Maite«, Frankurt<br />
Als Fotografin und studierte Ethnologin<br />
möchte ich in Zukunft stärker bei interdisziplinären<br />
Projekten mitwirken, wie<br />
z.B. bei Feldforschungen mit interkulturellem<br />
Fokus.<br />
Geboren 1977 bei Berlin, aufgewachsen<br />
in Leipzig und Santiago de Chile,<br />
Studium der Ethnologie in Berlin und<br />
Paris, Studium der Fotografie in Buenos<br />
Aires als DAAD-Stipendiatin, lebt und<br />
arbeitet seit 2009 in Berlin als freie Fotografin.<br />
Schwerpunkte der Arbeit: Visuelle<br />
Anthropologie, Portrait, Tanz und Theater.<br />
50 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Miriam Tamayo, »Look at me I‘m Chinese Tanzcompagnie Rubato & Mahjong Dance«, Berlin<br />
© Miriam Tamayo, »Look at me I‘m Chinese Tanzcompagnie Rubato & Mahjong Dance«, Berlin<br />
Webseite:<br />
www.miriamtamayo.com © Miriam Tamayo, »Silvia« © Miriam Tamayo, »Silvia und Clarence«
© Miriam Tamayo, »Aleseya«, Santiago<br />
Portfolio Miriam Tamayo<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
51
Portfolio Miriam Tamayo<br />
© Miriam Tamayo, »Fischer in Zanzibar«<br />
© Miriam Tamayo, »Fischer in Zanzibar«<br />
52 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong>
© Miriam Tamayo, »Fischer in Zanzibar«<br />
Portfolio Miriam Tamayo<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
53
Portfolio Miriam Tamayo<br />
© Miriam Tamayo, »Tango, Cecilia und Diego«, Buenos Aires<br />
54 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong>
© Miriam Tamayo, »Elpida Orfanidou«, Sophiensaele Berlin, <strong>2011</strong><br />
Portfolio Miriam Tamayo<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
55
Portfolio Miriam Tamayo<br />
© Miriam Tamayo, »Alicia«, Valparaiso<br />
56 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong>
© Miriam Tamayo, »Laura«, Santiago<br />
Portfolio Miriam Tamayo<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
57
Portfolio Miriam Tamayo<br />
© Miriam Tamayo, »Rosul«, Leipzig<br />
58 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong>
© Miriam Tamayo, »Yui Kawaguchi«, Sophiensaele Berlin, <strong>2011</strong>, (Bühnenbild: Kazue Taguchi)<br />
© Miriam Tamayo, »Yui Kawaguchi«, Sophiensaele Berlin, <strong>2011</strong>, (Bühnenbild: Kazue Taguchi)<br />
Portfolio Miriam Tamayo<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
59
Fotoszene<br />
Das Plagiat<br />
Die augenblickliche Diskussion in der<br />
Presse über unzureichend dokumentierte<br />
Zitate und eigene wissenschaftliche<br />
Leistungen bei Dissertationen, hat<br />
mir doch einiges klar gemacht - unter<br />
anderem übrigens, dass große politische<br />
Persönlichkeiten zwingend auch viele<br />
Neider haben...<br />
Aber darum soll es im folgenden natürlich<br />
nicht gehen.<br />
In allen Bereichen literarischer oder wissenschaftlicher<br />
Tätigkeiten, gibt es den<br />
Begriff des geistigen Eigentums. Verstöße<br />
dagegen werden geahndet, mindestens<br />
jedoch bewertet.<br />
Aber in der Fotografie? Da stört sich<br />
offensichtlich niemand daran, dass gnadenlos<br />
abgekupfert, Themen geklaut<br />
und sogar mit investigativer Energie vielversprechende<br />
Lokations anderer Fotografen<br />
ausfindig gemacht werden, um -<br />
ja warum eigentlich?<br />
Ist es wirklich so befriedigend immer<br />
zweiter Sieger zu sein und Bilder zu<br />
machen die es bereits gibt?<br />
Entsprechende Plagiateure auf Ihr Handeln<br />
angesprochen, antworten in der<br />
Regel stereotyp mit dem Hinweis, es<br />
sei doch wohl nicht verboten und es<br />
gebe ja wohl kein Exklusivecht auf ein<br />
Motiv. Es ist schon interessant, dass<br />
dieses Ausweichen auf eine pseudojuristische<br />
Ebene die kreativ-moralische<br />
Sicht völlig außer acht läßt.<br />
Ich habe ja schon mal in einen Beitrag<br />
»Auf einen Pfau folgen immer Pfauen«<br />
(<strong>brennpunkt</strong> 3/2008) darauf hingewiesen,<br />
dass Siegerbilder eines Fotowettbewerbs<br />
in den Folgejahren als Kopie<br />
gehäuft eingereicht werden.<br />
Es gibt da zum Beispiel die Münchener<br />
U-Bahnstation »Westfriedhof« - Sie<br />
können sich gar nicht vorstellen wie oft<br />
dieses Motiv in ähnlicher Sichtweise<br />
und Ausschnitt bei Fotowettbewerben<br />
von verschiedenen Autoren präsentiert<br />
wurde.<br />
Die Kollegen aus der malenden Zunft<br />
reagieren da ganz anders.<br />
Ich bin gelegentlich Juror der Aufnahmekommission<br />
des BVBK (Bundesverband<br />
Bildender Künstler) für Neumitglieder.<br />
Wenn dort Malereien auftau-<br />
60 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Manfred Kriegelstein, »Verstecken« (Original in Farbe)<br />
chen, die lediglich bekannte Sehweisen<br />
und Umsetzungen kopieren, also wenig<br />
oder keine individuelle neue kreative<br />
Leistung erkennbar ist, werden solche<br />
Bewerber konsequent abgelehnt.<br />
Die Begründung lautet dann inhaltlich<br />
und sprachlich treffend: »Zu viel<br />
Zitat!«<br />
Nun geht es ja in der Fotografie nicht<br />
unbedingt darum, dass bestimmte<br />
Motive nicht von diversen Autoren fotografiert<br />
werden können - es geht mehr<br />
um die Kopie von Sichtweisen und kreativen<br />
Auffassungen. Ich will gar nicht<br />
von Handschriften sprechen, denn die<br />
kann man nicht kopieren weil sie auch<br />
immer einen Teil der Seele des Fotografen<br />
und dessen Individualität widerspiegeln.<br />
Sicher, ich muß mir den Einwand gefallen<br />
lassen, dass das hier beschriebene<br />
Problem eher auf einfache Amateure<br />
zutrifft und bei arrivierten Kunstfotografen<br />
wohl selten auftritt, weil die gegebenenfalls<br />
einen Ruf zu verlieren haben.<br />
Das mag so sein, aber was die Amateure<br />
anbelangt, wehret den Anfänge(r)n...<br />
Manche von Ihnen, liebe Leser, mögen<br />
diese Zeilen für übertrieben halten, aber<br />
ich denke jeder weiß, dass ich mich<br />
immer dem guten Bild verpflichtet fühle<br />
und das setzt individuelle Kreativität auf<br />
Grund eigener Ideen voraus.<br />
Die besten Ergebnisse, auch bei Anfängern,<br />
entstehen durch Konzentration<br />
auf ein eigenes Thema über lange Zeit.<br />
Denn nur das garantiert die Tiefe und<br />
Individualität die ein gutes Bild ausmachen.<br />
Übrigens, gehöre ich der »Photographenlounge<br />
Potsdam« an, einer Gruppe<br />
die sich durch hohe fotografische Individualität<br />
der einzelnen Mitglieder auszeichnet.<br />
Jeder hat sein eigenes fotografisches<br />
Thema und gerade diese Vielfalt<br />
macht den Reiz dieser Vereinigung<br />
aus.<br />
Nachdem ich das Thema »Relics Of The<br />
Russians« präsentiert habe, würde wohl<br />
keiner von den Kollegen auf die Idee<br />
kommen auch durch die alten Kasernengelände<br />
zu streifen.<br />
Oder nehmen wir die brillante Arbeit<br />
von Monika Schultz-Fieguth über das<br />
Kloster Heiligenkreuz - selbstverständlich<br />
ist ein solches Thema für alle andern<br />
passee.<br />
Wer möchte auch gerne zu seinen Bildern<br />
den Kommentar hören. »Zu viel<br />
Zitat«...<br />
Ich denke, eine hohe Moral als Maßstab<br />
bei den eigenen Ansprüchen, ist der<br />
einzige Weg um Plagiate einzudämmen<br />
und die Fotolandschaft kreativer und vor<br />
allen Dingen innovativer zu gestalten.<br />
Manfred Kriegelstein<br />
P.S.<br />
Nachdem dieses Bild von mir vor vielen<br />
Jahren erstmalig in den Katalogen internationaler<br />
Salons veröffentlicht wurde,<br />
kam es in den Folgejahren zu einem<br />
Boom von Fotos, die Kinderspiele mit<br />
Verwischungstechnik zeigten...
Die Tricks der Photoshop-<br />
Profis<br />
Was Sie schon immer über Photoshop<br />
wissen wollten<br />
Pavel Kaplun, Marco Hayek, Eduardo<br />
Da Vinci, Dirk Metzmacher, Thorsten<br />
Thees<br />
Verlag: Galileo Design<br />
ISBN: 978-3-8362-1583-1<br />
DVD - 10 Stunden Gesamtspielzeit<br />
49,90 Euro�<br />
Wer nun glaubt, er könne es sich auf<br />
der Couch bequem machen und sich<br />
berieseln lassen, der hat sich aber sehr<br />
getäuscht...<br />
Man hält es keine 10 Minuten aus,<br />
so spannend ist diese DVD und so<br />
unbändig der Wunsch die einzelnen<br />
Tricks nachzubauen und anzuwenden.<br />
Schon das DVD-Cover erinnert<br />
eher an den Film »Die Liga der<br />
außergewöhnlichen Gentlemen«, als<br />
an eine Lehr-DVD.<br />
Wer sich etwas in Photoshop auskennt<br />
und wissen will, wie die Profis<br />
geheimnisvolle Stimmungen und<br />
surreale Effekte ins Bild bringen, kommt<br />
an dieser DVD nicht vorbei.<br />
Klasse gemacht und vor allen Dingen,<br />
man kann das Lerntempo selber<br />
bestimmen und über einen verlinkten<br />
Index gezielte Fragestellungen<br />
auswählen.<br />
Eine unbedingte Empfehlung von mir!<br />
Manfred Kriegelstein<br />
Scott Kelbys Lightroom 3<br />
für digitale Fotografie<br />
Erfolgsrezepte für Fotografen<br />
Scott Kelby<br />
Verlag: ADDISON-WESLEY<br />
ISBN: 978-3-8273-2975-2<br />
464 Seiten, 4-farbig, Bilderdruck<br />
39,80 Euro�<br />
Die Erfolgsstory von Lightroom ist wohl<br />
nicht mehr aufzuhalten, jetzt schon in der<br />
aktuellen 3. Version - und genauso klar<br />
ist, dass Sott Kelby das Adobe-Urgestein<br />
darüber schreiben wird! Wegen seiner<br />
standardisierten Prozessabläufe ist<br />
Lightroom sicherlich das Programm im<br />
professionellen Bereich nicht nur zur<br />
Verwaltung der Bilddateien, sondern<br />
auch bestens geeignet für häufig<br />
wiederkehrende Bearbeitungsroutinen.<br />
Kelby führt Sie in leicht verständlichen<br />
Kapiteln in die Geheimnisse dieses doch<br />
recht umfangreichen Programms ein.<br />
Er lehnt sich in seiner didaktischen<br />
Vorgehensweise an den üblichen<br />
Workflow des Fotografen an: Importieren<br />
- Katalogisieren - Optimieren.<br />
Das alles natürlich mit vielen<br />
Bildbeispielen aus der Praxis und wie<br />
immer in seiner unnachahmlichen<br />
Leichtigkeit der Sprache, mit der er die<br />
Dinge auf den Punkt bringt.<br />
Für Lightroomfans ein »must have«.<br />
Manfred Kriegelstein<br />
Buchbesprechung<br />
Das Photoshop-Buch<br />
People & Porträt<br />
Aktuell zu Photoshop CS5<br />
Maike Jarsetz<br />
Verlag: Galileo Design<br />
ISBN: 978-3-8362-1710-1<br />
443 Seiten,komplett in Farbe, mit DVD,<br />
2. aktualisierte Auflage<br />
39,90 Euro<br />
Na, es sind eben doch immer die<br />
gleichen...<br />
Maike Jarsetz hat sich schon seit langem<br />
einen führenden Platz in der digitalen<br />
Bildbearbeitungsszene erobert und gilt<br />
als eine der führenden deutschen Photoshopexpertinnen.<br />
Wie schon früher<br />
erwähnt, merkt man ihren Werken deutliche<br />
ihre fotografische Ausbildung an.<br />
Sämtliche Tipps sind aus der Praxis für<br />
die Praxis. Eines ihrer Spezialgebiete ist<br />
die digitale Porträtaufbereitung und das<br />
entsprechende Werk liegt jetzt in der<br />
zweiten und aktualisierten Auflage vor.<br />
Sämtliche Schritte einschließlich der<br />
perfekten Retusche (das ist die, die man<br />
nicht merkt...) werden folgerichtig und<br />
leicht verständlich erklärt.<br />
Wer sich mit Porträt - und Studiofotografie<br />
beschäftigt wird an dem Buch seine<br />
wahre Freude haben!<br />
Manfred Kriegelstein<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
61
Vorschau 3/<strong>2011</strong><br />
<strong>brennpunkt</strong> 3-<strong>2011</strong><br />
erscheint am<br />
4. Juli <strong>2011</strong><br />
Portfolio<br />
Frank Silberbach<br />
Seit den Jahren, in denen Frank Silberbach<br />
(*1958) seine fotografierten Panoramen<br />
allwöchentlich in den Magazinbeilagen<br />
der Samstagsausgaben der<br />
Berliner Zeitung veröffentlichte, gehört<br />
die Panoramafotografie ganz wesentlich<br />
zu seinen Aktivitäten. Als Berliner<br />
und mithin Großstädter richtet sich sein<br />
fotografischer Fokus auf die Menschen<br />
© Frank Silberbach<br />
62 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Lothar Seifert<br />
in dieser Stadt. Dabei folgt er der Straßen-<br />
und Lifefotografie, nur mit dem entscheidenden<br />
Unterschied, dass die Panoramaform<br />
noch schwieriger zu bewältigen<br />
ist. Denn die Breite dieses Formats<br />
will gefüllt werden, damit wirkliche<br />
Bilder entstehen. Frank Silberbach hat<br />
sich dafür über Jahre einen Blick angeeignet,<br />
der bewusst wie intuitiv das All-<br />
© Lothar Seifert<br />
© Katrin Weinrich © Katrin Weinrich<br />
tagsgeschehen danach ausspäht, ob<br />
sich solch komplexe Szenarien anbahnen,<br />
um sie dann im entscheidenden<br />
Moment festzuhalten. Mit ausgeprägtem<br />
Gespür für das Situative zeigen uns<br />
Frank Silberbachs Bilder authentische<br />
Alltagsszenen, nie denunzierend, aber<br />
nicht selten mit ironischem oder humorvollem<br />
Unterton.
ennpunkt 2/<strong>2011</strong><br />
63
Vorschau 3/<strong>2011</strong><br />
64 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Tom Stange, Berlin<br />
brennp@web.de