kurz berichtet - LBV-München
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1 / 2012<br />
Wintervögel<br />
Der Seidenschwanz überwintert in jährlich wechselnder Zahl – manchmal in riesigen Trupps – bei uns Foto: Heinz Tuschl/<strong>LBV</strong>-Archiv<br />
und gar nicht. Seit den frühen 1990er<br />
Jahren führen Ornithologen alljährlich<br />
die Silvesterzählungen im Nymphenburger<br />
Park durch. Der knapp<br />
200 Hektar große Park ist als „Probefl<br />
äche“ repräsentativ genug für die<br />
Münchner Parks. Das Ergebnis der<br />
langjährigen Zählungen besagt, dass<br />
die meisten Wintervögel seltener<br />
werden. Ganz verschwunden sind<br />
die Spatzen; deutlich zurückgegangen<br />
Finken und Amseln. Selbst die<br />
Meisen halten ihre frühere Häufi gkeit<br />
nicht. Eine positive Entwicklung<br />
ergab sich lediglich für Buntspecht<br />
und Ringeltaube. Woran mag<br />
das liegen? Gab es in den letzten Jahren<br />
mit ihren verregneten Sommern<br />
zu geringe Bruterfolge? Am Anteil<br />
der Jungvögel würden wir das<br />
sehen, wenn bereits im Spätherbst<br />
gezählt würde. Vom (zu) geringen<br />
Bruterfolg sollten auch Zugvögel betroffen<br />
sein. Aber Kurz- und Mittelstreckenzieher<br />
wie Rotkehlchen,<br />
Mönchsgrasmücken und Zilpzalp<br />
wurden in den letzten beiden Jahrzehnten<br />
in <strong>München</strong> und Umgebung<br />
nicht seltener. Möglicherweise<br />
sind Krankheiten die Ursache; Viruserkrankungen<br />
und Vogelsalmonellose.<br />
Diese ist im Februar 2010 in<br />
Vorarlberg in Zusammenhang mit<br />
einem auffälligen Vogelsterben an<br />
Futterhäusern festgestellt worden.<br />
Das Usutu-Virus suchte die Amseln<br />
in Wien heim. Kranke und frisch tot<br />
gefundene Kleinvögel müssten untersucht<br />
werden. Die Beschränkungen<br />
des Singvogel-Artenschutzes<br />
behindern rasche Aufklärung, weil<br />
vorher eine Genehmigung zur Aufnahme<br />
der aufgefundenen Vögelchen<br />
von der Naturschutzbehörde<br />
eingeholt werden muss. Im Interesse<br />
des Vogelschutzes sollte das geändert<br />
werden.<br />
Es kann auch gar nicht nachdrücklich<br />
genug betont werden,<br />
dass die Futterstellen sauber gehalten<br />
werden müssen. Wer nachlässig<br />
damit umgeht, tut den Vögeln nichts<br />
Gutes. Allzu rasch werden sie zur<br />
Todesfalle. So schön es ist, wenn sich<br />
eine vielköpfi ge, bunt zusammengesetzte<br />
Vogelschar am Futter einfi ndet,<br />
so gefährlich ist auch eine solche<br />
Ansammlung, wenn nicht alle paar<br />
Tage, bei nasser Witterung täglich<br />
gesäubert wird. Nur wer die Verpfl<br />
ichtung zum Sauberhalten wahrnimmt,<br />
kann sich am munteren Treiben<br />
der Vögel vorbehaltlos erfreuen.<br />
Die Wintervogelbestände sind das<br />
Grundmaß für den Erfolg des Vogelschutzes.<br />
Denn es ist der Winter, der<br />
den zumeist entscheidenden Engpass<br />
für die nächste Generation<br />
setzt, den es zu überstehen gilt. Unsere<br />
„Stunde der Wintervögel“ ist<br />
mehr als nur eine sportlich nette Betätigung.<br />
Wir sollten drei davon<br />
haben; eine um Mitte Dezember,<br />
eine im ersten Januardrittel und die<br />
dritte Anfang Februar. Dabei sollten<br />
möglichst auch Vögel im Jugendkleid,<br />
Weibchen und Männchen getrennt<br />
notiert werden, soweit sie als<br />
solche gut erkennbar sind. Männchen<br />
und Weibchen zu unterscheiden,<br />
geht am Futterhaus sogar bei<br />
den Kohlmeisen. Schon Stichproben<br />
helfen weiter. Dann wüssten wir<br />
mehr darüber, wie es um unsere Vogelwelt<br />
steht. So großartig es ist,<br />
dass nun sogar Silberreiher in beachtlichen<br />
Anzahlen bei uns überwintern,<br />
am Stadtrand sogar und<br />
mit geringerer Scheu als die nach<br />
wie vor verfolgten Graureiher, so<br />
sorgsam sollten wir auch auf die<br />
(noch) häufi gen Arten achten. Allzu<br />
schnell geht es mit ihnen abwärts.<br />
Das hat uns der Fall des Haussperlings<br />
gezeigt.<br />
Josef H. Reichholf