kurz berichtet - LBV-München
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2<br />
Wintervögel<br />
1 / 2012<br />
„Die Krähen schrei’n und ziehen schwirren Flugs zur Stadt. Bald wird<br />
es schnei’n …“ Mit diesen Zeilen beginnt „Vereinsamt“, eines der bekanntesten<br />
Gedichte von Friedrich Nietzsche. Mit der Ankunft der Saatkrähenschwärme<br />
aus dem Nordosten beginnt in der Düsternis des Spätherbstes<br />
der Einzug der Wintergäste.<br />
Sie gesellen sich zu den Standvögeln,<br />
die das ganze Jahr über bei uns<br />
bleiben. Die großen Arten, wie die<br />
Krähen und die Möwen, durchstreifen<br />
tagsüber die Anlagen. Am Abend<br />
fl iegen sie zu ihren Schlafplätzen,<br />
wo sie sich mit viel Geschrei in der<br />
Dämmerung sammeln. Noch vor 30<br />
oder 40 Jahren überwinterten fünf-<br />
bis zehnmal so viele Saatkrähen und<br />
Lachmöwen in <strong>München</strong> wie in unserer<br />
Zeit. Wenn mit zunehmender<br />
Tageslänge und bei passender Witterung<br />
im Februar oder März die Zugunruhe<br />
über sie kommt, ziehen sie<br />
plötzlich wieder weg.<br />
Was bei den „Großen“ auffällt,<br />
wird bei den Kleinvögeln meist nur<br />
über den Besucherandrang am Futterhaus<br />
sichtbar. Die Wintergäste<br />
kommen im Dezember, drängeln<br />
sich im Januar und häufi g auch noch<br />
im Februar ans Futter und verschwinden<br />
wieder, wenn die ersten<br />
Stare zurückkehren und die Amseln<br />
voll zu singen begonnen haben. Beachtung<br />
fi ndet ihr Abzug kaum.<br />
Wenn es so weit ist, freuen wir uns<br />
auf die ersten Lerchen, Schwalben<br />
und andere Frühlingsboten. Wie es<br />
um die Wintergäste steht, darauf<br />
achtet man kaum noch. Unser Mitgefühl<br />
galt ihnen in den Tagen und<br />
Wochen mit Schnee und Frost, wenn<br />
sie hungern und ihr Überleben von<br />
unserer Fütterung abhängt. Doch es<br />
lohnt, sie genauer zu betrachten.<br />
Veränderungen in unserer Umwelt<br />
können wir an den Wintergästen<br />
leichter als an den Sommervögeln<br />
erkennen. Im Winter können wir die<br />
Vögel ganz gut zählen, um festzu-<br />
Wintervögel<br />
stellen, wie häufi g sie sind. Aus gut<br />
abgestimmten, gleichzeitigen Winterzählungen<br />
ergeben sich die Veränderungen<br />
in den Vogelbeständen.<br />
Und anderes mehr. Dazu ein paar<br />
aufschlussreiche Beispiele.<br />
Amseln überwintern seit langem<br />
bei uns, und zwar in Städten und<br />
auch in Wäldern. Aber es sind überwiegend<br />
die Männchen, leicht<br />
kenntlich an ihrem schwarzen Gefi eder,<br />
die hier bleiben, während die<br />
Weibchen und auch junge Männchen<br />
vom vorausgegangenen Sommer<br />
zum Überwintern in den Mittelmeerraum<br />
ziehen. Amseln fi nden<br />
ihre Nahrung am Boden. Frost und<br />
Schnee dürfen nicht zu lange anhalten,<br />
sonst verhungern sie. Draußen<br />
in den Voralpenwäldern treffen wir<br />
daher im Winter in der Regel nur<br />
vereinzelt Amseln an; fast ausnahmslos<br />
alte Männchen. In der<br />
Stadt überwintern viel mehr Amseln,<br />
vielleicht zehnmal so viele wie<br />
auf gleich großen Flächen in Wäldern,<br />
und es sind auch alte Weib-<br />
Gast aus dem hohen Norden am Futterhäuschen: der Bergfi nk Foto: Alfred Limbrunner