TOM CLANCY'S AUSNAHMEZUSTAND
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einen Meter fünfundsiebzig große Blondine bei der CIA.<br />
Sie wurde eingestellt - zum Teil wegen ihrer brillanten<br />
akademischen Leistungen, zum Teil, wie sie später heraus-<br />
fand, weil den gesetzlichen Vorschriften zur Chancen-<br />
gleichheit bei der chauvinistischen Agency mit ihrem per-<br />
manenten Frauenmangel Genüge getan werden mußte.<br />
Damals waren die Gründe unwichtig. Ani war dabei. Offi-<br />
ziell diente sie als Visumsberaterin in einer Reihe von ame-<br />
rikanischen Botschaften in Asien. Inoffiziell nutzte sie ihre<br />
Freizeit, um Kontakte in Regierungs- und Militärkreisen<br />
zu knüpfen. Unzufriedene Beamte und Offiziere. Männer<br />
und Frauen, die unter den Folgen des Zusammenbruchs<br />
der Finanzmärkte in Asien Mitte der neunziger Jahre lit-<br />
ten. Menschen, die vielleicht überredet werden konnten,<br />
Informationen gegen Geld zu besorgen.<br />
Als Anwerberin für die CIA war Ani außergewöhnlich<br />
erfolgreich. Ironischerweise stellte sie fest, daß ihre Kenntnisse<br />
asiatischer Kultur und Regierungsinstanzen nicht ihr<br />
größter Trumpf waren. Auch nicht die Tatsache, daß sie<br />
Zeuge gewesen war, wie der amerikanische Traum ihrer<br />
Eltern sich in Luft aufgelöst hatte und sie deshalb wußte,<br />
wie man zu Menschen sprach, die sich ausgeschlossen<br />
fühlten. Ihr größter Trumpf war ihre Fähigkeit, sich emo-<br />
tional nicht mit den angeworbenen Personen einzulassen.<br />
Es hatte Situationen gegeben, in denen Menschen für Informationen<br />
geopfert werden mußten, und sie hatte kei-<br />
nen Augenblick gezögert. Die Schule, das Leben und ihre<br />
historischen Studien hatten sie gelehrt, daß Menschen das<br />
Rohmaterial für Regierungen und Armeen waren und daß<br />
man keine Scheu haben durfte, sie nach Bedarf einzuset-<br />
zen. Irgendwie war es nicht viel anders, als den Frauen zu<br />
erzählen, wie gut sie in Mänteln oder Hosen oder Blusen<br />
aussahen, selbst wenn sie vom Gegenteil überzeugt war.<br />
Der Laden brauchte die Einnahmen, und sie war fest ent-<br />
schlossen, alles dafür zu tun.<br />
Unglücklicherweise stellte Ani fest, daß Talent und Einsatz<br />
nicht genug waren. Nachdem sie erreicht hatte, wozu<br />
sie ins Ausland geschickt worden war, wurde die junge<br />
Frau nicht befördert; auch zu einer höheren Geheimstufe<br />
wurde sie nicht zugelassen. Jetzt trat die frauenfeindliche<br />
Politik an die Oberfläche: Die guten Jobs gingen an ihre<br />
männlichen Kollegen. Ani wurde nach Seoul geschickt, um<br />
Daten von den Kontaktpersonen zu sammeln, die sie an-<br />
geworben hatte. Die meisten Daten wurden elektronisch<br />
übermittelt, und selbst bei der Interpretation der eingegan-<br />
genen Informationen wurde sie nicht einbezogen. Das war<br />
Aufgabe der Teams für ELINT - elektronische Spionage -<br />
im Hauptquartier. Nachdem sie sechs Monate vor einem<br />
Computer gesessen und Daten hin- und hergeschoben hat-<br />
te, bat sie um Versetzung nach Washington. Statt dessen<br />
wurde sie nach New York geschickt. Als Datenschieberin.<br />
Wegen ihrer Auslandserfahrungen hatte man Ani in der<br />
Doyle Shipping Agency eingesetzt. Diese Strohfirma der<br />
CIA befand sich in einem Büro im vierten Stock von 866<br />
United Nations Plaza. Hauptaufgabe war die Spionageüberwachung<br />
von Schlüsselfiguren unter den Beamten der<br />
Vereinten Nationen. Die DSA hatte einen kleinen Emp-<br />
fangsraum mit einer Sekretärin - die heute frei hatte, da<br />
Samstag war -, ein Büro für den Außenstellendirektor Da-<br />
vid Battat und ein weiteres für Ani. Außerdem gab es noch<br />
ein kleines Büro für die beiden Pendler, die sowohl hier