TOM CLANCY'S AUSNAHMEZUSTAND
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nen. Oder sie hätten sie als Sprecherin oder Gruppenleiterin<br />
ausgewählt - irgend etwas, und so wäre sie wenigstens<br />
von ihrer Angst abgelenkt worden. Und wenn sie später<br />
alle erschossen wurden? Nicht unbedingt von diesen Leu-<br />
ten, sondern vielleicht von denen, die kommen würden,<br />
um sie zu retten. Ihr letzter Gedanke würde sein, daß sie<br />
vorher etwas hätte sagen sollen. Als sie den Mann weggehen<br />
sah, hätte sie wiederum fast gesprochen, aber ihr<br />
Mund gehorchte ihr nicht.<br />
Kurz darauf versammelte einer der Männer alle mit<br />
leiser Stimme und australischem Akzent um den Tisch.<br />
Zuerst waren die Kinder dran. Er befahl ihnen, die In-<br />
strumente auf dem Boden liegen zu lassen und an den<br />
Tisch zu kommen.<br />
Harleighs Geigenkasten lag offen vor ihr, und sie nahm<br />
sich die Zeit, ihr Instrument hineinzulegen. Es war kein<br />
kleiner, verspäteter Akt des Trotzes. Sie versuchte nicht<br />
einmal, die Geduld des Mannes auf die Probe zu stellen.<br />
Ihre Eltern hatten ihr diese Violine geschenkt, und sie wür-<br />
de nicht zulassen, daß ihr etwas zustieß. Glücklicherweise<br />
merkte der Mann nichts, oder er ließ es durchgehen.<br />
An dem halbrunden Tisch fühlte Harleigh sich sehr ver-<br />
wundbar. In der Ecke neben den Vorhängen hatte es ihr<br />
besser gefallen.<br />
Die Angst in ihr festigte sich allmählich. Nachdem sie<br />
sich zitternd gesetzt hatte, empfand sie es fast als Erleich-<br />
terung, als ein Mädchen neben ihr laut schluchzend von<br />
heftigen Zuckungen geschüttelt wurde. Die arme Laura<br />
Sabia. Laura war ihre beste Freundin, aber sie war schon<br />
immer so empfindlich gewesen. Sie sah aus, als wollte sie<br />
gleich losschreien.<br />
Harleigh berührte ihre Hand, fing ihren Blick auf und<br />
lächelte ihr zu. Das werden wir schon überstehen, sagte ihr<br />
Lächeln.<br />
Laura antwortete nicht. Erst als der maskierte Mann sich<br />
in ihre Richtung bewegte, reagierte sie sofort. Worte waren<br />
nicht nötig, und er kam auch nicht bis zu ihnen. Allein<br />
seine Schritte in ihre Richtung erschreckten sie so, daß sie<br />
auf der Stelle verstummte.<br />
Harleigh streichelte ihr über den Arm; dann zog sie ihre<br />
Hand zurück und faltete die Hände im Schoß. Durch die<br />
Nase holte sie tief Luft und zwang sich, ihr Zittern einzustellen.<br />
Auf der anderen Tischseite hatte ihr ein anderes<br />
Mädchen zugesehen, und einen Augenblick später mach-<br />
te sie es ihr nach. Dann lächelte sie herüber, und Harleigh<br />
lächelte zurück. Angst war wie Kälte - wenn man sich ent-<br />
spannte, war es nicht so schlimm.<br />
In dem höhlenartigen Raum wurde es still. Am Tisch<br />
breitete sich angespannte Resignation aus, geprägt von<br />
dem Gefühl, daß diese Stille jeden Moment zu Ende gehen<br />
konnte. Die Diplomaten wirkten etwas unruhiger als die<br />
Musiker, wohl weil sie die Verwundbarsten waren. Die<br />
Eindringlinge ärgerten sich offensichtlich sehr darüber,<br />
daß sich eine bestimmte Person nicht im Raum befand,<br />
aber Harleigh wußte nicht, um wen es sich handelte. Viel-<br />
leicht die Generalsekretärin, die sich verspätet hatte.<br />
Miß Dorn saß am Kopfende des Tisches und schaute der<br />
Reihe nach jedem ihrer Geiger in die Augen, um sicherzu-<br />
gehen, daß alle durchhielten. Alle beantworteten den Blick<br />
mit einem kurzen Nicken, aber Harleigh durchschaute die<br />
Verstellung ihrer Kollegen, denn in Wirklichkeit war nie-<br />
mand okay. Doch da es sonst nichts zu tun gab, erzeugte<br />
diese Geste eine Art von Zusammengehörigkeitsgefühl,