TOM CLANCY'S AUSNAHMEZUSTAND
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New York/New York - Samstag, 22 Uhr 08<br />
Bei ihrer Ankunft im Auditorium des Sicherheitsrats hat-<br />
ten sich die Violinisten hinter dem hufeneisenförmigen<br />
Tisch in der Hauptarena versammelt. Die musikalische Di-<br />
rektorin, Miß Dorn, war gerade eingetroffen. Die sechs-<br />
undzwanzigjährige Künstlerin hatte am Vorabend in Wa-<br />
shington gespielt und war am Morgen am New Yorker<br />
Flughafen angekommen. Während sie die Noten überprüfte,<br />
stand Harleigh Hood an den Vorhängen vor einem der<br />
Fenster. In der Dunkelheit glitzerte der Fluß; lächelnd be-<br />
obachtete sie die tanzenden Lichtreflexe auf seiner Ober-<br />
fläche. Die leuchtenden, farbigen Punkte erinnerten sie an<br />
ihre Noten, und plötzlich fragte sie sich, warum es keine<br />
farbigen Partituren und Notenblätter gab, mit einer ande-<br />
ren Farbe, für jede Oktave.<br />
Harleigh hatte gerade den Vorhang losgelassen, als sie<br />
die Schüsse auf dem Korridor vernahmen. Sekunden spä-<br />
ter wurden die Doppeltüren auf der Nordseite des Audi-<br />
toriums aufgerissen, und die maskierten Männer stürzten<br />
herein.<br />
Weder die Delegierten noch ihre Gäste reagierten, und<br />
auch die jungen Musiker blieben in zwei eng aneinander-<br />
gedrängten Reihen auf dem Fleck stehen. Nur Miß Dorn<br />
stellte sich schützend zwischen die Kinder und die Ein-<br />
dringlinge, doch die maskierten Männer waren zu beschäftigt,<br />
um sie eines Blickes zu würdigen. Sie rannten an den<br />
Seiten des Auditoriums herunter und umringten die Dele-<br />
gierten. Keiner der Eindringlinge sagte ein Wort, bis einer<br />
von ihnen einen Delegierten am Kragen zur Seite zerrte.<br />
Der Mann sprach leise zu dem Diplomaten, als ob er sich<br />
Sorgen machte, belauscht zu werden. Der Delegierte war<br />
den Geigern früher am Abend vorgestellt worden - er kam<br />
aus Schweden, aber sie hatte seinen Namen vergessen.<br />
Jetzt verkündete er der Gruppe, daß niemand zu Schaden<br />
kommen werde, solange sie ruhig blieben und genau das<br />
taten, was ihnen gesagt wurde. Harleigh fand ihn nicht<br />
sehr überzeugend. Sein Kragen war bereits durchgeschwitzt,<br />
und die ganze Zeit blickte er um sich, als ob er<br />
nach einem Fluchtweg Ausschau halte.<br />
Dann redete der Eindringling wieder auf den Delegierten<br />
ein. Sie setzten sich an den hufeisenförmigen Tisch. Vor<br />
den Delegierten wurden Papier und ein Bleistift gelegt.<br />
Zwei der Eindringlinge überprüften die Fenster, öffneten<br />
die Türen, um zu sehen, wohin sie führten, und nah-<br />
men dann andere Positionen ein. Einen Augenblick lang<br />
hatte einer von ihnen neben dem Fenster praktisch Schul-<br />
ter an Schulter mit ihr gestanden, und Harleigh mußte den<br />
Drang unterdrücken, ihn anzusprechen. Ihr Vater hatte ihr<br />
immer gesagt, daß eine vernünftige Frage, auf vernünftige<br />
Weise gestellt, selten eine wütende Antwort nach sich zog.<br />
Aber Harleigh roch den Pulvergestank - oder was im-<br />
mer es war - von der Waffe in der Hand des Mannes. Au-<br />
ßerdem meinte sie, Blutflecken auf seinen Handschuhen<br />
zu entdecken. Angst verschloß ihr die Kehle und jagte in<br />
ihren Magen. Ihre Beine wurden weich, aber nicht an den<br />
Knien, sondern an der Hüfte. Sie sagte kein Wort und war<br />
danach wütend auf sich selbst, weil sie so ängstlich gewesen<br />
war. Reden hätte ihr eine Kugel einbringen, aber es<br />
hätte auch die Sympathie der Eindringlinge wecken kön-