TOM CLANCY'S AUSNAHMEZUSTAND
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Tagen beide Realitäten ineinandergriffen.<br />
Der fünfundvierzigjährige ehemalige stellvertretende<br />
und jetzt amtierende Direktor des OP-Centers hatte noch<br />
nie unter Unentschlossenheit oder Unsicherheit gelitten.<br />
Beim Basketballspielen für seine Universität hatte er sich<br />
viermal die Nase gebrochen, weil er nur den Korb sah und<br />
losstürmte - zum Teufel mit den Torpedos, den Badgers,<br />
den Ironmen, den Thrashers und all den anderen Teams,<br />
gegen die er spielte. Bei seinen beiden Einsätzen in Vietnam<br />
und als Kommandeur einer Panzerbrigade am Persi-<br />
schen Golf hatte er grundsätzlich alle seine Befehle ausge-<br />
führt. Jede verdammte Mission brachte er zu Ende. In<br />
Nordkorea leitete er seine erste verdeckte Striker-Opera-<br />
tion und verhinderte dabei, daß ein fanatischer Offizier<br />
Atomraketen auf Japan abfeuerte. Nach seiner Rückkehr<br />
aus Vietnam fand er sogar Zeit, in Weltgeschichte zu pro-<br />
movieren. Aber jetzt...<br />
Nicht nur das Ausscheiden von Paul Hood deprimier-<br />
te ihn, obwohl es ein wichtiger Faktor war. Man mußte es<br />
schon Ironie der Geschichte nennen, daß Rodgers vor<br />
zweieinhalb Jahren große Schwierigkeiten hatte, die Be-<br />
fehle dieses Mannes entgegenzunehmen - eines Zivili-<br />
sten, der Empfänge zur Sammlung von Wahlkampfspen-<br />
den zusammen mit Filmstars besucht hatte, während<br />
Rodgers den Irak aus Kuwait jagte. Aber Hood hatte sich<br />
als beharrlicher und politisch routinierter Manager erwie-<br />
sen. Rodgers würde ihn und seinen Führungsstil sehr ver-<br />
missen.<br />
In einem weiten grauen Trainingsanzug und mit Nike-<br />
Turnschuhen bekleidet, setzte er sich auf dem Ledersofa<br />
vorsichtig in eine bequemere Position. Dann lehnte er sich<br />
langsam zurück. Vor knapp zwei Wochen hatten ihn die<br />
Terroristen im Bekaa-Tal im Libanon erwischt. Die Ver-<br />
brennungen zweiten und dritten Grades, die er bei den<br />
Folterungen erlitten hatte, waren immer noch nicht ganz<br />
verheilt, genauso wenig wie die inneren Wunden.<br />
Rodgers Blick wanderte umher. Dann sah er mit tiefer<br />
Traurigkeit in seinen braunen Augen zurück zum Fern-<br />
sehschirm. Er schaute sich gerade Vera Cruz an, einen der<br />
letzten von Coopers Filmen. Darin spielte er einen ehe-<br />
maligen Offizier des amerikanischen Bürgerkrieges, der<br />
über die Grenze nach Süden ging, um sich als Söldner zu<br />
verdingen. Am Ende setzte er sich jedoch für die Sache<br />
der mexikanischen Revolutionäre ein. Stärke, Würde und<br />
Ehre - das war Gary Cooper.<br />
Und das war auch einmal Mike Rodgers, dachte er traurig.<br />
Im Libanon hatte er mehr als nur ein bißchen Haut und<br />
Fleisch und die Freiheit verloren. Sein Selbstvertrauen<br />
war auf der Strecke geblieben, als sie ihn in der Höhle<br />
festgebunden und mit einer Fackel gebrannt hatten. Nicht<br />
aus Angst vor dem Tod. Er glaubte fest an die Lehre der<br />
Wikinger, daß der Todesprozeß im Moment der Geburt<br />
begann und daß der Tod in der Schlacht die ehrenvollste<br />
Weise war, das unvermeidliche Ende zu erreichen. Aber<br />
fast war ihm diese Ehre versagt worden. Äußerster<br />
Schmerz, ebenso wie hohes Fieber, entzieht dem mensch-<br />
lichen Denken jede Spur von Klarheit. Der ruhige und ge-<br />
faßte Folterer wird zur Stimme der Vernunft und diktiert<br />
den Gedanken den Weg. Und Rodgers war diesem Punkt<br />
gefährlich nahegekommen; um ein Haar hätte er den Ter-<br />
roristen erklärt, wie sie das mobile OP-Center zu bedie-