TOM CLANCY'S AUSNAHMEZUSTAND
TOM CLANCY'S AUSNAHMEZUSTAND
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viele Veteranen durch, wenn sie nach Hause kamen. In stil-<br />
len Dörfern kam es häufig vor, daß junge Mädchen die<br />
amerikanischen Soldaten freundlich begrüßten. Einige<br />
fragten nach Süßigkeiten oder Geld. Oft wollten sie wirk-<br />
lich nichts anderes. Doch bei einigen Gelegenheiten tru-<br />
gen die Mädchen Puppen, in denen sich Explosionssätze<br />
verbargen. Manchmal flogen die Mädchen zusammen mit<br />
ihren Puppen in die Luft. Alte Frauen boten den amerika-<br />
nischen Soldaten Schalen mit Reis an, der mit Blausäure<br />
vergiftet war und den sie zuerst vor den Augen der Solda-<br />
ten selbst aßen, um die Opfer in Sicherheit zu wiegen.<br />
Diese Zerstörungsmethoden waren schrecklicher und<br />
angsteinflößender als ein Maschinengewehr oder eine<br />
Landmine. Mehr als jeder andere Krieg hatte Vietnam die<br />
amerikanischen Soldaten des Glaubens beraubt, daß man<br />
irgendwo irgendeiner Sache oder Person trauen konnte.<br />
Zurück in der Heimat, entdeckten viele Soldaten, daß sie<br />
sich nicht länger ihren Frauen, Verwandten oder Kindern<br />
gegenüber öffnen konnten. Dies war einer der Gründe,<br />
warum Mike Rodgers nie geheiratet hatte. Es schien ihm<br />
unmöglich, einer anderen Person nahezukommen, es sei<br />
denn einem anderen Soldaten. Und alle Therapien, alle<br />
Überlegungen der Welt konnten daran nichts ändern.<br />
Wenn sie einmal tot war, konnte die Unschuld nicht wie-<br />
der zum Leben erweckt werden.<br />
Rodgers war irritiert, daß ihm diese Gefühle des Miß-<br />
trauens von Annabelle Hampton wieder ins Gedächtnis<br />
gerufen wurden. Die junge Frau hatte aus Geldgier unschuldige<br />
Menschenleben verkauft und die Regierung entehrt,<br />
für die sie arbeitete. Wie konnte jemand mit Blutgeld<br />
glücklich werden? fragte er sich kopfschüttelnd.<br />
Im Gebäude selbst war es ruhig, und auch von drau-<br />
ßen drang kein Laut herein. Die First Avenue war ganz in<br />
der Nähe dieses Wolkenkratzers abgesperrt worden, und<br />
den Verkehr auf dem FDR Drive hatte man untersagt,<br />
weil diese Schnellstraße direkt hinter dem Komplex der<br />
Vereinten Nationen verlief. Natürlich wollte die New Yor-<br />
ker Polizei freien Zugang haben, falls sie ihn benötigte.<br />
Die Sackgasse vor diesem Gebäude war ebenfalls gesperrt<br />
worden.<br />
Als das TAC-SAT piepte, zuckten alle zusammen.<br />
Hood blieb neben Rodgers stehen. Annabelles Blick<br />
richtete sich auf den General. Ihr Mund war entschlossen,<br />
und in ihren blaßblauen Augen gab es nicht einen Schimmer<br />
von Fügsamkeit.<br />
Für Rodgers war dies keine Überraschung. Schließlich<br />
war Annabelle Hampton ein Hai. »Gehen Sie ans Telefon«,<br />
forderte er sie auf.<br />
Sie starrte ihn mit eiskalten Augen an. »Wenn ich es<br />
nicht tue, werden Sie mich wieder foltern?«<br />
»Ich würde es vorziehen, darauf verzichten zu können.«<br />
»Das weiß ich«, erwiderte Annabelle. Sie grinste. »Die<br />
Zeiten haben sich geändert, nicht wahr?«<br />
Es war deutlich zu hören, daß die Stimme der jungen<br />
Frau eine neue Färbung bekommen hatte. Aggressivität.<br />
Selbstvertrauen. Sie hatten ihr zuviel Zeit zum Überlegen<br />
gelassen. Jetzt hatte der Tanz angefangen, und Annabelle<br />
Hampton hatte die Führung übernommen. Rodgers war<br />
froh, daß er seine Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hatte.<br />
»Sie könnten mich zur Antwort zwingen, indem Sie