TOM CLANCY'S AUSNAHMEZUSTAND
TOM CLANCY'S AUSNAHMEZUSTAND TOM CLANCY'S AUSNAHMEZUSTAND
hends ärgerlicher. »Sie riskieren das Leben aller im Audi- torium.« »Im Auditorium werden alle Gefangenen sterben, wenn wir sie nicht herausholen. Hat dieser Kerl Ihnen das nicht gesagt?« Er zeigte mit dem Fuß auf Georgiew. »Haben Sie nicht deshalb versucht, ihn zurückzuhalten?« »Ich wollte dem Morden ein Ende machen ...« »... und ihm war es scheißegal, was Sie wollten«, wis- perte Colonel Mott heiser. »Das stimmt«, gab sie zu. »Aber ich kann immer noch hineingehen und versuchen, mit den anderen zu reden.« »Jetzt nicht mehr«, sagte Mott. »Sie werden nach ihm fragen. Was werden Sie Ihnen sagen?« »Die Wahrheit«, entgegnete sie. »Vielleicht veranlaßt es sie, mit uns zu kooperieren. Oder wir tauschen ihn gegen Geiseln aus.« »Das können wir nicht«, antwortete Mott. »Wahrschein- lich brauchen wir ihn als Informationsquelle. Und egal, was sonst noch passiert, dieses Schwein muß vor ein Ge- richt gestellt werden.« Mott hatte Chatterjees Hartnäckig- keit immer bewundert, doch im Moment hielt er sie eher für naiv als für vorausschauend. Während der Lieutenant zwei Teams bildete, gab der Colonel den Sanitätern ein Zeichen. Sie legten den bewußt- losen Terroristen auf eine Tragbahre und nahmen die Handschellen eines Sicherheitsbeamten, um ihn daranzu- fesseln. »Bringen Sie ihn ins Krankenzimmer und fesseln Sie ihn mit den Handschellen ans Bett«, instruierte Mott den Chef- sanitäter. Der Lieutenant gab ihm ein Zeichen, daß seine Männer bereit waren. Colonel Mott signalisierte mit den Fingern die Zahl dreißig und sah auf seine Armbanduhr, während sich Lieutenant Mailmans Teams in Richtung des Audito- riums des Treuhandrats in Bewegung setzten. Dann be- gann er, dreißig Sekunden abzuzählen. »Bitte, Colonel«, sagte Chatterjee. »Wenn Sie hineinge- hen, kann ich nicht mehr rein.« »Ich weiß das«, erwiderte er. Noch fünfundzwanzig Sekunden. »Aber das ist ein Fehler!« sagte sie, zum erstenmal lauter werdend. Von der Tür des Auditoriums hörten sie ein Knarren, als ob sich jemand von innen dagegen gelehnt hätte. So- fort war Chatterjee still. Noch einmal schaute Mott zur Tür, dann zur Generalsekretärin und schließlich auf seine Uhr. Noch zwanzig Sekunden. »Es ist nur dann ein Fehler, wenn es nicht klappt«, flü- sterte er. »Bitte, Frau Generalsekretärin, wir haben jetzt keine Zeit für Diskussionen. Treten Sie zurück, damit Sie nicht verletzt werden.« »Colonel ...«, begann sie, dann unterbrach sie sich. »Gott sei mit Ihnen«, sagte sie schließlich, »Gott sei mit Ihnen allen.« »Ich danke Ihnen«, erwiderte Mott. Noch fünfzehn Sekunden. Zögernd trat Chatterjee zurück. Colonel Mott konzentrierte sich auf sein Vorhaben. Er schmeckte das Blut des Terroristen durch den Stoff. Barba- risch, wie bei den Wikingern, schoß es ihm durch den Kopf. Dann steckte er die Waffe in den Gürtel, an die Stel-
le, wo der Killer sie aufbewahrt hatte, als er herausgekom- men war. In den Handschuhen ballte er mehrmals seine Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder; ungeduldig wartete er darauf, seinen Job erledigen zu können. Zehn Sekunden. Einmal, vor mehr als zwanzig Jahren, als er noch Kadett an der New Yorker Polizeiakademie Ecke Twentieth Street und Second Avenue war, erklärte ihm ein Lehrer des Fach- bereichs Strategie und Taktik, daß dieser Job wie ein Würfelspiel sei. Jeder Polizist, jeder Soldat hatte einen Würfel mit sechs Seiten. Diese Seiten hießen Entschlossenheit, Fä- higkeit, Rücksichtslosigkeit, Naivität, Mut und Stärke. Den größten Teil der Zeit verbrachte man mit Übungswürfen. Man trainierte, patrouillierte auf der Straße, versuchte, den richtigen Dreh herauszubekommen, das richtige Gefühl, die Feinheiten. Denn wenn es um den wahren Einsatz ging, mußte man mit mehr von diesen Qualitäten aufwarten kön- nen als der Gegner, und zwar manchmal innerhalb von Se- kunden. Während seiner zwanzig Jahre als Polizist im Herzen von Manhattan hatte Mott immer an dieses Lehrbeispiel gedacht. Bei jedem Ruf zu einer Wohnung, wenn er nicht wußte, was ihn auf der anderen Seite der Tür erwartete, dachte er daran, genauso, wenn er ein Auto anhielt und nicht wußte, was sich unter der Zeitung befand, die auf dem Beifahrersitz lag. Und jetzt kam es ihm plötzlich wie- der in den Sinn. Mit Entschlossenheit konzentrierte er sich auf alle Reflexe in seinem Gedächtnis, seinen Knochen, seinem Herzen. Der Vollständigkeit halber fügte er die Wor- te eines der Mercury-Astronauten hinzu, der kurz vor sei- nem Start ins All gesagt hatte: »Lieber Gott, laß mich bitte keinen Mist machen.« Fünf Sekunden. Wach und startklar ging Mott auf die Tür des Sicherheitsrats zu. Er stöhnte, als ob man ihn geschlagen hätte und als ob die Wunde schmerzte. Mit einem Ruck riß er die Tür auf und trat ein. 36 New York/New York - Samstag, 23 Uhr 48 Sobald die Eltern in der Aufenthaltshalle des Außenmini- steriums eintrafen, wurden ihnen Telefone zur Verfügung gestellt. Nachdem sie einen Sessel in der Ecke der hell er- leuchteten Halle ausgewählt hatte, rief Sharon zuerst bei Alexander im Hotel an, um sicherzugehen, daß alles in Ordnung war. Er hörte sich zufrieden an, obwohl sie vermutete, daß er schon lange nicht mehr mit den Videospie- len beschäftigt war, sondern sich irgendwelche Sendungen im Fernsehen ansah. Wenn er Videos spielte, wirkte er im- mer sehr gestreßt, als ob das Schicksal der gesamten Gala- xie auf seinen Schultern ruhte. Doch als sie gegen elf anrief, schien er eher beeindruckt und still. Wie Charlton Heston beim Anblick des brennenden Dornbusches in Die Zehn Gebote. Sharon ließ ihn gewähren, sagte ihm aber nicht, was los war. Vermutlich würde Alexander heute nacht tief schla- fen, und morgen früh war hoffentlich alles vorbei, noch bevor er aufwachte. Dann rief sie bei sich zu Hause an, um den Anrufbeantworter abzuhören. Sie würde ihre Eltern
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»Jetzt nicht mehr«, sagte Mott. »Sie werden nach ihm<br />
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»Die Wahrheit«, entgegnete sie. »Vielleicht veranlaßt es<br />
sie, mit uns zu kooperieren. Oder wir tauschen ihn gegen<br />
Geiseln aus.«<br />
»Das können wir nicht«, antwortete Mott. »Wahrschein-<br />
lich brauchen wir ihn als Informationsquelle. Und egal,<br />
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Handschellen eines Sicherheitsbeamten, um ihn daranzu-<br />
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»Bringen Sie ihn ins Krankenzimmer und fesseln Sie ihn<br />
mit den Handschellen ans Bett«, instruierte Mott den Chef-<br />
sanitäter.<br />
Der Lieutenant gab ihm ein Zeichen, daß seine Männer<br />
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gann er, dreißig Sekunden abzuzählen.<br />
»Bitte, Colonel«, sagte Chatterjee. »Wenn Sie hineinge-<br />
hen, kann ich nicht mehr rein.«<br />
»Ich weiß das«, erwiderte er. Noch fünfundzwanzig<br />
Sekunden.<br />
»Aber das ist ein Fehler!« sagte sie, zum erstenmal lauter<br />
werdend.<br />
Von der Tür des Auditoriums hörten sie ein Knarren,<br />
als ob sich jemand von innen dagegen gelehnt hätte. So-<br />
fort war Chatterjee still. Noch einmal schaute Mott zur Tür,<br />
dann zur Generalsekretärin und schließlich auf seine Uhr.<br />
Noch zwanzig Sekunden.<br />
»Es ist nur dann ein Fehler, wenn es nicht klappt«, flü-<br />
sterte er. »Bitte, Frau Generalsekretärin, wir haben jetzt<br />
keine Zeit für Diskussionen. Treten Sie zurück, damit Sie<br />
nicht verletzt werden.«<br />
»Colonel ...«, begann sie, dann unterbrach sie sich.<br />
»Gott sei mit Ihnen«, sagte sie schließlich, »Gott sei mit<br />
Ihnen allen.«<br />
»Ich danke Ihnen«, erwiderte Mott. Noch fünfzehn<br />
Sekunden.<br />
Zögernd trat Chatterjee zurück.<br />
Colonel Mott konzentrierte sich auf sein Vorhaben. Er<br />
schmeckte das Blut des Terroristen durch den Stoff. Barba-<br />
risch, wie bei den Wikingern, schoß es ihm durch den<br />
Kopf. Dann steckte er die Waffe in den Gürtel, an die Stel-