TOM CLANCY'S AUSNAHMEZUSTAND
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nahme von chinesischen, japanischen und französischen<br />
Soldaten. Er glaubte nicht, daß so etwas wie eine wohl-<br />
meinende < Besatzungsmacht existierte. Selbst wenn sich<br />
die Soldaten darum bemühten, den Frieden aufrechtzuerhalten,<br />
warf allein ihre Gegenwart ein schlechtes Licht auf<br />
den Charakter und die Stärke der Nation.<br />
Ty und Hang waren in diesem Punkt einer Meinung mit<br />
Son Sann. Die Präsenz eines ausländischen Offiziers hatte<br />
mehr getan, als die Kultur ihres Volkes in den Dreck zu<br />
ziehen; er hatte zerstört, was Hang zärtlich geliebt hatte.<br />
Ty Sokha kniete neben dem verwundeten amerikani-<br />
schen Mädchen. Sie war höchstens vierzehn oder fünf-<br />
zehn. Die Kambodschanerin hatte so viele verwundete<br />
oder sterbende Mädchen in ihrem Alter gesehen. Und<br />
dann die Toten. Einmal hatte sie Amnesty International bei<br />
der Auffindung eines Massengrabes außerhalb von Kampong<br />
Cham geholfen, wo mehr als zweihundert verweste<br />
Leichen eingegraben waren, in der Mehrzahl alte Frauen<br />
und sehr junge Kinder. Einigen hatte man Slogans gegen<br />
die Regierung auf die Körper gemalt oder auch mit dem<br />
Messer eingeritzt. Ty hatte mindestens drei Dutzend Tode<br />
verursacht, indem sie Hang zu feindlichen Offizieren oder<br />
Undercover-Agenten führte, damit er sie im Schlaf erdros-<br />
selte oder ihnen ein Stilett ins Herz rammte. In einigen<br />
Fällen gab Ty sich nicht die Mühe, Hang herbeizuholen,<br />
sondern führte die Arbeit allein zu Ende.<br />
Wie die meisten allein oder zu zweit arbeitenden Mili-<br />
täragenten zählte auch Ty medizinische Kenntnisse zu ih-<br />
ren Waffen; mit der Versorgung von Schußwunden hatte<br />
sie ausreichend Erfahrung. Leider war der Erste-Hilfe-Ka-<br />
sten, den sie bekommen hatte, unzureichend für diese Si-<br />
tuation. Es gab keine Austrittswunde, also befand sich die<br />
Kugel noch im Körper des Mädchens. Wenn die junge<br />
Amerikanerin sich bewegte, verschlimmerte sie die Ver-<br />
letzung. Ty benutzte die antiseptische Lösung, um das<br />
kleine, runde Loch so gut wie möglich zu reinigen. Dann<br />
bedeckte sie die Wunde mit Mullbinde und Heftpflaster.<br />
Sie arbeitete sorgfältig und effizient, doch sie vermißte ihre<br />
gewohnte kühle Distanz. Obwohl Ty durch den Kontakt<br />
mit Terrorismus und Mord schon lange abgestumpft war,<br />
riefen dieses junge Mädchen und die Umstände des Über-<br />
falls eine allzu schmerzhafte Erinnerung in ihr wach.<br />
Sie dachte voll schmerzlicher Erinnerung an Phum, die<br />
geliebte jüngere Schwester von Hang.<br />
Während ihre Hände vorsichtig die Wunde versorgten,<br />
kehrten ihre Gedanken zurück zu dem Ereignis, das sie an<br />
diesen so unwahrscheinlichen Ort geführt hatte, so weit<br />
von den Reisfeldern entfernt, wo alles begonnen hatte.<br />
Ty war in einem winzigen Bauerndorf aufgewachsen,<br />
in der Mitte zwischen Phnom Penh und Kampot am Golf<br />
von Thailand. Als sie sechs Jahre alt war, kamen ihre El-<br />
tern bei einer Überschwemmung ums Leben; danach wur-<br />
de sie von der Familie ihres entfernten Cousins Hang Sary<br />
aufgezogen. Ty und Hang vergötterten einander, und es<br />
war schon immer ausgemacht, daß sie eines Tages heira-<br />
ten würden. Schließlich kam es zu dieser Hochzeit, direkt<br />
vor dem Aufbruch zu einer gemeinsamen Kommandoak-<br />
tion im Jahre 1990. Außer dem Priester und seinem Sohn<br />
waren sie allein; die Böen des Wirbelsturms, der die Hütte<br />
des Priesters zerstört hatte, ließen gerade ein wenig nach.<br />
Es war die glücklichste Zeit in Tys Leben.