TOM CLANCY'S AUSNAHMEZUSTAND

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schulte.josefine23
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02.01.2013 Aufrufe

»Ich mußte es tun«, zischte Downer zurück. »Du mußtest es tun?« wiederholte Barone mit bewußt leiser Stimme. »Wir hatten ausgemacht, daß wir versu- chen, den Kindern nichts zu tun.« »Unser Plan wäre in Gefahr gewesen, wenn sie entwischt wäre«, erwiderte Downer. »Du hast mich doch brüllen hören und hast gesehen, wie ich auf sie zugerannt bin«, sagte Barone. »Bevor sie nach draußen gelangt wäre, hätte ich sie längst erreicht.« »Kann sein, kann auch nicht sein«, warf Georgiew ein. »Entscheidend ist, daß sie nicht abgehauen ist. Geht jetzt zurück an eure Posten. Wir werden uns um sie kümmern, so gut wir können.« Barone starrte ihn an. »Sie ist ein junges Mädchen.« Georgiew starrte zurück. »Keiner hat ihr gesagt, daß sie wegrennen soll!« Barone kochte innerlich, preßte aber die Lippen aufeinander. »Jetzt ist eine Tür unbewacht, und du solltest Ausschau nach der Sondenkamera halten«, fügte Georgiew leise hin- zu. »Oder wäre es euch lieber, wenn unser gesamter Plan und alle unsere Anstrengungen wegen der Kleinen vor die Hunde gehen?« Dabei zeigte er auf Barbara. Downer grunzte und ging nach oben auf seinen Posten. Beleidigt und den Kopf schüttelnd, begab sich Barone auf seinen Platz vor der Tribüne. Georgiew sah ihnen nach. Ob es ihm gefiel oder nicht, dieser Vorfall hatte eine neue Situation geschaffen. Verbrechen bewirkten extreme Gefühlsverstärkungen. Ge- schlossene Räume intensivierten die Gefühle zusätzlich, und ein unerwartetes Drama verschlimmerte alles noch mehr. »Sie müssen mir helfen, das Mädchen hier herauszu- bringen.« Georgiew drehte sich um. Die Asiatin stand direkt an seiner Seite; er hatte sie nicht einmal kommen hören. »Nein«, erwiderte er. Er war unkonzentriert, doch jetzt mußte er sich zusammenreißen, seine Männer aufrütteln. Die UNO mehr unter Druck setzen. Er hatte schon über die Art und Weise seines Vorgehens nachgedacht und glaubte, die beste Methode zu kennen. »So wird sie verbluten«, sagte die Frau. Langsam ging Georgiew hinüber zu den Tragetaschen. Der Tod des Mädchens käme ihm ungelegen, denn da- durch könnte eine Rebellion provoziert werden. Er zog eine kleine blaue Kiste aus der Tasche und kam zurück, um sie der Frau zu überreichen. »Benutzen Sie das hier.« »Ein Erste-Hilfe-Kasten?« fragte die Frau. »Das wird nichts nützen.« »Das ist alles, was ich Ihnen geben kann.« »Aber sie könnte innere Blutungen haben, oder viel- leicht sind Organe verletzt ...«, warf die Frau ein. In diesem Augenblick winkte Downer und zog Geor- giews Blick auf sich. Der Australier deutete auf die Tür. »Das muß ausreichen«, sagte der Bulgare zu der Frau und gab Vandal ein Zeichen, zu ihm herunterzukommen. Als der Franzose ihn erreichte, befahl Georgiew ihm, die Asiatin auf keinen Fall entwischen zu lassen. Dann ging er die Treppen hinauf, um mit Downer zu sprechen. »Was ist denn los?« »Sie ist da draußen«, flüsterte der Australier aufgeregt. »Sie hat an die verdammte Tür geklopft und gefragt, ob sie hereinkommen kann.«

»Das war alles, was sie gesagt hat?« fragte Georgiew. »Ja, das war alles«, erwiderte Downer. Georgiew sah an dem Australier vorbei. Konzentriere dich, schärfte er sich ein. Die Sachlage hatte sich geändert, und er mußte die neue Konstellation durchdenken. Wenn er Chatterjee hereinließ, würden sich ihre Bemühungen darauf richten, das Mädchen ärztlich versorgen zu lassen, nicht darauf, ihnen das Geld zu besorgen. Und wenn er das Mädchen herausbringen ließ, würde die Presse erfah- ren, daß ein Kind verletzt, möglicherweise getötet worden war. Automatisch würden alle nach militärischen Aktio- nen rufen, trotz des Risikos für die Geiseln. Außerdem be- stand die Möglichkeit, daß das Mädchen im Krankenhaus zu sich kam und den Sicherheitskräften den Standort der Männer und der Geiseln beschrieb. Natürlich könnte Georgiew die Generalsekretärin hereinlassen und sich weigern, das Mädchen freizugeben. Würde Chatterjee das Leben der anderen Kinder riskieren, indem sie die Zusammenarbeit verweigerte? Die Möglichkeit gibt es, dachte Georgiew. Und wenn sie seine Autorität hier drinnen anfechten würde, könnte das zur Folge haben, daß die Gefangenen mutiger würden oder sein Einfluß bei seinen Leuten abnähme. Georgiew schaute zu den Geiseln hinüber. Den Beam- ten der UNO war in klaren Worten mitgeteilt worden, wie sie Kontakt aufnehmen und was sie sagen sollten. Instink- tiv fühlte er den Drang, nach unten zu gehen, sich eine an- dere Geisel zu nehmen und sie dasselbe vortragen lassen, was der letzte Delegierte bereits abgelesen hatte. Warum sollte er seinen Plan ändern, ihnen das Gefühl geben, es fehle ihm an Entschlußkraft? Weil solche Situationen ständig im Fluß sind, sagte er zu sich selbst. ­ Dann hatte er die Lösung, ganz plötzlich, wie alle seine guten Ideen. Einen Weg, Chatterjee zu geben, wonach sie verlangte, ohne seine Forderungen zu gefährden. Er wür- de sie treffen. Nur anders, als sie es erwartete. 29 Washington, D.C. - Samstag, 23 Uhr 33 Zu normalen Zeiten war Bob Herbert ein umgänglicher und lockerer Mann. Vor mehr als fünfzehn Jahren hatten ihn seine Verlet- zungen und der Verlust seiner Frau in eine tiefe Depression fallenlassen, die fast ein Jahr anhielt. Aber die anschließenden Behandlungen halfen ihm dabei, sein Selbstmitleid zu überwinden, und die Wiederaufnahme seiner Arbeit bei der CIA stärkte sein Selbstwertgefühl, das bei dem An- schlag auf die amerikanische Botschaft in Beirut auf der Strecke geblieben war. Seit er vor fast drei Jahren mitgehol- fen hatte, das OP-Center aufzubauen und einsatzfähig zu übergeben, hatte Herbert einige der größten Herausforderungen und Bestätigungen seiner gesamten Karriere erlebt. Wahrscheinlich hätte es seine Frau ungeheuer amüsiert, daß der ewige Nörgler, den sie geheiratet und dessen Laune sie immer aufzuheitern versucht hatte, inzwischen in den Kreisen des NCMC als >Mr. Frohsinn< bekannt war. Als er jetzt jedoch allein in seinem abgedunkelten, nur

»Das war alles, was sie gesagt hat?« fragte Georgiew.<br />

»Ja, das war alles«, erwiderte Downer.<br />

Georgiew sah an dem Australier vorbei. Konzentriere<br />

dich, schärfte er sich ein. Die Sachlage hatte sich geändert,<br />

und er mußte die neue Konstellation durchdenken. Wenn<br />

er Chatterjee hereinließ, würden sich ihre Bemühungen<br />

darauf richten, das Mädchen ärztlich versorgen zu lassen,<br />

nicht darauf, ihnen das Geld zu besorgen. Und wenn er<br />

das Mädchen herausbringen ließ, würde die Presse erfah-<br />

ren, daß ein Kind verletzt, möglicherweise getötet worden<br />

war. Automatisch würden alle nach militärischen Aktio-<br />

nen rufen, trotz des Risikos für die Geiseln. Außerdem be-<br />

stand die Möglichkeit, daß das Mädchen im Krankenhaus<br />

zu sich kam und den Sicherheitskräften den Standort der<br />

Männer und der Geiseln beschrieb.<br />

Natürlich könnte Georgiew die Generalsekretärin hereinlassen<br />

und sich weigern, das Mädchen freizugeben.<br />

Würde Chatterjee das Leben der anderen Kinder riskieren,<br />

indem sie die Zusammenarbeit verweigerte?<br />

Die Möglichkeit gibt es, dachte Georgiew. Und wenn sie<br />

seine Autorität hier drinnen anfechten würde, könnte das<br />

zur Folge haben, daß die Gefangenen mutiger würden<br />

oder sein Einfluß bei seinen Leuten abnähme.<br />

Georgiew schaute zu den Geiseln hinüber. Den Beam-<br />

ten der UNO war in klaren Worten mitgeteilt worden, wie<br />

sie Kontakt aufnehmen und was sie sagen sollten. Instink-<br />

tiv fühlte er den Drang, nach unten zu gehen, sich eine an-<br />

dere Geisel zu nehmen und sie dasselbe vortragen lassen,<br />

was der letzte Delegierte bereits abgelesen hatte. Warum<br />

sollte er seinen Plan ändern, ihnen das Gefühl geben, es<br />

fehle ihm an Entschlußkraft?<br />

Weil solche Situationen ständig im Fluß sind, sagte er zu<br />

sich selbst. ­<br />

Dann hatte er die Lösung, ganz plötzlich, wie alle seine<br />

guten Ideen. Einen Weg, Chatterjee zu geben, wonach sie<br />

verlangte, ohne seine Forderungen zu gefährden. Er wür-<br />

de sie treffen. Nur anders, als sie es erwartete.<br />

29<br />

Washington, D.C. - Samstag, 23 Uhr 33<br />

Zu normalen Zeiten war Bob Herbert ein umgänglicher<br />

und lockerer Mann.<br />

Vor mehr als fünfzehn Jahren hatten ihn seine Verlet-<br />

zungen und der Verlust seiner Frau in eine tiefe Depression<br />

fallenlassen, die fast ein Jahr anhielt. Aber die anschließenden<br />

Behandlungen halfen ihm dabei, sein Selbstmitleid zu<br />

überwinden, und die Wiederaufnahme seiner Arbeit bei<br />

der CIA stärkte sein Selbstwertgefühl, das bei dem An-<br />

schlag auf die amerikanische Botschaft in Beirut auf der<br />

Strecke geblieben war. Seit er vor fast drei Jahren mitgehol-<br />

fen hatte, das OP-Center aufzubauen und einsatzfähig zu<br />

übergeben, hatte Herbert einige der größten Herausforderungen<br />

und Bestätigungen seiner gesamten Karriere erlebt.<br />

Wahrscheinlich hätte es seine Frau ungeheuer amüsiert,<br />

daß der ewige Nörgler, den sie geheiratet und dessen Laune<br />

sie immer aufzuheitern versucht hatte, inzwischen in<br />

den Kreisen des NCMC als >Mr. Frohsinn< bekannt war.<br />

Als er jetzt jedoch allein in seinem abgedunkelten, nur

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