TOM CLANCY'S AUSNAHMEZUSTAND
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schlechter war, als er versprochen hatte, sagte Georgiew<br />
kein einziges Wort. Er hielt ihnen einfach den Lauf seiner<br />
Pistole an den Kopf. Es funktionierte immer: Jede Öffnung<br />
des Gesichts - Augen, Nase und Mund - war weit aufgerissen<br />
und regungslos. Dann sagte Georgiew: »Wenn du<br />
dich noch einmal bei mir beschwerst, bringe ich dich um. Und<br />
wenn du versuchst abzuhauen, bringe ich dich und deine Fami-<br />
lie um.« Danach beschwerten sie sich nie wieder. Von den<br />
mehr als einhundert Mädchen, die während der zwölf Mo-<br />
nate des Prostitutionsrings für ihn arbeiteten, hatte er nur<br />
zwei erschießen müssen.<br />
Alle auf dem Boden hörten auf zu weinen. Georgiew<br />
ließ die Waffe sinken. Zwar gab es noch Tränen, aber zumindest<br />
kein Geflenne mehr.<br />
Als Downer fast am Fuß der Treppe angekommen war,<br />
sah Georgiew zu seiner Überraschung das Licht am TAC-<br />
SAT blinken. Vor etwa einer Stunde hatte er noch mit Ani<br />
Hampton gesprochen; sie hatte ihn von den Verhandlungs-<br />
plänen der Generalsekretärin in Kenntnis gesetzt. Einen<br />
Augenblick lang fragte er sich, ob Downers Befürchtungen<br />
berechtigt gewesen waren und die Sicherheitskräfte einen<br />
Angriff wagen würden. Aber das konnte nicht sein. Die<br />
Vereinten Nationen würden so etwas nicht riskieren. Er<br />
ging zum Telefon.<br />
Annabelle Hampton war Georgiews riskanteste, aber<br />
auch wichtigste Verbündete. Seit der Zeit in Kambodscha,<br />
wo sie sich kennengelernt hatten, war er beeindruckt von<br />
der entschiedenen und unabhängigen Persönlichkeit dieser<br />
Frau. In Phnom Penh hatte sie Spione und Hilfskräfte<br />
für die CIA angeworben. Georgiew versorgte sie mit den<br />
Informationen, die seine Mädchen von ihren Kunden er-<br />
hielten. Außerdem gab er ihr Spionagedaten, die er von<br />
seinen Kontakten bei den Roten Khmer erhielt. Obwohl er<br />
die Rebellen bezahlte und selbst bezahlt wurde, um ihnen<br />
nachzuspionieren, machte er dabei einen hübschen, klei-<br />
nen, persönlichen Profit.<br />
Am Ende der Operation UNTAC im Jahr 1993 suchte<br />
Georgiew nach Annabelle, um ihr die Namen der Mädchen<br />
zu verkaufen, die er angestellt hatte. Als er herausfand,<br />
daß man sie nach Seoul versetzt hatte, stellte er dort<br />
den Kontakt zu ihr her. Zu diesem Zeitpunkt schien An-<br />
nabelle eher wütend als ehrgeizig. Auf seine Mitteilung,<br />
daß er der Armee den Rücken kehren werde, um sich ge-<br />
schäftlichen Dingen zu widmen, scherzte sie, er solle sich<br />
an sie erinnern, wenn er von interessanten Gelegenheiten<br />
hörte.<br />
Das tat er.<br />
Bis zu diesem Nachmittag, als sie ihm den detaillierten<br />
Zeitplan für den heutigen Empfang der Vereinten Natio-<br />
nen übergab, hatte Georgiew sich gefragt, ob sie nicht in<br />
letzter Minute aussteigen würde. Verraten würde sie ihn<br />
nicht, davon war er überzeugt, denn er wußte, wo ihre El-<br />
tern lebten; zu Weihnachten, als Annabelle sie besuchte,<br />
schickte er ihnen demonstrativ Blumen. Trotzdem waren<br />
die letzten Stunden vor einem Einsatz kritisch. Der große<br />
bulgarische General des neunzehnten Jahrhunderts, Gri-<br />
gor Halachew, hatte sie >die Zeit des größten Zweifels< ge-<br />
nannt. Die äußeren Vorbereitungen waren endlich abge-<br />
schlossen, und die Soldaten konnten sich ihrer inneren<br />
Befindlichkeit zuwenden.<br />
Annabelle war nicht ausgestiegen. Ihr Rückgrat war so<br />
stählern wie das der anderen Soldaten in diesem Raum.