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Mat.-Nr. 06051-5110<br />
Deutschland 6,80 €<br />
1 0<br />
Facebook, Twitter, Blogs<br />
und massenweise E-Mails:<br />
So bekommen Unternehmer<br />
die digitalen Medien in <strong>de</strong>n<br />
Griff. Ab Seite 24 bändigen<br />
4 194333 006801<br />
Das Magazin für <strong>de</strong>n innovativen Unternehmer<br />
OKTOBER 2011<br />
www.profi rma.<strong>de</strong><br />
Thomas Breinig (l.) und Jürgen<br />
Herrmann haben in Frankfurt (O<strong>de</strong>r)<br />
mehrere Unterseeboote für die Touristik<br />
gebaut. Jetzt hoffen die bei<strong>de</strong>n<br />
Tüftler auf viele Kun<strong>de</strong>n, die einfach<br />
mal abtauchen wollen. Seite 12<br />
WACHSEN MIT SYSTEM<br />
In <strong>de</strong>r Franchise-Branche stehen die<br />
Zeichen auf Expansion. Aber die Geschäftsi<strong>de</strong>e<br />
muss stimmen. Seite 34<br />
ZUM BEZAHLEN ERMUNTERN<br />
Mit <strong>de</strong>m richtigen For<strong>de</strong>rungsmanagement<br />
treiben Chefs erfolgreich<br />
Außenstän<strong>de</strong> ein. Seite 52
Abb. enthält Son<strong>de</strong>rausstattung.<br />
DER NEUE FIAT DUCATO<br />
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Editorial<br />
Liebe Leserin, lieber Leser, seit es so einfach und kostengünstig gewor<strong>de</strong>n<br />
ist, wildfrem<strong>de</strong> Menschen mit „Informationen“ zu überschütten, gibt es kein<br />
Halten mehr. Die sagenhaft schnelle E-Mail-Kommunikation, ehemals als Segen<br />
gefeiert, bringt inzwischen viele Unternehmer zum Fluchen. 1.500 Nachrichten<br />
im elektronischen Briefkasten nach gera<strong>de</strong> einmal zwei Wochen Abwesenheit<br />
sind keine Seltenheit, und da hat <strong>de</strong>r Spam-Filter <strong>de</strong>n auffälligsten Müll bereits<br />
aussortiert. Schon wer dieser Flut Herr wer<strong>de</strong>n und Wichtiges von Wertlosem<br />
trennen will, braucht gute Strategien.<br />
Und jetzt hat sich mit <strong>de</strong>n sozialen Netzwerken ein weiteres Medium etabliert,<br />
das bei konsequentem Gebrauch viel Energie kostet – aber immerhin auch<br />
Ertrag verspricht. Xing, LinkedIn, Facebook, Twitter und Blogs rufen nach<br />
Aufmerksamkeit, und mancher Firmenchef, <strong>de</strong>r bislang skeptisch war, stellt sich<br />
die Frage: Soll und muss ich da mitmachen? Wenn ja, wo bieten sich die größten<br />
Chancen für mein Unternehmen? Und vor allem: Wer kümmert sich mit welchem<br />
Aufwand um die Betreuung dieser Netzwerke?<br />
Mit unserer Titelgeschichte ab Seite 24 möchten wir Ihnen diese Fragen beantworten.<br />
Beispielhaft schil<strong>de</strong>rn Firmchefs, wie sie Social Media erfolgreich für die<br />
Kun<strong>de</strong>ngewinnung und Kun<strong>de</strong>nbindung nutzen. Experten geben Tipps für die<br />
Auswahl <strong>de</strong>s richtigen Netzwerks und <strong>de</strong>n professionellen Einstieg. Und damit<br />
für das neue Medium genug Raum bleibt, erhalten Sie zusätzlich einige Hilfen,<br />
um die E-Mail-Flut zu kanalisieren und Zeitdiebe auszusperren.<br />
ProFirma 10 2011<br />
Chefredakteur Dieter Römer<br />
Sperren Sie Zeitdiebe aus!<br />
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Inhalt 10.2011<br />
Titelthema:<br />
Die Informationsfl ut<br />
bändigen<br />
Facebook, Twitter, Blogs und<br />
massenweise E-Mails: So bekommen<br />
Unternehmer die digitalen Medien in<br />
<strong>de</strong>n Griff.<br />
28 Social Media Was Experten <strong>de</strong>m<br />
Mittelstand empfehlen.<br />
08<br />
Erfi n<strong>de</strong>r Karl Kolmsee will mit seinem<br />
Mikrokraftwerk Menschen in Schwellenlän<strong>de</strong>rn<br />
zu einer wirtschaftlichen Basis verhelfen.<br />
34<br />
Auf Wachstumskurs Unternehmen wie<br />
McDonald´s bauen ihr Geschäft weiter aus.<br />
24<br />
08 Wir Unternehmer<br />
08 Innovator <strong>de</strong>s Monats Das Mikrowasserkraftwerk von Karl Kolmsee.<br />
10 Re<strong>de</strong>zeit Johannes Schmeer, Management-Coach, glaubt,<br />
dass Unsicherheit ein wichtiger Antriebsfaktor für Innovationen ist.<br />
12 Unternehmerporträt Jürgen Herrmann und Thomas Breinig haben<br />
ein Mini-U-Boot für Touristen entwickelt. Noch hapert es bei <strong>de</strong>r<br />
Vermarktung.<br />
18 Mittelstand 2.0 MyParfum: Veilchen trifft Kirschblüte.<br />
20 Auszeit Die Geschichte von Zimmer 10 im Hotel Nord-Pinus in Arles.<br />
22 Wirtschaft & Politik Wolfram Müller über die Potenziale <strong>de</strong>r<br />
Energiewen<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n Mittelstand.<br />
24 Unternehmensführung<br />
24 Titelthema Social Media Die neuen sozialen Netzwerke lassen<br />
die Informationsfl ut anschwellen. Richtig eingesetzt, sind sie aber<br />
eine interessante Kommunikationsplattform, um das Geschäft<br />
anzukurbeln.<br />
33 Quer<strong>de</strong>nker Prof. Martin Beck über <strong>de</strong>n gedankenlosen Umgang<br />
mit <strong>de</strong>m Begriff „überqualifi ziert“.<br />
34 Vertrieb und Verkauf Franchising setzt auf die Expansion.<br />
40 Interview Der Unternehmer Dr. Christoph Beumer über <strong>de</strong>n Wert<br />
richtiger Partnerschaften.<br />
42 Recht Arbeitgeber unterschätzen oft die rechtlichen Probleme,<br />
wenn Mitarbeiter in Teilzeit wechseln.<br />
4 ProFirma 10 2011
46 Finanzen & Steuern<br />
46 GmbH-Chef Ziehen die Gesellschafter nicht an einem Strang,<br />
kann das Unternehmen in Existenznöte geraten.<br />
50 Trends Die Aktien vieler großer Firmen bieten eine <strong>de</strong>utlich<br />
bessere Verzinsung als Anleihen.<br />
52 For<strong>de</strong>rungsmanagement Wenn Kun<strong>de</strong>n nicht zahlen wollen,<br />
sollten Unternehmen nicht zu früh aufgeben.<br />
56 Versicherungen Die Prämien für Flotten steigen.<br />
Firmenchefs müssen sich aber nicht alles gefallen lassen.<br />
59 Soll & Haben Geldanlageexperte Gabriel Hopmeier über<br />
Kostenkontrolle versus Renditeträume.<br />
60 Steuertrends Geburtstagsfeier ist Privatsache.<br />
62 Steuertipp Neue Urteile und Anweisungen.<br />
64 Umsatzsteuer Das Reverse-Charge-Verfahren.<br />
65 Einkommensteuer Überraschen<strong>de</strong> Urteile <strong>de</strong>s BFH.<br />
66 IT & Investition<br />
Special Ma<strong>de</strong> in Germany<br />
66 Produktion Niedriglohnlän<strong>de</strong>r liefern manchmal schlechte Qualität.<br />
Viele Unternehmen kehren daher wie<strong>de</strong>r nach Deutschland zurück.<br />
74 Geschäftswagen Fahren<strong>de</strong> Prämien.<br />
78 Cole‘s Corner Karaoke fürs Kin<strong>de</strong>rzimmer.<br />
80 IT-Security Datendiebe wer<strong>de</strong>n immer dreister. Kleinere und mittlere<br />
Betriebe müssen wirkungsvollere Vorsorge treffen.<br />
84 Business English<br />
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ProFirma 10 2011<br />
Lektion 19 Was im Deutschen<br />
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Englischen nicht sein. In dieser<br />
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Englisch charmant zu formulieren.<br />
Das Portal für <strong>de</strong>n innovativen Unternehmer<br />
Rubriken<br />
03 Editorial<br />
06 ProFirma Professional<br />
88 Rückschau, Termine<br />
89 Vorschau, Impressum<br />
90 Schluss mit lustig (38)<br />
Diese vier ausgewählten Arbeitshilfen aus <strong>de</strong>m umfangreichen Angebot von<br />
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Der wichtigste Schritt zu einer effi zienten E-Mail-Nutzung ist die<br />
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wie wichtig eine Nachricht ist.<br />
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Anhand <strong>de</strong>r Checkliste können Sie für Ihr Unternehmen prüfen, ob Sie<br />
die Voraussetzungen zur Umsetzung <strong>de</strong>s Projekts E-Bilanz erfüllen.<br />
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Im Muster sind alle Angaben enthalten, die eine Rechnung enthalten<br />
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erscheinen. Welche Text- und Bildformate sind gefragt? Wie ist<br />
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müssen erreichbar sein? Diese Fragen beantwortet Ihnen unser<br />
ProFirma-Fachautor und Referent Jürgen Christ.<br />
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Erfi n<strong>de</strong>r Karl Kolmsee (oben) will mit seinem Mikro-Wasserkraftwerk<br />
(rechts) Menschen in Schwellenlän<strong>de</strong>rn in eine wirtschaftliche<br />
Position bringen, wie er sagt.<br />
Karl Kolmsee<br />
Die Kraft, die aus <strong>de</strong>m Wasser kommt<br />
Der Landwirtschaftsingenieur Karl Kolmsee hat ein Mikro-Wasserkraftwerk erfun<strong>de</strong>n und zur Serienreife<br />
entwickelt, das nur durch die Fließenergie eines Gewässers Strom erzeugt. VON MICHAEL BAHNERTH<br />
Vor einigen Jahren wollte <strong>de</strong>r gelernte Landwirtschaftsingenieur<br />
und Philosoph Karl Kolmsee in Südamerika eine Biogasanlage<br />
verkaufen. „Schön“, soll <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> gesagt haben, aber<br />
im Grun<strong>de</strong> habe er ein an<strong>de</strong>res Problem: Energie. Er bräuchte<br />
ein kleines, wirkliches handliches Wasserkraftwerk. Das war<br />
<strong>de</strong>r Anfang einer Firma, die heute „Smart Hydro Power“ heißt,<br />
die im April erfolgreich <strong>de</strong>n „Proof of concept“ ihres Mikro-<br />
Wasserkraftwerks bestan<strong>de</strong>n hat, das allein durch Bewegungsenergie<br />
funktioniert.<br />
„Noch gibt es mehr allgemeines Interesse als konkrete Interessenten“,<br />
sagt <strong>de</strong>r 45-Jährige aus Feldafi ng. Eine Pilotanlage<br />
entsteht gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Tiefen <strong>de</strong>s peruanischen Amazonasgebiets.<br />
Das 300 Kilogramm schwere Kraftwerk, <strong>de</strong>ssen<br />
Schwimmkörper mit darunter gehängter Turbine samt Diffusor<br />
und dreiblättrigem Rotor aussieht wie das Raumschiff<br />
Enterprise, soll allein durch die Fließgeschwindigkeit eines<br />
Flusses eine Gesundheitsstation, die Computer einer Schule<br />
und zwölf Häuser mit Strom versorgen. Ein Kabel aus <strong>de</strong>m<br />
Wasser führt zu einer Energie-Management-Station, <strong>de</strong>m<br />
Sammelbecken <strong>de</strong>r gewonnenen Energie, die dann entwe<strong>de</strong>r<br />
direkt genutzt o<strong>de</strong>r an ein Netz o<strong>de</strong>r an eine Batterie abgegeben<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Fünf Kilowattstun<strong>de</strong>n Leistung.<br />
Diesen Monat bringt Kolmsee die erste industrielle Serie auf<br />
<strong>de</strong>n Markt, 30 Stück, zu einem Basispreis von 12.000 Euro,<br />
ohne Batterie. Alles 100 Prozent erneuerbare Energie und<br />
„fi sch- und naturfreundlich“, weil keine Staustufen gebraucht<br />
wer<strong>de</strong>n. Wer dann an einem fl ießen<strong>de</strong>n Gewässer wohnt,<br />
kann sich selbst mit Strom versorgen. Basierend auf einer Kalkulation<br />
von 0,2 Eurocent pro Kilowattstun<strong>de</strong> dauert es fünf<br />
Jahre, bis die Anschaffung sich amortisiert hat, aber dafür gibt<br />
es das Gefühl <strong>de</strong>r Unabhängigkeit von Stromanbietern.<br />
Das anfangs selbst und später auch durch För<strong>de</strong>rmittel fi -<br />
nanzierte Mikrokraftwerk soll vor allem auch in Schwellenlän<strong>de</strong>rn<br />
zum Einsatz kommen. „Es bringt Menschen dort in<br />
eine wirtschaftliche Position“, sagt Kolmsee. „Fünf Kilowatt<br />
genügen, um etwa eine Werkstatt zu betreiben, ein Kühlhaus<br />
o<strong>de</strong>r ein Internet-Café.“ Natürlich seien 12.000 Euro zu viel für<br />
die Endverbraucher <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r im Schatten <strong>de</strong>r Industrienationen.<br />
Aber Kolmsee hat schon einen Plan. Er stellt sich vor,<br />
dass jeweils ein Unternehmen als fi nanzieren<strong>de</strong>r Pate für eine<br />
Geschäftsi<strong>de</strong>e stehen könnte. Etwa Google für ein Internet-<br />
Cafe. Da wür<strong>de</strong>n dann zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.<br />
Sieht so aus, als ob Kolmsee dieses kleine Kunststück gelingen<br />
könnte. www.smart-hydro.<strong>de</strong><br />
8 ProFirma 10 2011<br />
Foto: Smart Hydro Power
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Wir Unternehmer – Re<strong>de</strong>zeit<br />
Johannes Schmeer<br />
Unsicherheit – je mehr <strong>de</strong>sto besser!<br />
Das Lamento über wachsen<strong>de</strong> Unsicherheit ist weitverbreitet. Dabei treibt <strong>de</strong>r immerwähren<strong>de</strong><br />
Zwang zum Um- und Neu<strong>de</strong>nken die Wirtschaft an und för<strong>de</strong>rt Innovationen.<br />
Was für ein Jahrzehnt: Wirtschaftskrise,<br />
dann Wirtschaftsboom, Arbeitslosenrekor<strong>de</strong>,<br />
nun die Re<strong>de</strong> von<br />
Vollbeschäftigung, Immobilienkrise,<br />
Atomausstieg, Börsenturbulenzen; auf<br />
nichts ist mehr Verlass. Unsicherheit<br />
und Ratlosigkeit wohin das Auge blickt!<br />
Kun<strong>de</strong>n wollen immer mehr Leistung<br />
für immer weniger Geld, Stammkun<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n zu Schnäppchenjägern<br />
und gehen immer öfter fremd. Die Unsicherheit<br />
wird für Unternehmen langsam,<br />
aber sicher zur einzigen Konstante,<br />
und das Gejammer ist groß auf<br />
<strong>de</strong>r Suche nach Schuldigen. Wohin soll<br />
das bitte noch führen?<br />
Die Antwort ist einfach: Immer weiter<br />
– wie eh und je. Ein Blick zurück relativiert<br />
das fatalistische Genörgel heutiger<br />
Tage schlagartig. Mesopotamien – wir<br />
schreiben das vierte Jahrtausend vor<br />
Christus. In einem Dorf wur<strong>de</strong> eben das<br />
Rad erfun<strong>de</strong>n und das ganze Land ist in<br />
Aufruhr. Alles än<strong>de</strong>rte sich fortan. Reisen<br />
in die Ferne, Han<strong>de</strong>l mit Nachbarstaaten<br />
o<strong>de</strong>r das Bearbeiten <strong>de</strong>r Äcker<br />
– plötzlich war alles möglich. Neben<br />
all <strong>de</strong>r Euphorie machte sich aber auch<br />
Unsicherheit breit. Was be<strong>de</strong>utete diese<br />
Erfi ndung für Mesopotamiens Händler?<br />
Drohte plötzlich massive Konkurrenz<br />
aufgrund höherer Mobilität? Unsicherheit<br />
mischte sich unter die Euphorie.<br />
Wie es wohl China ging, als das Papier<br />
und <strong>de</strong>r Buchdruck erfun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n?<br />
Ein evolutionärer Schritt hin zum Informationszeitalter<br />
war getan, und<br />
Wissen konnte fortan schnell verbreitet<br />
und langfristig archiviert wer<strong>de</strong>n. Die<br />
Schreiber und Steinmetze waren jedoch<br />
plötzlich weit weniger gefragt. Sie<br />
mussten sich anpassen und blickten einer<br />
unsicheren Zukunft entgegen; alles<br />
wegen dieser Erfi ndungen.<br />
So sehr wir auch kollektiv jammern,<br />
nörgeln und mit Prozessoptimierungen,<br />
Standardisierungen und Flexibilisierung<br />
gegen die Unsicherheit vorgehen – am<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Tages wird <strong>de</strong>utlich: Unsicher-<br />
Topmanagement-Coach Johannes<br />
Schmeer berät und begleitet seit Jahren<br />
Führungskräfte, ihre Führungskraft voll<br />
auszuschöpfen und sich mit <strong>de</strong>r Unsicherheit<br />
zu verbün<strong>de</strong>n. Weitere Informationen<br />
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heit war schon immer da, ist sie heute<br />
noch und wird sie auch immer bleiben.<br />
Und das ist gut so, <strong>de</strong>nn Unsicherheit<br />
ist toll! Sie befl ügelt uns zu Höchstleistungen<br />
und ist Motor für alle er<strong>de</strong>nklichen<br />
Innovationen. Gäbe es keine<br />
Unsicherheit durch die Rohstoffverknappung,<br />
wäre die Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>s<br />
photovoltaischen Effekts von Willoughby<br />
Smith im Jahr 1873 womöglich<br />
in Vergessenheit geraten. So hätten wir<br />
heute keine Solarzellen, die uns Strom<br />
liefern und eine Alternative zu Kohlekraftwerken<br />
schaffen. Ebenso Michael<br />
Faradays Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r Bewegungsenergie<br />
durch Elektromagnetismus im<br />
Jahr 1821. Sie hätte womöglich nicht<br />
zu mo<strong>de</strong>rnen Hybrid- und Elektroautos<br />
geführt, wenn die sinken<strong>de</strong>n Erdölreserven<br />
keine kontinuierliche Unsicherheit<br />
gebracht hätten. Die Rechnung ist<br />
einfach: Unsicherheit führt zu Verän<strong>de</strong>rung<br />
und die be<strong>de</strong>utet Wirtschaftswachstum.<br />
Mein Fazit: Eine Welt ohne Unsicherheit<br />
wäre mit Sicherheit eine an<strong>de</strong>re, aber<br />
nicht zwangsläufi g eine bessere. Menschen<br />
brauchen Unsicherheit, <strong>de</strong>nn sie<br />
spornt an, besser zu wer<strong>de</strong>n. Sie sorgt<br />
für <strong>de</strong>n Ehrgeiz, die Probleme <strong>de</strong>r Zukunft<br />
zu lösen o<strong>de</strong>r die Lebensqualität<br />
zu verbessern. Menschen brauchen Unsicherheit,<br />
darum kann es nicht das Ziel<br />
sein, sie zu eliminieren.<br />
Spitzenunternehmer machen es vor: Sie<br />
nutzen nicht nur die Kraft <strong>de</strong>r Unsicherheit,<br />
sie suchen sie, um daran zu wachsen.<br />
Das klingt paradox? Keineswegs:<br />
Sportler nennen es <strong>de</strong>n Kick, Manager<br />
sehen es als Herausfor<strong>de</strong>rung, und für<br />
Optimisten ist sie das beste Mittel gegen<br />
unternehmerische Langeweile. Was<br />
aber, wenn es alle so sehen wür<strong>de</strong>n?<br />
Sinken<strong>de</strong> Arbeitslosenzahlen, besserer<br />
Umweltschutz und medizinischer Fortschritt<br />
für alle – wäre das etwa schrecklich?<br />
10 ProFirma 10 2011<br />
Foto: privat
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Wir Unternehmer – Porträt<br />
Jürgen Herrmann/Thomas Breinig<br />
Einfach mal abtauchen<br />
Ein Fernsehbeitrag brachte sie auf die I<strong>de</strong>e: Jürgen Herrmann und Thomas Breinig<br />
haben ein Mini-U-Boot konstruiert, gebaut und die Firma Nemo Tauchtouristik gegrün-<br />
<strong>de</strong>t. Die Vermarktung hatten sie sich allerdings einfacher vorgestellt. VON ARIANE BEMMER<br />
<strong>Als</strong> am Rand eines gefl uteten Tagebaulochs an einem trüben<br />
Donnerstag gegen Mittag Brunhil<strong>de</strong> Brethauer spontan<br />
beschließt, ihrem Mann eine Freu<strong>de</strong> zu machen, ist es dort<br />
einen kurzen Moment lang so wie auf <strong>de</strong>n Malediven. Die<br />
Brethauers, unterwegs zu Erholungszwecken mit einem Caravan<br />
quer durch Deutschland, hatten davor diese interessante<br />
Nachricht im Autoradio gehört. „Abtauchen im Helenesee!“<br />
hatte die gelautet: Mit einem Mini-U-Boot hinein in die Abgrün<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s zweittiefsten Sees von ganz Bran<strong>de</strong>nburg. Und<br />
nun stehen sie auf einem kiefernbewachsenen Campingplatz<br />
südlich von Frankfurt (O<strong>de</strong>r), hinter ihnen ruht <strong>de</strong>r See und<br />
vor sich sehen sie ein knapp vier Meter langes, zwei Tonnen<br />
schweres, knallorangefarbenes Gefährt aus Kesselstahl mit<br />
zwei kleinen Schiffsschrauben hintendran und zwei Kuppeln<br />
aus Acrylglas obendrauf. Auf <strong>de</strong>ssen Längsseite steht „Nemo<br />
100“. Es liegt auf einem Hänger. Ein wenig skeptisch schauen<br />
die Brethauers, die Arme vor <strong>de</strong>r Brust verschränkt, die Augen<br />
zusammengekniffen. Da kommt ein Mann über <strong>de</strong>n zertrampelten<br />
Rasen zum U-Boot geeilt. Er trägt ein Poloshirt in eben<br />
<strong>de</strong>ssen greller Farbe und eine Druckluftfl asche. „Kann man da<br />
heute mitfahren?“, fragt Brunhil<strong>de</strong> Brethauer <strong>de</strong>n Mann. Der<br />
setzt brummelnd die schwere Flasche neben <strong>de</strong>m Hänger ab,<br />
schiebt seine Brille gera<strong>de</strong> und überschlägt die Termine <strong>de</strong>s<br />
Tages. „Ich will das meinem Mann schenken“, sagt Brunhil<strong>de</strong><br />
Brethauer. Wir haben heute Hochzeitstag! Ab 119 Euro<br />
kostet das Vergnügen, sie einigen sich auf 16 Uhr, und plötzlich<br />
wirkt Helmut Brethauer aufgeregt. Die Arme noch etwas<br />
verschränkter beobachtet er, wie <strong>de</strong>r Mann die Flasche am U-<br />
Boot verschraubt, sodass die Luft hinüberzischt in die Drucklufttanks<br />
<strong>de</strong>s Boots. Luft, die später benötigt wird, um das<br />
Wasser aus <strong>de</strong>n Tauchzellen zu drücken und das Auftauchen<br />
ermöglichen. „Anblasen“ nennt man das. „Muss ich etwas beachten?“,<br />
fragt Helmut Brethauer. „Nein, das ist ja das Beson<strong>de</strong>re!“<br />
„Aber schwimmen muss ich doch können?“ „Nur, wenn<br />
Sie beim Einsteigen ins Wasser fallen.“ „Aha!“ Dann gehen die<br />
Brethauers davon, ein abenteuerlustiges Ehepaar jenseits <strong>de</strong>r<br />
70, um sich die Zeit bis zum Tauchgang zu vertreiben. Und<br />
Jürgen Herrmann, 57, einer <strong>de</strong>r Erfi n<strong>de</strong>r und Besitzer von<br />
„Nemo 100“, freut sich. So müsste es öfter laufen!<br />
„Immer neue I<strong>de</strong>en, immer neue Anfragen. Es gibt<br />
Interessenten aus Dubai, China, Südostasien und <strong>de</strong>n USA.“<br />
JÜRGEN HERRMANN, NEMO TAUCHTOURISTIK, FRANKFURT (ODER)<br />
Denn genauso hatten sie es sich ausgemalt, Herrmann und<br />
sein Kompagnon Thomas Breinig, als sie vor fünf Jahren mit<br />
<strong>de</strong>r Nemo-I<strong>de</strong>e anfi ngen und unter fi nanziellen wie persönlichen<br />
Strapazen die kleinen U-Boote selbst entwickelten und<br />
drei davon auch selbst bauten. Dass die Leute ihnen zulaufen<br />
und nach Mitfahrgelegenheiten fragen wür<strong>de</strong>n. So wie es die<br />
Brethauers an diesem Donnerstag taten. So wie es auf <strong>de</strong>n Malediven<br />
regelmäßig ist. Dort, in jenem Ferieninselparadies im<br />
Indischen Ozean, liegt auch eines ihrer Nemo-100-U-Boote.<br />
Es wur<strong>de</strong> von einem <strong>de</strong>utschen Unternehmer gekauft, <strong>de</strong>r es<br />
dort von <strong>de</strong>r Tauchfi rma Subaqua aus München betreiben<br />
lässt. Am Strand eines Luxushotels, wo sich täglich Urlauber<br />
von <strong>de</strong>r Aussicht auf eine beson<strong>de</strong>re Aussicht begeistern<br />
lassen, und von <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e, mal eben zwischendurch, ohne vorherigen<br />
Tauchkurs mit Prüfung, ohne engen Taucheranzug<br />
12 ProFirma 10 2011
und schwere Gerätschaften, hinabzugleiten ins türkisblaue<br />
Wasser <strong>de</strong>s Indischen Ozeans und sich umzuschauen in <strong>de</strong>r<br />
Welt <strong>de</strong>r bunten Fische. „Mit uns kann je<strong>de</strong>r für eine Zeit lang<br />
Kapitän Nemo sein“, haben Herrmann und Breinig als Motto<br />
für ihre Firma gewählt und sich ausgemalt, wie die wassernahen<br />
Hotelanlagen dieser Welt die kleinen Nemos kaufen und<br />
Mitarbeiter in Betriebs- und Wartungstechnik unterweisen<br />
lassen wür<strong>de</strong>n. „Wir haben vom schnellen Erfolg geträumt“,<br />
sagt Jürgen Herrmann und lacht, ein bisschen auch über<br />
sich und sie selbst. Sie waren ein gelernter Kameramann, <strong>de</strong>r<br />
schlaksig-lehrerhafte Herrmann, <strong>de</strong>r fürs Schriftliche zuständig<br />
ist, und ein gelernter Konstruktionsmechaniker, Thomas<br />
Breinig, ein graumelierter Outdoor-Typ. Auf <strong>de</strong>ssen Einfallsreichtum<br />
gehen alle Nemo-spezifi schen Entwicklungen zurück.<br />
Die Acrylglaskuppeln für <strong>de</strong>n Rundumblick ins Wasser.<br />
Die Belüftung <strong>de</strong>r Kabine. Das Atemluftreinigungssystem.<br />
Der Zwei-Propeller-Antrieb mit Kreuzru<strong>de</strong>rsteuerung. <strong>Als</strong> sie<br />
ProFirma 10 2011<br />
ihren Freun<strong>de</strong>n und Bekannten damals von ihrem Vorhaben<br />
erzählten, sagten die: Ihr spinnt. Aber dann gaben viele doch<br />
Geld dazu. Die Zahl, mit <strong>de</strong>r Herrmann und Breinig we<strong>de</strong>lten,<br />
hieß: null Komma eins. Nur 0,1 Prozent aller Menschen seien<br />
jemals mit einem U-Boot gefahren. Und gleichzeitig gebe es<br />
da doch diesen Kindheitstraum vom Kapitän-Nemo-Dasein<br />
unter Wasser.<br />
Die ersten Gäste warten schon<br />
Am Helenesee sind die Lufttanks inzwischen aufgefüllt,<br />
wird Nemo zu Wasser gelassen. Langsam schieben Herrmann<br />
und Breinig <strong>de</strong>n Hänger in <strong>de</strong>n Helenesee, bis das U-<br />
Boot schwimmt, und ziehen es dann zur „Nemo Substation“,<br />
einem Schwimmponton mit Hütte drauf, wo die ersten Gäste<br />
dieses Tages schon warten. Ein Neunjähriger mit seinem Vater.<br />
Eine Familie mit einem Kleinkind. Und ein Kollegen-<br />
Thomas Breinig (l.) und Jürgen Herrmann<br />
an Bord ihres Tauchboots Nemo 100.<br />
13
Wir Unternehmer – Porträt<br />
Trio. Der Vater <strong>de</strong>s Kleinkinds wird als Erster abtauchen. Er<br />
unterschreibt eine Haftungsausschlusserklärung und zieht<br />
sich eine aufblasbare Schwimmweste über. Er steigt über eine<br />
Leiter hinab in <strong>de</strong>n Bauch <strong>de</strong>s Nemo-U-Boots, wobei er von<br />
<strong>de</strong>r Familie unablässig geknipst und gefi lmt wird. Thomas<br />
Breinig schließt die Acrylglasglocke über <strong>de</strong>m Gast und auch<br />
sich selbst. „Papa!“, ruft das Kleinkind. Langsam sinkt Nemo<br />
ins klare Wasser, die bei<strong>de</strong>n Männer, die mit ihm untergehen,<br />
grinsen und winken. Breinig lässt per Knopfdruck Luft aus <strong>de</strong>n<br />
Tauchzellen, das U-Boot spuckt<br />
Wasserfontänen in <strong>de</strong>n Himmel<br />
und verschwin<strong>de</strong>t. „Papa weg!“,<br />
ruft das Kleinkind. Herrmann<br />
wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Erwachsenen in <strong>de</strong>r<br />
Substation jetzt gerne Kaffee anbieten,<br />
aber dafür hätte er extra<br />
eine Schankgenehmigung erwerben<br />
müssen. Deutschland ist ihm<br />
auch unheimlich gewor<strong>de</strong>n, seit<br />
er Unternehmer ist. Dieses ganze<br />
Genehmigungswesen! Bis heute<br />
taucht sein U-Boot mit Son<strong>de</strong>rgenehmigungen.<br />
Ob in Bran<strong>de</strong>nburg<br />
o<strong>de</strong>r Sachsen o<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r<br />
Ostsee. Im Jahr 2007 grün<strong>de</strong>ten<br />
Herrmann und Breinig ihre<br />
„Nemo Tauchtouristik GmbH &<br />
Co. KG“ und liehen sich das Geld<br />
für ihr erstes Boot bei Verwandten<br />
und Freun<strong>de</strong>n, sie lösten<br />
ihre Lebensversicherungen auf<br />
– und nach vielen Absagen fan<strong>de</strong>n<br />
sie in <strong>de</strong>r lokalen Sparkasse<br />
O<strong>de</strong>r-Spree und <strong>de</strong>r Bürgschaftsbank<br />
Bran<strong>de</strong>nburg Partner für ein Finanzierungskonzept. Sie<br />
machten aus einer Garage eine Werft, und am 5. September<br />
2008 war – auch im Helenesee – Jungfernfahrt. Zwei Monate<br />
darauf präsentierten sie ihr Nemo-Boot auf <strong>de</strong>r Berliner Messe<br />
„Boot und Fun“, und dann hätte es losgehen können, das Geschäft.<br />
Doch war am 15. September 2008 die Lehman Bank in<br />
<strong>de</strong>n USA pleitegegangen, es folgten eine Bankenkrise und eine<br />
Wirtschaftskrise, eine Griechenland- und dann die Eurokrise.<br />
Die erste Verkaufsbestellung<br />
Für Touristen gibt es einen halbstündigen Tauchgang im<br />
Helenesee, <strong>de</strong>m zweittiefsten See in Bran<strong>de</strong>nburg.<br />
Drei Nemo-Boote gibt es also heute, statt sieben bis 20, wie sie<br />
es im Jahr 2008 prognostiziert hatten. Das im Helenesee, das<br />
auf <strong>de</strong>n Malediven, und dann noch eins, das wur<strong>de</strong> für mehrere<br />
Wochen an einen Unternehmer ausgeliehen, <strong>de</strong>r Ostseeurlaubern<br />
Tauchgänge anbietet. Zwei <strong>de</strong>r drei U-Boote gehören<br />
also weiter <strong>de</strong>n Frankfurtern. Sie sollen jetzt in eigener Regie<br />
für Touristikfahrten vermarktet wer<strong>de</strong>n. Über die möglichen<br />
Abnehmer sagt Herrmann: „Die <strong>de</strong>nken sich offenbar: Wieso<br />
<strong>de</strong>nn kaufen? Lass die doch machen.“ Aber eigentlich sollen<br />
die Nemos gekauft wer<strong>de</strong>n. Für rund 320.000 Euro etwa gibt<br />
es das Son<strong>de</strong>rmo<strong>de</strong>ll Explorer, das von Yachten aus gewässert<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Ein Druckbehälter aus Kesselstahl steht im Moment<br />
grau und schwer in <strong>de</strong>r Garagenwerft. Kernstück eines<br />
Explorers, <strong>de</strong>r im Mai fertig sein soll. Ein Yachtbesitzer hat<br />
das Boot in Auftrag gegeben. Ihre erste Verkaufsbestellung.<br />
Ob das an <strong>de</strong>n Weltkrisen liegt, o<strong>de</strong>r ob sie sich da von Anfang<br />
an vertan haben? Die Antwort darauf suchen sie nicht.<br />
Sie macht auch keinen Unterschied mehr. Thomas Breinig,<br />
<strong>de</strong>r an diesem Donnerstag unermüdlich und ungebrochen<br />
enthusiastisch am En<strong>de</strong> sechs Mal<br />
mit <strong>de</strong>m Nemoboot durch <strong>de</strong>n<br />
Helenesee fährt, sagt, er hätte mit<br />
<strong>de</strong>r Nemo-I<strong>de</strong>e im Kopf sein altes<br />
Leben auch nicht mehr weiterleben<br />
können. Er sagt: „Das musste<br />
raus.“ Und es kam raus. Und nun<br />
muss er eben immer mal wie<strong>de</strong>r<br />
auf die Malediven fl iegen und<br />
dort im Rahmen <strong>de</strong>s Wartungsvertrags<br />
technische Probleme lösen.<br />
Was er gar nicht so gerne tut,<br />
wie man <strong>de</strong>nken könnte, <strong>de</strong>nn auf<br />
<strong>de</strong>n Malediven ist es immer heiß<br />
und meistens feucht, da liegt man<br />
vielleicht gerne am Pool, aber arbeiten<br />
mag man da nicht.<br />
In <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s ostbran<strong>de</strong>nburgischen<br />
Pontons blubbern große<br />
Luftblasen an die stille Oberfl äche<br />
<strong>de</strong>s Helenesees. Im Häuschen<br />
knarzt die Gegensprechanlage.<br />
Die halbe Stun<strong>de</strong> Tauchzeit nähert<br />
sich <strong>de</strong>m En<strong>de</strong>. Alle Nemo-<br />
Kun<strong>de</strong>n laufen zum Gelän<strong>de</strong>r<br />
und starren auf <strong>de</strong>n See. Da! Da! Ein bunter Schatten taucht<br />
auf, es blubbert und zischt. „Papa da!“ Und Papa grinst. Die<br />
Kuppeln öffnen sich, das Boot wird vertäut. Der Fahrgast<br />
steigt aus. „Toll!“, sagt er. Barsche haben sie gesehen. Und ein<br />
versunkenes Tretboot. Und einen unterseeischen Sonnenschirm.<br />
Und es war grün da unten und friedlich. Jürgen Herrmann<br />
hat eine feierliche Urkun<strong>de</strong> ausgestellt, in die er Gastnamen<br />
und Tauchtiefe – zwölf Meter – einträgt, die wird noch<br />
überreicht, dann zieht die Kleinfamilie von dannen, <strong>de</strong>r Neunjährige<br />
taucht ab, und die Brethauers tauchen viel zu früh am<br />
Nemo-Steg auf. Sie wollen sich schon mal umgucken. Helmut<br />
Brethauer ist noch nie U-Boot gefahren und auch noch nie getaucht.<br />
Keiner von <strong>de</strong>nen hier am Steg. Einer ist mal mit <strong>de</strong>m<br />
Ballon gefahren.<br />
Vom Fernsehbeitrag zum U-Boot<br />
Herrmann und Breinig haben früher zusammen Fernsehbeiträge<br />
produziert. Dabei trafen sie eines Tages auf einen<br />
Mann, <strong>de</strong>r ein kleines, selbst gebautes U-Boot besaß. Sie fi ngen<br />
an, sich vorzustellen, was sich aus so einem U-Boot<br />
14 ProFirma 10 2011
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Wir Unternehmer – Porträt<br />
machen ließe. Eine Touristenattraktion könnte das sein. Ein<br />
ganz neuer Markt So neu und groß wie einstmals <strong>de</strong>r Markt<br />
für die Ultraleichtfl ieger. So dachten sie und überlegten weiter,<br />
ob das nicht eine Zukunftsperspektive für sie bei<strong>de</strong> sei.<br />
Ewig könnten sie als freischaffen<strong>de</strong> Fernsehbeitragshersteller<br />
auch nicht weitermachen, und fürs Alter vorgesorgt hätten sie<br />
auch nicht. Und so entsprang die einigermaßen verrückte und<br />
abenteuerlustige Nemo-I<strong>de</strong>e tatsächlich ursprünglich <strong>de</strong>m<br />
Wunsch nach einem abgesicherten Seniorendasein. Wenn<br />
er daran <strong>de</strong>nkt, lacht Herrmann<br />
wie<strong>de</strong>r. Und wenn man ihn fragt,<br />
wie er sein Leben <strong>de</strong>nn heute fi n<strong>de</strong>,<br />
ruft er: „Schrecklich!“ Weil<br />
dieses Nemo-Projekt ja nie aufhöre!<br />
So ein Fernsehbeitrag, <strong>de</strong>r<br />
sei irgendwann fertig gewesen,<br />
aber jetzt?! Immer weiter gehe<br />
das, immer neue I<strong>de</strong>en, immer<br />
neue Anfragen aus Dubai, China,<br />
Südostasien, USA, immer neue<br />
Hoffnungen, Enttäuschungen,<br />
Probleme auch. Und diese großen<br />
Beträge, mit <strong>de</strong>nen sie es zu<br />
tun haben. Mit <strong>de</strong>nen umzugehen,<br />
das mussten sie auch erst<br />
mal lernen. Der See blubbert,<br />
<strong>de</strong>r Sprechfunk quäkt, <strong>de</strong>r Vater<br />
richtet <strong>de</strong>n Fotoapparat auf <strong>de</strong>n<br />
See, aus <strong>de</strong>m nun <strong>de</strong>r Neunjährige<br />
auftaucht. „Cool!“, ruft <strong>de</strong>r,<br />
als die Kuppel sich öffnet, und<br />
<strong>de</strong>r Vater blickt gerührt auf <strong>de</strong>n<br />
unerschrockenen Sohn. Danach<br />
steigen die drei Kollegen nacheinan<strong>de</strong>r<br />
ins Boot, einer lässt die ganze Tour über seine Vi<strong>de</strong>okamera<br />
laufen. Helmut Brethauer, <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Raum Kassel<br />
kommt, erzählt vom E<strong>de</strong>rsee, einem Staubecken, mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />
Pegel <strong>de</strong>r Oberweser reguliert wird. In <strong>de</strong>ssen Tiefen die einst<br />
gefl uteten Dörfer Asel, Berich und Bringhausen noch stehen,<br />
inklusive Brücken und Friedhöfen. Da mal mit Nemo durchtauchen!<br />
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten<br />
Ja, das sind alles I<strong>de</strong>en. Herrmann und Breinig haben auch<br />
viele davon. Nemo als Forschungs-U-Boot. O<strong>de</strong>r für Kontrollfahrten<br />
etwa in die Unterwasserbaustellen <strong>de</strong>r großen Off-<br />
Shore-Windparks. Damit Bauherren o<strong>de</strong>r Investorenvertreter<br />
mal eins zu eins sehen, was in <strong>de</strong>n Nord- o<strong>de</strong>r Ostseetiefen<br />
wirklich gebaut wird. Es gebe so viele Einsatzmöglichkeiten!<br />
Und dann leuchten Herrmanns Augen. Weil er recht hat, weil<br />
<strong>de</strong>r Markt da ist und sie auf <strong>de</strong>r richtigen Fährte sind. Vergessen<br />
ist dann die Zeit, als die Insolvenz schon unabwendbar<br />
schien, als Anwälte ihnen Ausstiegsmöglichkeiten präsentierten,<br />
bei <strong>de</strong>nen ihre Geldgeber auf <strong>de</strong>n For<strong>de</strong>rungen sitzen<br />
geblieben wären. Aber das sind doch Freun<strong>de</strong> und Verwandte.<br />
Nein, haben sie gesagt und nach einem Kapitalgeber gesucht.<br />
Nun ist Helmut Brethauer endlich dran. Bevor er in das U-Boot<br />
einsteigt, sagt er noch, dass er früher lange Jahre beim TÜV gearbeitet<br />
habe. Ich hätte <strong>de</strong>m Gerät ja keinen Stempel gegeben,<br />
witzelt er. Und guckt dann kurz irritiert, als Jürgen Herrmann<br />
sagt, <strong>de</strong>r TÜV habe Nemo auch nicht abgenommen. Nein,<br />
aber ein an<strong>de</strong>rer technischer Prüfdienst. Da ist Helmut Brethauer<br />
beruhigt und nimmt mit kritischem Inspektorenblick<br />
Platz. Seine Frau winkt ihm heftig<br />
zu, er lacht und winkt zurück,<br />
und dann nähert sich ein Tretboot<br />
<strong>de</strong>m Steg, besetzt mit zwei<br />
Jungen, und Geschrei bricht aus,<br />
als Nemo ablegt. „Das sieht aus<br />
wie ein Riesenfi sch!“ „Das ist ein<br />
Riesenfi sch!“ „Krass!“ Der krasse<br />
Riesenfi sch nimmt Kurs auf das<br />
Tretboot, die Jungen kreischen<br />
noch mehr, wasserspritzend versinkt<br />
das Boot und gleitet unter<br />
<strong>de</strong>m Tretboot hindurch. Die Jungen<br />
schauen ihm nach, so lange<br />
es geht. Jürgen Herrmann sitzt in<br />
seiner Substation-Holzhütte und<br />
bereitet die Urkun<strong>de</strong> für Helmut<br />
Brethauer vor.<br />
Zu <strong>de</strong>n Gesellschaftern gehört<br />
seit Dezember 2010 ein dritter<br />
Mann, Enrico dos Santos, noch<br />
ein Selfma<strong>de</strong>-Unternehmer, <strong>de</strong>r<br />
Auf <strong>de</strong>n Malediven beschert ein Schwesterschiff Urlaubern sich eigentlich ein Nemo-Boot<br />
ungeahnte Ausblicke in die Unterwasserwelt.<br />
kaufen wollte, dabei die Sorgen<br />
<strong>de</strong>r Macher mitbekam und als<br />
Partner einstieg. Seit<strong>de</strong>m läuft es fi nanziell wie<strong>de</strong>r besser.<br />
Mil<strong>de</strong> Abendluft umfängt Herrmann, als er mit <strong>de</strong>r Urkun<strong>de</strong><br />
auf <strong>de</strong>n Steg tritt. Ein letztes Mal kündigen bald darauf dicke<br />
Wasserblasen das Auftauchen von Nemo an. Ein letztes Mal<br />
gucken die vom Steg in <strong>de</strong>n See hinein und die unten im See<br />
durch ihre Acrylkuppel nach oben, wo sie leicht verzerrt die<br />
Überseeischen erkennen können. Dann grinst auch Brethauer<br />
das typische Auftaucher-Grinsen. Einen wirklich soli<strong>de</strong>n Eindruck<br />
habe das Boot gemacht, sagt er TÜV-inspektorenhaft<br />
und zwinkert vergnügt. Die Brethauers verabschie<strong>de</strong>n sich<br />
und ziehen los, Richtung Caravan. „Danke, mein Schatz“, sagt<br />
Helmut Brethauer zu seiner Frau und drückt fest ihre Hand.<br />
Jürgen Herrmann sagt, dass er an solchen Tagen wie<strong>de</strong>r wisse,<br />
wofür er das alles mache und auch, dass <strong>de</strong>r Ärger sich lohne.<br />
Er sagt: Dass man Menschen glücklich machen kann, das sei<br />
doch das Schönste. Dann vertäuen die zwei ungewöhnlichen<br />
Jungunternehmer ihr Nemo-U-Boot zum letzten Mal für diesen<br />
Tag am Steg. Sie holen die kleine Fahne vom Mast, die sie<br />
bei ihrer Ankunft gehisst hatten, die allen Tauchern sagen soll:<br />
Achtung, U-Boot im Einsatz, räumen die Substation-Hütte auf<br />
und schließen sie ab.<br />
16 ProFirma 10 2011<br />
Fotos: Nemo Tauchtouristik
Wir Unternehmer – Mittelstand 2.0<br />
MyParfuem<br />
Zartes Veilchen trifft Kirschblüte<br />
Eine Geburtstagsfeier gab <strong>de</strong>n Ausschlag: Drei junge Berliner bieten im<br />
Internet die Möglichkeit, sich sein eigenes Parfüm zusammenzustellen.<br />
VON JÜRGEN CHRIST<br />
Welche Frau träumt nicht davon, sich einen<br />
eigenen Duft zu kreieren, <strong>de</strong>n sonst<br />
keine trägt? Auf <strong>de</strong>r Internet-Seite <strong>de</strong>r<br />
MyParfuem GmbH schlüpft <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong><br />
in die Rolle <strong>de</strong>s Parfümeurs, kann sich<br />
aus 28 Billionen Variationen sein individuelles<br />
Parfüm in nur drei Schritten herstellen.<br />
So ist garantiert, dass es keine<br />
Duftdoppelgänger gibt und <strong>de</strong>r eigene<br />
Duft eine einzigartige Note hat.<br />
Und das bereits ab 35 Euro.<br />
Auf einer Geburtstagsfeier kam<br />
drei jungen Stu<strong>de</strong>nten die I<strong>de</strong>e:<br />
Eine Freundin beklagte sich, dass<br />
eine an<strong>de</strong>re Frau das gleiche Parfüm<br />
trug. Daraus entwickelten<br />
Matti Niebelschütz, sein Bru<strong>de</strong>r<br />
Yanis und Patrick Wilhelm ein unternehmerisches<br />
Konzept, liehen<br />
sich in <strong>de</strong>r Familie und bei Freun<strong>de</strong>n<br />
25.000 Euro, grün<strong>de</strong>ten dann<br />
im Juli 2008 die GmbH. Im August<br />
ging das Internet-Portal ans Netz,<br />
gearbeitet wur<strong>de</strong> im Kin<strong>de</strong>rzimmer in<br />
<strong>de</strong>r elterlichen Wohnung in Tempelhof.<br />
Mit <strong>de</strong>m Wachstum entstand eine Produktionsstätte<br />
auf einer Fabriketage in<br />
Berlin-Schöneberg, zwölf Mitarbeiter<br />
sind heute für MyParfuem tätig.<br />
Zunächst bot das Portal insgesamt<br />
zwölf Grundvariationen an. „Damit<br />
waren die Kun<strong>de</strong>n überfor<strong>de</strong>rt“, stellte<br />
<strong>de</strong>r heute 26-jährige Matti Niebelschütz<br />
fest, <strong>de</strong>r heute alleiniger Geschäftsführer<br />
ist. Die weiblichen und männlichen<br />
Duftvarianten schrumpften auf heute<br />
sechs. „Unsere große Herausfor<strong>de</strong>rung<br />
ist, dass <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r im Bereich Kosmetikherstellung<br />
Laie ist, ein individuelles<br />
und hochwertiges Produkt erhält“,<br />
meint Niebelschütz dazu. Das System<br />
wur<strong>de</strong> in Zusammenarbeit mit einer<br />
französischen Parfümeurin entwickelt.<br />
Die mit einem Anteil von mehr als 80<br />
Prozent überwiegend weiblichen Kun<strong>de</strong>n<br />
wählen dazu aus Variationen wie<br />
sportlich, romantisch, verführerisch,<br />
extravagant, elegant o<strong>de</strong>r glamourös.<br />
Im Anschluss wird ihr Dufttyp noch<br />
Die Grün<strong>de</strong>r von MyParfuem (v.l.): Geschäftsführer Matti<br />
Niebelschütz, sein Bru<strong>de</strong>r Yanis und Patrick Wilhelm.<br />
ansprechend beschrieben, beispielsweise<br />
„charmant, sinnlich und erotisch ist<br />
die Ausstrahlung <strong>de</strong>r Verführerin. Sie<br />
weiß, was sie will, und sie weiß auch,<br />
wie sie es bekommt“. Nun kann die – in<br />
diesem Falle – verführerische Variante<br />
mit Düften erweitert wer<strong>de</strong>n, beispielsweise<br />
weißer Jasmin o<strong>de</strong>r Moschus. „Im<br />
Winter sind es meist schwere Noten, im<br />
Sommer eher fruchtige“, erklärt Niebelschütz<br />
das Verhalten seiner Kun<strong>de</strong>n.<br />
„Und junge Kundinnen bevorzugen<br />
eher fruchtige, die älteren eher blumige<br />
Noten“, ergänzt <strong>de</strong>r studierte Jurist.<br />
Heute zählt die MyParfuem GmbH<br />
mehr als 40.000 Kun<strong>de</strong>n, darunter 97<br />
Prozent aus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschsprachigen<br />
Raum. Das Unternehmen schrieb<br />
schnell schwarze Zahlen, im August<br />
konnte <strong>de</strong>r Umsatz nochmals um 100<br />
Prozent gegenüber <strong>de</strong>m Vorjahr gesteigert<br />
wer<strong>de</strong>n. Beim Marketing setzen<br />
die jungen Berliner vorwiegend auf die<br />
Online-Medien, auf Google-Werbung,<br />
Affi liate-Marketing, auf Facebook und<br />
vor allem auf ihr eigenes Weblog, kurz<br />
Blog, in <strong>de</strong>m sie die Kun<strong>de</strong>n an<br />
<strong>de</strong>r unternehmerischen Entwicklung<br />
teilhaben lassen. Hinzu<br />
kommt seit Neuestem auch<br />
Radiowerbung, ein TV-Spot ist<br />
in Planung.<br />
Im Segment <strong>de</strong>r individuellen<br />
Produktfertigung, „Mass Customization“,<br />
kopierten einige<br />
<strong>de</strong>utsche Unternehmen in <strong>de</strong>n<br />
vergangenen Jahren erfolgreiche<br />
US-Unternehmen. Niebelschütz<br />
sprach sich dagegen<br />
aus: „Wir wollten nichts kopieren,<br />
son<strong>de</strong>rn etwas Eigenes auf die Beine<br />
stellen.“ MyParfuem ist inzwischen bei<br />
<strong>de</strong>r individuellen Parfümherstellung<br />
europaweit die Nummer eins. Für das<br />
Konzept erhielt das Unternehmen mehrere<br />
Auszeichnungen. Nach <strong>de</strong>m Sieg<br />
beim Business-Plan-Wettbewerb Berlin-Bran<strong>de</strong>nburg<br />
im Jahr 2009 folgte im<br />
November 2010 die Auszeichnung mit<br />
<strong>de</strong>m Global Innovation Award in <strong>de</strong>n<br />
USA. Nun verkün<strong>de</strong>te die Firma ihre<br />
Expansionspläne: Im September startet<br />
MyParfuem mit einer Nie<strong>de</strong>rlassung in<br />
<strong>de</strong>n Vereinigten Staaten, direkt im Silicon<br />
Valley, unmittelbar in <strong>de</strong>r Nähe von<br />
Google, Facebook und Twitter.<br />
www.myparfuem.com<br />
18 ProFirma 10 2011<br />
Foto: MyParfuem
Constantin Kontargyris<br />
Group Chief Information Officer<br />
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Das Hotel Nord-Pinus in Arles<br />
Geschichten von Zimmer Nummer 10<br />
Gleich gegenüber vom Café van Gogh<br />
in Arles liegt das Hotel Nord-Pinus,<br />
erste Adresse für viele illustre Gäste.<br />
Arles ist diese kleine Stadt in <strong>de</strong>r Provence,<br />
in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Maler Vincent van<br />
Gogh in 16 Monaten 187 Gemäl<strong>de</strong><br />
schuf und später dort die Vorboten seines<br />
Wahnsinns kennenlernte. Ein Bild<br />
aus dieser Perio<strong>de</strong> ist das „Café <strong>de</strong> nuit“<br />
an <strong>de</strong>r Ecke <strong>de</strong>r Place du Forum. Heute<br />
heißt es Café van Gogh, und an seinen<br />
Tischen sitzen immer Touristen, außer<br />
vielleicht im Oktober, wenn Arles ruhig<br />
ist, <strong>de</strong>n Einheimischen gehört und <strong>de</strong>n<br />
paar Reisen<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>m herannahen<strong>de</strong>n<br />
nördlichen Winter entfl iehen möchten.<br />
AUSZEIT<br />
Gleich gegenüber vom Café Van Gogh<br />
liegt das Hotel Nord-Pinus, très chic,<br />
ein bisschen zu teuer vielleicht, aber<br />
das macht es wett mit seiner individuellen<br />
Exklusivität. Das Pinus war mal<br />
Treffpunkt <strong>de</strong>r Welt, vor 60 Jahren, immer<br />
im April und September, wenn die<br />
Stierkämpfe stattfan<strong>de</strong>n. Picasso war da,<br />
Jean Cocteau und <strong>de</strong>r Stierkämpfer Luis<br />
Dominguin, <strong>de</strong>r im Pinus jene lei<strong>de</strong>nschaftliche<br />
Affäre mit Ava Gardner hatte,<br />
die Cocteau auch gerne gehabt hätte.<br />
Dort, im Zimmer Nummer 10, trugen<br />
die bei<strong>de</strong>n ihre privaten Kämpfe aus, in<br />
diesem legendären Zimmer Nummer<br />
10, in <strong>de</strong>m schon Napoleon geschlafen<br />
hatte, das Zimmer mit <strong>de</strong>m Balkon zur<br />
Place du Forum, auf <strong>de</strong>m sich <strong>de</strong>r Matador<br />
feiern ließ. Es ist auch das Zimmer,<br />
in <strong>de</strong>m im Jahr 1973 Helmut Newton die<br />
Schauspielerin Charlotte Rampling fotografi<br />
erte und sie unsterblich machte.<br />
Die aktuelle Besitzerin, Anne Igou, die<br />
in Nullkommanix zwei Pastis wegkippt<br />
und lange Zeit mit <strong>de</strong>m Fotografen Peter<br />
Lindberg liiert war, hat das Hotel so<br />
sanft renoviert, dass alles Platz hat: Das<br />
Vergangene, das Gegenwärtige und das<br />
Zukünftige. Die Bar mit all <strong>de</strong>n Fotos<br />
längst gestorbener Lebemänner und<br />
-frauen hat sie belassen, wie sie schon<br />
immer war, und es ist von <strong>de</strong>r Atmosphäre<br />
her vielleicht die angenehmste<br />
Bar Frankreichs und mit Sicherheit jene<br />
<strong>de</strong>s Sü<strong>de</strong>ns.<br />
Wenn man an ihr sitzt, muss man<br />
manchmal ein wenig tapfer sein. Das<br />
Problem ist, dass einem nicht Picasso<br />
auf die Schulter klopft, ein Dominguin<br />
fragt, wie er beim dritten Stier war,<br />
o<strong>de</strong>r Ava Gardner einen ärgerlich fragt,<br />
wieso eigentlich ihr Matador lieber mit<br />
Cocteau rumhängt, als mit ihr sündig<br />
zu sein. Wer allerdings da ist, das sind<br />
Amerikaner, die Fotos anschauen und<br />
sagen: „Oh, yeah, I think this must be<br />
Picasso.“ Aber irgendwann ziehen sie<br />
dann wie<strong>de</strong>r ab, und man hat die Bar für<br />
sich. Und all ihren Geschichten. (mib)<br />
www.nord-pinus.com<br />
Das schöne Ding<br />
Von außen sieht die SPPX (Spherical<br />
Polarized & Photochromic) Skibrille<br />
aus wie eine Skibrille. Wenn man sie<br />
aber von innen sieht, hat man das<br />
Gefühl, das Display eines Kampfjets<br />
vor sich zu haben. Die Skibrille ist ein<br />
Kleincomputer samt GPS, Geschwindigkeits-<br />
und Höhenmesser, hat Temperaturanzeige,<br />
Kompass, und ihre<br />
Tönung verän<strong>de</strong>rt sich automatisch<br />
mit <strong>de</strong>n Lichtverhältnissen. Egal, wo<br />
man gera<strong>de</strong> steht, am Skilift o<strong>de</strong>r vor<br />
einer Abfahrt in freiem Gelän<strong>de</strong>, man<br />
hat je<strong>de</strong>rzeit alle Informationen, die<br />
man braucht, und auch jene, die man<br />
vielleicht nicht braucht. Man kann die<br />
„direct-to-eye-communication“ natürlich<br />
auch ausschalten und die Brille<br />
einfach als Skibrille benutzen.<br />
Preis: zwischen 399 und 549<br />
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20 ProFirma 10 2011<br />
Fotos: Fotofi n<strong>de</strong>r Outdoor Archiv/Loos Kai; GourmetPictureGui<strong>de</strong>/Jahreszeiten Verlag; Donaueschiner Musiktage
ProFirma 10 2011<br />
Donaueschinger Musiktage<br />
Laboratorium zeitgenössischer Klänge<br />
Einmal im Jahr wird das 21.000 Einwohner zählen<strong>de</strong> Donaueschingen<br />
im Schwarzwald grenzenlos. Immer Mitte Oktober für die Dauer eines<br />
Wochenen<strong>de</strong>s, seit 90 Jahren schon. Damals unter <strong>de</strong>r Protektion <strong>de</strong>rer<br />
zu Fürstenberg gegrün<strong>de</strong>t, sind heute die Donaueschinger Musiktage ein<br />
Laboratorium zeitgenössischer Musik, das experimentellen Formen auf<br />
<strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Musik und <strong>de</strong>r Klangkunst eine führen<strong>de</strong> Stimme gibt.<br />
Künstlerinnen und Künstler aus 16 Nationen wer<strong>de</strong>n daran teilnehmen,<br />
20 Uraufführungen stehen auf <strong>de</strong>m Programm, und es geht, wie schon in<br />
<strong>de</strong>n letzten 89 Ausgaben, um nicht weniger als darum, „Musikgeschichte“<br />
zu schreiben. Erneut wird zwischen <strong>de</strong>m 14. und 16. Oktober <strong>de</strong>r Versuch<br />
unternommen, <strong>de</strong>r Rolle als „Laus im Pelz <strong>de</strong>r Musikkultur“ gerecht<br />
zu wer<strong>de</strong>n und aus <strong>de</strong>r Laus einen Löwen zu machen. Und im Irgendwo<br />
zwischen „Barrika<strong>de</strong> und Elfenbeinturm“ Klang nicht neu zu erfi n<strong>de</strong>n,<br />
aber ihn neu erklingen zu lassen. (mib)<br />
www.swr.<strong>de</strong>/donaueschingen<br />
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21
Wir Unternehmer<br />
WIRTSCHAFT & POLITIK<br />
Energiepolitik<br />
„Enorme Potenziale“<br />
Wolfram Müller, Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Vereinigung<br />
beraten<strong>de</strong>r Betriebswirte, über die Chancen für<br />
<strong>de</strong>n Mittelstand nach <strong>de</strong>r geplanten Energiewen<strong>de</strong>.<br />
DAS GESPRÄCH FÜHRTE PAUL LAUER<br />
Herr Müller, die Regierung will mit einem umfangreichen Gesetzespaket<br />
die Energiewen<strong>de</strong> einleiten. Wo sehen Sie Chancen<br />
für <strong>de</strong>n Mittelstand?<br />
Müller: Die Beherrschung <strong>de</strong>r Energiemärkte durch vier Großanbieter<br />
und <strong>de</strong>ren Festlegung auf die Hochgewinn- und Hochrisikotechnologie<br />
Atomkraft hat bisher auch Innovationen<br />
massiv behin<strong>de</strong>rt. Mit <strong>de</strong>n Beschlüssen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>skabinetts<br />
vom 6. Juni ist das Tor zu einem umfassen<strong>de</strong>n Innovationsschub<br />
im Bereich regenerativer Energieerzeugung und Energieeffi<br />
zienz aufgestoßen. <strong>Als</strong> maßgeblichem Träger von Innovation<br />
bieten sich für <strong>de</strong>n Mittelstand hier enorme Potenziale.<br />
… und wo liegen die Risiken?<br />
Müller: Bei <strong>de</strong>r komplexen Materie und <strong>de</strong>m gewaltigen Volumen<br />
mit sieben Gesetzen und einer Verordnung sind mit<br />
<strong>de</strong>r extremen Kürze <strong>de</strong>s parlamentarischen Verfahrens erhebliche<br />
Fehlerrisiken verbun<strong>de</strong>n. Bis auf die Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s<br />
Atomgesetzes (En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Moratoriums) war die Verfahrenskürze<br />
ungerechtfertigt. Differenzen auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r beteiligten<br />
Ministerien und auf <strong>de</strong>r politischen Entscheidungsebene<br />
begrün<strong>de</strong>n die Besorgnis, dass unausgegorene Texte Gesetzeskraft<br />
erlangt haben. Indizien sind die Zurückweisung <strong>de</strong>s<br />
Gesetzes zur energetischen Gebäu<strong>de</strong>sanierung im Bun<strong>de</strong>srat<br />
und die Diskussion um eine Fortführung <strong>de</strong>r Energieeinsparverordnung<br />
2009 (EnEV 2009).<br />
Nach Ihrer Auffassung spielt die Energieeffi zienz die Schlüsselrolle.<br />
Warum?<br />
Müller: Technologischer Fortschritt und Energieeffi zienz sind<br />
zwei Seiten einer Medaille. Die Energiewen<strong>de</strong> ist nur durch<br />
Erhöhung <strong>de</strong>r Energieeffi zienz von Gebäu<strong>de</strong>n, Heizungs-,<br />
Klima- und Belüftungsanlagen realisierbar. Die Erschließung<br />
dieser Marktpotenziale för<strong>de</strong>rt und sichert Wachstum sowie<br />
Beschäftigung im Mittelstand und bewirkt mit <strong>de</strong>m Innovationsschub<br />
volkswirtschaftlich eine nachhaltige Wohlstandsmehrung.<br />
Sie lehnen insbeson<strong>de</strong>re eine Fortschreibung <strong>de</strong>r EnEV 2009<br />
ab. Welche Folgen hätte eine Fortführung?<br />
Müller: Der Dreiklang umweltschonen<strong>de</strong>r, zuverlässiger und<br />
bezahlbarer Energieversorgung durch Erhöhung <strong>de</strong>r Energieeffi<br />
zienz kann nur bei stringenter Ausrichtung aller Maßnahmen<br />
auf diese Ziele realisiert wer<strong>de</strong>n. Die Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
an die Energieeffi zienz sollen um bis zu 30 Prozent steigen.<br />
Die EnEV 2009 ist hierfür nicht mehr adäquat. Es bedarf <strong>de</strong>r<br />
Verfeinerung und Verbesserung bisheriger Ansätze und Techniken.<br />
Ferner kommt es darauf an, mit <strong>de</strong>r EnEV 2012 bislang<br />
ungenutzte Einsparpotenziale zur Erhöhung <strong>de</strong>r Energieeffi -<br />
zienz zu erschließen. Dazu gehört beispielsweise die Einbeziehung<br />
von Bo<strong>de</strong>nklapptreppen in die EnEV 2012. Nach Berechnungen<br />
könnte bei 8,25 Millionen sanierungsbedürftigen<br />
Einheiten hier eine Energieeinsparung von bis zu 825.000<br />
Tonnen Heizöl und eine CO 2 -Reduzierung von 1,6 bis 2,2 Millionen<br />
Tonnen pro Jahr erschlossen wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Bun<strong>de</strong>sregierung hat <strong>de</strong>n Gesetzgebungsprozess hauruckartig<br />
angestoßen. Welche Möglichkeiten bleiben Ihnen<br />
da überhaupt noch, Verbesserungen zu erreichen?<br />
Müller: Wenn Schnelligkeit vor Sorgfalt geht, sind handwerkliche<br />
Fehler die Regel. Es ist zu erwarten, dass Nachbesserungen<br />
nötig sind. Hier gilt es, die Rechtsgrundlagen so<br />
zu gestalten, dass eine umweltschonen<strong>de</strong>, zuverlässige und<br />
bezahlbare Energieversorgung realisiert wer<strong>de</strong>n kann. Außer<strong>de</strong>m<br />
muss dafür gesorgt wer<strong>de</strong>n, dass mit <strong>de</strong>r Erhöhung<br />
<strong>de</strong>r Energieeffi zienz neue Marktpotenziale erschlossen sowie<br />
Wachstum und Beschäftigung gesichert wer<strong>de</strong>n können.<br />
22 ProFirma 10 2011<br />
Fotos: Fernando Baptista
Unternehmensführung – Titelthema<br />
Social Media<br />
Die Informationsfl ut bändigen<br />
Kleine und mittlere Unternehmen tun sich mit <strong>de</strong>n sozialen Medien schwer. Neue Kommunikationswege<br />
erfor<strong>de</strong>rn die Überlegung, wofür sich die Netzwerke von Facebook<br />
bis Twitter im eigenen Unternehmen eigentlich eignen. Dass neben Post und E-Mail jetzt<br />
noch weitere Nachrichtenkanäle spru<strong>de</strong>ln, bereitet Firmenchefs auch Sorge. VON TIM COLE<br />
Wer wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>m geschwätzigen<br />
Twitter-Vogel nicht ab und zu<br />
gern <strong>de</strong>n Schnabel zubin<strong>de</strong>n?<br />
SOCIAL MEDIA<br />
ERFORDERT ZUSÄTZLICHEN AUFWAND<br />
Wie schätzen Sie folgen<strong>de</strong> Aussagen in Bezug auf<br />
Ihre eigenen Erfahrungen auf einer Skala von<br />
1 (stimme gar nicht zu) bis 5 (stimme sehr zu) ein?<br />
Der tagesgeschäftliche Druck nimmt zu 3,7<br />
Ich fühle mich gezwungen, „always on“ zu sein 3,3<br />
Die damit verbun<strong>de</strong>ne Mehrarbeit ist nicht zu leisten 2,9<br />
Social Media sind bei uns synergetisch in an<strong>de</strong>re Aufgaben<br />
integriert, <strong>de</strong>r Zusatzaufwand ist begrenzt 2,4<br />
Social Media hat bei uns an<strong>de</strong>re Aufgaben substituiert 2,1<br />
Ich habe das Thema komplett <strong>de</strong>legiert/Meine Aufgaben<br />
beschränken sich auf strategische Managementaufgaben 1,9<br />
Das Thema hat gar keinen Einfl uss auf meinen Alltag 1,9<br />
1 2 3 4 5<br />
Basis: 596 Kommunikationsmanager in D, A, CH. Quelle: Universität Leipzig / Fink & Fuchs PR AG 2011<br />
24 ProFirma 10 2011<br />
ProFirma<br />
Titelthema
Foto: privat<br />
„Saftla<strong>de</strong>n“-Inhaberin Kirstin Walther wur<strong>de</strong><br />
mit ihrem Internet-Blog überregional bekannt.<br />
Er wird viel gelesen, weil er authentisch ist.<br />
„In unserem Blog schreiben wir das,<br />
was wirklich in unserem Unternehmen<br />
passiert – und das kommt an.“<br />
KIRSTIN WALTHER, SAFTKELTEREI WALTHER, ARNSDORF<br />
Ein Gespenst geht um, und das nicht nur in Europa. Für die einen<br />
ist es eine veritable Revolution: Berauschend, begeisternd,<br />
mitreißend. Für die an<strong>de</strong>ren ist es ein Umsturz, eine Gefahr:<br />
Die Machtergreifung durch <strong>de</strong>n Online-Pöbel. Seit <strong>de</strong>r Erfi ndung<br />
<strong>de</strong>s World Wi<strong>de</strong> Web vor nunmehr 20 Jahren hat kein<br />
Begriff für mehr Aufsehen – und Aufregung – bei Machern<br />
und Managern in großen und kleinen Unternehmen gesorgt<br />
als zwei harmlos klingen<strong>de</strong> Wörter: „Social Media“. „Asoziale<br />
Medien“ schimpft sie <strong>de</strong>r einfl ussreiche Internet-Berater und<br />
Blogger A.J. Kohn vom Online-Marketingforum „Sphinn“,<br />
weil sie „rücksichtslos und eigensüchtig“ seien. Dagegen sieht<br />
Erik Qualman, Autor <strong>de</strong>s im vorigen Jahr erschienenen Bestellers<br />
„Socialnomics: Wie Social Media Wirtschaft und Gesellschaft<br />
verän<strong>de</strong>rn“, in ihnen eine „grundsätzlich neue und<br />
an<strong>de</strong>re Art, wie Firmen mit ihren Kun<strong>de</strong>n kommunizieren“.<br />
Was nun? Sind Social Media ein Fluch o<strong>de</strong>r ein Segen? Dass sie<br />
beim breiten Publikum ankommen, steht außer Frage: Einer<br />
aktuellen Studie <strong>de</strong>s Branchenverbands Bitkom zufolge sind<br />
76 Prozent aller Internet-Nutzer Mitglied einer „Online-Com-<br />
ProFirma 10 2011<br />
munity“, in <strong>de</strong>r wichtigen Zielgruppe <strong>de</strong>r unter 30-Jährigen<br />
sind es sogar 96 Prozent! Aber was kann ein mittelständisches<br />
Unternehmen damit anfangen? Diese Frage wird landauf,<br />
landab in Talkshows von Maischberger bis Illner gestellt, auf<br />
Kongressen und in Seminaren hin und her gewälzt und in <strong>de</strong>n<br />
Chefetagen vieler Firmen lei<strong>de</strong>nschaftlich diskutiert. Welche<br />
Vorteile bringt eine Firmenseite auf Facebook fürs Unternehmen?<br />
Dürfen Mitarbeiter Betriebsinterna per Twitter ausplau<strong>de</strong>rn?<br />
Soll <strong>de</strong>r Chef einen Firmen-Blog schreiben? Ersetzen billige<br />
Youtube-Filmchen womöglich teure Fernsehspots? Und<br />
vor allem: Wer soll für die Social-Media-Aktivitäten im Unternehmen<br />
zuständig sein? Das Marketing? O<strong>de</strong>r doch besser<br />
<strong>de</strong>r Vertrieb? Vielleicht die Unternehmensleitung selbst? O<strong>de</strong>r<br />
womöglich gar <strong>de</strong>r Personalchef?<br />
Äpfel und Birnen im Internet<br />
Wenn man Kirstin Walther fragt, ist die Antwort klar: Für sie<br />
als Firmenchefi n sind Social Media gelebter Unternehmensalltag.<br />
<strong>Als</strong> sie vor sieben Jahren die 1927 gegrün<strong>de</strong>te Firma<br />
ihrer Eltern übernahm, die Saftkelterei Walther in Arnsdorf<br />
bei Dres<strong>de</strong>n, war <strong>de</strong>r Betrieb in einem <strong>de</strong>solaten Zustand. „Zu<br />
Ostzeiten musste man sich keinerlei Gedanken über Marketing<br />
machen, weil Mangelwirtschaft in <strong>de</strong>r DDR herrschte“,<br />
erklärt die resolute Jungunternehmerin. Um das zu än<strong>de</strong>rn,<br />
ging sie mit einer Firmen-Homepage zunächst ins Internet,<br />
begann dann im Jahr 2006 mit einem Online-Tagebuch, in<br />
<strong>de</strong>m sie „aus <strong>de</strong>m Alltag eines richtigen Saftla<strong>de</strong>ns“ berichtete.<br />
Inzwischen hat sie als „@SaftTante“ auf Twitter mehr als 3.000<br />
bekennen<strong>de</strong> Fans („Followers“), die mitfi ebern, wenn sie<br />
25
Unternehmensführung – Titelthema<br />
Social-Media-Aussagen<br />
Mithilfe dieser Checkliste können Sie Ihr Wissen<br />
über Social Media testen und gegebenenfalls<br />
Maßnahmen zur Verbesserung <strong>de</strong>r Kommunikation<br />
in Ihrem Unternehmen einleiten.<br />
1. Wir müssen mit unseren Zielgruppen, Kun<strong>de</strong>n und Partnern<br />
zukünftig öffentliche Dialoge im Internet führen.<br />
2. Wir haben genau analysiert, über welche Social-Media-<br />
Kanäle wir unsere einzelnen Zielgruppen erreichen.<br />
3. Wir haben keine Probleme damit, uns mit Kritikern<br />
öffentlich auseinan<strong>de</strong>rzusetzen.<br />
4. Unser Katalog <strong>de</strong>r Vor- und Nachteile öffentlicher Dialoge<br />
im Web weist <strong>de</strong>utliche Vorteile für unser Unternehmen aus.<br />
5. Wir haben zahlreiche Handlungsfel<strong>de</strong>r i<strong>de</strong>ntifi ziert, wo wir<br />
durch Social Media <strong>de</strong>utlich mehr und bessere Ergebnisse<br />
erreichen wer<strong>de</strong>n, als mit <strong>de</strong>n klassischen Marketinginstrumenten.<br />
6. Wir haben alle Social-Media-Kanäle untersucht und die für<br />
unser Unternehmen besten anhand reproduzierbarer Fakten<br />
ausgewählt.<br />
7. Die Ziele für <strong>de</strong>n Einsatz von Social Media sind qualitativ<br />
und quantitativ genau <strong>de</strong>fi niert.<br />
8. Wir haben einen genauen Plan davon, mit welchen Menschen<br />
wir wie über welche Themen sprechen wollen und<br />
wissen, dass diese Menschen sich dafür interessieren.<br />
9. Die erfor<strong>de</strong>rlichen personellen und fi nanziellen Ressourcen<br />
für <strong>de</strong>n Einsatz von Social Media haben wir exakt festgelegt.<br />
10. Wir sind uns sicher, dass <strong>de</strong>r Aufwand für <strong>de</strong>n Einsatz von<br />
Social Media durch Umsatz- und Ertragswachstum amortisiert<br />
wird und haben dies in einer Planrechnung berechnet.<br />
11. Social Media hat in unserem Unternehmen eine eigene<br />
Aufbauorganisation mit ein<strong>de</strong>utig geregelten Zuständigkeiten<br />
und Verantwortungsbereichen.<br />
12. Die Mitarbeiter, die <strong>de</strong>n Einsatz von Social Media in unserem<br />
Unternehmen betreuen wer<strong>de</strong>n, sind speziell geschult und<br />
bringen die notwendigen Qualifi kationen mit.<br />
13. Wir haben für alle Mitarbeiter einen speziellen Leitfa<strong>de</strong>n für<br />
<strong>de</strong>n Umgang mit sozialen Medien ausgearbeitet.<br />
14. Wir haben in unsere Marketingstrategie eine unternehmensspezifi<br />
sche Online-Strategie integriert.<br />
15. Wir haben genau analysiert, welches Engagement unsere<br />
Konkurrenten bei Social Media haben.<br />
16. Wir haben unsere Social-Media-Maßnahmen exakt auf<br />
unsere KPI und die wichtigsten Benchmarks ausgerichtet.<br />
17. Unser Redaktionsplan enthält alle relevanten Inhalte und<br />
Themen, die für unsere Zielgruppen einen echten Mehrwert<br />
darstellen.<br />
18. Wir haben einen Maßnahmenplan ausgearbeitet, wie wir<br />
im Falle einer Kommunikationskrise reagieren wer<strong>de</strong>n.<br />
19. Wir haben die Kriterien <strong>de</strong>s Social-Media-Monitorings und<br />
<strong>de</strong>s Reportings in einer Prozessbeschreibung formuliert.<br />
20. Die 1-9-90-Regel von Jacob Nielsen ist uns bekannt und<br />
die Konsequenzen daraus sind uns bewusst.<br />
Quelle: WMC Volker Wen<strong>de</strong>ler<br />
Stimmt<br />
Stimmt nicht<br />
Weiß ich nicht<br />
über die aktuelle Erntelage schreibt („dieses jahr hängen sogar<br />
unsere ungepfl egten bäume voller äpfel“) o<strong>de</strong>r Anfragen nach<br />
<strong>de</strong>r Produktqualität beantwortet („es ist verboten, aromen in<br />
<strong>de</strong>n osaft zu tun, die nicht aus orangen hergest. wur<strong>de</strong>n“).<br />
Nicht je<strong>de</strong>r ist begeistert von Kirstin Walthers kessem Kommunikationsstil.<br />
„Unsere Saftboxenschachteln rutschten<br />
beim Transport immer hin und her und gingen kaputt“, verriet<br />
sie jüngst in ihrem Blog. „Ich hatte sogar ein Foto von<br />
einem völlig zerstörten Karton veröffentlicht und damit ver<strong>de</strong>utlicht,<br />
dass wir unsere Schachteln verkleinern müssen.“<br />
Ihr Geschäftspartner sei „entsetzt“ gewesen und habe von ihr<br />
verlangt, <strong>de</strong>n Beitrag umgehend zu löschen: „Er dachte, je<strong>de</strong>r<br />
wür<strong>de</strong> jetzt Walther nur noch mit <strong>de</strong>n kaputten Saftboxen assoziieren“,<br />
erinnert sie sich. Am En<strong>de</strong> blieb <strong>de</strong>r Beitrag drin<br />
– „weil es wichtig ist, authentisch zu sein“, wie die Sächsin<br />
behauptet: „Wir schreiben das, was wirklich in unserem Unternehmen<br />
passiert, und das kommt an.“<br />
Social Media verän<strong>de</strong>rn die Kommunikation<br />
Ankommen tut das Thema Social Media offenbar bei je<strong>de</strong>m<br />
an<strong>de</strong>rs, was allerdings wohl in <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>r Sache liegt. Unter<br />
<strong>de</strong>m eher schwammigen Dachbegriff wer<strong>de</strong>n so unterschiedliche<br />
Bereiche zusammengefasst wie Marktforschung,<br />
Außendarstellung, Mitarbeiterkommunikation und Personalwesen.<br />
„Je nach<strong>de</strong>m, mit wem man sich unterhält, meint je<strong>de</strong>r<br />
etwas ganz an<strong>de</strong>res“, sagt Carl Mühlner vom Düsseldorfer IT-<br />
Unternehmen Damovo. Er hat Interviews mit 200 mittelständischen<br />
Unternehmern und Internet-Experten führen lassen<br />
und daraus eine Studie erstellt, die gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen<br />
Mittelstand eine hohe Bereitschaft attestiert, sich in Zukunft<br />
verstärkt um das Thema Social Media zu kümmern:<br />
> 69 Prozent stufen Social Media <strong>de</strong>mnach als <strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeit<br />
wichtigsten Trend überhaupt ein: Dank Smartphones und<br />
Flatrate-Datentarifen ermöglichen sie eine direkte und zeitnahe<br />
Interaktion mit Kun<strong>de</strong>n und Mitarbeitern.<br />
> 50 Prozent bezeichneten sogenannte „Location-Based-Services“<br />
als eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Entwicklung: Im Rahmen <strong>de</strong>r internen<br />
Unternehmenskommunikation ließen sich beispielsweise<br />
die eigenen Servicetechniker stets genau lokalisieren<br />
und ihr Einsatz fl exibler steuern.<br />
> 47 Prozent sehen im „Crowdsourcing“ großes Potenzial, sowohl<br />
durch die Nutzung dieses „kollektiven Wissens“ von<br />
Kun<strong>de</strong>n und Mitarbeitern, um fachspezifi sche Probleme<br />
zu lösen, als auch um die Entwicklung neuer Produkte und<br />
Dienstleistungen besser an <strong>de</strong>n Bedürfnissen <strong>de</strong>s Markts<br />
ausrichten zu können.<br />
Dass Social Media dabei sind, die Art und Weise zu verän<strong>de</strong>rn,<br />
wie Unternehmen mit ihren Kun<strong>de</strong>n kommunizieren und<br />
dabei wichtige Erkenntnisse über Trends und Bedürfnisse<br />
im Markt vermitteln, wird selbst Online-Laien immer klarer.<br />
„Marktforschung 2.0“ nennt das <strong>de</strong>r Offenbacher Internet-<br />
Guru Ossi Urchs, <strong>de</strong>r als einer <strong>de</strong>r Pioniere <strong>de</strong>s Social-Marketings<br />
in Deutschland gilt. Klassisches Marketing, so Urchs, sei<br />
im Grun<strong>de</strong> erst durch das Aufkommen von Massenmedien<br />
26 ProFirma 10 2011
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Abbildung zeigt Wunschausstattung gegen Mehrpreis.
Unternehmensführung – Titelthema<br />
entstan<strong>de</strong>n: „Da wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r informierte Dialog unter Gleichen<br />
durch das Gebrüll <strong>de</strong>r einseitigen werblichen Kommunikation<br />
verdrängt. Das war, wie man jetzt sieht, ein Irrweg. Der Kun<strong>de</strong><br />
will als Individuum angesprochen und ernst genommen wer<strong>de</strong>n.<br />
Genau das können Social Media leisten.“<br />
Durch das Einbin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n in Geschäftsprozesse wie<br />
Marktforschung und Marketing ergibt sich eine neue Qualität<br />
<strong>de</strong>s Dialogs, davon ist Dr. Martin Oetting überzeugt,<br />
Forschungschef <strong>de</strong>r Münchner Trnd AG, die er als „größte<br />
europäische Marketing-Community“ bezeichnet. Er glaubt,<br />
dass Mundpropaganda das beste Mittel sei, um als Händler<br />
erfolgreich im Markt von morgen zu agieren: „Guten Tipps<br />
von Freun<strong>de</strong>n glauben wir mehr als je<strong>de</strong>r Hochglanzwerbung.<br />
Große Konzerne reagieren inzwischen darauf und setzen auf<br />
Mundpropaganda.“ Auch kleine Unternehmen, da ist er sicher,<br />
könnten von solcher Werbung profi tieren, wenn sie es<br />
nur richtig anstellten. Die Trnd AG helfe Firmen mit maßgeschnei<strong>de</strong>rten<br />
Mundpropaganda-Kampagnen weiter, so Oe-<br />
tting. Dabei wer<strong>de</strong>n zwischen 5.000 und 10.000 Kandidaten<br />
aus einer großen Adresskartei ausgesucht und geprüft. Wer<br />
ausgewählt wird, erhält vom Unternehmen Testprodukte für<br />
sich, die Familie und Freun<strong>de</strong>. Später muss er eine Beurteilung<br />
darüber abgeben, die von Trnd zu Übersichten zusammengetragen<br />
wer<strong>de</strong>n und als Grundlage für Verbesserungen o<strong>de</strong>r<br />
neue Produkti<strong>de</strong>en dienen.<br />
Einen Fehler allerdings, so Oetting, mache <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r glaube,<br />
mithilfe solcher Publikumsbeteiligung ein schlechtes o<strong>de</strong>r<br />
langweiliges Produkt nachträglich hochpäppeln zu können.<br />
„Mundpropaganda lässt sich in gewissem Maße sogar steuern“,<br />
weiß er aus Erfahrung. Wer allerdings glaubt, er könne<br />
das kontrollieren, was die Kun<strong>de</strong>n sagen, <strong>de</strong>r wer<strong>de</strong> Schiffbruch<br />
erlei<strong>de</strong>n. Das Gleiche gelte für Firmen, die versuchten,<br />
eigene Leute unter die Proban<strong>de</strong>n zu schmuggeln, die sich<br />
beson<strong>de</strong>rs lobend über das eigene Produkt auslassen. „Der<br />
Schuss geht garantiert nach hinten los“, ist <strong>de</strong>r Mundwerker<br />
überzeugt. Wer dagegen ernsthaft bemüht sei, etwas über sein<br />
Social Media und <strong>de</strong>r Mittelstand: Was sagen die Experten?<br />
Social Media-Berater gibt<br />
es inzwischen fast wie Sand<br />
am Meer. Und ebenso viele<br />
Meinungen gibt es, wenn es<br />
um die wichtigsten Fragen<br />
geht.<br />
ProFirma hat vier prominente<br />
Internet-Experten befragt,<br />
wie sie das Verhältnis zwischen<br />
Mittelstand und Social Media<br />
und <strong>de</strong>ren Entwicklung<br />
beurteilen.<br />
Wie ernst nehmen mittelständische<br />
Unternehmen das Thema Social<br />
Media?<br />
Von wem gehen die entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Impulse aus?<br />
Welche Vorteile bringen Social Media<br />
solchen Unternehmen?<br />
Welche Nachteile haben Social<br />
Media?<br />
Hendrik Lennarz<br />
Online-Marketing-Manager,<br />
Globalpark AG, Köln<br />
Gedanken gemacht haben sich schon<br />
alle, auch die KMU. Die einen sind mit<br />
auf <strong>de</strong>n Zug aufgesprungen, die an<strong>de</strong>ren<br />
warten lieber noch ab.<br />
Von <strong>de</strong>n Entscheidungsträgern, da die<br />
Medien heute voll vom Thema Social<br />
Media sind.<br />
Ich öffne einen neuen Kanal, um mit<br />
Menschen (Kun<strong>de</strong>n, Partnern, Freun<strong>de</strong>n)<br />
offen zu kommunizieren.<br />
Die Betreiber verstehen es meist nicht<br />
richtig, die eigenen Fans zu aktivieren.<br />
Klaus Eck<br />
Kommunikationsberater, Autor<br />
(„Corporate Blogs – Unternehmen im<br />
Online-Dialog zum Kun<strong>de</strong>n“), München<br />
Aufgrund <strong>de</strong>r umfangreichen Medienberichterstattung<br />
kann sich kaum ein Entschei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m<br />
Thema Social Media entziehen.<br />
Junge Mitarbeiter, die Facebook ganz selbstverständlich<br />
in ihrem privaten Alltag nutzen, machen<br />
vielleicht die Entschei<strong>de</strong>r neugierig. Doch eingeführt<br />
wird es meistens über das mittlere Management.<br />
Über Social Media können Unternehmen sich direkter<br />
und glaubwürdiger präsentieren.<br />
Die neue Transparenz müssen Unternehmen erst<br />
einmal aushalten können. Das will gelernt sein.<br />
28 ProFirma 10 2011
Produkt zu lernen, für <strong>de</strong>n könnten Empfehlungsnetze wertvolle<br />
Erkenntnisse liefern. Oetting: „Wenn Sie mich bitten<br />
wür<strong>de</strong>n ein solches Marketing zu beschreiben, wür<strong>de</strong> ich mit<br />
einem Wort antworten: Zuhören!“<br />
Einkaufsgemeinschaften im Netz<br />
Marktforschung ist das eine. Aber können kleine und mittlere<br />
Unternehmen mit Social Media auch mehr Umsatz machen?<br />
Kritiker in <strong>de</strong>n USA warnen bereits vor Facebook als<br />
„Schnäppchen-Falle“ und befürchten, dass sich Händler damit<br />
nur die Preise kaputt machen und nebenbei die Kun<strong>de</strong>n auch<br />
noch zu „Schnäppchennoma<strong>de</strong>n“ erziehen.<br />
Dass Facebook & Co. <strong>de</strong>nnoch interessante Vertriebskanäle<br />
für Mittelständler sein können, davon ist Dr. Björn Schäfers<br />
überzeugt. Der Geschäftsführer von Smatch.com, einem<br />
Tochterunternehmen <strong>de</strong>r Otto Gruppe, betreibt eine Art Einkaufsgemeinschaft<br />
im Netz, die auf Facebook angeblich mehr<br />
Frank Hübner<br />
Social-Media-Beratung und IT-Training,<br />
Baumgarten am Tullnerfeld (Österreich)<br />
Gar nicht. Das Problem ist, dass viele Chefs Social Media und<br />
<strong>de</strong>ssen Regeln nicht verstan<strong>de</strong>n haben. Wenn es dann nicht<br />
funktioniert, heißt es, „Hab ich‘s doch gewusst, dass Social Media<br />
nicht funktioniert“<br />
Die Impulse kommen eher von oben, da Mitarbeiter nicht unternehmerisch<br />
<strong>de</strong>nken. Wenn dies jedoch zur Unternehmenskultur<br />
gehört, sind Mitarbeiter eher die I<strong>de</strong>engeber.<br />
Man kommt mit <strong>de</strong>r Zielgruppe direkt in Dialog und gewinnt<br />
Fans, also kostenlose „Verkäufer“.<br />
Verwaiste Fanseiten sind unprofessionell, genau wie keine o<strong>de</strong>r<br />
späte Antworten auf Kun<strong>de</strong>nfragen. Löschen von konstruktiven<br />
Beiträgen kann sich negativ aufs Firmenimage auswirken.<br />
ProFirma 10 2011<br />
als zwei Millionen Produkte und mehr als 10.000 Marken von<br />
700 teilnehmen<strong>de</strong>n Händlern bereithält, darunter viele Mittelständler.<br />
Wer nach einem bestimmten Produkt sucht, kann<br />
das Ergebnis <strong>de</strong>r Recherche nach <strong>de</strong>r Beliebtheit bei an<strong>de</strong>ren<br />
Kun<strong>de</strong>n fi ltern und sich mit <strong>de</strong>r Zeit ein persönliches Netzwerk<br />
von Nutzern mit ähnlichem Geschmack aufbauen, die<br />
sich gegenseitig beim Online-Kauf beraten: Beim Shoppen<br />
gibt’s das Wir-Gefühl gratis dazu.<br />
„Smatch.com verkörpert ein neues emotionales Einkaufserlebnis“,<br />
sagt Schäfers: <strong>Als</strong> Nutzer könne man sich von an<strong>de</strong>ren<br />
inspirieren lassen. „Diese Kombination aus rationalem und<br />
emotionalem Einkauf fi n<strong>de</strong>n unsere Kun<strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>rs toll“,<br />
ist er überzeugt. Auch das Feedback <strong>de</strong>r Partnerunternehmen<br />
sei bislang „durchweg positiv, vor allem weil Händler in aller<br />
Regel messbar höhere Kaufwahrscheinlichkeiten realisieren,<br />
wenn <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> über eine Facebook-Empfehlung kommt.“<br />
„Social-Shopping“ nennen Experten diese neue Form <strong>de</strong>s gemeinsamen<br />
Einkaufs. An<strong>de</strong>re Shopping-Suchmaschinen<br />
Ossi Urchs<br />
Internet-Pionier und Kommunikationsberater,<br />
F.F.T. MedienAgentur, Offenbach.<br />
Social Media ist kein Schnupfen: Es geht nicht wie<strong>de</strong>r weg.<br />
Deshalb machen sich viele KMU heute daran, eigene Aktivitäten<br />
zu entwickeln – auch wenn es da noch sehr viel Unsicherheit und<br />
noch mehr Unwissenheit gibt.<br />
Meist vom Wettbewerb („XY ist jetzt auch auf Facebook, da müssen<br />
wir was machen!“) o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n aus. Erst dann wer<strong>de</strong>n diese<br />
Impulse vom Chef o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r PR-Abteilung weitergetragen. Das ist<br />
das Problem, <strong>de</strong>nn Social Media ist eben keine klassische PR-Aufgabe,<br />
son<strong>de</strong>rn betrifft das ganze Unternehmen.<br />
Der direkte Kanal zu <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n. Das be<strong>de</strong>utet aber auch:<br />
Man muss (wie<strong>de</strong>r) zuhören lernen!<br />
Nachteile sehe ich eigentlich keine. Wirtschaftlich kostet das Erlernen<br />
<strong>de</strong>r Kommunikation Zeit und Geld. Aber Social Media für Null gibt es<br />
eben nicht.<br />
Fotos: privat<br />
29
Unternehmensführung – Titelthema<br />
wie Twenga listen nicht nur Tausen<strong>de</strong> von Online-Händlern<br />
auf, son<strong>de</strong>rn setzen wie Smatch.com auf <strong>de</strong>n sozialen Effekt:<br />
Freun<strong>de</strong> können ihre Meinung nebst Produktbeschreibungen<br />
o<strong>de</strong>r Foto zu einem gewünschten Produkt äußern und Ratschläge<br />
per E-Mail, Twitter o<strong>de</strong>r Facebook sen<strong>de</strong>n.<br />
Online-Kampf gegen Fachkräftemangel<br />
Das „Wir-Gefühl” beim Einkauf stärken, das eigene Image<br />
beim Kun<strong>de</strong>n aufpolieren: Für zahlreiche Mittelstandsbetriebe<br />
ist damit das Thema Social Media weitgehend erschöpft. Das<br />
Potenzial, für sich als attraktiven Arbeitgeber Werbung zu<br />
machen, wer<strong>de</strong> lei<strong>de</strong>r viel zu wenig beachtet, behauptet Wolfgang<br />
Brickwed<strong>de</strong> vom Hei<strong>de</strong>lberger Institute for Competitive<br />
Recruiting (ICR). Seiner Meinung nach sollten vor allem Personaler<br />
kleinerer Unternehmen begierig sein, die Möglichkeiten<br />
<strong>de</strong>s „Social Recruiting“ zu nutzen, um im immer härter<br />
wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Kampf um Talente nicht von Konzernen an die<br />
Wand gedrückt zu wer<strong>de</strong>n. „Um <strong>de</strong>n Fachkräftemangel zu<br />
bekämpfen, müssen Firmenchefs aktiv auf die passen<strong>de</strong>n Bewerber<br />
zugehen, sie umwerben und für eine neue Herausfor<strong>de</strong>rung<br />
in ihrem Unternehmen interessieren“, ist er sicher.<br />
Unter <strong>de</strong>m Begriff „Employer Branding“ rät er gera<strong>de</strong> Mittelständlern<br />
dazu, die Möglichkeiten <strong>de</strong>s Empfehlungsmarketings,<br />
wie sie das Social Web bietet, in <strong>de</strong>n Recruiting-Prozess<br />
einzubin<strong>de</strong>n. Statt Anzeigen in <strong>de</strong>r Tageszeitung zu schalten,<br />
sollten sie per Facebook o<strong>de</strong>r über die professionellen Empfehlungsnetzwerke<br />
Xing o<strong>de</strong>r LinkedIn gezielt nach fähigen<br />
Leuten suchen und diese ansprechen.<br />
Michael Grupe, Vorstand und Chef <strong>de</strong>s Social-Media-Beratungsteams<br />
<strong>de</strong>r Wiesba<strong>de</strong>ner PR-Agentur Fink & Fuchs, ist<br />
überzeugt, dass Web 2.0 und Social Media auch bei <strong>de</strong>r Einordnung<br />
guter und schlechter Arbeitgeber eine wachsen<strong>de</strong><br />
Rolle spielen wer<strong>de</strong>n. „Auf Portalen wie kununu.<strong>de</strong>, jobvoting.<strong>de</strong><br />
o<strong>de</strong>r arbeitgebertest.<strong>de</strong> bewerten Arbeitnehmer ihre<br />
aktuellen o<strong>de</strong>r ehemaligen Arbeitgeber. Dabei wer<strong>de</strong>n diese<br />
Plattformen lei<strong>de</strong>r auch gerne mal für Rache-Akte ehemaliger<br />
Mitarbeiter missbraucht“, behauptet er. Arbeitgeber sollten<br />
gegensteuern und versuchen, ihr eigenes Image durch geeignete<br />
Auftritte, beispielsweise Firmenseiten in <strong>de</strong>n Business-<br />
Netzwerken, aber auch durch sympathische Auftritte bei<br />
Twitter positiv zu beeinfl ussen. „Bei Employer Branding geht<br />
es nicht nur um Imagegewinn und Wettbewerbsvorteile“,<br />
sagt Grupe. Auch die Wirkung nach innen sei wichtig: „Starke<br />
Arbeitgebermarken, die ihren Mitarbeitern eine Art zweite<br />
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Einen kostenlosen Fachbeitrag zum Thema aus <strong>de</strong>m Angebot von<br />
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Der Beitrag Social Media in Kleinunternehmen informiert Sie ausführlich<br />
über Kosten- und Nutzenaspekte rund um die Netzwerke.<br />
HINDERNISSE DER SOCIAL-MEDIA-<br />
NUTZUNG IM DETAIL<br />
Wo sehen Sie die größten Hin<strong>de</strong>rnisse bei <strong>de</strong>r Nutzung von<br />
Social Media? (Auswahl von drei Aussagen möglich).<br />
zu großer Aufwand 76,0%<br />
lassen sich nicht kontrollieren 54,9%<br />
überzeugen<strong>de</strong> Konzepte fehlen 51,8%<br />
zu schwierig und zu kompliziert zu organisieren 38,9%<br />
geringes Interesse <strong>de</strong>r Rezipienten 38,9%<br />
generiert zu wenig Besucher in Web und Interaktion 24,0%<br />
bieten keinen Mehrwert 15,4%<br />
Basis: 596 Kommunikationsmanager in D, A, CH. Quelle: Universität Leipzig / Fink & Fuchs PR AG 2011<br />
Heimat bieten, tragen zur Wertschöpfung im Unternehmen<br />
bei. Denn Mitarbeiter, die sich mit ihrem Arbeitgeber i<strong>de</strong>ntifi<br />
zieren, sind motivierter und haben eine geringere Wechselbereitschaft.“<br />
Firmenkommunikation: Je<strong>de</strong>r darf alles sehen<br />
Auch bereits existieren<strong>de</strong> Firmenmitarbeiter können von Social<br />
Media profi tieren: Durch Wikis und an<strong>de</strong>re sogenannte<br />
Kollaborationswerkzeuge ist es möglich, das Wissen in <strong>de</strong>n<br />
Köpfen <strong>de</strong>r Leute zu erschließen und für an<strong>de</strong>re im Unternehmen<br />
nutzbar zu machen, ist Frank Roebers überzeugt. Der<br />
Chef <strong>de</strong>r Synaxon AG in Bielefeld, Europas größter IT-Verbundgruppe<br />
mit mehr als 2.800 Partnern, begann bereits im<br />
Jahr 2006 damit, die internen Kommunikationsprozesse innerhalb<br />
<strong>de</strong>r weitverzweigten Gruppe zu mo<strong>de</strong>rnisieren. Sein<br />
Ziel: Das Wissen in <strong>de</strong>r Firma gemeinsam nutzbar zu machen.<br />
Herausgekommen ist eine Datenbank mit fast 25.000 Seiten,<br />
auf die je<strong>de</strong>r zugreifen darf.<br />
Roebers spricht von einer echten „Kulturrevolution“, die sich<br />
dank Social Media bei <strong>de</strong>n PC-Spezialisten vollzogen hat. Das<br />
liegt vor allem an <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Grundsätzen, nach <strong>de</strong>nen das<br />
System betrieben wird:<br />
> Je<strong>de</strong>r kann alles sehen. Nur sehr wenige Informationen sind<br />
nicht für alle Mitarbeiter sichtbar, zum Beispiel Gehaltsinformationen<br />
o<strong>de</strong>r ausgefüllte Mitarbeiter-Bewertungsbögen.<br />
„95 Prozent <strong>de</strong>r im Unternehmen verfügbaren Informationen<br />
sind für je<strong>de</strong>n einsehbar. Dazu gehören auch alle Projekte<br />
und strategische Geschäftspläne“, behauptet Roebers.<br />
> Je<strong>de</strong>r kann alles än<strong>de</strong>rn. Die Än<strong>de</strong>rung gilt ohne Freigabe<br />
und sofort. „Das gilt auch für alle Prozessbeschreibungen<br />
und Unternehmensregelungen“, sagt <strong>de</strong>r Firmenchef.<br />
30 ProFirma 10 2011
Statt <strong>de</strong>s von vielen kritischen Beobachtern prognostizierten<br />
Chaos hat die totale Offenheit bislang bestens funktioniert,<br />
berichtet Roebers. So habe es bis heute keinen einzigen Fall<br />
von Missbrauch gegeben. Das auf <strong>de</strong>r gleichen offenen Software<br />
wie die Online-Enzyklopädie „Wikipedia“ basieren<strong>de</strong><br />
Wissenssystem habe aus <strong>de</strong>m westfälischen Mittelständler<br />
„ein echtes Unternehmen 2.0“ gemacht, berichtet er erfreut.<br />
Drei Dinge hätten sich inzwischen vor allem geän<strong>de</strong>rt: „Der<br />
Informationsstand aller Mitarbeiter ist viel besser gewor<strong>de</strong>n,<br />
die wichtigen Dokumente im Unternehmen sind immer<br />
aktuell, und Führungskräfte sind von unsinnigen Entschei-<br />
ProFirma 10 2011<br />
Social Media nach Maß und Ziel<br />
„Ich hab‘ für so etwas keine Zeit!“ Diesen Satz hört man häufi g von Mittelständlern, wenn es um<br />
das Thema Social Media geht. Tatsächlich stellt die Nutzung von Facebook, Twitter und Co.<br />
hohe Anfor<strong>de</strong>rungen an das Zeitmanagement, da sie zusätzlich zur Informationsfl ut von E-Mails und<br />
Newslettern zu bewältigen ist. Einige Fragen helfen beim richtigen Einsatz. VON TIM COLE<br />
Warum will ich Social Media nutzen?<br />
Wie bei je<strong>de</strong>m neuen Managementwerkzeug<br />
sollte man wissen, was man<br />
damit erreichen will.<br />
Stehen Marktforschung und Konkurrenzbeobachtung<br />
im Vor<strong>de</strong>rgrund, empfi ehlt<br />
es sich, sogenannte „RSS Feeds“ zu abonnieren.<br />
Die Abkürzung steht für „Really<br />
Simple Syndication“ und ist eine sehr<br />
einfache Metho<strong>de</strong>, um Verän<strong>de</strong>rungen<br />
auf Websites o<strong>de</strong>r in Blogs zu verfolgen,<br />
die Sie interessieren und die Sie <strong>de</strong>shalb<br />
beobachten wollen. Ein „RSS-Channel“<br />
hält Sie wie ein Nachrichtenticker auf<br />
<strong>de</strong>m Laufen<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m er Schlagzeilen<br />
und kurze Textanrisse sowie einen Link<br />
zur Originalseite versen<strong>de</strong>t.<br />
Wollen Sie sich mit Kun<strong>de</strong>n und Partnern<br />
vernetzen, sollten Sie das Augenmerk<br />
auf Business- o<strong>de</strong>r Empfehlungsnetzwerke<br />
wie Xing o<strong>de</strong>r LinkedIn legen. Dort<br />
können Sie sich Diskussionsgruppen anschließen,<br />
die Ihr spezielles Thema bearbeiten.<br />
Zunehmend wird auch Facebook,<br />
das früher eher als ein privates Netz angesehen<br />
wur<strong>de</strong>, von Geschäftsleuten zur<br />
Kontaktpfl ege und zur Information genutzt.<br />
Mit Google+ steht inzwischen ein<br />
neues Netzwerk zur Verfügung, mit <strong>de</strong>m<br />
man seine Kontakte besser verwalten<br />
kann als auf Facebook. Und mit Twitter<br />
können Sie auch unterwegs vom Handy<br />
aus verfolgen, worüber sich Bekannte und<br />
Kollegen gera<strong>de</strong> Gedanken machen.<br />
Wenn es bei Ihnen primär um Marketing<br />
o<strong>de</strong>r Vertrieb geht, ist ein zusätzlicher<br />
Firmen-Blog zu empfehlen. Aber Achtung!<br />
Nichts ist schlimmer als ein „toter“ Blog:<br />
Um ein solches Online-Tagebuch mit Leben<br />
zu füllen, müssen Sie sich regelmäßig<br />
neue Inhalte aus<strong>de</strong>nken und möglichst<br />
viele Freun<strong>de</strong> und Kollegen dazu bekommen,<br />
Kommentare zu hinterlassen.<br />
Wie teile ich meine Zeit richtig ein?<br />
Je<strong>de</strong>r Manager arbeitet nach einem Terminplan,<br />
und das gilt auch (und ganz beson<strong>de</strong>rs)<br />
für Social Media.<br />
Legen Sie Zeitblöcke fest, in <strong>de</strong>nen Sie<br />
bloggen, netzwerken o<strong>de</strong>r Fragen von Kun<strong>de</strong>n<br />
beantworten. Umgekehrt gewöhnen<br />
Sie sich an, <strong>de</strong>n Computer auszuschalten,<br />
wenn es Zeit ist, sich um Kun<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Kollegen<br />
im „richtigen Leben“ zu kümmern.<br />
Mit etwas Selbstdisziplin lassen sich die<br />
bei<strong>de</strong>n Bereiche gut voneinan<strong>de</strong>r trennen.<br />
Mit <strong>de</strong>r Zeit wer<strong>de</strong>n Sie herausfi n<strong>de</strong>n, wie<br />
viel Zeit am Tag für Social Media nötig ist.<br />
Fokussieren Sie sich auf die wichtigsten<br />
Dinge, nämlich auf Tätigkeiten, die <strong>de</strong>n<br />
größten Rücklauf bringen. Twitter und<br />
Facebook liegen hier typischerweise an<br />
erster Stelle, aber es kommt auch darauf<br />
an, wo sich Ihre Kun<strong>de</strong>n und Kollegen am<br />
liebsten tummeln. Zieht Ihre Zielgruppe<br />
MySpace vor, dann sollten Sie dort Präsenz<br />
zeigen. Schauen sie am liebsten<br />
YouTube-Vi<strong>de</strong>os, dann schaffen Sie sich<br />
eine Digitalkamera an, und fangen Sie<br />
an zu drehen! Vor allem aber: Auch im<br />
Social Web ist Klasse wichtiger als Masse.<br />
Gehen Sie nicht nach <strong>de</strong>r Zahl Ihrer<br />
Kontakte o<strong>de</strong>r Fans, son<strong>de</strong>rn danach, ob<br />
Sie die richtigen Leute damit erreichen.<br />
Welche Werkzeuge helfen mir dabei?<br />
Es gibt inzwischen eine Vielzahl digitaler<br />
Instrumente, die helfen, Zeit beim Netzwerken<br />
zu sparen, zum Beispiel das eingangs<br />
erwähnte RSS.<br />
Wer regelmäßig in verschie<strong>de</strong>nen sozialen<br />
Plattformen schreibt, verliert viel Zeit<br />
beim Verschicken von Nachrichten. Ping.<br />
fm erlaubt es, einen Text gleichzeitig an<br />
mehr als 100 verschie<strong>de</strong>ne Websites<br />
o<strong>de</strong>r Anwendungen wie Twitter, Facebook<br />
o<strong>de</strong>r LinkedIn zu schicken.<br />
FriendFeed ist ein Dienst, <strong>de</strong>r alle Ihre<br />
Social-Media-Aktivitäten, egal auf welchem<br />
Kanal, bün<strong>de</strong>lt und für Freun<strong>de</strong>,<br />
Kollegen o<strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n gemeinsam<br />
sichtbar macht. Das erspart die Mehrfacheingabe.<br />
Außer<strong>de</strong>m können Sie dort<br />
verfolgen, was von Ihnen ausgewählte<br />
„Experten“ zu beliebigen Fachthemen<br />
zu sagen haben.<br />
dungen befreit, die heute an <strong>de</strong>r Stelle getroffen wer<strong>de</strong>n, wo<br />
die Fachkompetenz sitzt.“<br />
Marketing und PR, Marktforschung und Produktentwicklung,<br />
Personalwesen und Wissensmanagement: Gibt es überhaupt<br />
einen Bereich, <strong>de</strong>r nicht von <strong>de</strong>r Social-Media-Welle erfasst<br />
und auf <strong>de</strong>n Kopf gestellt wird? Von einer „neuen Partnerschaft<br />
mit <strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n“ spricht Internet-Visionär Ossi Urchs,<br />
<strong>de</strong>r glaubt, dass sich <strong>de</strong>r Trend zur Einbindung von Unternehmensfrem<strong>de</strong>n<br />
in die internen Unternehmensprozesse<br />
in Zukunft sogar verstärken wer<strong>de</strong>: „Social Media ist kein<br />
Schnupfen. Das geht nicht von allein wie<strong>de</strong>r weg. Die Kun-<br />
31
Unternehmensführung – Titelthema<br />
TIPPS<br />
Die E-Mail-Flut besser bewältigen<br />
Wir alle bekommen eine Vielzahl von E-Mails pro Tag. Deren Bearbeitung frisst Zeit und<br />
bereitet Stress. Trotz Sorgfalt gehen wichtige Informationen manchmal unter. Damit Sie in dieser Flut<br />
nicht untergehen, erhalten Sie hier einige Tipps zum Umgang mit <strong>de</strong>r elektronischen Post.<br />
Schaffen Sie sich E-Mail-Freizeiten<br />
Verzichten Sie auf eine automatisierte Meldung, wenn Sie eine<br />
neue Mail erhalten. Sie wer<strong>de</strong>n je<strong>de</strong>s Mal aus Ihrem aktuellen<br />
Arbeitsfl uss gerissen – auch für die Frage, was Sie am Wochenen<strong>de</strong><br />
planen.<br />
Bis Sie wie<strong>de</strong>r die volle Konzentration für Ihre Aufgaben erreicht<br />
haben, vergehen im Schnitt acht wertvolle Minuten. So gehen<br />
bis zu 28 Prozent Ihrer Arbeitszeit am Tag verloren. Wissenschaftler<br />
am Londoner King‘s College haben herausgefun<strong>de</strong>n, dass die<br />
Empfänger hereinströmen<strong>de</strong>r E-Mails dramatisch weniger leisten<br />
als Menschen ohne permanente E-Mail-Unterbrechung.<br />
Planen Sie <strong>de</strong>shalb feste Zeiten in Ihren Tagesablauf ein, zu <strong>de</strong>nen<br />
Sie sich konzentriert <strong>de</strong>r Bearbeitung Ihrer Mails widmen.<br />
Für ganz wichtige Personen, <strong>de</strong>nen Sie sofort antworten müssen,<br />
können Sie sich eine VIP-Funktion einrichten. Dann wer<strong>de</strong>n<br />
Sie nur informiert, wenn diese Person Ihnen eine Nachricht<br />
schickt. Sie wer<strong>de</strong>n sich wun<strong>de</strong>rn, wie selten dies <strong>de</strong>r Fall ist.<br />
Schaffen Sie sich ein Ordnungssystem<br />
Ihr E-Mail-Postfach ist nichts an<strong>de</strong>res als Ihr Schreibtisch, bei<br />
<strong>de</strong>m Sie auch ein Ablagesystem brauchen – nur mit einigen<br />
technischen Hilfen. Überlegen Sie sich, welche Ordnerstruktur<br />
für Sie hilfreich ist. Mo<strong>de</strong>rne Mail-Systeme bieten die Möglichkeit,<br />
Nachrichten automatisch bestimmten Ordnern zuzuordnen.<br />
So können Sie <strong>de</strong>n Posteingang durch Regeln so strukturieren,<br />
dass alle Mails, bei <strong>de</strong>nen Sie nur im CC: stehen, in einen CC:-<br />
Ordner verschoben wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Sie dann zu einem Zeitpunkt<br />
öffnen können, <strong>de</strong>r Ihnen passt.<br />
Mit einer automatischen Ordnerzuordnung können Sie Ihren E-<br />
Mail-Eingang vorstrukturieren und sich die Bearbeitung <strong>de</strong>utlich<br />
vereinfachen.<br />
Fassen Sie eine E-Mail möglichst nur einmal an<br />
Wenn Sie eine Nachricht öffnen, entschei<strong>de</strong>n Sie wie bei einem<br />
Brief direkt, was Sie damit tun:<br />
<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n nicht mehr auf das verzichten wollen, was sie hinzugewonnen<br />
haben und ihnen ein<strong>de</strong>utig eine neue Machtposition<br />
verschafft hat“ (siehe Kasten Seite 28: „Social Media für<br />
<strong>de</strong>n Mittelstand: Was sagen die Experten?“).<br />
Der Mittelstand müsse auf echte Partnerschaft mit seinen<br />
Kun<strong>de</strong>n setzen, davon ist auch „Saft-Tante“ Kirstin Walther<br />
überzeugt. Und sie belässt es nicht bloß bei Worten, son<strong>de</strong>rn<br />
lässt Taten sprechen: In diesem Herbst for<strong>de</strong>rte sie über ihre<br />
> Löschen<br />
> Direkt beantworten<br />
> Ablegen<br />
> Auf Wie<strong>de</strong>rvorlage legen<br />
> Sonstiges<br />
Je öfter Sie eine E-Mail anfassen, umso mehr Ihrer wertvollen<br />
Kapazität bin<strong>de</strong>t sie.<br />
Wenn sich aus einer Mail eine Aufgabe ergibt, die Sie später<br />
angehen wollen, etwa ein Telefonat, besteht bei mo<strong>de</strong>rnen Programmen<br />
die Möglichkeit, die Mail einfach in eine Aufgabe zu<br />
verwan<strong>de</strong>ln und diese Aufgabe dann mit einem Termin zu versehen,<br />
zu <strong>de</strong>m Sie die Aufgabenerledigung planen. Sie wer<strong>de</strong>n<br />
dann sogar rechtzeitig an diese Aufgabe erinnert.<br />
Gestalten Sie eine aussagekräftige Betreffzeile<br />
Je klarer Sie <strong>de</strong>m Empfänger sagen, was Sie wollen, <strong>de</strong>sto weniger<br />
Nachfass-E-Mails braucht es, bis Sie die Antwort erhalten,<br />
die Sie brauchen. Geben Sie wesentliche Informationen und gewünschte<br />
Aktivität im Betreff an.<br />
Hier einige Beispiele für Betreff-Konkretisierungen:<br />
> Bitte um Antwort bis …<br />
> Bitte um Erledigung bis ...<br />
> Nur zur Information<br />
> Bitte um Weiterleitung an …<br />
> Für Ihre Ablage …<br />
Verzichten Sie bei Antworten auf Signaturen<br />
E-Mails sind ein schnelles Medium, bei <strong>de</strong>m schnell und kurz<br />
geantwortet wird. Gesetzliche Vorschriften und häufi g auch das<br />
CI Ihres Unternehmens erfor<strong>de</strong>rn lange Signaturen. Häufi g führt<br />
dies dazu, dass Mails, die öfter hin und her gehen, völlig unübersichtlich<br />
wer<strong>de</strong>n und die kurze Antwort im Signaturen-Wust<br />
untergeht. Unterdrücken Sie bei Antworten und bei internen<br />
Mails <strong>de</strong>shalb Ihre Signatur. Sie wer<strong>de</strong>n sich wun<strong>de</strong>rn, wie viel<br />
Lesezeit Sie sparen.<br />
Homepage die Kun<strong>de</strong>n auf: „Wer<strong>de</strong>n Sie unser Obstlieferant!“<br />
Wer Äpfel o<strong>de</strong>r Birnen, Johannisbeeren o<strong>de</strong>r Sauerkirschen<br />
aus <strong>de</strong>m eigenen Garten in <strong>de</strong>r Kelterei abliefert, bekommt<br />
dafür frisch gepressten Saft zurück und bezahlt dafür nur die<br />
Bearbeitungskosten von 42 Euro-Cents pro Flasche. „Wer<strong>de</strong>n<br />
auch Sie einer von unseren vielen Obstlieferanten“, for<strong>de</strong>rt sie<br />
fröhlich die Leser ihres Blogs auf. Social Media gehen offenbar<br />
wie auch die Liebe durch <strong>de</strong>n Magen.<br />
32 ProFirma 10 2011<br />
Quelle: a2 consulting, Hamburg, Anne Ahlers
Wer eine Stelle zu besetzen hat, <strong>de</strong>r sucht <strong>de</strong>n Besten, <strong>de</strong>r auf<br />
<strong>de</strong>m Markt zu <strong>de</strong>n gegebenen fi nanziellen Bedingungen zu<br />
haben ist. Das ist ganz in Ordnung so. Was „<strong>de</strong>r Beste“ nun<br />
wirklich können soll, ist im Einzelfall nicht immer ganz leicht<br />
zu beschreiben. Ganze Generationen von Autoren haben sich<br />
an Stellenbeschreibungen, Kompetenzprofi len und Aufgabenbeschreibungen<br />
versucht – häufi g mit unbefriedigen<strong>de</strong>m<br />
Ergebnis. Die Praktiker entschei<strong>de</strong>n am En<strong>de</strong> nach Erfahrung<br />
und Gefühl, und sie liegen dabei nur selten wirklich daneben.<br />
Die gewünschte Qualifi kation muss als Bandbreite beschrieben<br />
wer<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>n fachlichen Kompetenzen und <strong>de</strong>r sozialen<br />
Kompetenz einschließlich <strong>de</strong>r Führungskompetenz. Man<br />
will schließlich <strong>de</strong>n Betriebsfrie<strong>de</strong>n nicht stören, in<strong>de</strong>m man<br />
einen Überfl ieger o<strong>de</strong>r einen „low performer“ einstellt. Auch<br />
das ist im Prinzip in Ordnung. Wer sich die Mühe macht, ein<br />
Anfor<strong>de</strong>rungsprofi l zu beschreiben, <strong>de</strong>r hat schon einen wichtigen<br />
Teil <strong>de</strong>s Auswahlprozesses erfolgreich gemeistert.<br />
Es gibt aber ein Totschlagargument, mit <strong>de</strong>m Bewerber chancenlos<br />
in die Flucht geschlagen wer<strong>de</strong>n können: Sie seien<br />
überqualifi ziert, also nicht geeignet. In letzter Zeit hörte <strong>de</strong>r<br />
Autor in seiner Eigenschaft als Personalberater diese Feststellung<br />
öfters. Dabei ist es einer <strong>de</strong>r merkwürdigsten Gedankengänge,<br />
die man sich im Umfeld einer Stellenbesetzung vorstellen<br />
kann. <strong>Als</strong> ob man (also ein Mensch) immer genau nur<br />
so viel Grips, Bildung, Training, Kompetenz und Kraft haben<br />
dürfte, wie in <strong>de</strong>r Stellenbeschreibung ausgewiesen ist. Was<br />
weniger ist, führt zum Ausschluss wegen mangeln<strong>de</strong>r Kompetenz.<br />
Was über das gewünschte Maß hinausragt, führt dann<br />
zum Ausschluss wegen Überqualifi zierung. Eine merkwürdige<br />
Denkweise.<br />
Was ist das eigentlich: Überqualifi zierung? Wer fürchtet sich<br />
hier eigentlich wovor? Die nächsthöhere Ebene, weil bei guten<br />
Leuten im Unterbau die Schwächen an <strong>de</strong>r Spitze sichtbar<br />
ProFirma 10 2011<br />
Quer<strong>de</strong>nker<br />
Martin Beck Der Unternehmensberater<br />
ist Großhan<strong>de</strong>lskaufmann, Diplom-<br />
Betriebswirt (FH) und Honorarprofessor<br />
an <strong>de</strong>r Hochschule Nürtingen.<br />
www.prof-beck.net<br />
Was heißt überqualifi ziert?<br />
Von Professor Martin Beck<br />
wer<strong>de</strong>n? O<strong>de</strong>r die Kollegen, weil ihre Bierruhe durch einen<br />
klugen Kopf gestört wer<strong>de</strong>n könnte? Ist es die Angst, dass<br />
ein intellektuell nicht ausgelasteter Mitarbeiter sich als Klugscheißer,<br />
als Besserwisser, als Nörgler, als Unruhestifter herausstellt?<br />
Könnte er bald Gehaltsfor<strong>de</strong>rungen stellen, die <strong>de</strong>n<br />
Betriebsfrie<strong>de</strong>n stören?<br />
Die ketzerische Frage ist ja, was besser ist: Wenn ein Kandidat<br />
im Beruf überfor<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r unterfor<strong>de</strong>rt und unausgelastet<br />
ist? Der überfor<strong>de</strong>rte Mitarbeiter wird rasch entsprechen<strong>de</strong><br />
Symptome zeigen und vermutlich immer wie<strong>de</strong>r ausfallen.<br />
Der unterfor<strong>de</strong>rte Mitarbeiter hätte theoretisch noch Kapazitäten,<br />
um über seine konkrete Tätigkeit hinaus zu <strong>de</strong>nken und<br />
I<strong>de</strong>en für die Weiterentwicklung zu liefern – sofern das überhaupt<br />
erwünscht ist. Man muss es nur erkennen und dann<br />
aktiv nutzen!<br />
Wer im Beruf nicht ganz ausgefüllt ist – und das muss ja<br />
nicht gegen <strong>de</strong>n Mitarbeiter sprechen, es kann auch eine<br />
Fehlleistung <strong>de</strong>r Firma sein –, <strong>de</strong>r sucht eben seine geistige<br />
und mentale Befriedigung nach Feierabend. Vereine und Kirchen<br />
und Kommunalpolitik leben von solchen Leuten, die<br />
mehr könnten, aber unbefriedigt und unausgelastet von <strong>de</strong>r<br />
Arbeit kommen und dann im Ehrenamt aufblühen. Das ist<br />
zwar betrieblich kritisch zu sehen, aber für die Gesellschaft<br />
ganz gut so.<br />
Dem Autor ist in langer Berufspraxis noch niemand begegnet,<br />
<strong>de</strong>r zu gescheit für seine Arbeit gewesen wäre. Zu gescheit,<br />
also überqualifi ziert, ist eigentlich niemand. Es gibt höchstens<br />
solche, <strong>de</strong>ren Potenziale nicht erkannt o<strong>de</strong>r nicht gewollt<br />
wer<strong>de</strong>n und die dann unter ihren Möglichkeiten beschäftigt<br />
bleiben. Das ist Verschwendung von knappen betrieblichen<br />
Ressourcen, die dringend zur Verbesserung von Produkten<br />
und Strukturen gebraucht wür<strong>de</strong>n. Es ist Chefsache, diese Verschwendung<br />
zu erkennen und zu been<strong>de</strong>n.<br />
Kolumne<br />
33
Unternehmensführung – Franchising 2011<br />
Vertrieb und Verkauf<br />
Wachstum mit System<br />
Franchise wan<strong>de</strong>lt sich vom reinen Betreibermo<strong>de</strong>ll zum Unternehmer-Franchising.<br />
Die regionalen Franchise-Nehmer sollen als Unternehmer arbeiten. In diesem Jahr sollen<br />
<strong>de</strong>utschlandweit mehr als 10.000 neue Arbeitsplätze entstehen. VON KLAUS DIETZEL<br />
„Sogar <strong>de</strong>r Henry Maske hat seine Kohle<br />
in einige McDonald’s-Filialen gesteckt.<br />
Ich <strong>de</strong>nke, eine lohnen<strong>de</strong> Investition“,<br />
schreibt <strong>de</strong>r User „hm lecker“<br />
als Anmerkung zu einem Bericht über<br />
die aktuelle Bilanz von McDonald’s<br />
Deutschland, welche die Tageszeitung<br />
„Die Welt“ auf ihrer Homepage veröffentlicht<br />
hat. Und damit könnte <strong>de</strong>r unbekannte<br />
Kommentator recht haben:<br />
Mit über drei Milliar<strong>de</strong>n Euro Restaurantumsatz<br />
(netto) und 981 Millionen<br />
Gästen hat <strong>de</strong>r Burger-Brater das Geschäftsjahr<br />
2010 been<strong>de</strong>t. Im Vergleich<br />
zum Jahr 2009 ist <strong>de</strong>r Umsatz um 3,7<br />
Prozent angestiegen, die Gästezahl legte<br />
um 0,9 Prozent, <strong>de</strong>r durchschnittliche<br />
Kassenbon um 2,8 Prozent zu. „Wir<br />
haben im Jahr 2010 zum siebten Mal in<br />
Folge unseren Nettoumsatz gesteigert<br />
und erstmals die Grenze von drei Milliar<strong>de</strong>n<br />
Euro überschritten. Das ist ein<br />
starkes Ergebnis“, so <strong>de</strong>r Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong><br />
Bane Knezevic. Für<br />
McDonald’s und seine mehr als 250<br />
Franchise-Nehmer ist klar: „Wir wollen<br />
unseren Marktanteil weiter steigern“,<br />
betont Knezevic.<br />
Überdurchschnittliches Wachstum<br />
Anlässlich seines 40. Jubiläums hat Mc<br />
Donald’s Deutschland seine ohnehin<br />
schon gut geölte Marketingmaschinerie<br />
nochmals aufgedreht und setzt auf die<br />
neuen Möglichkeiten <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>nbindung<br />
via Internet: So hatten die Kun-<br />
<strong>de</strong>n beim Online-Wettbewerb „Mein<br />
Burger“ die Möglichkeit, aus einem Set<br />
an Zutaten eine eigene Kreation zusammenzubauen.<br />
„Der von einer Jury<br />
gekürte Burger wur<strong>de</strong> Mitte <strong>de</strong>s Jahres<br />
in unseren Restaurants verkauft“, sagt<br />
Holger Beeck, stellvertreten<strong>de</strong>r Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>r<br />
und Vorstand Operations<br />
bei McDonald’s Deutschland<br />
(COO), München.<br />
Neue I<strong>de</strong>en sind aber nicht nur im Marketing<br />
gefragt. Denn in <strong>de</strong>r Branche<br />
spielt längst nicht mehr <strong>de</strong>r Preis die ent-<br />
schei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle. Der Fast-Food-Esser<br />
von heute will nicht nur <strong>de</strong>n günstigsten<br />
Preis, son<strong>de</strong>rn wird anspruchsvoller. Er<br />
verlangt Qualität, gesun<strong>de</strong> Produkte,<br />
eine breite Auswahl – ein wahrer Fast-<br />
Food-Genießer sozusagen.<br />
Insofern sind Produktinnovationen und<br />
<strong>de</strong>r Ausbau <strong>de</strong>r Angebotsvielfalt wichtige<br />
Umsatztreiber – neben <strong>de</strong>n Klassikern<br />
wie Big Mac, Hamburger & Cheesburger<br />
gewinnen Salate, Bio-Milch o<strong>de</strong>r Fruchttüten<br />
an Be<strong>de</strong>utung. O<strong>de</strong>r die neu ein-<br />
„Die Erfahrung zeigt, dass Partner, die unser<br />
Weiterbildungsangebot konsequent nutzen,<br />
auch wirtschaftlich erfolgreicher sind.“<br />
SEBASTIAN REIF, VERTRIEBSCHEF DEUTSCHLAND BEI TOWN & COUNTRY, DRESDEN<br />
geführten Veggieburger o<strong>de</strong>r McWraps,<br />
die neue Zielgruppen ansprechen.<br />
Nicht zuletzt auch McCafé, das <strong>de</strong>n<br />
Umsatz im Jahr 2010 um 17,2 Prozent<br />
steigern konnte. Nach 81 Eröffnungen<br />
im vergangenen Jahr gibt es inzwischen<br />
737 McCafés in Deutschland. „Mittlerweile<br />
fi n<strong>de</strong>t bereits je<strong>de</strong>r dritte Coffeeshop-Besuch<br />
<strong>de</strong>r Deutschen in einem<br />
McCafé statt“, so Knezevic. 2011 sollen<br />
weitere 20 bis 30 McCafés eröffnen.<br />
McDonald‘s<br />
Im Fokus <strong>de</strong>r Restauranteröffnungen<br />
privat,<br />
stan<strong>de</strong>n im Jahr 2010 hoch frequen-Foto: 34 ProFirma 10 2011
McDonald‘s setzt weiterhin auf Expansion und auf sein Franchise-System.<br />
Sowohl die Zahl <strong>de</strong>r Restaurants (oben) wie auch <strong>de</strong>r McCafés steigt kontinuierlich.<br />
tierte Plätze wie Flughäfen und Bahnhöfe.<br />
25 Restaurants machten auf. In<br />
diesem Jahr plant Mc Donald’s rund 20<br />
bis 30 weitere Eröffnungen. In fünf Jahren<br />
will das Unternehmen hierzulan<strong>de</strong><br />
mit 1.500 Standorten vertreten sein.<br />
Das Wachstum spiegelt sich auch in <strong>de</strong>n<br />
Neueinstellungen wi<strong>de</strong>r: McDonald’s<br />
und seine Franchise-Nehmer haben<br />
im vergangenen Jahr 2.000 Mitarbeiter<br />
eingestellt. Auch 2011 will die globale<br />
„Fritten-Bu<strong>de</strong>“ vor allem über von Franchise-Nehmern<br />
betriebene Restaurants<br />
wachsen. Derzeit betreiben die 251<br />
Franchise-Nehmer als eigenständige<br />
Unternehmer 1.136 Restaurants unter<br />
<strong>de</strong>r Marke Mc Donald’s – die Franchise-<br />
Quote liegt bei rund 80 Prozent. „Nur<br />
über unsere Franchise-Nehmer können<br />
wir in je<strong>de</strong>r Region auf spezielle Marktbeson<strong>de</strong>rheiten<br />
eingehen“, so <strong>de</strong>r Mc<br />
Donald’s-Chef. Die Verbindung von<br />
ProFirma 10 2011<br />
lokaler Verwurzelung, Know-how und<br />
starker Marketing-Power sei wesentlicher<br />
Baustein <strong>de</strong>s Erfolgs <strong>de</strong>s Burger-<br />
Braters, <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r Eröffnung <strong>de</strong>s<br />
ersten McDonald’s-Restaurants in <strong>de</strong>r<br />
Martin-Luther-Straße in München im<br />
Jahr 1971 vier Jahre später das damals<br />
neue Segment Franchising startete.<br />
Franchising-Wirtschaft überzeugt<br />
Doch nicht nur für Mc Donald’s war<br />
2010 ein gutes Jahr. Auch die <strong>de</strong>utsche<br />
Franchise-Wirtschaft insgesamt legte<br />
zu. Dies zeigt die aktuelle Erhebung zur<br />
Entwicklung <strong>de</strong>s Wirtschaftszweigs, die<br />
das Internationale Centrum für Franchising<br />
& Cooperationen aus Münster<br />
im Auftrag <strong>de</strong>s Deutschen Franchise-<br />
Verbands (DFV) durchführte. Demnach<br />
gibt es <strong>de</strong>rzeit insgesamt rund 463.000<br />
Beschäftigte in <strong>de</strong>r Franchise-Wirt-<br />
schaft. Angestellt sind diese bei etwa<br />
65.500 Franchise-Nehmern, ein Plus<br />
von 7,4 Prozent gegenüber 2009.<br />
Die Zahl <strong>de</strong>r Franchise-Systeme ist<br />
mit rund 980 konstant geblieben. Gemeinsam<br />
erwirtschaftete die Franchise-<br />
Wirtschaft einen Gesamtumsatz von<br />
mehr als 55 Milliar<strong>de</strong>n Euro (rund 15<br />
Prozent mehr als im Jahr zuvor). Ein<br />
interessantes Ergebnis liefert die Untersuchung<br />
auch zur Branchenaufteilung.<br />
Demnach stammen 46 Prozent <strong>de</strong>r<br />
Franchise-Sys-teme aus <strong>de</strong>m Dienstleistungsbereich,<br />
32 Prozent aus <strong>de</strong>m<br />
Han<strong>de</strong>l, 15 Prozent aus <strong>de</strong>m Gastgewerbe<br />
und sieben Prozent aus <strong>de</strong>m Handwerk.<br />
„Die Zahlen für 2010 machen<br />
<strong>de</strong>utlich, dass Franchising unabhängig<br />
von konjunkturellen Entwicklungen<br />
attraktiv ist“, fasst Torben L. Bro<strong>de</strong>rsen,<br />
Geschäftsführer <strong>de</strong>s DFV in Berlin, zufrie<strong>de</strong>n<br />
zusammen. Die althergebrachte<br />
Aussage, dass sich Existenzgrün<strong>de</strong>r nur<br />
in wirtschaftlich schwierigen Zeiten für<br />
das Franchising entschei<strong>de</strong>n, sei gera<strong>de</strong><br />
durch <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utlichen Anstieg bei <strong>de</strong>r<br />
Zahl <strong>de</strong>r Franchise-Nehmer wi<strong>de</strong>rlegt<br />
wor<strong>de</strong>n. Vielmehr zeigt die Umsatzsteigerung<br />
laut Bro<strong>de</strong>rsen, dass die Branche<br />
vom Aufschwung 2010 <strong>de</strong>utlich profi -<br />
tieren konnte. „Das gute Ergebnis haben<br />
wir <strong>de</strong>n vielen etablierten und vom Verbraucher<br />
angenommenen Geschäftsmo<strong>de</strong>llen<br />
zu verdanken“, so Bro<strong>de</strong>rsen,<br />
<strong>de</strong>r die Franchise-Wirtschaft als immer<br />
wichtiger wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Bestandteil <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Gesamtwirtschaft sieht.<br />
In die gleiche Kerbe schlägt Felix Peckert,<br />
Franchise-Experte und Berater bei<br />
<strong>de</strong>r Unternehmensgruppe Peckert in<br />
Bonn: „Hauptursache für das zweistellige<br />
Umsatzwachstum <strong>de</strong>r Franchise-<br />
Wirtschaft ist das Partnerwachstum<br />
selbst.“ Während vor fünf Jahren nur<br />
je<strong>de</strong>r fünfte Franchise-Nehmer mehr<br />
als einen Standort aufwies, sei es heute<br />
schon fast je<strong>de</strong>r dritte. Die Unternehmensgrößen<br />
<strong>de</strong>r Franchise-Partner<br />
wachsen also. Sie machen heute mit<br />
einem o<strong>de</strong>r mehreren Betrieben durchschnittlich<br />
1,2 Millionen Euro Umsatz.<br />
Dahinter steht nach Ansicht Peckerts<br />
eine neue Entwicklung: „Früher haben<br />
Franchise-Geber die meiste Energie für<br />
die Standardisierung und nicht für<br />
35
Unternehmensführung – Franchising 2011<br />
die Expansion aufgebracht.“ Heute rücke<br />
die konsequente und nachhaltige<br />
Expansion in <strong>de</strong>n Fokus. „Das ist <strong>de</strong>r<br />
eigentliche Zweck von Franchise“, sagt<br />
Peckert. Er verkün<strong>de</strong>t für die Branche<br />
noch bessere Zahlen als <strong>de</strong>r DFV-Chef:<br />
Demnach gibt es <strong>de</strong>rzeit insgesamt rund<br />
680.000 Beschäftigte (plus 12,8 Prozent)<br />
in <strong>de</strong>r Branche. Angestellt sind diese bei<br />
etwa 105.000 Franchise-Nehmern, ein<br />
Plus von 4,1 Prozent gegenüber 2009.<br />
Die Zahl <strong>de</strong>r Systeme ist mit rund 945<br />
konstant geblieben. Gemeinsam erwirtschaftete<br />
die Franchise-Wirtschaft<br />
mehr als 75,6 Milliar<strong>de</strong>n Euro Gesamtumsatz.<br />
Ten<strong>de</strong>nz zum Marken-Franchise<br />
Ten<strong>de</strong>nz steigend. Denn die Entwicklung<br />
geht in Richtung Marken-Franchise:<br />
Damit kann ein Franchise-Partner mit<br />
mehreren Betrieben wachsen. „<strong>Als</strong> Filialist<br />
ist er so nicht mehr zwingend je<strong>de</strong>n<br />
Tag selbst in das operative Geschäft eingebun<strong>de</strong>n.<br />
Er kann vielmehr an seinem<br />
Unternehmen arbeiten“, so Peckert. Für<br />
die Weiterentwicklung zum expansiven<br />
System müssten sich die Franchise-Zentralen<br />
allerdings stärker auf das regionale<br />
Marketing konzentrieren. Hier hat<br />
sich bei vielen Systemen bereits einiges<br />
getan. Nicht nur bei Mc Donald’s.<br />
So hat mit <strong>de</strong>r Langnese Happiness Station<br />
von Unilever gera<strong>de</strong> ein weiteres<br />
Großunternehmen neben <strong>de</strong>r klassischen<br />
Distribution über <strong>de</strong>n dreistufi<br />
gen Vertrieb ein eigenes Franchise-System<br />
gestartet. „<strong>Als</strong> Weltmarktführer im<br />
Bereich Speiseeis wollen wir die Präsenz<br />
unserer starken Marken Magnum, Cornetto<br />
und Cremissimo in Einkaufscentern,<br />
Bahnhöfen und Flughäfen ausbauen.<br />
In meinen Augen bietet lediglich <strong>de</strong>r<br />
Vertriebsweg Franchise diese Möglichkeit“,<br />
sagt Olaf Lange, Verkaufsdirektor<br />
Franchising bei Unilever Deutschland.<br />
Im Jahr 2011 soll die Langnese Happiness<br />
Station national ausrollen. Hierbei<br />
setzt das Unternehmen insbeson<strong>de</strong>re<br />
auf das eigene Shop-Modul sowie auf<br />
ein neues Shop-in-Shop-System. Neben<br />
<strong>de</strong>r Erschließung neuer Standorte und<br />
<strong>de</strong>r Akquise neuer Franchise-Nehmer<br />
in Deutschland sollen die Marketingak-<br />
tivitäten optimiert wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m<br />
will <strong>de</strong>r Konsumgüterhersteller das<br />
Franchise-System vielleicht auf weitere<br />
Marken übertragen: „Aus meiner Sicht<br />
wäre <strong>de</strong>r Vertriebsweg Franchise auch<br />
für an<strong>de</strong>re Unilever-Marken eine sinnvolle<br />
Alternative“, so Lange.<br />
Und Unilever ist kein Einzelfall – die<br />
Textilindustrie gilt hier nach wie vor als<br />
Vorreiter. „Ich glaube, dass für expansive<br />
Großunternehmen heute kein Weg<br />
mehr an einem eigenen Han<strong>de</strong>lssystem<br />
vorbeigeht“, analysiert Peckert. Ansonsten<br />
wür<strong>de</strong> die eigene Marke in <strong>de</strong>r Vielfalt<br />
<strong>de</strong>r Han<strong>de</strong>lslandschaft untergehen<br />
und seiner Möglichkeiten beraubt. Vor<br />
allem Markenhersteller sollten laut Pe-<br />
ckert auf Marken-Franchise setzen. Sie<br />
ersparen sich so die Tiefen <strong>de</strong>r Filialsystemführung<br />
und schaffen es <strong>de</strong>nnoch,<br />
mit einem eigenen Marktauftritt ihre<br />
Kun<strong>de</strong>n zu erreichen. Wichtig ist allerdings:<br />
Bevor sich die Markenhersteller<br />
an Grün<strong>de</strong>r wen<strong>de</strong>n, sollten sie prüfen,<br />
ob ihr Know-how tatsächlich reicht, um<br />
Unternehmern zu zeigen, wie sie <strong>de</strong>n<br />
lokalen Markt erobern können. „Oft<br />
sind Markenhersteller besser beraten,<br />
sich mit ihren Franchise-Konzepten<br />
an erfahrene Unternehmer aus <strong>de</strong>r eigenen<br />
Branche zu richten“, so Peckert.<br />
Diese könnten dann mit <strong>de</strong>m Konzept<br />
und <strong>de</strong>r Markenmacht <strong>de</strong>s Herstellers<br />
schneller und einfacher <strong>de</strong>n regionalen<br />
Markt erobern.<br />
Doch nicht immer mangelt es <strong>de</strong>m<br />
Grün<strong>de</strong>r an Erfahrung, die <strong>de</strong>r Hersteller<br />
selbst ja häufi g auch nicht wirklich<br />
hat. So konnte <strong>de</strong>r Franchise-Geber<br />
Baby-One aus Bielefeld zahlreiche Fachmärkte<br />
erfolgreich in sein System integrieren.<br />
„Mit <strong>de</strong>r Unterstützung unserer<br />
Franchise-Nehmer, Kun<strong>de</strong>n und Mitarbeiter<br />
konnten wir unseren Marktanteil<br />
<strong>de</strong>utlich ausbauen“, sagt Wilhelm<br />
Weischer. Gleichzeitig habe Baby-One<br />
einen Online-Shop aufgebaut, um <strong>de</strong>n<br />
stationären Einzelhan<strong>de</strong>l zu stärken.<br />
„Nun können die Endkun<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n<br />
Die Kette Vapiano verfolgt mit ihrem System die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s etwas an<strong>de</strong>ren Schnellrestaurants.<br />
Die Atmosphäre ist luftig-mo<strong>de</strong>rn, das Angebot im mittleren Preissegment angesie<strong>de</strong>lt.<br />
Vorteilen und Synergien bei<strong>de</strong>r Kanäle<br />
profi tieren“, sagt Weischer.<br />
Im Sinne von Marken-Franchise beginnen<br />
jetzt immer mehr Franchise-Geber,<br />
die Expansion ihrer Franchise-Partner<br />
konsequent zu för<strong>de</strong>rn und zu for<strong>de</strong>rn.<br />
Sogar junge Franchise-Geber stellen<br />
ihre Franchise-Systeme heute schon<br />
von Beginn an auf starke und expandieren<strong>de</strong><br />
Franchise-Partner ein. Sie verlieren<br />
die Angst vor großen Franchise-<br />
Partnern und for<strong>de</strong>rn konkrete Rezepte,<br />
um ihr System expansiv und nachhaltig<br />
zu führen. So etwa Joey’s Pizza Service:<br />
Das Unternehmen aus Hamburg ist<br />
36 ProFirma 10 2011<br />
Foto: Vapiano, privat
„Immer noch viel zu wenige Unternehmer<br />
begreifen, was Franchise wirklich ist, wie es richtig<br />
funktioniert und welches Konzept dahintersteht.“<br />
FRANZ SMEJA, GRÜNDER UND GESCHÄFTSFÜHRER MORGENGOLD, STUTTGART<br />
<strong>de</strong>rzeit mit 173 Betrieben, die von 115<br />
Franchise-Partnern geführt wer<strong>de</strong>n, am<br />
Markt tätig. Trend auch hier: Immer<br />
mehr Partner wachsen mit mehreren<br />
Joey’s-Betrieben. So haben beispielsweise<br />
zwei Partner bereits sieben Betriebe.<br />
„Die Filialisierung wollen wir 2011 forcieren.<br />
Unsere Expansion wird zu rund<br />
50 Prozent mit neuen Partnern und zu<br />
50 Prozent durch bestehen<strong>de</strong> Partner<br />
realisiert“, sagt Karsten Freigang, Geschäftsführer<br />
von Joey’s Pizza Deutschland.<br />
Für das Jahr 2011 erwarten die<br />
Hamburger Pizzabäcker 20 bis 25 neue<br />
Betriebe o<strong>de</strong>r Standorte.<br />
Vorbild McDonald’s<br />
Maßgeblich für ein starkes Wachstum in<br />
<strong>de</strong>n nächsten Jahren wer<strong>de</strong>n die regionale<br />
Marktentwicklung und damit die<br />
Filialisierung <strong>de</strong>r Franchise-Partner nach<br />
<strong>de</strong>m Vorbild von Franchise-Vorreiter<br />
McDonald’s sein. Viele Franchise-Geber<br />
wer<strong>de</strong>n vor allem ihre Systemführungs-<br />
und Expansionssystematik weiterentwickeln<br />
müssen. „Der Franchise-Geber<br />
von morgen muss wissen, wie man<br />
regionale Filialsysteme mit Franchise-<br />
Partnern aufbaut und stetig ausweitet“,<br />
so Peckert. Er müsse aus seinen motivierten<br />
Franchise-Partnern expansive<br />
Unternehmer machen, sein Leistungsangebot<br />
konsequent auf diese ausrichten<br />
und ein wachstumsorientiertes Führungsverständnis<br />
entwickeln.<br />
So wie etwa <strong>de</strong>r Franchise-Geber Morgengold<br />
Frühstücksdienste. Mit 15 neuen<br />
Standorten zeigte <strong>de</strong>r Franchise-Geber<br />
ein überdurchschnittliches Wachstum.<br />
„Auch unsere bestehen<strong>de</strong>n Partner<br />
konnten ihren Markt besser ausschöpfen“,<br />
sagt Franz Smeja, Grün<strong>de</strong>r und<br />
Geschäftsführer <strong>de</strong>s in Stuttgart ansässigen<br />
Franchise-Gebers. Für das laufen-<br />
ProFirma 10 2011<br />
<strong>de</strong> Jahr spielt vor allem <strong>de</strong>r Preisaspekt<br />
eine große Rolle: „Steigen<strong>de</strong> Energiepreise<br />
schlagen sich bei <strong>de</strong>n Benzinkosten<br />
nie<strong>de</strong>r. Steigen<strong>de</strong> Rohstoffkosten<br />
wer<strong>de</strong>n zu höheren Preisen für Backwaren<br />
führen“, analysiert Smeja. Außer<strong>de</strong>m<br />
müsse <strong>de</strong>r Franchise-Geber noch<br />
stärker im Internet wer<strong>de</strong>n. „Hier wird<br />
es gelten, die Kun<strong>de</strong>ngewinnung und<br />
Kun<strong>de</strong>nkommunikation auszubauen,<br />
um die Marke Morgengold nach vorne<br />
zu bringen, aber auch, um <strong>de</strong>n Vertrieb<br />
unserer Partner zu stärken“, so Smeja.<br />
Zehn neue Partner sollen 2011 hinzukommen<br />
– vor allem, um bestehen<strong>de</strong><br />
Lücken zu schließen – etwa in Regensburg<br />
und Cottbus und in <strong>de</strong>r Region<br />
Havelland. Außer<strong>de</strong>m soll die Anzahl<br />
<strong>de</strong>r Franchise-Consultants ausgebaut<br />
wer<strong>de</strong>n, die die Partner in Logistik, Vertrieb,<br />
Organisation und betriebswirtschaftlichen<br />
Fragen unterstützen.<br />
Markenaufbau wird wichtiger<br />
Neben <strong>de</strong>m wirksamen Markteintrittskonzept<br />
wird <strong>de</strong>r Markenaufbau an<br />
Be<strong>de</strong>utung gewinnen. Im Zuge <strong>de</strong>ssen<br />
wer<strong>de</strong>n die Marketingabteilungen<br />
wichtiger und die unterstützen<strong>de</strong>n<br />
Agenturen be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r. „Unerfahrenen<br />
Marketingleitern und ihren Agenturen<br />
stehen schwere Zeiten ins Haus“, prognostiziert<br />
Peckert.<br />
Und auch die kontinuierliche Aus- und<br />
Weiterbildung <strong>de</strong>r Franchise-Partner<br />
gewinnt an Be<strong>de</strong>utung: Der Häuslebauer<br />
Town & Country aus Hörselberg-<br />
Hainich hat sein Fortbildungsangebot,<br />
darunter allein vier IHK-Fortbildungen,<br />
in <strong>de</strong>n vergangenen Jahren stark ausgebaut.<br />
„Die Erfahrung zeigt, dass Partner,<br />
die dieses Angebot für sich und ihre Mitarbeiter<br />
konsequent nutzen, auch wirtschaftlich<br />
erfolgreicher sind“, versichert<br />
Sebastian Reif, Vertriebschef Deutschland<br />
bei Town & Country. Zu<strong>de</strong>m setze<br />
das Unternehmen auf eine Verkaufsstrategie,<br />
die „streng vom Kun<strong>de</strong>n aus<br />
<strong>de</strong>nkt“: Beim fi rmeneigenen Verkaufslehrpfad<br />
wird <strong>de</strong>r Verkäufer zum Helfer<br />
beim Einkauf. „Dieser Ansatz erfor<strong>de</strong>rt<br />
auch neue Wege in <strong>de</strong>r Wissensvermittlung“,<br />
sagt Reif. Statt auf steife Seminaratmosphäre<br />
setze man auf frische Luft<br />
und Bewegung in <strong>de</strong>r freien Natur. „Der<br />
Lehrpfad im Nationalpark Hainich ermöglicht<br />
es, Seminarinhalte mit Bil<strong>de</strong>rn<br />
und <strong>de</strong>r freien Natur zu verknüpfen.<br />
Die Teilnehmer behalten das Gelernte<br />
schneller und besser und öffnen sich für<br />
neue Perspektiven“, so Reif.<br />
Das Image stärken<br />
Dennoch hat die Branche einiges zu tun:<br />
„Immer noch viel zu wenige begreifen,<br />
was Franchise wirklich ist, wie es richtig<br />
funktioniert und welches Konzept dahintersteht“,<br />
so Semja. Das erkenne man<br />
beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r Wirtschaft. Außer<strong>de</strong>m<br />
hat Franchise in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit nach<br />
wie vor nicht <strong>de</strong>n besten Ruf. „Hier ist<br />
noch eine Menge Aufklärungsarbeit zu<br />
leisten“, so Smeja.<br />
Unternehmensberater Peckert sieht<br />
die Grün<strong>de</strong> unter an<strong>de</strong>rem darin, dass<br />
<strong>de</strong>r Franchise-Partner als Unternehmer<br />
nicht frei genug agieren konnte. In <strong>de</strong>r<br />
Folge wur<strong>de</strong>n oft Prozesse geführt, <strong>de</strong>ren<br />
Ausgang we<strong>de</strong>r für die eine noch<br />
für die an<strong>de</strong>re Partei sinnvoll war – außer<br />
für <strong>de</strong>n Anwalt. Denn so mancher<br />
Prozess führte zur endgültigen Pleite<br />
<strong>de</strong>s Franchise-Nehmers, <strong>de</strong>ssen möglicher<br />
Erfolg von Gerichtskosten und<br />
Anwaltshonoraren aufgezehrt wur<strong>de</strong>.<br />
„Diese Fehler gehören mit Marken-<br />
Franchise <strong>de</strong>r Vergangenheit an“, sagt<br />
Peckert. Darauf einen Big Mac.<br />
37
Unternehmensführung – Franchising 2011<br />
INTERVIEW<br />
„Mit Franchising regionale Märkte erobern“<br />
Die Branche hat die Krise fast unbescha<strong>de</strong>t überstan<strong>de</strong>n. Felix Peckert, Franchise-Experte und<br />
Berater bei <strong>de</strong>r Unternehmensgruppe Peckert in Bonn, über neue Wege im Franchising und <strong>de</strong>ren<br />
Auswirkungen für Marketing und Vertrieb. DAS GESPRÄCH FÜHRTE KLAUS DIETZEL<br />
Herr Peckert, die Franchise-Wirtschaft hat die vorige Wirtschaftskrise<br />
fast unbescha<strong>de</strong>t überstan<strong>de</strong>n. Nach einer Talsohle 2009<br />
legte sie im vergangenen Jahr wie<strong>de</strong>r zu. Wie fällt Ihre Analyse<br />
zu 2010 aus?<br />
Peckert: Die Franchise-Wirtschaft konnte im Jahr 2010 erneut<br />
ein zweistelliges Umsatzwachstum verzeichnen und liegt damit<br />
weiterhin <strong>de</strong>utlich über <strong>de</strong>r Konjunkturentwicklung. Hauptursache<br />
dafür ist das Partnerwachstum selbst. Während vor fünf Jahren<br />
nur je<strong>de</strong>r fünfte Partner mehr als einen Standort aufwies, ist<br />
es heute schon fast je<strong>de</strong>r dritte. Die Unternehmensgrößen <strong>de</strong>r<br />
Franchise-Partner wachsen also: Sie machen heute mit einem<br />
o<strong>de</strong>r mehreren Betrieben durchschnittlich mehr als 1,2 Millionen<br />
Euro Umsatz.<br />
Und die Expansion geht weiter?<br />
Peckert: Für die Weiterentwicklung zum expansiven System<br />
müssen sich die Franchise-Zentralen vor allem auf das regionale<br />
Marketing konzentrieren. Hier hat sich bei <strong>de</strong>n marktführen<strong>de</strong>n<br />
Franchise-Systemen bereits einiges getan. Sie haben in das für<br />
die Partner unmittelbar sinnvolle Marketing investiert und die<br />
Betriebsführung weiter vereinfacht. Damit fällt es ihnen heute<br />
leichter, ihre Partner zur Filialisierung, also zum Wachstum mit<br />
mehreren Standorten, zu motivieren. Erfolgreich expandieren<strong>de</strong><br />
Partner sind auch für <strong>de</strong>n Franchise-Geber hilfreich. Sie sind<br />
die Vorbil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Systems und tragen so auch im Bereich <strong>de</strong>r<br />
Partnerakquisition zur Ansprache von besseren und stärkeren<br />
Unternehmensgrün<strong>de</strong>rn bei. Denn es wird auch nach außen bekun<strong>de</strong>t,<br />
dass keine Filialleiter mit Eigenkapital als Betreiber einzelner<br />
Standorte gesucht wird, son<strong>de</strong>rn Unternehmer mit <strong>de</strong>m<br />
Potenzial, mehrere Standorte und damit eigene lokale Filialsysteme<br />
zu führen. So beginnen Franchise-Systeme mit Marken-<br />
Franchise tatsächlich, sich stabiler aufzustellen und schneller zu<br />
wachsen.<br />
Dann dürften die Systeme in diesem Jahr nochmals zulegen?<br />
Peckert: Ich erwarte tatsächlich, dass die Franchise-Wirtschaft<br />
noch weiter an Fahrt aufnehmen wird. Im Sinne von Marken-<br />
Franchise beginnen jetzt immer mehr Franchise-Geber, die<br />
Expansion ihrer Franchise-Partner konsequent zu för<strong>de</strong>rn und<br />
zu for<strong>de</strong>rn. Sogar junge Franchise-Geber stellen ihre Franchise-<br />
Systeme heute schon von Beginn an auf starke und expandieren<strong>de</strong><br />
Franchise-Partner ein. Sie verlieren die Angst vor großen<br />
Partnern und for<strong>de</strong>rn konkrete Rezepte, um ihr System expansiv<br />
und nachhaltig zu führen. Richtig umgesetzt, können Franchise-<br />
Systeme so in <strong>de</strong>n ersten fünf Jahren ihres Bestehens relativ leicht<br />
50 bis 75 Franchise-Partner mit 200 und mehr Standorten aufbauen.<br />
Nach <strong>de</strong>m bisher weitläufi g verbreiteten Direktions-Franchise<br />
wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Praxis in <strong>de</strong>n ersten fünf Jahren oft nicht einmal<br />
100 Standorte erschlossen. Der Fokus auf die Partnerexpansion<br />
steigert aber nicht nur die Systemgrößen, son<strong>de</strong>rn führt auch zu<br />
weniger Fluktuation. Schließlich sind die Unternehmer hier allesamt<br />
auf Expansion ausgerichtet und damit normalerweise auch<br />
erfolgreicher.<br />
Was verstehen Sie unter <strong>de</strong>m Begriff Direktions-Franchise?<br />
Mit Direktions-Franchise bezeichne ich eine aus meiner Sicht veraltete<br />
Form von Franchise. Viele Anwälte forcieren diese aber auch<br />
heute noch. Sie empfehlen sogar, Franchise-Systeme aufzubauen,<br />
die ihre Partner auf die Führung einzelner Betriebe limitieren. Die<br />
an sich sinnvolle Expansion <strong>de</strong>s Franchise-Partners wird hier meist<br />
aus zwei Grün<strong>de</strong>n verhin<strong>de</strong>rt. Erstens: Oftmals sind die Gebiete<br />
schlicht zu klein. Der Betrieb kann für <strong>de</strong>n Franchise-Partner nicht<br />
viel mehr als ein gutes Einkommen abwerfen – und das auch nur,<br />
wenn er selbst operativ die Filialleitung besetzt. Zweitens: Zu<strong>de</strong>m<br />
wird befürchtet, dass große Franchise-Partner zu stark wer<strong>de</strong>n und<br />
die auf Direktion setzen<strong>de</strong> Führung ablehnen und/o<strong>de</strong>r wirksam<br />
umgehen.<br />
Direktions-Franchise wird auch 2011 immer weiter in <strong>de</strong>n Hintergrund<br />
treten. Denn fast alle erfolgreichen Franchise-Partner wollen<br />
mehr als einen Standort betreiben – und nicht als selbstständiger<br />
Filialleiter selbstständig im eigenen Betrieb operativ arbeiten.<br />
Direktions-Franchise wird sich perspektivisch nur dort halten können,<br />
wo <strong>de</strong>r Betriebstyp <strong>de</strong>s Franchise-Systems entwe<strong>de</strong>r keine<br />
Unternehmer anzieht o<strong>de</strong>r diesen keine ausreichend interessante<br />
Gewinnchance bietet.<br />
Ich weiß heute, dass diese auf Direktion und kleine Partnerunternehmen<br />
ausgerichteten Systeme ihre Wachstumsgrenzen spätestens<br />
nach zehn bis 20 Jahren bei zirka 150 bis 200 Franchise-Partnern<br />
erreichen. Sie sind für <strong>de</strong>n erstarken<strong>de</strong>n Wettbewerb meist<br />
zu klein und damit <strong>de</strong>n Herausfor<strong>de</strong>rungen am Markt auf Dauer<br />
nicht mehr gewachsen.<br />
Wie kann man da gegensteuern?<br />
Peckert: Das Sprengen dieser „gewollten“ Wachstumsgrenzen<br />
kann Franchise-Gebern an sich relativ einfach gelingen. Sie müssen<br />
ihren Franchise-Partnern durch größere Gebiete, Expansionschan-<br />
38 ProFirma 10 2011
ProFirma 10 2011<br />
Felix Peckert, Franchise-<br />
Experte und Berater bei<br />
<strong>de</strong>r Unternehmensgruppe<br />
Peckert in Bonn<br />
cen und durch ein besseres Marketing die Chance auf mehr<br />
Kun<strong>de</strong>n, mehr Umsatz und stattliche Gewinne bieten – und es<br />
ihnen auch gönnen. Dadurch wer<strong>de</strong>n die Franchise-Partner in<br />
die Lage versetzt, ihre Betriebe operativ auch von Angestellten<br />
betreiben zu lassen. Ihre Energie konzentrieren sie dann auf<br />
die Expansion und bauen immer wie<strong>de</strong>r neue Betriebe auf. So<br />
entstehen regionale, von Franchise-Partnern aufgebaute und<br />
geführte Filialsysteme, die das Franchise-System auch insgesamt<br />
stärken.<br />
Insofern erwarte ich, dass sich auch in <strong>de</strong>r Rechtsauslegung<br />
und -sprechung eine Menge tun wird. Die Franchise-Partner<br />
wer<strong>de</strong>n zunehmend als Unternehmer eingestuft und damit aus<br />
<strong>de</strong>r Ecke von kleinen Grün<strong>de</strong>rn und Selbstständigen herausgeholt.<br />
Ich bin mir sicher, dass sich Marken-Franchise immer<br />
stärker durchsetzen wird. Ziel muss es sein, das Bild von einem<br />
Unternehmer zweiter Klasse bis zum Jahr 2020 in die Mottenkiste<br />
<strong>de</strong>r Franchise-Wirtschaft zu packen.<br />
Das dürfte dann ja auch wohl Auswirkungen für das Marketing<br />
haben …<br />
Peckert: In <strong>de</strong>r Tat. Auch <strong>de</strong>r Bereich <strong>de</strong>r Werbeagenturen<br />
und Marketingverantwortlichen wird sich in <strong>de</strong>r Franchise-<br />
Wirtschaft in <strong>de</strong>n nächsten Jahren erheblich weiterentwickeln.<br />
Gefragt sind regional wirksame Werbekonzepte, die die Franchise-Partner<br />
vor Ort umsetzen können und die <strong>de</strong>n Systemen<br />
bei ihrem Wachstum und als Marke messbare Erfolge liefern.<br />
Welchen Herausfor<strong>de</strong>rungen ist die Franchise-Wirtschaft hierzulan<strong>de</strong><br />
in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Jahren ausgesetzt?<br />
Peckert: Maßgeblich für ein starkes Wachstum in <strong>de</strong>n nächsten<br />
Jahren wer<strong>de</strong>n die regionale Marktentwicklung und damit die<br />
Filialisierung <strong>de</strong>r Franchise-Partner nach <strong>de</strong>m Vorbild von Franchise-Vorreiter<br />
McDonald’s sein. Viele Franchise-Geber wer<strong>de</strong>n<br />
vor allem ihre Systemführungs- und Expansionssystematik<br />
weiterentwickeln müssen. Der Franchise-Geber von morgen<br />
muss wissen, wie man regionale Filialsysteme mit Franchise-<br />
Partnern aufbaut und stetig ausweitet. Er muss in <strong>de</strong>r Lage<br />
sein, aus seinen motivierten Partnern expansive Unternehmer<br />
zu machen, sein Leistungsangebot konsequent auf diese ausrichten<br />
und ein wachstumsorientiertes Führungsverständnis<br />
entwickeln. Neben <strong>de</strong>m wirksamen Markteintrittskonzept wird<br />
zu<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r regionale und für Franchise-Partner fi nanzierbare<br />
Markenaufbau stark an Be<strong>de</strong>utung gewinnen.<br />
Finanzberater<br />
mit Griechischkenntnissen<br />
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Italienisch<br />
Jobbörse & Stadtportal: Die i<strong>de</strong>ale Kombination für mehr Reichweite<br />
Lokal & regional: Weil immer mehr Bewerber vor Ort suchen<br />
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Berlin<br />
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<strong>de</strong>r Stellenmarkt von meinestadt.<strong>de</strong>
Unternehmensführung – Kooperationen<br />
Interview<br />
„Oft genügt <strong>de</strong>r Handschlag”<br />
Logistik, Entwicklung o<strong>de</strong>r Vertrieb: In vielen Bereichen können Unternehmen mit<br />
<strong>de</strong>n richtigen Partnern ihr Geschäft voranbringen, fi n<strong>de</strong>t Dr. Christoph Beumer,<br />
CEO <strong>de</strong>r Beumer Group GmbH & Co. KG in Beckum. DAS GESPRÄCH FÜHRTE CHRISTOPH LORENZ.<br />
Herr Dr. Beumer, die Beumer Maschinenfabrik<br />
GmbH arbeitet seit mehr als<br />
20 Jahren erfolgreich mit SEW-Eurodrive<br />
zusammen, einem <strong>de</strong>r führen<strong>de</strong>n<br />
Antriebstechnikanbieter. Hatten Sie<br />
nie Be<strong>de</strong>nken wegen eines möglichen<br />
Know-how-Abfl usses?<br />
Beumer: Solche Be<strong>de</strong>nken hatten wir<br />
nie. Mit SEW-Eurodrive arbeiten wir<br />
in einer strategischen Partnerschaft<br />
zusammen und entwickeln Antriebskonzepte<br />
für alle unsere Produktlinien<br />
in <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>r- und Verla<strong>de</strong>technik, Palettier-<br />
und Verpackungstechnik sowie<br />
Sortier- und Verteiltechnik. Wir kümmern<br />
uns um die Funktion und Integration<br />
<strong>de</strong>r Maschinen und Systeme, SEW<br />
steuert das Know-how in <strong>de</strong>r Antriebs-<br />
und Steuerungstechnik bei. Für Neuentwicklungen<br />
erstellen wir gemeinsam<br />
die Konzepte und entwickeln Standards<br />
im Engineering und in <strong>de</strong>r Abwicklung.<br />
Grundlage dafür ist eine gute Vertrauensbasis.<br />
Damit profi tieren bei<strong>de</strong> Partner<br />
vom Know-how <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren, es ist<br />
eine echte Win-win-Situation.<br />
Was zeichnet eine funktionieren<strong>de</strong><br />
Partnerschaft aus – abgesehen von bei<strong>de</strong>rseitigen<br />
wirtschaftlichen Vorteilen?<br />
Beumer: Den Erfolg einer Partnerschaft<br />
messen wir nicht in erster Linie daran,<br />
welchen wirtschaftlichen Erfolg die<br />
Beteiligten kurzfristig haben, son<strong>de</strong>rn<br />
vor allem daran, welchen Nutzen die<br />
Kun<strong>de</strong>n haben. Dieser Nutzen ist groß,<br />
wenn Partner zusammenfi n<strong>de</strong>n, die in<br />
ihrer jeweiligen Disziplin führend sind<br />
– und das wie<strong>de</strong>rum bringt allen Beteiligten<br />
langfristigen Erfolg. Zum zweiten<br />
heißt Partnerschaft für mich nicht, dass<br />
nur <strong>de</strong>r „Partner schafft“. Bei<strong>de</strong> Seiten<br />
sollten gemeinsam wachsen können.<br />
Das macht Partner füreinan<strong>de</strong>r attraktiv.<br />
Je<strong>de</strong>r bringt seine Kernkompetenz zum<br />
Erfolg <strong>de</strong>s gemeinsamen Ganzen ein. Je<br />
vertrauensvoller die Verbindung ist, <strong>de</strong>sto<br />
eher steht man auch Krisen durch.<br />
Wie sollten kleinere mittelständische<br />
Unternehmen bei <strong>de</strong>r Suche nach strategischen<br />
Partnern vorgehen?<br />
Beumer: Zuerst sollten sie <strong>de</strong>n Markt<br />
und <strong>de</strong>n Wettbewerb genau beobachten.<br />
Sie sollten dort nachschauen, wo<br />
ähnliche Projekte realisiert wur<strong>de</strong>n.<br />
Zum an<strong>de</strong>rem bieten Unternehmen auf<br />
Messen, zum Beispiel auf <strong>de</strong>r CeMAT,<br />
eine Fülle von Lösungen an – man muss<br />
sich intensiv umsehen. Beim potenziellen<br />
Partner sollten dabei ähnliche<br />
Tugen<strong>de</strong>n und Arbeitsweisen vorherrschen<br />
wie im eigenen Unternehmen.<br />
Die gleiche Wellenlänge und Mentalität<br />
sind Voraussetzung.<br />
Viele größere Unternehmen beschäftigen<br />
ganze Rechtsabteilungen, die sich<br />
um <strong>de</strong>n Patentschutz und die Ausarbeitung<br />
von Kooperationsverträgen<br />
kümmern, bei <strong>de</strong>nen die Herkunft je<strong>de</strong>r<br />
Schraube vertraglich festgeschrieben<br />
DIE BEUMER GROUP<br />
wur<strong>de</strong> im Jahr 1935 als Maschinenfabrik<br />
am Standort Beckum für die<br />
Produktion von För<strong>de</strong>ranlagen gegrün<strong>de</strong>t.<br />
Erste Aufträge kamen aus<br />
<strong>de</strong>r westfälischen Zement- und Kalkindustrie<br />
und vom Bergbau <strong>de</strong>s Ruhrgebiets.<br />
Heute ist das Unternehmen<br />
mit einem Auslandsanteil von mehr<br />
als 85 Prozent für <strong>de</strong>n Weltmarkt tätig.<br />
Mit rund 2.000 Mitarbeitern und<br />
einer Gesamtleistung von rund 375<br />
Millionen Euro ist die Beumer Group<br />
mit Tochtergesellschaften und Vertretungen<br />
weltweit für unterschiedliche<br />
Branchen präsent.<br />
40 ProFirma 10 2011<br />
Foto: privat
wird. Was bevorzugen Sie: Immer alles<br />
wasserdicht o<strong>de</strong>r auch mal per Handschlag?<br />
Beumer: Wenn die richtige Vertrauensbasis<br />
geschaffen ist, genügt <strong>de</strong>r<br />
Handschlag. Ich halte Beziehungen mit<br />
Handschlagqualität sogar für besser.<br />
Getreu <strong>de</strong>m Motto: Vertrauen ist gut,<br />
ohne Kontrolle ist alles besser. Realistischerweise<br />
muss man aber konstatieren,<br />
dass sich die Welt in diesem Punkt<br />
nicht zum Positiven verän<strong>de</strong>rt hat.<br />
Wenn Sie sich mit einem Partner einig<br />
sind: Wie stellen Sie sicher, dass die<br />
Zusammenarbeit auch auf Arbeitsebene<br />
funktioniert? Setzt man sich da beispielsweise<br />
mit <strong>de</strong>m Kooperationspartner<br />
hin und sagt: Okay, diese bei<strong>de</strong>n<br />
Ingenieure können gut miteinan<strong>de</strong>r,<br />
das müsste funktionieren?<br />
ProFirma 10 2011<br />
Beumer: Sich nur einmal mit <strong>de</strong>m Kooperationspartner<br />
zusammenzusetzen,<br />
reicht hier sicher nicht aus. Nach mehreren<br />
Treffen merkt man aber normalerweise<br />
schnell, ob die Chemie stimmt.<br />
Dazu sollten auch die Kollegen, die später<br />
im Projekt zusammenarbeiten, mit<br />
am Tisch sitzen. Es bringt nichts, wenn<br />
man sich auf Leitungsebene versteht<br />
und in <strong>de</strong>r Praxis nicht.<br />
In welchen Bereichen, zum Beispiel Produktion,<br />
Entwicklung, Vertrieb, lohnen<br />
sich Partnerschaften Ihrer Erfahrung<br />
nach am meisten?<br />
Beumer: Meiner Erfahrung nach lohnen<br />
sich Entwicklungspartnerschaften<br />
am meisten: Je<strong>de</strong>r profi tiert hier vom<br />
Wissen <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren, es fl ießt Knowhow<br />
aus verschie<strong>de</strong>nen Richtungen ein,<br />
Probleme wer<strong>de</strong>n immer aus verschie-<br />
<strong>de</strong>nen Blickwinkeln beleuchtet. <strong>Als</strong> Ergebnisse<br />
erhalten wir Lösungen, die <strong>de</strong>n<br />
höchsten Kun<strong>de</strong>nnutzen haben. Eine<br />
Partnerschaft im Vertrieb lohnt sich<br />
zum Beispiel im Ausland, wenn län<strong>de</strong>rspezifi<br />
sche Beson<strong>de</strong>rheiten zu beachten<br />
sind o<strong>de</strong>r wenn man einen neuen Markt<br />
bearbeiten möchte – dabei tut man sich<br />
gemeinsam leichter.<br />
Welche Exit-Strategien können Sie empfehlen,<br />
falls eine Partnerschaft nicht <strong>de</strong>n<br />
gewünschten Erfolg bringt?<br />
Beumer: Hier empfehle ich ein ehrliches<br />
und offenes Gespräch, um gegebenenfalls<br />
einen gemeinsamen Ansatz<br />
zu fi n<strong>de</strong>n, um die Partnerschaft zu<br />
been<strong>de</strong>n. Ein nächster Schritt könnte<br />
dann sein, eine eigene Fachabteilung zu<br />
schaffen und sich das Wissen ins Haus<br />
zu holen.<br />
„Es bringt nichts,<br />
wenn man sich auf <strong>de</strong>r<br />
Leitungsebene versteht<br />
und in <strong>de</strong>r Praxis nicht.“<br />
DR. CHRISTOPH BEUMER<br />
Dr. Christoph Beumer ist seit <strong>de</strong>m Jahr<br />
1992 Chairman and CEO <strong>de</strong>r Beumer Group<br />
GmbH & Co. KG in Beckum, daneben unter<br />
an<strong>de</strong>rem stellvertreten<strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svereinigung Logistik (BVL).<br />
Er hat in Hannover Maschinenbau studiert.<br />
41
Unternehmensführung<br />
Teilzeitarbeit<br />
Anlass für einen Teilzeitwunsch ist oft<br />
die Geburt von Nachwuchs, weshalb<br />
weit überwiegend Arbeitnehmerinnen<br />
betroffen sind. Je<strong>de</strong> Arbeitnehmerin hat<br />
Anspruch auf eine bis zu dreijährige Elternzeit<br />
je Kind. Die Elternzeit bereitet<br />
<strong>de</strong>m Arbeitgeber meist keine Schwierigkeiten.<br />
Erst <strong>de</strong>r Wunsch <strong>de</strong>r Arbeitnehmerin,<br />
während <strong>de</strong>r Elternzeit in<br />
Teilzeit zu arbeiten, schafft Probleme.<br />
Sofern <strong>de</strong>r Arbeitgeber regelmäßig min-<br />
RECHT<br />
Flexibilität ist gefragt<br />
Teilzeitbeschäftigung ist fester Bestandteil <strong>de</strong>r Arbeitszeitregelung in vielen Betrieben.<br />
Trotz<strong>de</strong>m gibt es oft Probleme, wenn Mitarbeiter ihre Stun<strong>de</strong>nzahl reduzieren wollen.<br />
ProFirma erläutert <strong>de</strong>n rechtlichen Rahmen. VON BERND WELLER<br />
Viele junge Mütter wollen in Teilzeit arbeiten –<br />
wegen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r aber vorwiegend vormittags.<br />
<strong>de</strong>stens 15 Arbeitnehmer beschäftigt,<br />
die Arbeitnehmerin zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s<br />
Teilzeitverlangens länger als sechs Monate<br />
im Unternehmen beschäftigt ist<br />
und die gefor<strong>de</strong>rte Teilzeit min<strong>de</strong>stens<br />
15 und höchstens 30 Stun<strong>de</strong>n je Woche<br />
beträgt, hat die Arbeitnehmerin auf<br />
ihre Teilzeitbeschäftigung während <strong>de</strong>r<br />
Elternzeit auch einen einklagbaren Anspruch<br />
aus § 15 Bun<strong>de</strong>selterngeld- und<br />
Elternzeitgesetz (BEEG).<br />
Der Arbeitgeber kann <strong>de</strong>n Teilzeitanspruch<br />
nur abwehren, wenn er dringen<strong>de</strong><br />
betriebliche Grün<strong>de</strong> anführen<br />
kann, die <strong>de</strong>r Teilzeittätigkeit wi<strong>de</strong>rsprechen.<br />
Dabei wird oft behauptet, die<br />
konkrete Tätigkeit könne nicht in Teilzeit<br />
erledigt wer<strong>de</strong>n. Hier wird regelmäßig<br />
vergessen, dass Kolleginnen einen<br />
vergleichbaren Job bereits in Teilzeit<br />
erledigen. Dieses Argument zieht daher<br />
selten, etwa beim Vertriebsaußen-<br />
42 ProFirma 10 2011
Wie sieht Arbeiten morgen aus?<br />
Unsere Produktmanager und Softwareentwickler arbeiten seit einiger Zeit an einer neuen Nutzeroberfläche für <strong>Haufe</strong> Online-<br />
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Unternehmensführung – Recht<br />
Urteils-Ticker<br />
ALTER GEHT VOR<br />
UNTERHALTSPFLICHTEN<br />
Bei betriebsbedingten Kündigungen<br />
geht bei <strong>de</strong>r Sozialauswahl das Lebensalter<br />
vor Unterhaltspfl ichten, hat<br />
das Lan<strong>de</strong>sarbeitsgericht (LAG) Köln<br />
entschie<strong>de</strong>n. Gekündigt wor<strong>de</strong>n war<br />
einem 53-jährigen, kin<strong>de</strong>rlosen Mitarbeiter,<br />
während sein 35 Jahre alter<br />
Kollege mit zwei Kin<strong>de</strong>rn bleiben<br />
durfte. Die Richter erklärten die Kündigung<br />
für unwirksam, <strong>de</strong>r jüngere<br />
Arbeitnehmer habe <strong>de</strong>utlich bessere<br />
Chancen, eine neue Arbeit zu fi n<strong>de</strong>n.<br />
INFO: LAG Köln, Az. 4/Sa/1122/10<br />
ARBEITNEHMER MUSS<br />
ÜBERSTUNDEN NACHWEISEN<br />
Ein Arbeitgeber muss Überstun<strong>de</strong>n nur<br />
dann bezahlen, wenn <strong>de</strong>r Mitarbeiter<br />
diese im Einzelnen belegen kann, urteilte<br />
das Lan<strong>de</strong>sarbeitsgericht (LAG)<br />
Rheinland-Pfalz. Ein Mitarbeiter wollte<br />
von seinem früheren Arbeitgeber im<br />
Nachhinein 700 Überstun<strong>de</strong>n bezahlt<br />
bekommen. Die Richter <strong>de</strong>s LAG verlangten,<br />
er solle darlegen, an welchen<br />
Tagen und zu welchen Tageszeiten er<br />
Überstun<strong>de</strong>n geleistet habe, und was<br />
er konkret getan habe. Dies konnte<br />
<strong>de</strong>r Mann nicht.<br />
INFO: LAG Rheinland-Pfalz,<br />
Az. 7 Sa 622/10<br />
KEINE KÜNDIGUNG WEGEN<br />
ZU VIELER FEHLER<br />
Ein Arbeitgeber kann einem Angestellten<br />
nicht einfach mit <strong>de</strong>r Begründung<br />
kündigen, er mache zu viele Fehler,<br />
entschied das Lan<strong>de</strong>sarbeitsgericht<br />
(LAG) München. Eine solche Kündigung<br />
setze voraus, dass <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
die „Durchschnittsleistung“ vergleichbarer<br />
Arbeitnehmer über einen<br />
längeren Zeittraum dokumentiert, um<br />
die abweichen<strong>de</strong> Leistung <strong>de</strong>s zu kündigen<strong>de</strong>n<br />
Mitarbeiters festzustellen.<br />
INFO: LAG München,<br />
Az. 3 Sa764/10<br />
dienst mit vielen Reisen o<strong>de</strong>r Arbeit am<br />
Fließband.<br />
Faktisch geht es daher bei <strong>de</strong>r Teilzeitfrage<br />
eher darum, welche Stun<strong>de</strong>nverteilung<br />
möglich ist. Die Arbeitnehmerin<br />
soll bei ihrem Teilzeitwunsch<br />
die gewünschte Arbeitszeitverteilung<br />
angeben. Das ist in <strong>de</strong>r Praxis fast immer<br />
eine Vormittagstätigkeit, <strong>de</strong>nn<br />
nachmittags kann nur selten die externe<br />
Kin<strong>de</strong>sbetreuung gesichert wer<strong>de</strong>n.<br />
Für <strong>de</strong>n Arbeitgeber be<strong>de</strong>utet dies ein<br />
echtes Problem. Von <strong>de</strong>r Kapazität<br />
her hat <strong>de</strong>r Arbeitgeber vormittags ein<br />
Über- und nachmittags ein Unterangebot<br />
zu beklagen. Dies ist ein objektives<br />
Kriterium, welches <strong>de</strong>r Arbeitgeber mit<br />
Erfolg anführen kann. Er teilt <strong>de</strong>r Arbeitnehmerin<br />
daher mit, sie könne gerne in<br />
Teilzeit arbeiten – nachmittags.<br />
Wenn die Elternzeit sich <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> zuneigt,<br />
wird <strong>de</strong>r zweite Teilzeitanspruch<br />
genutzt – § 8 Teilzeit- und Befristungs-<br />
Gesetz (TzBfG). Danach hat je<strong>de</strong>r Arbeitnehmer<br />
das Recht, je<strong>de</strong>rzeit im<br />
Arbeitsverhältnis – sofern dieses schon<br />
länger als sechs Monate besteht und <strong>de</strong>r<br />
Arbeitgeber regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer<br />
beschäftigt – eine Verringerung<br />
<strong>de</strong>r Arbeitszeit zu beanspruchen.<br />
Der Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG ist<br />
nicht auf die Spanne zwischen 15 und<br />
30 Wochenstun<strong>de</strong>n beschränkt. Hier<br />
kann die Arbeitnehmerin noch fl exibler<br />
agieren. Den Teilzeitwunsch muss<br />
die Arbeitnehmerin spätestens drei<br />
Monate vor <strong>de</strong>r geplanten Arbeitszeitreduzierung<br />
geltend machen und dabei<br />
die gewünschte Arbeitszeitverteilung<br />
angeben.<br />
Frist nicht versäumen<br />
Der Arbeitgeber kann <strong>de</strong>m Teilzeitwunsch<br />
betriebliche Grün<strong>de</strong> entgegenhalten.<br />
Seine ablehnen<strong>de</strong> Entscheidung<br />
muss <strong>de</strong>r Arbeitgeber <strong>de</strong>m Arbeitnehmer<br />
spätestens einen Monat vor <strong>de</strong>r<br />
geplanten Verringerung schriftlich<br />
mitteilen. Versäumt er die Frist, tritt<br />
automatisch die vom Arbeitnehmer<br />
gewünschte Arbeitszeitreduktion ein.<br />
Der Arbeitgeber muss seine Entscheidung<br />
nicht begrün<strong>de</strong>n; tut er dies jedoch<br />
nicht, sind seine Einwendungen<br />
in einem Gerichtsprozess unbeachtlich,<br />
wenn sie vom Arbeitnehmer zuvor hätten<br />
ausgeräumt wer<strong>de</strong>n können. Eine<br />
schriftliche Begründung ist daher dringend<br />
ratsam. Auch hier bleibt für <strong>de</strong>n<br />
Arbeitgeber faktisch die Möglichkeit<br />
<strong>de</strong>r Ablehnung, in<strong>de</strong>m die gewünschte<br />
Arbeitszeitverteilung angegriffen wird.<br />
Der neueste Teilzeitanspruch ist <strong>de</strong>m<br />
Pfl egezeitgesetz zu entnehmen, wonach<br />
je<strong>de</strong>r Arbeitnehmer höchstens<br />
sechs Monate „Auszeit“ für die Pfl ege<br />
bedürftiger naher Angehöriger beanspruchen<br />
kann, sofern <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt.<br />
Hier muss <strong>de</strong>r Arbeitnehmer seine Pfl egezeit<br />
spätestens zehn Tage vor Beginn<br />
ankündigen.<br />
Dringen<strong>de</strong> betriebliche Grün<strong>de</strong><br />
Das Gesetz sieht, auch wenn dies verklausuliert<br />
ist, auch einen Anspruch<br />
<strong>de</strong>s Arbeitnehmers zur teilweisen Befreiung<br />
von <strong>de</strong>r Arbeit, sprich auf Teilzeitbeschäftigung<br />
vor. Auch sind Min<strong>de</strong>st-<br />
und Höchstwochenstun<strong>de</strong>nzahl<br />
nicht vorgesehen. Einwen<strong>de</strong>n kann <strong>de</strong>r<br />
Arbeitgeber hier nur betriebliche Belange.<br />
Wie dies beson<strong>de</strong>rs angesichts <strong>de</strong>r<br />
extrem kurzen Ankündigungsfrist von<br />
zehn Tagen von <strong>de</strong>n Gerichten bewertet<br />
wird, ist noch völlig offen. Entscheidungen<br />
dazu liegen noch nicht vor.<br />
Fazit: In <strong>de</strong>r Regel kann <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
<strong>de</strong>n Teilzeitwunsch eines Arbeitnehmers<br />
nicht mit <strong>de</strong>r pauschalen Begründung<br />
ablehnen, dass die Tätigkeit nicht<br />
in Teilzeit möglich sei. Mehr Erfolg verspricht<br />
die Argumentation mit <strong>de</strong>n tatsächlichen<br />
Gegebenheiten, wonach es<br />
nicht möglich ist, alle (beziehungsweise<br />
viele) Arbeitnehmer nur vormittags zu<br />
beschäftigen, da auch nachmittags die<br />
Erreichbarkeit <strong>de</strong>s Unternehmens nach<br />
außen o<strong>de</strong>r eine Min<strong>de</strong>stproduktionsstärke<br />
erfüllt sein muss. Auch die zeitlich<br />
fl exibleren Vollzeitkräfte können<br />
schließlich ihre Arbeitszeit nicht doppelt<br />
am Nachmittag erbringen.<br />
Der Autor: Bernd Weller ist Fachanwalt für<br />
Arbeitrecht in <strong>de</strong>r Kanzlei Heuking Kühn Lüer<br />
Wojtek, Frankfurt am Main<br />
44 ProFirma 10 2011
Wirtschaftsmagazin<br />
09<br />
4 195069 807601<br />
www.bran<strong>de</strong>ins.<strong>de</strong> brand eins 13. Jahrgang Heft 09 September 2011 7,60 Euro C 50777<br />
Wirtschaft<br />
ist…<br />
Echt?<br />
Schwerpunkt Gut & Böse<br />
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Finanzen & Steuern<br />
Konfl iktmanagement<br />
„Nach zwei Jahren war mein Entschluss<br />
klar. Ich muss hier raus.“ Georg<br />
T., Geschäftsführer einer PR-GmbH, ist<br />
immer noch ziemlich genervt, wenn er<br />
auf seine Erfahrungen mit seinem Ex-<br />
Geschäftspartner angesprochen wird.<br />
Kein Wun<strong>de</strong>r: Die andauern<strong>de</strong>n Konfl<br />
ikte haben die GmbH viele Kun<strong>de</strong>n,<br />
Umsatz und ihn selbst viel Substanz<br />
gekostet. Dabei waren die Auslöser für<br />
die Konfl ikte mit seinem Partner eher<br />
unscheinbar, aber bei<strong>de</strong> fan<strong>de</strong>n nicht<br />
<strong>de</strong>n richtigen Umgang bei Streitigkeiten.<br />
Das ist kein Einzelfall. Beson<strong>de</strong>rs anfällig<br />
für sich aufbauschen<strong>de</strong> Konfl ikte<br />
sind Zwei-Personen-GmbH. Erfahrungsgemäß<br />
kommt es in dieser Konstellation<br />
alle zwei Jahre zu heftigen<br />
Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten zwischen<br />
<strong>de</strong>n beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern,<br />
die über übliche Kontroversen<br />
hinausgehen. Die Folgen: Ist<br />
man sich nicht mehr einig, geht zwar<br />
das Tagesgeschäft weiter. In wichtigen<br />
Entscheidungen – etwa zur Strategie<br />
– kommt man aber nicht zusammen,<br />
was sich in späteren Geschäftsjahren<br />
auswirkt. Die häufi gsten Streitpunkte<br />
sind:<br />
> unterschiedliche Arbeitsstile,<br />
> unterschiedliche Auffassungen über<br />
die Zukunft <strong>de</strong>s Unternehmens,<br />
GMBH-CHEF<br />
Zermürben<strong>de</strong>r Kleinkrieg<br />
Wenn sich die Gesellschafter-Geschäftsführer in einer GmbH ständig streiten, lei<strong>de</strong>n<br />
darunter das Unternehmen, die Mitarbeiter und manchmal sogar die Geschäftspartner.<br />
Vorbeugen ist die beste Lösung. VON LOTHAR VOLKELT<br />
> Konfl ikte über Nebentätigkeiten<br />
und konkurrieren<strong>de</strong> geschäftliche<br />
Aktivitäten,<br />
> unterschiedlicher Umgang mit <strong>de</strong>m<br />
Geld und <strong>de</strong>m Vermögen <strong>de</strong>r GmbH.<br />
Erschwerend kommt hinzu, dass es in<br />
dieser Konstellation keinen funktionieren<strong>de</strong>n<br />
Mechanismus für Lösungen<br />
gibt. So ist eine Abberufung eines Ge-<br />
schäftsführers nur unter erschwerten<br />
Bedingungen möglich. Konkret: Erst<br />
wenn ein Gericht <strong>de</strong>n Abberufungsbeschluss<br />
bestätigt hat, ist dieser wirksam<br />
und kann umgesetzt wer<strong>de</strong>n. Bis dahin<br />
hat <strong>de</strong>r nicht einsichtige Mit-Geschäftsführer<br />
weiter Zugriff auf das GmbH-<br />
Vermögen und kann einen nachhaltigen<br />
Scha<strong>de</strong>n anrichten.<br />
46 ProFirma 10 2011
ProFirma 10 2011<br />
CHECKLISTE<br />
Zehn Regeln für die Zusammenarbeit<br />
1. Arbeiten mit Zielvereinbarungen<br />
In <strong>de</strong>r Zielvereinbarung legen alle Gesellschafter-Geschäftsführer<br />
gemeinsam fest, wer welche Ziele bis wann mit welchen<br />
Ressourcen erreichen will. Sobald ein Partner Anzeichen erkennt,<br />
dass er ein vereinbartes Ziel nicht erreichen kann, hat er<br />
die Pfl icht, seine Mit-Gesellschafter darüber zu informieren. Alle<br />
Zielvereinbarungen wer<strong>de</strong>n in einem Katalog zusammengefasst<br />
und laufend aktualisiert.<br />
2. Zuständigkeiten klar abgrenzen<br />
Es sollte darauf geachtet wer<strong>de</strong>n, dass die Aufgabenbereiche<br />
<strong>de</strong>r Geschäftsführer klar abgegrenzt sind. Dabei kann man sich<br />
an <strong>de</strong>r fachlichen Qualifi kation orientieren, aber auch an <strong>de</strong>r betriebswirtschaftlich<br />
gängigen Verteilung <strong>de</strong>r Ressorts (kaufmännische<br />
Leitung, Produktion/Entwicklung, Marketing/Vertrieb,<br />
Personal, IT). Der Geschäftsführer ist dabei für alle üblicherweise<br />
im Ressort anfallen<strong>de</strong>n Aufgaben zuständig.<br />
3. Transparenz und Offenheit<br />
Es ist Aufgabe je<strong>de</strong>s Geschäftsführers, die Partner über sein jeweiliges<br />
Ressort so gut wie möglich zu informieren. Über Probleme,<br />
die in einem Ressort auftreten, sollte offen gesprochen<br />
und <strong>de</strong>r Rat <strong>de</strong>r Kollegen dazu eingeholt wer<strong>de</strong>n. Der Geschäftsführer<br />
sollte lieber zu viel als zu wenig informieren.<br />
4. Absprachen dokumentieren<br />
Alle geschäftsbezogenen Absprachen und Vereinbarungen<br />
zwischen <strong>de</strong>n GmbH-Chefs sollten vollständig und inhaltlich<br />
nachvollziehbar dokumentiert wer<strong>de</strong>n. Das betrifft Gesellschafterversammlungen,<br />
Ressortsitzungen, aber auch Abteilungen<br />
sowie abteilungsübergreifen<strong>de</strong> Projektarbeit. Damit ist sichergestellt,<br />
dass im Konfl iktfall o<strong>de</strong>r bei späteren gerichtlichen<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen auf eine lückenlose Dokumentation <strong>de</strong>r<br />
betrieblichen Abläufe zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n kann.<br />
5. Arbeitstechniken ständig verbessern<br />
Man sollte sich nicht auf einer einmal gewohnten Arbeitstechnik<br />
ausruhen. Die technische Entwicklung ermöglicht laufend neue<br />
Kommunikations- und Arbeitstechniken im Betrieb. Das Thema<br />
Arbeitstechnik ist ein ständiges, persönliches Weiterbildungsthema.<br />
6. Kontrolle muss sein<br />
Zielvereinbarungen dürfen und müssen gegenseitig kontrolliert<br />
wer<strong>de</strong>n können. Diese sind kein Ausdruck von Misstrauen, son-<br />
An einem Strang, aber in unterschiedliche Richtungen ziehen,<br />
führt früher o<strong>de</strong>r später zum En<strong>de</strong> eines Unternehmens.<br />
<strong>de</strong>rn wichtiger Bestandteil gemeinsamen Han<strong>de</strong>lns. Kontrollen<br />
beinhalten Verständnisfragen, gezielte Zusatzfragen, aber auch<br />
Einsicht in Unterlagen und Dokumente, die für die eigene Meinungsbildung<br />
wichtig sind.<br />
7. Konfl ikte offen ansprechen<br />
Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten gehören zur Arbeits- und Ressortteilung.<br />
Wichtig ist, dass diese zeitnah, direkt und ohne Polemik<br />
angesprochen wer<strong>de</strong>n. Dazu gehört auch, Fehler und Pannen<br />
offen anzusprechen und Maßnahmen zur Abhilfe vorzuschlagen.<br />
Die meisten Konfl ikte lassen sich entschärfen, in<strong>de</strong>m sie von<br />
allen Beteiligten gemeinsam und offen – also im Gremium – diskutiert<br />
und gelöst wer<strong>de</strong>n. Gruppen- und Untergruppenbildung<br />
sollte erst gar nicht aufkommen.<br />
8. Bei Bedarf externe Berater einschalten<br />
Sind sich die Gesellschafter bei <strong>de</strong>r Beurteilung einer Sachfrage<br />
nicht einig, ist es hilfreich, externe Fachleute und Berater in<br />
die Entscheidungsfi ndung mit einzubeziehen. Das können Mitglie<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>s Beirats, aber auch ausgewiesene Spezialisten außerhalb<br />
<strong>de</strong>r GmbH sein. Erfahrungsgemäß wird damit die Qualität<br />
<strong>de</strong>r Entscheidung für die GmbH <strong>de</strong>utlich erhöht.<br />
9. Zustimmung zum Mediationsverfahren<br />
Bevor Konfl ikte zwischen <strong>de</strong>n Gesellschaftern gerichtlich entschie<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n, sollten sich die Gesellschafter(-Geschäftsführer)<br />
darauf verständigen, schlichten<strong>de</strong> Einigungsgespräche<br />
unter externer Leitung durchzuführen (Mediationsverfahren).<br />
Das Verfahren ist in <strong>de</strong>r Regel kostengünstiger als die gerichtliche<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung und führt zu vergleichbaren Ergebnissen.<br />
Erst wenn hier keine einvernehmliche Lösung gefun<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n kann, sollte eine gerichtliche Klärung zugelassen<br />
sein.<br />
10. Teamgeist för<strong>de</strong>rn<br />
Gesellschafter arbeiten im Team und sollten sich ganz bewusst<br />
Zeit nehmen, Teamgeist und Teamfähigkeiten zu verbessern.<br />
Dazu geeignet sind gemeinsame Brainstorming-Wochenen<strong>de</strong>n,<br />
an <strong>de</strong>nen auch einmal GmbH-übergreifen<strong>de</strong> Themen angesprochen<br />
wer<strong>de</strong>n können. <strong>Als</strong> praktisch sinnvoll haben sich Teamerfahrungen<br />
erwiesen, wie sie von Event-Agenturen angeboten<br />
wer<strong>de</strong>n. Solche Maßnahmen sind nicht nur für angestellte Mitarbeiter<br />
o<strong>de</strong>r Abteilungen wertvoll. Auch die Qualität <strong>de</strong>r Tätigkeit<br />
<strong>de</strong>s Geschäftsführer-Gremiums kann dadurch nachhaltig<br />
verbessert wer<strong>de</strong>n.<br />
47
Finanzen & Steuern – Gmbh-Chef<br />
IHR PARTNER MACHT<br />
DER GMBH KONKURRENZ –<br />
WAS TUN?<br />
> Intensivieren Sie das Gespräch<br />
mit <strong>de</strong>m Mit-Gesellschafter-Geschäftsführer.<br />
> Erfahren Sie mehr über die<br />
Erwartungen <strong>de</strong>s Geschäftspartners<br />
an Ihre GmbH.<br />
> Gehen Sie nicht davon aus, dass<br />
sich mit <strong>de</strong>m ersten Gespräch<br />
etwas än<strong>de</strong>rn wird. Signalisieren<br />
Sie jedoch, dass Sie für ein neues<br />
Geschäftsmo<strong>de</strong>ll aufgeschlossen<br />
sind.<br />
> Versuchen Sie, über das neue<br />
Konzept so viel wie möglich in<br />
Erfahrung zu bringen.<br />
> Defi nieren Sie Ihre eigenen geschäftlichen<br />
Chancen in <strong>de</strong>m Gesamtkonzept.<br />
Prüfen Sie auch die<br />
Möglichkeit einer arbeitsteiligen<br />
Einordnung in das Gesamtkonzept.<br />
> Lassen Sie sich von Dritt-Meinungen<br />
nicht irritieren. Je<strong>de</strong>r Außenstehen<strong>de</strong><br />
wird Sie darin bestärken, sich<br />
„das nicht bieten zu lassen“, was<br />
kooperative Lösungen erschwert.<br />
> Kommen Sie nach ausführlicher<br />
Prüfung zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass eine<br />
kooperative Lösung nicht gewollt<br />
wird, ist das weitere Vorgehen<br />
genau zu prüfen. Die rechtlichen<br />
Schritte (Feststellung <strong>de</strong>r Treuepfl<br />
ichtverletzung, Durchsetzen <strong>de</strong>s<br />
Unterlassungsanspruchs, Scha<strong>de</strong>nsersatzfor<strong>de</strong>rungen,Ausschlussverfahren)<br />
haben nur Aussicht<br />
auf Erfolg, wenn alle Maßnahmen<br />
korrekt, frühzeitig und mit<br />
<strong>de</strong>m richtigen Timing eingeleitet<br />
wer<strong>de</strong>n. Hierzu ist unbedingt ein<br />
Anwalt einzuschalten.<br />
> Unabhängig davon ist zu prüfen,<br />
wie eine neue Finanzierung aussehen<br />
könnte. Denn die beabsichtigte<br />
konkurrieren<strong>de</strong> Tätigkeit <strong>de</strong>s Gesellschafters<br />
dürfte ein ernsthafter<br />
Hinweis auf die Erfolgsträchtigkeit<br />
Ihres Unternehmensgegenstands<br />
sein.<br />
Wie Konfl ikte gelöst wer<strong>de</strong>n müssen,<br />
zeigt folgen<strong>de</strong>r typischer Fall: Die<br />
Vorstellungen über die Zukunft <strong>de</strong>r<br />
GmbH zwischen zwei Gesellschafter-<br />
Geschäftsführern gehen weit auseinan<strong>de</strong>r<br />
– <strong>de</strong>r eine will investieren, <strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>re „möglichst viel aus <strong>de</strong>r GmbH<br />
herausholen“. In einer solchen Situation<br />
bringt es wenig, nach Ursachen und<br />
möglichen Therapien zu forschen, weil<br />
sich die Geschäftslage meist schnell und<br />
drastisch verschlechtert. Es muss rasch<br />
gehan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />
Diese Punkte sollten Sie prüfen<br />
Dazu sollten zunächst im Gesellschaftsvertrag<br />
<strong>de</strong>r GmbH folgen<strong>de</strong> Punkte<br />
geprüft wer<strong>de</strong>n: Die Vereinbarungen<br />
zur „Dauer <strong>de</strong>r Gesellschaft“, zu „Kündigung<br />
und Ausschei<strong>de</strong>n eines Gesellschafters“,<br />
zur „Übertragung von<br />
Geschäftsanteilen“, zur „Einziehung<br />
eines GmbH-Anteils“ und zur Frage <strong>de</strong>r<br />
„Abfi ndung für <strong>de</strong>n ausschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Gesellschafter“. In guten Verträgen sind<br />
dynamische Regelungen vorgesehen,<br />
die im Falle zerstrittener Gesellschafter<br />
greifen. Üblich sind übersichtliche<br />
Kündigungsregelungen (sechs Monate<br />
zum Jahresen<strong>de</strong>), verbun<strong>de</strong>n mit Regelungen<br />
zum Fortbestehen <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />
und Vereinbarungen zur Ermittlung<br />
<strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r Abfi ndung inklusive<br />
Zahlungsmodalitäten.<br />
ProFirma rät: Enthält <strong>de</strong>r Gesellschaftsvertrag<br />
solche Regelungen nicht, ist<br />
davon auszugehen, dass eine Lösung<br />
gerichtlich erstritten wer<strong>de</strong>n muss. Sie<br />
muss aber gut vorbereitet sein:<br />
> Es genügt nicht, dass „Versäumnisse“<br />
<strong>de</strong>s Mit-Gesellschafters nur behauptet<br />
wer<strong>de</strong>n. Es ist dafür zu sorgen, dass<br />
Verträge und Beschlüsse aus Gesellschafterversammlungen<br />
systematisch<br />
vorliegen, in <strong>de</strong>nen die Zusammenarbeit<br />
<strong>de</strong>r Geschäftsführung verbindlich<br />
und schriftlich festgehalten ist. Dazu<br />
sind schriftliche Protokolle <strong>de</strong>r laufen<strong>de</strong>n<br />
Vorfälle anzulegen. Gedächtnisprotokolle<br />
alleine reichen nicht.<br />
> Sollen auf einer Gesellschafterversammlung<br />
Beschlüsse gefasst wer<strong>de</strong>n<br />
(Aufl ösungsbeschluss, Beschluss zur<br />
Ausschließung eines Gesellschafters,<br />
Austritt eines Gesellschafters), müssen<br />
alle Formvorschriften für die Gesellschafterversammlung<br />
eingehalten<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
> Der Ausschließungsbeschluss ist nur<br />
Erfolg versprechend, wenn es wichtige<br />
Grün<strong>de</strong> dafür gibt. Und er ist bis<br />
zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung<br />
unwirksam.<br />
Regeln für das Miteinan<strong>de</strong>r<br />
Das Ausschlussverfahren kann aber immer<br />
nur das letzte Mittel zur Konfl iktlösung<br />
sein. Das sehen auch die Gerichte<br />
in ihren Entscheidungen regelmäßig<br />
so. Besser ist es, wenn zusätzliche organisatorische<br />
Vorkehrungen getroffen<br />
wer<strong>de</strong>n. Wollen die Geschäftspartner<br />
eine GmbH gleichberechtigt führen,<br />
sollten sie sich zumin<strong>de</strong>st über folgen<strong>de</strong><br />
Punkte einigen:<br />
> Vereinbarung einer Kündigungsklausel<br />
mit Aufl ösungs- o<strong>de</strong>r mit Fortsetzungsoption<br />
je nach Fall und Branche.<br />
Wur<strong>de</strong> zum Beispiel ein Großauftrag<br />
mit einem Zulieferer abgeschlossen,<br />
sollte die GmbH beibehalten bleiben,<br />
also eine Fortsetzungsoption für <strong>de</strong>n<br />
verbleiben<strong>de</strong>n Gesellschafter vereinbart<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
> Vereinbarung eines Schiedsrichters<br />
für Konfl iktfälle: Auf <strong>de</strong>n sollten sich<br />
die Beteiligten vorab einigen (Steuerberater,<br />
Anwalt, Mediator), o<strong>de</strong>r<br />
dieser wird per Vereinbarung von <strong>de</strong>r<br />
IHK eingesetzt.<br />
> Vereinbarung einer zusätzlichen Geschäftsordnung:<br />
Darin wer<strong>de</strong>n Rechte<br />
und Pfl ichten formal vorgegeben, sodass<br />
bei<strong>de</strong> Gesellschafter-Geschäftsführer<br />
genau wissen, wie sie korrekt<br />
vorzugehen haben.<br />
Aber wie für eine gute Ehe gilt für die<br />
Geschäftsführer <strong>de</strong>r GmbH: Wichtig<br />
sind Vertrauen, ständige Kommunikation<br />
miteinan<strong>de</strong>r, Mut und Bereitschaft,<br />
Konfl ikte offen anzusprechen und auf<br />
Verän<strong>de</strong>rungen mit Anpassung zu reagieren.<br />
Dazu gehört aber auch, <strong>de</strong>n<br />
richtigen Zeitpunkt zu erkennen, wann<br />
<strong>de</strong>r Geschäftspartner das gemeinsame<br />
Terrain verlassen hat und die Scheidung<br />
<strong>de</strong>r Anfang für einen erfolgreichen Neustart<br />
ist.<br />
48 ProFirma 10 2011
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Verzinsung bei Aktien höher als bei Anleihen<br />
Die Aktien großer europäischer Unternehmen<br />
sind nach einer Studie <strong>de</strong>r<br />
Fondsgesellschaft Allianz Global Investors<br />
im Umfeld <strong>de</strong>r niedrigen Renditen<br />
an <strong>de</strong>n Rentenmärkten eine attraktive<br />
Alternative. Während zehnjährige<br />
Bun<strong>de</strong>sanleihen <strong>de</strong>rzeit beispielsweise<br />
kaum zwei Prozent Ertrag abwerfen,<br />
ist die Divi<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nrendite <strong>de</strong>r im MSCI-<br />
Europa enthaltenen Aktien auf mehr als<br />
vier Prozent gestiegen (aktuelle Ausschüttung<br />
bezogen auf <strong>de</strong>n Kurs <strong>de</strong>r<br />
DIVIDENDENRENDITEN EUROPÄISCHER AKTIEN<br />
Rendite 10-j. Bun<strong>de</strong>sanleihen<br />
KfW-Konjunkturprognose<br />
Rezessionsängste sind wenig begrün<strong>de</strong>t<br />
Trotz <strong>de</strong>s niedrigen Wachstums <strong>de</strong>s Bruttoinlandsprodukts (BIP)<br />
von nur 0,1 Prozent im zweiten Quartal 2011 und <strong>de</strong>r jüngsten<br />
Börsenturbulenzen sind die Ängste vor einer neuen Rezession<br />
nach Ansicht <strong>de</strong>r KfW nur wenig begrün<strong>de</strong>t. Trotz <strong>de</strong>r Beinahestagnation<br />
sei das BIP im ersten Halbjahr insgesamt um 1,6 Prozent<br />
gewachsen und damit <strong>de</strong>utlich stärker als im zweiten Halbjahr<br />
2010. Die KfW geht daher davon aus, dass sich die aufwärts<br />
gerichtete Grundten<strong>de</strong>nz in <strong>de</strong>r zweiten Jahreshälfte fortsetzen<br />
wer<strong>de</strong> und aufs Gesamtjahr mit einem Wirtschaftswachstum von<br />
mehr als drei Prozent zu rechnen sei. Für das Jahr 2012 erwartet<br />
die För<strong>de</strong>rbank ein weiteres Plus von 1,6 Prozent.<br />
Aktie in Prozent). Noch größer ist <strong>de</strong>r<br />
Abstand zu <strong>de</strong>n Anleihen bei <strong>de</strong>n Ausschüttungen<br />
<strong>de</strong>rjenigen Unternehmen,<br />
die sich schon immer durch eine hohe<br />
Gewinnbeteiligung <strong>de</strong>r Aktionäre ausgezeichnet<br />
haben. Gemessen am MSCI<br />
Europa High Divi<strong>de</strong>nd erbringen diese<br />
Aktien sogar eine Verzinsung von sechs<br />
Prozent (siehe Grafi k unten).<br />
Nach Einschätzung <strong>de</strong>r Allianz-Analysten<br />
ist ein Blick auf diese Papiere im<br />
aktuell schwierigen Kapitalmarktum-<br />
Divi<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nrendite MSCI Europa High Divi<strong>de</strong>nd<br />
Divi<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nrendite MSCI Europa<br />
feld unter zwei Gesichtspunkten interessant:<br />
Zum einen wer<strong>de</strong> die Gewinnausschüttung<br />
als Erfolgsfaktor bei <strong>de</strong>r<br />
Aktienanlage oft unterschätzt. So sei im<br />
Zeitraum 1970 bis En<strong>de</strong> August 2011<br />
die aufs Jahr hochgerechnete Gesamtrendite<br />
<strong>de</strong>r Aktienanlage für <strong>de</strong>n MSCI<br />
Europa zu rund 44 Prozent durch Divi<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
bestimmt. Zum an<strong>de</strong>ren wiesen<br />
Aktien mit einer hohen Divi<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nrendite<br />
meist ein besseres Chance-Risiko-<br />
Profi l auf als <strong>de</strong>r Gesamtaktienmarkt.<br />
Quelle: Datastream; Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse<br />
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
Drei Grün<strong>de</strong> nennt die KfW für ihre optimistische Prognose:<br />
Ers-tens wer<strong>de</strong> die Weltwirtschaft in <strong>de</strong>n Jahren 2011 und 2012,<br />
getrieben von <strong>de</strong>r Entwicklung in <strong>de</strong>n Schwellenlän<strong>de</strong>rn, jeweils<br />
um rund 3,5 Prozent wachsen. Davon profi tierten gera<strong>de</strong> die<br />
<strong>de</strong>utschen Exporte.<br />
Der zweite Grund liege in <strong>de</strong>r überdurchschnittlichen Auslastung<br />
<strong>de</strong>r Produktionskapazitäten <strong>de</strong>r Unternehmen, was die Ausrüstungsinvestitionen<br />
stimulieren wer<strong>de</strong>.<br />
Das dritte Argument für eine stabile Entwicklung in Deutschland<br />
sei die sehr gute Lage am Arbeitsmarkt, die <strong>de</strong>m privaten Konsum<br />
sowie <strong>de</strong>m Wohnungsbau zusätzliche Impulse gebe.<br />
50 ProFirma 10 2011<br />
6,0%<br />
5,0%<br />
4,0%<br />
3,0%<br />
2,0%
För<strong>de</strong>rmittel<br />
Bankberater mögen För<strong>de</strong>rkredite nicht<br />
Fast die Hälfte <strong>de</strong>r kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) hat in<br />
<strong>de</strong>n vergangenen fünf Jahren nach För<strong>de</strong>rkrediten gesucht. Aber nur<br />
ein Viertel wur<strong>de</strong> von ihrem Bankberater auf die Möglichkeiten <strong>de</strong>r<br />
För<strong>de</strong>rmittel gezielt angesprochen. Zu diesem Ergebnis kommt <strong>de</strong>r<br />
„För<strong>de</strong>ratlas Mittelstand“ <strong>de</strong>r Forschungs- und Beratungsunternehmen<br />
Evers & Jung und YouGov-Psychonomics in Köln.<br />
Die fehlen<strong>de</strong> Bekanntheit <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen För<strong>de</strong>rmöglichkeiten<br />
ist <strong>de</strong>r häufi gste Hin<strong>de</strong>rungsgrund für die Nutzung <strong>de</strong>r staatlichen<br />
Investitionsunterstützungen und <strong>de</strong>s Leistungsspektrums von För<strong>de</strong>rbanken.<br />
Bei verstärkter individueller Beratung wür<strong>de</strong>n mehr Unternehmen<br />
För<strong>de</strong>rkredite nutzen, meinen 90 Prozent <strong>de</strong>r befragten<br />
Mittelständler.<br />
Der Bun<strong>de</strong>sdurchschnitt mit 25 Prozent <strong>de</strong>r KMU, die von ihren Bankberatern<br />
Hinweise auf För<strong>de</strong>rmittel erhalten haben, lässt aber keinen<br />
Schluss auf die Situation in <strong>de</strong>n einzelnen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn zu. Unternehmen<br />
aus <strong>de</strong>m Saarland (37 Prozent), Hessen (32 Prozent), Ba<strong>de</strong>n-<br />
Württemberg (30 Prozent), Nordrhein-Westfalen, Sachsen (je 27 Prozent)<br />
und Bayern (26 Prozent) haben eine höhere Chance, von ihrem<br />
Bankberater auf Investitionsför<strong>de</strong>rungen hingewiesen zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Schlechte Chancen haben KMU in Thüringen (15 Prozent) und Bran<strong>de</strong>nburg<br />
(zehn Prozent/siehe Grafi k).<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
27%<br />
Rheinland-Pfalz<br />
23%<br />
Saarland<br />
37%<br />
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Schleswig-Holstein 21%<br />
Bremen<br />
20%<br />
Nie<strong>de</strong>rsachsen 26%<br />
Hessen 32%<br />
Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />
30%<br />
Hamburg<br />
18%<br />
Sachsen-Anhalt<br />
23%<br />
Thüringen 15%<br />
Bayern 26%<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
25%<br />
Berlin<br />
20%<br />
Bran<strong>de</strong>nburg<br />
11%<br />
Sachsen 27%<br />
Im Saarland geben Firmenkun<strong>de</strong>nberaterUnternehmen<br />
am häufi gsten Hinweise<br />
auf För<strong>de</strong>rkredite.<br />
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Bun<strong>de</strong>sdurchschnitt 25%<br />
Bun<strong>de</strong>sland (je n=100 Finanzentschei<strong>de</strong>r in KMU)<br />
Quelle: YouGov-Psychonomics
Finanzen & Steuern – Finanzierung<br />
For<strong>de</strong>rungsausfall<br />
Rechtzeitig han<strong>de</strong>ln zahlt sich aus<br />
Was tun, wenn ein Kun<strong>de</strong> partout nicht zahlt? Den Anwalt einschalten? Ein Inkassobüro<br />
beauftragen? O<strong>de</strong>r ist es besser, sich bereits im Vorfeld gegen For<strong>de</strong>rungsausfälle<br />
abzusichern? Möglichkeiten gibt es viele – mit Vor- und Nachteilen. VON SABINE HÖLPER<br />
<strong>Als</strong> Dieter Walz und sein Partner Roland Walter Anfang 2010<br />
ein Fitnesscenter <strong>de</strong>r Franchise-Kette „Clever Fit“ im Münchner<br />
Nor<strong>de</strong>n übernahmen, stellten sie bei <strong>de</strong>r Durchsicht <strong>de</strong>r<br />
Bücher fest, dass 15 Prozent <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r ihre Monatsbeiträge<br />
nicht gezahlt hatten. Weil sich Walz und Walter mit dieser<br />
unerfreulichen Tatsache nicht abfi n<strong>de</strong>n wollten, begannen<br />
sie, Mahnungen zu schreiben und <strong>de</strong>n säumigen Schuldnern<br />
hinterherzutelefonieren. Nur: Die Anstrengungen blieben<br />
weitgehend erfolglos. „So kommen wir nicht weiter“, lautete<br />
das Fazit von Walz. „Wir brauchen professionelle Unterstützung.“<br />
Die holten sich die bei<strong>de</strong>n Unternehmer bei <strong>de</strong>r PNO<br />
Inkasso GmbH aus <strong>de</strong>m nie<strong>de</strong>rbayerischen Deggendorf. Resultat:<br />
Seit sich das Inkassounternehmen um die zahlungsunwilligen<br />
Schuldner kümmert, ist die Quote <strong>de</strong>r säumigen<br />
Zahler auf gut die Hälfte geschrumpft.<br />
Vielen Unternehmern geht es wie Dieter Walz und Roland<br />
Walter. Sie klagen über die schlechte Zahlungsmoral ihrer<br />
Kun<strong>de</strong>n und häufi g genug auch über Totalausfälle. Das Problem<br />
kennen Unternehmer, die im B-to-B-Geschäft tätig sind,<br />
schon lange. Noch mehr aber trifft es <strong>de</strong>rzeit Firmen, die an<br />
Privatkun<strong>de</strong>n liefern. Denn während die Zahl <strong>de</strong>r Unternehmensinsolvenzen<br />
mit aktuell rund 30.000 um fast ein Viertel<br />
niedriger ist als in <strong>de</strong>n Jahren 2003 und 2004, geht die Zahl<br />
<strong>de</strong>r Verbraucherinsolvenzen stetig nach oben. Der Bun<strong>de</strong>sverband<br />
Deutscher Inkassounternehmen (BDIU) geht von<br />
110.000 Privatinsolvenzen in diesem Jahr aus. 2005 waren es<br />
erst rund 69.000 (siehe Grafi k auf Seite 54).<br />
Die Folgen <strong>de</strong>r Zahlungsunfähigkeit o<strong>de</strong>r -unwilligkeit können<br />
verheerend sein. Im schlimmsten Fall geraten die Geprellten<br />
selbst in eine Schiefl age, zumin<strong>de</strong>st aber tun sich erhebliche<br />
Liquiditätslücken im Unternehmen auf. Damit ist klar,<br />
dass die Firmenchefs einschreiten müssen, wenn es ernst wird.<br />
Die Frage ist nur: wie? Den Anwalt einschalten? Ein Inkassobüro<br />
beauftragen? O<strong>de</strong>r ist es besser, sich bereits im Vorfeld<br />
gegen For<strong>de</strong>rungsausfälle abzusichern?<br />
Manche Kun<strong>de</strong>n machen<br />
kurzen Prozess. Die For<strong>de</strong>rung<br />
müssen Unternehmen<br />
aber noch lange nicht<br />
abschreiben.<br />
Option 1: Inkassofi rma beauftragen<br />
Inkassofi rmen sollten eingeschaltet wer<strong>de</strong>n, wenn Mahnen<br />
aussichtsreich erscheint, die personellen Ressourcen im eigenen<br />
Unternehmen aber fehlen, um selbst aktiv zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Denn Inkassounternehmen sind die Spezialisten, wenn es<br />
darum geht, Gel<strong>de</strong>r einzutreiben. „Die Aufgabe <strong>de</strong>r Inkassounternehmen<br />
ist es, einen außergerichtlichen Erfolg herbeizuführen“,<br />
sagt BDIU-Präsi<strong>de</strong>nt Wolfgang Spitz. Und diese<br />
Aufgabe erledigen die Firmen recht gut. Laut Spitz weisen die<br />
Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Brachenverbands eine vorgerichtliche Erfolgsquote<br />
von mehr als 50 Prozent auf. Ein Grund dafür ist pure<br />
Psychologie, wie Spitz glaubt: „Dass ein Unternehmen ein<br />
Inkassobüro einschaltet, zeigt <strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utlich, dass <strong>de</strong>r<br />
52 ProFirma 10 2011<br />
Foto: panthermedia.net/Mechthild Bach
Gläubiger nicht gewillt ist, die For<strong>de</strong>rung abzuschreiben, und<br />
zwar auch dann nicht, wenn es sich um einen kleinen Rechnungsbetrag<br />
han<strong>de</strong>lt.“ Ein weiterer Grund ist das Image <strong>de</strong>r<br />
Branche. Allein <strong>de</strong>r Briefkopf <strong>de</strong>s Inkassounternehmens auf<br />
<strong>de</strong>r Mahnung bewegt viele Schuldner zur Zahlung.<br />
Dass das Geld fl ießt, weil die Firmen Schlägertrupps vorbeischicken,<br />
ist hingegen Legen<strong>de</strong>. Die Dienstleister, die im BDIU<br />
organisiert sind, legen großen Wert darauf, dass sie bei ihrer<br />
Arbeit nicht brachial vorgehen. „Im Gegenteil“, beteuert Alfons<br />
Winhart, Vorstand <strong>de</strong>r PNO Inkasso AG. „Eine Inkassofi<br />
rma versteht sich als Mediator zwischen Gläubiger und<br />
Schuldner, sie sucht nach einer für bei<strong>de</strong> Parteien akzeptablen<br />
Lösung und stellt damit sicher, dass sich die Fronten nicht<br />
weiter verhärten und eine spätere geschäftliche Zusammenarbeit<br />
möglich bleibt.“ Fitnesscenter-Betreiber Walz bestätigt<br />
das. „Mancher ehemals säumige Schuldner trainiert wie<strong>de</strong>r<br />
bei uns“, sagt er. Allerdings sagt er auch, dass nicht je<strong>de</strong>r<br />
Schuldner auf die Mahnungen <strong>de</strong>r Profi s reagiert. Damit solche<br />
Fälle Ausnahmen bleiben, laufen seriöse Inkassofi rmen<br />
nicht je<strong>de</strong>m Euro hinterher. Vielmehr analysieren sie zuerst<br />
einmal die For<strong>de</strong>rung, machen sich in Datenbanken über<br />
<strong>de</strong>n Schuldner kundig. Kommt bei dieser Recherche heraus,<br />
dass die Aussichten, ans Geld zu kommen, schlecht stehen,<br />
etwa weil <strong>de</strong>r Schuldner insolvent ist, lässt man alle weiteren<br />
Schritte bleiben. „Wir werfen kein gutes Geld schlechtem hinterher“,<br />
sagt Spitz.<br />
Option 2: Anwalt einschalten<br />
Ist beim Schuldner auf <strong>de</strong>m Mahnweg voraussichtlich nichts<br />
zu holen, muss man sich also eine Alternative überlegen. Eine<br />
Möglichkeit ist, gleich einen Anwalt einzuschalten. Allerdings<br />
sollte diese Variante nur bei For<strong>de</strong>rungen von min<strong>de</strong>stens<br />
Wir bieten Ihnen 100 %-ige Sicherheit für Ihre For<strong>de</strong>rungen<br />
und sorgen dafür, dass Sie schnell liqui<strong>de</strong> sind.<br />
Die SüdFactoring ist eine Tochtergesellschaft <strong>de</strong>r LBBW-<br />
Unternehmensgruppe, die in <strong>de</strong>r Mittelstandsfinanzierung<br />
eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle spielt. Diese Verbindung steht nicht<br />
nur für Seriosität und Sicherheit, son<strong>de</strong>rn auch für die<br />
enge Verzahnung klassischer Finanzierungsformen mit<br />
innovativen Instrumenten, wie <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rungsfinanzierung.<br />
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WO SCHULDNER IN DER KREIDE STEHEN<br />
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Jugendliche bis 24 Jahre<br />
Kreditinstitute<br />
Versandhändler<br />
Telekommunikationsunternehmen<br />
Vermieter<br />
Online-Händler<br />
Handwerker<br />
Internet-Serviceanbieter<br />
Dienstleister<br />
Gesundheitsbranche<br />
Warenhäuser<br />
Die schönsten Rechnungen<br />
sind die, die sofort bezahlt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
77%<br />
39%<br />
63%<br />
64%<br />
61%<br />
87%<br />
58%<br />
36%<br />
45%<br />
77%<br />
41%<br />
6%<br />
33%<br />
51%<br />
21%<br />
17%<br />
18%<br />
6%<br />
17%<br />
7%<br />
Quelle: Bun<strong>de</strong>sverband Deutscher<br />
Inkasso-Unternehmen, Stand April 2011
Finanzen & Steuern – Finanzierung<br />
HISTORISCHER HÖCHSTSTAND<br />
Immer mehr private Haushalte insolvent.<br />
2005 68.898<br />
2006 96.586<br />
2007 105.238<br />
2008 98.140<br />
2009 101.102<br />
2010 108.798<br />
2011 110.000<br />
NUR SELTEN VORSATZ<br />
Warum Unternehmen schlecht zahlen<br />
(in Prozent, Mehrfachnennungen möglich).<br />
Hohe Zahlungsausfälle bei eigenen Kun<strong>de</strong>n 79%<br />
Momentaner Liquiditätsengpass 70%<br />
Schlechte Auftragslage 69%<br />
Zu wenig Eigenkapital 54%<br />
Ausnutzen von Lieferantenkredit 50%<br />
Reklamation 18%<br />
Vorsätzliches Nichtbezahlen 16%<br />
Quelle: Bun<strong>de</strong>sverband Deutscher Inkasso-Unternehmen, Stand April 2011<br />
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> Checkliste: Kun<strong>de</strong>nschonen<strong>de</strong>s Inkasso<br />
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300 Euro gewählt wer<strong>de</strong>n, an<strong>de</strong>renfalls sind die Kosten unangemessen<br />
hoch. Der Vorteil <strong>de</strong>s Anwaltsinkassos ist seine<br />
Schnelligkeit. „Wir mahnen nur ein Mal, und wenn dann<br />
nichts passiert, erwirken wir sofort einen Mahnbescheid bzw.<br />
reichen Klage ein“, sagt <strong>de</strong>r auf Inkasso spezialisierte Rechtsanwalt<br />
Michael Feinen. Allerdings räumt er ein, dass die Erfolgschancen<br />
vor Gericht nicht sehr hoch sind. Aber: „Ob<br />
Geld reinkommt, hängt ja nicht von mir ab, son<strong>de</strong>rn davon,<br />
ob <strong>de</strong>r Schuldner Geld hat“, sagt <strong>de</strong>r Kölner Anwalt.<br />
Option 3: Versicherung o<strong>de</strong>r Factoring<br />
Oft genug hat er eben kein Geld, wie die Insolvenzstatistiken<br />
zeigen. Doch sogar in diesen Fällen muss ein Unternehmer<br />
die For<strong>de</strong>rung nicht komplett abschreiben, auch dagegen gibt<br />
es eine Medizin. Sie muss allerdings präventiv genommen<br />
wer<strong>de</strong>n. Zum Beispiel, in<strong>de</strong>m man eine Kredit- bzw. For<strong>de</strong>rungsausfallversicherung<br />
abschließt o<strong>de</strong>r die For<strong>de</strong>rung an<br />
ein Factoring-Unternehmen verkauft. Sowohl Kreditversicherer<br />
als auch Factoring-Dienstleister zahlen im Insolvenzfall<br />
<strong>de</strong>s Schuldners einen Teil <strong>de</strong>r Rechnungssumme an das<br />
Unternehmen aus. Die Zusammenarbeit mit einer Factoringgesellschaft<br />
hat darüber hinaus <strong>de</strong>n positiven Effekt, dass die<br />
Gefahr von Zahlungsausfällen sinkt. Schließlich übernehmen<br />
die Dienstleister in <strong>de</strong>r Regel das For<strong>de</strong>rungs- bzw. Debitorenmanagement<br />
und das dazugehörige Mahnwesen, was „die<br />
Zahlungsmoral <strong>de</strong>r Debitoren nachweislich verbessert“, wie<br />
Jörg Freial<strong>de</strong>nhoven, Geschäftsführer <strong>de</strong>r Bibby Financial Services<br />
GmbH in Düsseldorf, sagt. „Factoring ist eine Finanzierungsalternative,<br />
die ihre Vorteile bereits ausspielt, bevor eine<br />
For<strong>de</strong>rung ausfällt.“<br />
Ist die For<strong>de</strong>rung dann aber doch ausgefallen, zeigt sich, wo<br />
<strong>de</strong>r Nachteil von Factoring liegt: Die Gesellschaft überweist<br />
nur einen Teilbetrag <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung – je nach Vertragsausgestaltung<br />
ist das weniger als die Hälfte <strong>de</strong>r ursprünglichen<br />
Rechnungssumme. „Die Ausbeute beim Factoring ist gering“,<br />
sagt auch Walz. Deshalb greift er nur dann darauf zurück,<br />
wenn „Hopfen und Malz verloren ist“, wenn also an<strong>de</strong>re Maßnahmen<br />
aussichtslos erscheinen. Ansonsten ist Inkasso seine<br />
erste Wahl. Zwar fl ießt bei dieser Variante das Geld manchmal<br />
nur schleppend, weil <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> in Raten zahlt. Aber am<br />
En<strong>de</strong> geht doch meist die gesamte Summe auf <strong>de</strong>m Konto <strong>de</strong>s<br />
Fitnesstrainers ein – inklusive aller Gebühren, <strong>de</strong>nn auch die<br />
zahlt <strong>de</strong>r Schuldner. „Das Gute am Inkasso ist, dass uns keine<br />
Kosten entstehen“, sagt Walz.<br />
„Die Aufgabe <strong>de</strong>r Inkassounternehmen ist es,<br />
einen außergerichtlichen Erfolg herbeizuführen.“<br />
WOLFGANG SPITZ, PRÄSIDENT DES BUNDESVERBANDS<br />
DEUTSCHER INKASSOUNTERNEHMEN, BERLIN<br />
54 ProFirma 10 2011
Spezialisten <strong>de</strong>r<br />
DREI WEGE ZUM ZIEL<br />
Erfolgreich gegen For<strong>de</strong>rungsausfall vorgehen<br />
Sicherheit mit Selbstbehalt: Eine Möglichkeit,<br />
For<strong>de</strong>rungsausfälle zu vermei<strong>de</strong>n,<br />
ist <strong>de</strong>r Abschluss einer For<strong>de</strong>rungsausfall-<br />
bzw. Kreditversicherung, wie sie Marktführer<br />
Euler Hermes und an<strong>de</strong>re Versicherungsunternehmen<br />
anbieten. Versichert wer<strong>de</strong>n<br />
in <strong>de</strong>r Regel For<strong>de</strong>rungen aus Warenlieferungen,<br />
Werk- o<strong>de</strong>r Dienstleistungen gegenüber<br />
Privat- und Firmenkun<strong>de</strong>n im In-<br />
und Ausland mit einem Zahlungsziel von<br />
bis zu 180 Tagen. Voraussetzung ist, dass<br />
<strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Unternehmens über eine<br />
positive Bonität verfügt.<br />
Die Versicherung greift, nach<strong>de</strong>m das Zahlungsziel<br />
um zwei Monate überschritten<br />
wur<strong>de</strong>. Allerdings zahlt die Versicherungsgesellschaft<br />
<strong>de</strong>n ausstehen<strong>de</strong>n Betrag<br />
meist nur bei Insolvenz <strong>de</strong>s Schuldners.<br />
Kreditversicherer erstatten ihren Kun<strong>de</strong>n<br />
meist nicht <strong>de</strong>n vollen Rechnungsbetrag.<br />
Üblich ist ein Selbstbehalt in Höhe von<br />
zehn bis 20 Prozent. Die Prämie beträgt<br />
unter 0,5 Prozent <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rungssumme.<br />
Kreditversicherung Deluxe: Auch mit<br />
Factoring kann man sich gegen uneinbringliche<br />
For<strong>de</strong>rungen absichern. Tritt <strong>de</strong>r<br />
Zahlungsausfall ein, greift <strong>de</strong>r Delkre<strong>de</strong>reschutz.<br />
Allerdings ist Factoring in erster Linie<br />
eine Finanzdienstleistung.<br />
Eine Alternative zur Absicherung gegen<br />
Zahlungsausfälle ist das Fälligkeits-Factoring.<br />
Dabei verzichtet <strong>de</strong>r Unternehmer auf<br />
die sofortige Begleichung <strong>de</strong>r Rechnungssumme<br />
durch das Factoring-Unternehmen.<br />
Fälligkeits-Factoring ist folglich keine Finanzierungsform,<br />
son<strong>de</strong>rn sichert das Risiko<br />
eines For<strong>de</strong>rungsausfalls ab und entlastet<br />
das Unternehmen beim Debitorenmanagement.<br />
Damit entspricht Fälligkeits-<br />
Factoring in etwa einer Kreditversicherung<br />
mit 100 Prozent Entschädigungsleistung.<br />
Tim Beerbohm, Factoring-Experte beim<br />
Industrieversicherungsmakler Gossler, Gobert<br />
und Wolters, nennt die Variante <strong>de</strong>shalb<br />
„Kreditversicherung Deluxe“.<br />
Der Weg zum richtigen Inkassobüro: Das<br />
Vorurteil, Inkassofi rmen wür<strong>de</strong>n For<strong>de</strong>rungen<br />
mithilfe rü<strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong>n eintreiben,<br />
lässt sich nicht so leicht aus <strong>de</strong>r Welt<br />
schaffen. Wolfgang Spitz, Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>sverband Deutscher Inkassounternehmen<br />
(BDIU), versucht es trotz<strong>de</strong>m: „Das<br />
ist so nah an <strong>de</strong>r Wahrheit wie die Fernsehreihe<br />
Tatort an <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r Kriminalpolizei“,<br />
sagt er. Allerdings spricht <strong>de</strong>r Chef <strong>de</strong>s<br />
Branchenverbands nur für seine etwa 530<br />
Mitglie<strong>de</strong>r. Diese verpfl ichteten sich, beim<br />
Eintreiben von For<strong>de</strong>rungen die gebotenen<br />
Umgangsformen an <strong>de</strong>n Tag zu legen. Hält<br />
sich ein Unternehmen nicht daran, wird es<br />
vom Verband ausgeschlossen.<br />
Sicherheit<br />
schreibt man<br />
mit F.<br />
Warum unnötige Risiken eingehen? Vor For<strong>de</strong>rungsausfällen<br />
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For<strong>de</strong>rungen zeitgemäß managen
Finanzen & Steuern – Versicherungen<br />
56<br />
Kfz-Policen für Flotten<br />
Jetzt alle Trümpfe ausspielen<br />
Die Versicherer ziehen die Daumenschrauben an: Im nächsten Jahr steigen die Beiträge<br />
für Fahrzeugfl otten. Genug Anlass also für einen Policen-Check. VON EVA NEUTHINGER<br />
Knapp kalkulierte Tarife, hohe Scha<strong>de</strong>nsquoten:<br />
Die Kfz-Sparte <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Versicherer steht enorm unter<br />
Druck. Allein im Jahr 2010 haben die<br />
Gesellschaften 1,5 Milliar<strong>de</strong>n Euro Verlust<br />
eingefahren. Für das laufen<strong>de</strong> Jahr<br />
prognostiziert <strong>de</strong>r Gesamtverband <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Versicherungswirtschaft<br />
(GdV) ein Minus von rund 1,1 Milliar<strong>de</strong>n<br />
Euro.<br />
„Die Versicherer müssen jetzt gegensteuern“,<br />
sagt Uwe Hüholt, Leiter Produktmanagement<br />
Kraftfahrt-Flotte <strong>de</strong>r<br />
AXA in Köln. Viele Optionen haben die<br />
Assekuranzen nicht. Im kommen<strong>de</strong>n<br />
Jahr dürften Beitragserhöhungen eine<br />
Folge sein. Insbeson<strong>de</strong>re Firmen mit hohen<br />
Scha<strong>de</strong>nsquoten müssen mit einer<br />
härteren Gangart ihrer Versicherung<br />
rechnen. Parallel dazu setzen die Gesellschaften<br />
auf ein professionelles Risikomanagement.<br />
„Wir haben ergänzend<br />
auch ein Frühwarnsystem eingeführt“,<br />
erklärt Hüholt. Vermittler und Kun<strong>de</strong><br />
analysieren gemeinsam die Ursachen,<br />
sobald eine Firma <strong>de</strong>utlich mehr Schä<strong>de</strong>n<br />
als in <strong>de</strong>n Vorjahren mel<strong>de</strong>t. „Ziel<br />
ist es, Kündigungen zu vermei<strong>de</strong>n“, betont<br />
Hüholt.<br />
Bei an<strong>de</strong>ren Anbietern herrscht <strong>de</strong>r<br />
gleiche Tenor vor. Auch <strong>de</strong>r HDI-Gerling-Konzern<br />
in Hannover will Kündigungen<br />
nicht ausschließen. „Wir gehen<br />
hier aber nicht so rigoros vor wie vielleicht<br />
an<strong>de</strong>re Gesellschaften“, meint<br />
Frank Liesen, Leitung Kraftfahrt Firmen<br />
von HDI-Gerling. Bevor eine Firma mit<br />
<strong>de</strong>r Aufl ösung <strong>de</strong>s Vertrags konfrontiert<br />
wird, bespricht <strong>de</strong>r Vertrieb das<br />
Problem. „Wir überlegen gemeinsam<br />
mit <strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n die Lösungsmöglichkeiten“,<br />
so Liesen.<br />
Die Assekuranzen reagieren also sensibel:<br />
„Kritisch könnte es für Firmenchefs<br />
schon bei zwei bis drei größeren Schä<strong>de</strong>n<br />
im Jahr wer<strong>de</strong>n“, erklärt Martina<br />
Rönsch, Leiterin Backoffi ce <strong>de</strong>r GMFS<br />
Versicherungsmakler GmbH in Rostock.<br />
Dann heißt es verhan<strong>de</strong>ln. Denn<br />
die Versicherungen tauschen untereinan<strong>de</strong>r<br />
Informationen aus. Wird ein<br />
Vertrag durch die Gesellschaft been<strong>de</strong>t,<br />
erschwert das extrem die Suche nach<br />
einem neuen Anbieter. „Der Unternehmer<br />
sollte im Ernstfall bereit sein, etwa<br />
die Selbstbeteiligung zu erhöhen o<strong>de</strong>r<br />
alternativ eben eine höhere Prämie zu<br />
akzeptieren“, rät Rönsch.<br />
Rabatte verhan<strong>de</strong>ln<br />
Unternehmen mit einem positiven<br />
Scha<strong>de</strong>nsverlauf haben <strong>de</strong>rzeit dagegen<br />
alle Trümpfe in <strong>de</strong>r Hand. „Um diese<br />
Kun<strong>de</strong>n reißen sich die Gesellschaften“,<br />
sagt Rönsch. Die Chancen stehen dann<br />
gut, satte Rabatte fürs nächste Jahr<br />
auszuhan<strong>de</strong>ln. Wer Mitarbeiter zu einer<br />
vernünftigen Fahrweise animiert o<strong>de</strong>r<br />
zu einem Sicherheitstraining schickt,<br />
kann aktuell also viel Geld sparen. Bei<br />
einer Scha<strong>de</strong>nsquote von weniger als 70<br />
„Wichtig ist für uns,<br />
dass wir mit festen<br />
Kosten beim Fuhrpark<br />
kalkulieren können.“<br />
THOMAS HEUER, SIV AG, ROSTOCK
Prozent wird es für die Gesellschaften<br />
interessant. Die Kennzahl gibt <strong>de</strong>n<br />
Anteil <strong>de</strong>r Aufwendungen für Unfälle<br />
im Verhältnis zu <strong>de</strong>n gezahlten Beiträgen<br />
an.<br />
So kann Thomas Heuer, Finanzvorstand<br />
<strong>de</strong>r SIV AG in Rostock, aufgrund<br />
einer niedrigen Scha<strong>de</strong>nsquote nach<br />
<strong>de</strong>m Wechsel seines Anbieters ein Drittel<br />
<strong>de</strong>s Jahresbeitrags sparen. Das Unternehmen<br />
bietet IT-Lösungen für die<br />
Energie- und Wasserwirtschaft an. Bei<br />
<strong>de</strong>r Zürich Versicherung hat er ein sogenanntes<br />
Stückprämienmo<strong>de</strong>ll abgeschlossen.<br />
Heuer zahlt für je<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r 125<br />
Firmenwagen damit die gleiche Prämie<br />
– unabhängig von Mo<strong>de</strong>ll, Ausstattung<br />
und Scha<strong>de</strong>nsverlauf <strong>de</strong>s einzelnen<br />
Fahrzeugs. „Wir wur<strong>de</strong>n beim Wechsel<br />
<strong>de</strong>s Anbieters von unserem Versicherungsmakler<br />
GMFS unterstützt“, sagt<br />
Heuer. Der Dienstleister holte mehrere<br />
Angebote ein und verglich diese in<br />
puncto Konditionen und Kosten. Es lief<br />
alles glatt. Fristgerecht zum 30. November<br />
<strong>de</strong>s Vorjahres kündigte Heuer seinen<br />
alten Vertrag, nach<strong>de</strong>m er die Zusage<br />
<strong>de</strong>r neuen Gesellschaft vorliegen<br />
hatte. „Unsere Mitarbeiter legen im Jahr<br />
zwischen 80.000 und 240.000 Kilometer<br />
zurück. Sicherlich kommt es schon<br />
ÜBERSICHT<br />
Optimal versichert<br />
Stichtag für eine Kündigung zum Jahresanfang ist <strong>de</strong>r<br />
30. November. Doch bevor das Schreiben verschickt wird, sollte<br />
die Anschlussversicherung in allen Einzelheiten geklärt sein.<br />
Bedarfsanalyse starten. Für <strong>de</strong>n optimalen<br />
Schutz muss zuerst <strong>de</strong>r Bedarf<br />
festgestellt wer<strong>de</strong>n. Versicherungsexperten<br />
unterstützen <strong>de</strong>n Unternehmer<br />
dabei.<br />
Fünf Angebote einholen. Gewerbliche<br />
Policen wer<strong>de</strong>n individuell kalkuliert.<br />
Deshalb erscheint es ratsam, drei bis<br />
fünf Angebote bei verschie<strong>de</strong>nen Gesellschaften<br />
einzuholen. O<strong>de</strong>r alternativ<br />
einen Versicherungsexperten zu beauftragen.<br />
Wichtig ist es, nicht nur <strong>de</strong>n<br />
Preis, son<strong>de</strong>rn auch die Leistungen zu<br />
vergleichen.<br />
Schä<strong>de</strong>n begrenzen. Ein großer Scha<strong>de</strong>n<br />
schlägt mitunter über mehrere Jahre auf<br />
die Prämie durch. Die Versicherer bieten<br />
eine sogenannte Großscha<strong>de</strong>nkappung<br />
an. Vorteil für <strong>de</strong>n Versicherten: Ab einer<br />
Scha<strong>de</strong>nssumme von 100.000 Euro erhöht<br />
die Gesellschaft die Beiträge nicht<br />
noch weiter.<br />
Selbstbeteiligung vereinbaren. Wer<br />
Prämien sparen will, verhan<strong>de</strong>lt mit <strong>de</strong>r<br />
Gesellschaft. Wird eine Selbstbeteiligung<br />
vereinbart, sinkt automatisch <strong>de</strong>r Beitrag<br />
und somit auch die Versicherungssteuer.<br />
Einzel- und Flottentarif vergleichen.<br />
Bei einem Flottentarif wer<strong>de</strong>n neue<br />
Fahrzeuge in die gleiche Beitragsklasse<br />
eingestuft wie alle an<strong>de</strong>ren Fahrzeuge.<br />
Problem: Falls in einem Jahr viele Unfälle<br />
passieren, erhöht sich im Gegenzug<br />
die Prämie für alle Autos. Die Vor- und<br />
Nachteile gilt es nach <strong>de</strong>r individuellen<br />
Risikosituation abzuwägen.<br />
mal zu einem Scha<strong>de</strong>n“, räumt <strong>de</strong>r Finanzvorstand<br />
ein. Das wirkte sich für<br />
ihn aber nicht negativ aus, weil sich die<br />
Reparaturen in Grenzen hielten. Bisher<br />
gab es kaum größere Schä<strong>de</strong>n. „Wichtig<br />
ist für uns vor allem, dass wir mit festen<br />
Kosten beim Fuhrpark kalkulieren können“,<br />
sagt Heuer.<br />
So wählte er einen Rundumschutz.<br />
Weil <strong>de</strong>r Betrieb seine Flotte geleast hat,<br />
nahm er noch eine spezielle Klausel<br />
mit in seinen Vertrag auf, nach <strong>de</strong>r die<br />
sogenannte Gap-Deckungslücke mitversichert<br />
ist. Bei einem Unfall mit Totalscha<strong>de</strong>n<br />
ersetzt ihm die Gesellschaft<br />
nicht nur <strong>de</strong>n Betrag nach <strong>de</strong>r Schwacke-Liste,<br />
son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n kompletten<br />
Mit neuem Versicherungsschutz in<br />
<strong>de</strong>n Winter. Bis zum 30. November<br />
können alte Versicherungsverträge<br />
gekündigt wer<strong>de</strong>n.<br />
57
Finanzen & Steuern – Versicherungen<br />
Leasing-Restwert. „Das erscheint bei<br />
geleasten Autos sinnvoll“, empfi ehlt<br />
Rönsch (siehe Checkliste oben).<br />
Knackpunkt<br />
Versicherungsbedingungen<br />
CHECKLISTE<br />
Darauf sollten Sie achten<br />
Rabatte auszuhan<strong>de</strong>ln ist gut. Niedrige Beiträge sollten<br />
aber nicht auf Kosten <strong>de</strong>s Leistungsumfangs gehen.<br />
> Ist zum Beispiel grobe Fahrlässigkeit<br />
in <strong>de</strong>r Vollkasko mitversichert?<br />
Dann zahlt die Gesellschaft auch<br />
bei Unfällen, bei <strong>de</strong>nen die Reifen<br />
abgefahren waren o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Wagen<br />
überlastet war.<br />
> Erstreckt sich <strong>de</strong>r Versicherungsschutz<br />
auch auf Son<strong>de</strong>raufbauten/Son<strong>de</strong>rausstattungen?<br />
> Sind Navis o<strong>de</strong>r Radio/CD-Player<br />
bis zu 3.000 Euro mitversichert?<br />
> Wichtig ist auch eine verlässliche<br />
Unterstützung im Scha<strong>de</strong>nsfall:<br />
Wird ein passen<strong>de</strong>s Ersatzfahrzeug<br />
organisiert, um <strong>de</strong>n Betrieb mobil<br />
zu halten?<br />
> Wird <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>n schnell und reibungslos<br />
reguliert?<br />
> Akzeptiert die Gesellschaft einen<br />
Scha<strong>de</strong>n im Jahr, ohne die Firma gleich<br />
Kun<strong>de</strong>nfreundliche Klauseln im Kleingedruckten<br />
run<strong>de</strong>n einen optimalen<br />
Versicherungsschutz ab. Sich nur auf<br />
die Entscheidung zwischen Voll-, Teilkasko<br />
o<strong>de</strong>r reiner Haftpfl ichtpolice zu<br />
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Risikomanagement Wie Unternehmen im<br />
Rahmen <strong>de</strong>s Risikomanagements <strong>de</strong>n optimalen<br />
Versicherungsschutz ermitteln.<br />
mit einer schlechteren Freiheitsklasse<br />
zu bestrafen (Rabattretter)?<br />
> Unterstützt die Gesellschaft <strong>de</strong>n Unternehmer<br />
dabei, Risiken zu erkennen<br />
(Risk-Management)?<br />
> Bietet die Gesellschaft bei einer<br />
hohen Scha<strong>de</strong>nsquote Problemlösungen<br />
an?<br />
> Besteht auch Schutz im Ausland?<br />
> Sind Wildschä<strong>de</strong>n mit abge<strong>de</strong>ckt?<br />
> Ließe sich ein Totalscha<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>r<br />
Firmenkasse fi nanzieren? Dann genügt<br />
in <strong>de</strong>r Regel eine Teilkasko- o<strong>de</strong>r<br />
ggf. nur eine Haftpfl ichtversicherung.<br />
> Ist eine Fahrerversicherung eingeschlossen?<br />
> Bei Leasing-Fahrzeugen: Ist die Lücke<br />
zwischen <strong>de</strong>m Leasing-Restwert und<br />
<strong>de</strong>n Angaben in <strong>de</strong>r Schwacke-Liste<br />
für das Fahrzeug ge<strong>de</strong>ckt?<br />
beschränken, reicht nicht aus. Clevere<br />
Unternehmer setzen auf ein breites<br />
Leistungsspektrum zu einem günstigen<br />
Preis. Zum Beispiel bieten Versicherungen<br />
wie HDI Gerling auch eine<br />
Fahrerschutzversicherung mit an. Die<br />
Gesellschaft zahlt dann auch bei einem<br />
selbst verschul<strong>de</strong>ten Unfall. „Die Versicherung<br />
sollte unbedingt grobes Verschul<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>s Fahrers mit ab<strong>de</strong>cken“, so<br />
Rönsch. Auch ein Schmerzensgeld darf<br />
<strong>de</strong>r Fahrzeuglenker im Ernstfall erwarten.<br />
Die Fahrerschutzversicherung gibt<br />
es für einen geringen Aufpreis.<br />
Viele Gesellschaften geben rund zehn<br />
bis 15 Prozent Prämiennachlass, falls<br />
sich <strong>de</strong>r Unternehmer für eine Werkstattbindung<br />
entschei<strong>de</strong>t. Wer mehrere<br />
Tausend Euro Beiträge im Jahr für<br />
die Flottenversicherung überweisen<br />
muss, kann damit also viel Geld sparen.<br />
Schließlich kostet <strong>de</strong>r Schutz für<br />
eine Flotte von sechs Autos bei einer<br />
günstigen Gesellschaft rund 4.000 Euro<br />
jährlich. „Trotz<strong>de</strong>m verzichten viele<br />
Firmenchefs lieber auf die Werkstattbindung“,<br />
sagt Rönsch. Denn <strong>de</strong>r Versicherer<br />
bestimmt dann, wer das Auto repariert.<br />
Insbeson<strong>de</strong>re Firmenchefs, die<br />
eine gute Geschäftsbeziehung zu einem<br />
Autohaus ihres Vertrauens pfl egen, sehen<br />
die Klausel eher als Handicap.<br />
Deshalb entschied sich auch Thomas<br />
Gremmers, Vorstand <strong>de</strong>r Sohnix AG im<br />
mecklenburgischen Sievershagen, gegen<br />
die Werkstattbindung. Der Spezialist für<br />
PC-Netzwerke mit 50 Mitarbeitern hat<br />
bei <strong>de</strong>r Allianz in München eine Flottenversicherung<br />
mit einheitlichem Beitragssatz<br />
für 22 Fahrzeuge abgeschlossen.<br />
„Wir verzeichneten bisher aber auch nur<br />
kleinere Schä<strong>de</strong>n“, so Gremmers. Allerdings<br />
hat ihn die Gesellschaft in einem<br />
Jahr <strong>de</strong>nnoch schon einmal in <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsklasse<br />
hochgesetzt. Entsprechend<br />
stiegen die Prämien. Im nächsten Jahr<br />
gab es weniger Unfälle, und die Firma<br />
wur<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r in die bisherige Kategorie<br />
heruntergestuft. Gremmers blieb gelassen:<br />
„Eine reibungslose Regulierung<br />
bei einem Scha<strong>de</strong>n ist für uns das A<br />
und O.“<br />
Auf Serviceleistungen achten<br />
Guter Service ist auch für Armin Glasser,<br />
Chef <strong>de</strong>r Firma Leber Bausanierung<br />
in Dortmund, das erste Kriterium für<br />
die Auswahl <strong>de</strong>s Anbieters. Der Unternehmer<br />
hat sich für die Signal Iduna in<br />
Hamburg entschie<strong>de</strong>n, „weil ich mit <strong>de</strong>r<br />
Gesellschaft bereits in an<strong>de</strong>ren Sparten<br />
gute Erfahrungen gemacht habe“, so<br />
Glasser. Seine fünf Firmenfahrzeuge<br />
und einen Anhänger hat er separat<br />
versichert. Beim Einzeltarif wer<strong>de</strong>n<br />
im Gegensatz zum Stückprämienmo<strong>de</strong>ll<br />
beson<strong>de</strong>re Tarifparameter wie die<br />
Nutzungsart, Fahrleistung sowie Scha<strong>de</strong>nsfreiheitsklasse<br />
für je<strong>de</strong>n Wagen<br />
geson<strong>de</strong>rt ermittelt. Für Glasser brachte<br />
das Pluspunkte bei <strong>de</strong>r Prämie. Einen<br />
Flottentarif bieten die meisten Gesellschaften<br />
ohnehin erst ab sechs Fahrzeugen<br />
an. Die Regel: „Bei überschaubaren<br />
Fuhrparks mit festen Fahrern, wenigen<br />
Fahrzeugwechseln und festen Einsatzgebieten<br />
ist <strong>de</strong>r Einzeltarif die bessere<br />
Variante“, sagt Hüholt.<br />
58 ProFirma 10 2011
ProFirma 10 2011<br />
Soll & Haben<br />
Kostenkontrolle<br />
versus Renditeträume<br />
Ein warmer Geldregen ist keine Garantie für ein fi nanziell<br />
sorgenfreies Leben. Dies musste ein Einzelhan<strong>de</strong>lskaufmann<br />
erfahren, <strong>de</strong>r sein Unternehmen vor zehn Jahren für drei<br />
Millionen Euro verkauft hatte. Einen Teil <strong>de</strong>s Erlöses legte er<br />
bei verschie<strong>de</strong>nen Banken und Fondsvermögensverwaltern<br />
an: Zur Hälfte in Anteilen von Aktienfonds und zur an<strong>de</strong>ren<br />
Hälfte in Anteilen offener Immobilienfonds und Anleihen.<br />
Aber auch diese breite Streuung schützte vor Verlusten nicht.<br />
So kam es ausgerechnet im Zusammenhang mit teilweise<br />
heftigen Einbußen bei <strong>de</strong>n vermeintlich beson<strong>de</strong>rs sicheren<br />
Offenen Immobilienfonds zu Rechtsstreitigkeiten mit seinen<br />
Beratern. Sein Rechtsanwalt empfahl ihm daher, sich von<br />
einem unabhängigen Honorarberater helfen zu lassen.<br />
Die Bestandsaufnahme fi el ernüchternd aus. Denn auch bei<br />
seinen aktiv verwalteten Aktienfonds, die zum Kaufzeitpunkt<br />
in Fonds-Rankings immer auf <strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>ren Plätzen zu fi n<strong>de</strong>n<br />
waren, stand nur eine schwarze Null unterm Strich. Das ist<br />
auch kaum verwun<strong>de</strong>rlich. Schließlich belegen empirische<br />
Studien, dass Aktienfonds mit einer gezielten Auswahl von<br />
Papieren nur selten <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n In<strong>de</strong>x o<strong>de</strong>r einen<br />
ausgewählten Aktienkorb nach Kosten schlagen. Der Berater<br />
empfi ehlt <strong>de</strong>m Anleger daher, <strong>de</strong>n Kauf von „passiven“ In<strong>de</strong>xfonds<br />
ins Auge zu fassen.<br />
Deren Vorteile liegen auf <strong>de</strong>r Hand. So sind die Kosten beim<br />
Kauf <strong>de</strong>r Anteile gering, die Orientierung an einem In<strong>de</strong>x<br />
machen teure Analysen überfl üssig und min<strong>de</strong>rn die Risiken<br />
falscher Kaufentscheidungen. Darüber hinaus kann je<strong>de</strong>r<br />
Anleger die Entwicklung <strong>de</strong>r Fonds selbst überwachen. Dem<br />
Kaufmann gefällt diese I<strong>de</strong>e. Dennoch stört ihn dabei, dass<br />
mögliche Kursgewinne beim Kauf <strong>de</strong>r Aktienin<strong>de</strong>xfonds <strong>de</strong>r<br />
Abgeltungsteuer unterliegen. Zwar seien seine Fonds mit einer<br />
sogenannten Total Expense Ratio (TER/eine Kennziffer<br />
Von Gabriel Hopmeier<br />
Gabriel Hopmeier ist Certifi ed<br />
Financial Planner (CFP) und Sachverständiger<br />
für Anlageberatung<br />
und Finanzplanung in Freiburg.<br />
Info: www.hopmeier.<strong>de</strong><br />
für die laufen<strong>de</strong>n Kosten) von 1,5 bis zwei Prozent teurer, argumentierte<br />
er. Dafür falle aber keine Abgeltungsteuer beim<br />
Verkauf <strong>de</strong>r Anteile an, weil er sie vor <strong>de</strong>r Gesetzesän<strong>de</strong>rung<br />
im Jahr 2009 erworben hatte. Inklusive Solidaritätszuschlag<br />
und Kirchensteuer seien das immerhin rund 28 Prozent <strong>de</strong>r<br />
Erträge, die ihm nach <strong>de</strong>m Wechsel auf die In<strong>de</strong>xfonds wegbesteuert<br />
wür<strong>de</strong>n.<br />
Dieses Argument lässt sich mo<strong>de</strong>llhaft auf <strong>de</strong>n Prüfstand stellen.<br />
Gegen die Rechnung <strong>de</strong>s Kaufmanns spricht schon, dass<br />
die TER nicht alle Kosten <strong>de</strong>r Fonds berücksichtigt. Insbeson<strong>de</strong>re<br />
fehlen die Leistungsgebühren, die anfallen, falls <strong>de</strong>r Fonds<br />
mal seinen Vergleichsin<strong>de</strong>x schlägt. Darüber hinaus bleiben<br />
in <strong>de</strong>r Kalkulation auch viele kleinere Kostenpositionen, wie<br />
Beratungsleistungen, Spesen, Courtagen, Umsatzsteuern und<br />
bei Dachfonds die TER <strong>de</strong>r verwalteten Fonds, außen vor.<br />
Geht man nun davon aus, dass aktiv verwaltete Aktienfonds<br />
und vergleichbare In<strong>de</strong>xfonds mit sechs Prozent pro Jahr zulegen<br />
und die TER <strong>de</strong>r In<strong>de</strong>xfonds bei 0,15 Prozent pro Jahr<br />
liegt, darf die Gesamtkostenbelastung <strong>de</strong>r aktiven Fonds bei<br />
einem Anlagevolumen von 1,5 Millionen Euro nicht mehr als<br />
1,77 Prozent betragen, damit sie sich inklusive Steuerfreiheit<br />
<strong>de</strong>r Kursgewinne gegenüber <strong>de</strong>n In<strong>de</strong>xfonds lohnen. In absoluten<br />
Zahlen fallen bei <strong>de</strong>n aktiven Fonds Kosten von 27.000<br />
Euro pro Jahr an. Bei <strong>de</strong>n passiven In<strong>de</strong>xfonds wer<strong>de</strong>n in gleicher<br />
Höhe Fondskosten und Abgeltungsteuer fällig.<br />
Die Rechnung <strong>de</strong>s Anlegers geht aber nur auf, wenn die Wertzuwächse<br />
erreicht wer<strong>de</strong>n. Legen die Fondsanteile weniger als<br />
sechs Prozent pro Jahr zu, dann wer<strong>de</strong>n die In<strong>de</strong>xfonds immer<br />
attraktiver. Der Berater empfi ehlt daher trotz Abgeltungsteuer<br />
<strong>de</strong>n Wechsel. Denn die ersparten Kosten sind Fakt. Hohe<br />
steuerfreie Kursgewinne sind dagegen nur eine Hoffnung, die<br />
bereits in <strong>de</strong>r Vergangenheit enttäuscht wur<strong>de</strong>.<br />
Kolumne<br />
59
Finanzen & Steuern<br />
STEUERTRENDS<br />
Geburtstagsfeier ist Privatsache<br />
Geburtstagsfeiern im Kreise von Mitarbeitern<br />
und Geschäftspartnern sind<br />
regelmäßig privat veranlasst, entschied<br />
das Finanzgericht (FG) Münster in<br />
einem Urteil vom 12. Mai 2011 (Az.:<br />
10 K 1643/10 E). Die Kosten für solche<br />
Feste können also auch nicht als Werbungskosten<br />
o<strong>de</strong>r Betriebsausgaben<br />
geltend gemacht wer<strong>de</strong>n<br />
In <strong>de</strong>m zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Fall hatte <strong>de</strong>r<br />
Kläger als einer von mehreren Gesellschafter-Geschäftsführern<br />
einer GmbH<br />
zu seinem 60. Geburtstag Mitarbeiter<br />
und Geschäftskollegen eingela<strong>de</strong>n, um<br />
laut Einladung „nicht charakterlos“ zu<br />
erscheinen und „weil an<strong>de</strong>rnfalls <strong>de</strong>r<br />
Ruf lei<strong>de</strong>n könne“. Die Feier, die 6.251<br />
Euro kostete, fand außerhalb <strong>de</strong>r Ge-<br />
Verzögerungsgeld<br />
Wie Chefs die neue Wun<strong>de</strong>rwaffe<br />
<strong>de</strong>r Prüfer entschärfen<br />
schäftsräume statt. Neben <strong>de</strong>n knapp<br />
90 Mitarbeitern und 18 Geschäftspartnern<br />
waren auch die Geschwister mit<br />
Familien zugegen. Der Kläger wollte<br />
nun die Aufwendungen als Werbungskosten<br />
absetzen. Das Finanzamt (Beklagte)<br />
gewährte ihm jedoch nur <strong>de</strong>n<br />
Arbeitnehmer-Pauschbetrag in Höhe<br />
von 920 Euro.<br />
Das FG Münster wies die Klage mit<br />
<strong>de</strong>r Begründung ab, dass die Aufwendungen<br />
für die Geburtstagsfeier privat<br />
veranlasst seien, weshalb auch kein<br />
Werbungskostenabzug infrage kam.<br />
Für die private Veranlassung sprechen<br />
nach Ansicht <strong>de</strong>r Richter mehrere Indizien.<br />
Unter an<strong>de</strong>rem sei als Anlass <strong>de</strong>r<br />
Feier ein<strong>de</strong>utig und ausschließlich <strong>de</strong>r<br />
Bei Betriebsprüfungen gibt es eine neue Wun<strong>de</strong>rwaffe, um Unternehmer<br />
zu mehr Mitarbeit zu verdonnern. Das sogenannte Verzögerungsgeld nach<br />
§ 146 Abs. 2 AO. Min<strong>de</strong>stens 2.500 Euro kostet es einen Unternehmer, wenn<br />
er trotz mehrmaliger Mahnungen die gefor<strong>de</strong>rten Unterlagen nicht vorlegt.<br />
Was also tun, wenn <strong>de</strong>r Betriebsprüfer ein Verzögerungsgeld androht? Ein<br />
Einspruch schei<strong>de</strong>t aus, weil die bloße Androhung kein anfechtbarer Verwaltungsakt<br />
ist (FG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29.7.2011, Az. 1 V 1151/11).<br />
ProFirma rät: Bei Androhung<br />
eines Verzögerungsgelds empfi<br />
ehlt es sich, <strong>de</strong>m Prüfer <strong>de</strong>n<br />
Grund für die schwierige und<br />
zeitintensive Beschaffung <strong>de</strong>r<br />
gefor<strong>de</strong>rten Unterlagen schriftlich<br />
mitzuteilen und eine<br />
letztmalige Verlängerung <strong>de</strong>r<br />
Vorlagepfl icht zu beantragen.<br />
Lehnt <strong>de</strong>r Prüfer dieses Gesuch<br />
ab, sollte das Gespräch mit <strong>de</strong>n<br />
Vorgesetzen <strong>de</strong>s Prüfers gesucht<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
60. Geburtstag kommuniziert wor<strong>de</strong>n.<br />
Außer<strong>de</strong>m sei ausschließlich <strong>de</strong>r Kläger<br />
als Einla<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r aufgetreten.<br />
ProFirma rät: Prüfen Sie vor <strong>de</strong>r nächsten<br />
Feier folgen<strong>de</strong> Punkte:<br />
> Anlass <strong>de</strong>r Feier?<br />
> Wer tritt als Gastgeber auf?<br />
> Wer bestimmt die Gästeliste?<br />
> Stammen die Gäste aus <strong>de</strong>m beruflichen<br />
o<strong>de</strong>r privaten Umfeld?<br />
> Wo fi n<strong>de</strong>t die Feier statt?<br />
> Weist das Fest <strong>de</strong>n Charakter einer<br />
privaten Feier auf o<strong>de</strong>r nicht?<br />
> Wie hoch liegen die Aufwendungen<br />
pro Gast?<br />
> Erhält <strong>de</strong>r Gastgeber eine variable, erfolgsabhängige<br />
Entlohnung (spricht<br />
für die berufl iche Veranlassung)?<br />
BMF BESTÄTIGT PROFIRMA<br />
Bereits in unserer Juli-Ausgabe hatten wir<br />
EHEC-Epi<strong>de</strong>mie-geschädigten Lesern empfohlen,<br />
Steuererleichterungen wie Stundung,<br />
Herabsetzung von Vorauszahlungen<br />
o<strong>de</strong>r Absehen von Vollstreckungsmaßnahmen<br />
beim Finanzamt zu beantragen.<br />
Knapp zwei Monate später haben die Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />
unsere Auffassung bestätigt<br />
und in einem gleichlauten<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rerlass<br />
vom 1. August 2011 erläutert, welche Vergünstigungen<br />
Selbstständige erhalten.<br />
ProFirma rät: Wir raten in diesem Zusammenhang<br />
nochmals dringend dazu,<br />
schriftliche Nachweise für die Grün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Umsatzrückgangs während <strong>de</strong>r EHEC-Krise<br />
aufzubewahren (Gästestornos, Vertragskündigungen,<br />
neue Speisekarten, Nachweise<br />
über Umfang und Wert vernichteter<br />
Nahrungsmittel). Denn nur so können bei<br />
einer Jahre später stattfi n<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Betriebsprüfung<br />
die Kalkulationsabweichungen<br />
begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Ohne Aufzeichnungen<br />
drohen an<strong>de</strong>rnfalls Zuschätzungen zu Gewinn<br />
und Umsatz.<br />
60 ProFirma 10 2011
BFH stoppt fragwürdige Praxis <strong>de</strong>r Finanzämter<br />
Hat das Finanzamt einem Unternehmer einen Schätzungsbescheid<br />
zugeschickt, weil dieser trotz mehrmaliger Mahnungen<br />
seine Steuererklärung nicht abgegeben hat, helfen<br />
gegen die geschätzten Steuernachzahlungen nur ein Einspruch<br />
und das Einreichen <strong>de</strong>r ausstehen<strong>de</strong>n Steuererklärung.<br />
Doch was passiert, wenn <strong>de</strong>r Selbstständige in seiner<br />
Erklärung einen Investitionsabzugsbetrag für geplante Investitionen<br />
vom Gewinn abzieht und die Investition erfolgt ist?<br />
Für das Finanzamt ist die Sache hier klar: Der Investitionsabzug<br />
wird wegen <strong>de</strong>r bereits erfolgten Investition gekippt (BMF,<br />
ProFirma 10 2011<br />
Ticker<br />
BEWIRTUNG<br />
Stehen auf <strong>de</strong>m Bewirtungsbeleg<br />
nur die Namen <strong>de</strong>r Teilnehmer sowie<br />
<strong>de</strong>ren Funktion und nicht <strong>de</strong>r<br />
betriebliche Anlass, entfällt <strong>de</strong>r Betriebsausgaben-<br />
und Vorsteuerabzug<br />
(FG Berlin-Bran<strong>de</strong>nburg, Urteil vom<br />
11.5.2011, Az. 12 K 12209/10).<br />
GRUNDERWERBSTEUER<br />
Verspricht <strong>de</strong>r Verkäufer <strong>de</strong>m Käufer<br />
einer Immobilie bei Zahlung <strong>de</strong>s<br />
Kaufpreises eine Eigenprovision,<br />
min<strong>de</strong>rt diese Provision <strong>de</strong>n Kaufpreis<br />
<strong>de</strong>r Immobilie und somit die<br />
Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer (Finanzgericht<br />
Sachsen, Urteil vom 16.3.2011, Az. 8<br />
K 1123/10).<br />
LIMITED<br />
Immer mehr Selbstständige wollen<br />
ihren Betrieb nicht mehr in <strong>de</strong>r<br />
Rechtsform einer englischen Limited<br />
führen. Doch aufgepasst: Vor <strong>de</strong>r<br />
Aufl ösung <strong>de</strong>r Limited im englischen<br />
Han<strong>de</strong>lsregister sollten in Deutschland<br />
alle notwendigen Anträge, Erklärungen,<br />
Einspruchverfahren und<br />
Verkäufe stattfi n<strong>de</strong>n. Denn sobald<br />
die Limited im englischen Han<strong>de</strong>lsregister<br />
gelöscht ist, fällt ihr gesamtes<br />
Vermögen <strong>de</strong>r englischen Krone zu.<br />
Der bisherige Gesellschafter hat dann<br />
keine Befugnisse mehr (FG Münster,<br />
Beschluss vom 11.5.2011, Az. 9 V<br />
3872/10 K).<br />
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MAN Truck & Bus<br />
Kemmerich Group<br />
u.a.<br />
Schreiben vom 8.5.2009, BStBl. I S. 633, Rz. 27). Doch die Richter<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sfi nanzhofs kassierten diese fragwürdige Auslegung<br />
<strong>de</strong>r Finanzverwaltung zum § 7g Abs. 1 EStG und erlaubten <strong>de</strong>m<br />
Selbstständigen <strong>de</strong>n Abzug (Urteil vom 8.6.2011, Az. I R 90/10).<br />
ProFirma rät: Dieses Urteil ist so aktuell, dass es vielen Finanzbeamten<br />
noch nicht geläufi g ist. Betroffene Unternehmer, <strong>de</strong>nen<br />
<strong>de</strong>r Investitionsabzugsbetrag nach einer Schätzung also<br />
versagt wird, weil die Investition zwischenzeitlich erfolgt ist,<br />
sollten sich mit einem Einspruch und einem <strong>de</strong>zenten Hinweis<br />
auf die neue Rechsprechung wehren.<br />
Impulsvortrag<br />
von Dr. Karsten Kilian<br />
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Finanzen & Steuern – Steuertipp<br />
Urteile und Anweisungen<br />
Vereinfachung nicht in Sicht<br />
Allen gegenteiligen Ankündigungen zum Trotz: Firmenchefs und ihre Steuerberater<br />
müssen sich mit einer unaufhörlichen Flut an neuen Steuerregeln herumschlagen.<br />
Zehn wichtige Neuerungen in Kürze. VON OTTFRIED WEISS<br />
Beinahe täglich tickern neue Urteile,<br />
Verwaltungsanweisungen und Trends<br />
zu Steuerthemen durch die Medien. Zu<br />
viel, um als beschäftigter Unternehmer<br />
noch <strong>de</strong>n Überblick zu behalten. Hier<br />
zehn aktuelle Urteile und Verwaltungsanweisungen.<br />
1. CMR-Frachtbrief<br />
Versen<strong>de</strong>t ein Unternehmer Waren in<br />
ein EU-Land, ist die Lieferung nur dann<br />
umsatzsteuerfrei, wenn man einen Versendungsbeleg,<br />
einen CMR-Frachtbrief,<br />
vorlegen kann. Hat <strong>de</strong>r Versen<strong>de</strong>r diesen<br />
nicht unterschrieben, entfällt die Umsatzsteuerfreiheit<br />
entgegen <strong>de</strong>r Auffassung<br />
<strong>de</strong>r Finanzverwaltung nicht (BFH,<br />
Urteil vom 17.2.2011, Az. V R 28/10).<br />
2. Verzicht auf<br />
Mehrheitsstimmrecht<br />
Verzichtet ein GmbH-Gesellschafter<br />
aufgrund einer Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Gesellschaftsvertrags<br />
gegenüber <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
Anteilseignern auf das Mehrheitsstimmrecht,<br />
for<strong>de</strong>rn Finanzämter Schenkungsteuer<br />
von <strong>de</strong>n übrigen Gesellschaftern.<br />
Doch die Richter <strong>de</strong>s Finanzgerichts<br />
Ba<strong>de</strong>n-Württemberg entschie<strong>de</strong>n jetzt<br />
gegen diese Praxis <strong>de</strong>r Verwaltung (Urteil<br />
vom 5.5.2011, Az. 7 K 1475/09).<br />
3. Steuerleichterungen<br />
wegen Unwetter<br />
Steuerzahler, die Opfer <strong>de</strong>r heftigen<br />
Unwetter in Bayern im Juni wur<strong>de</strong>n,<br />
können beim Finanzamt Steuererleichterungen<br />
beantragen. Neben <strong>de</strong>r unbürokratischen<br />
Herabsetzung <strong>de</strong>r Vorauszahlungen<br />
sieht das Finanzamt vorerst<br />
von Beitreibungsmaßnahmen ab und<br />
gewährt die Stundung <strong>de</strong>r fälligen Steuerzahlungen<br />
zwischen <strong>de</strong>m 6. Juni und<br />
30. September 2011 (Bayerisches Staatsministerium<br />
<strong>de</strong>r Finanzen, Pressemitteilung<br />
202/2011 vom 22.6.2011).<br />
4. Unentgeltliche Zugaben<br />
Gewährt ein Unternehmer seinem Kun<strong>de</strong>n<br />
beim Kauf <strong>de</strong>r Ware unentgeltliche<br />
Zugaben, greifen die Einschränkungen<br />
<strong>de</strong>s § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG für Geschenke<br />
nicht: Auch wenn die Zugabe<br />
mehr als 35 Euro netto kostet, kann sie<br />
vollständig abgezogen wer<strong>de</strong>n (BFH,<br />
Urteil vom 12.10.2010, Az. I R 99/09;<br />
BFH/NV 2011 S. 650 ff.).<br />
5. Gutscheine<br />
Wen<strong>de</strong>t ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern<br />
einen Gutschein im Wert von<br />
maximal 44 Euro zu, ist diese Zuwendung<br />
steuer- und abgabenfrei. Wird<br />
dieser Höchstbetrag nur um einen Euro<br />
überschritten, ist <strong>de</strong>r gesamte Vorteil<br />
lohnsteuer- und sozialversicherungspfl<br />
ichtig. Doch es gibt eine Möglichkeit,<br />
<strong>de</strong>m Mitarbeiter zwei Gutscheine pro<br />
Monat zuzuwen<strong>de</strong>n. Die Oberfi nanzdirektionen<br />
Rheinland und Münster<br />
wiesen nämlich darauf hin, dass Gutscheine,<br />
für die Arbeitgeber nach § 37b<br />
EStG 30 Prozent Steuern plus Soli und<br />
gegebenenfalls Kirchensteuer abführen,<br />
nicht mehr in die Ermittlung <strong>de</strong>r<br />
monatlichen 44-Euro-Grenze einzubeziehen<br />
sind (Kurz-Info Lohnsteuer-Außendienst<br />
Nr. 02/2011 vom 6.7.2011).<br />
6. Verzögerungsgeld aufteilen<br />
Setzt das Finanzamt während einer Betriebsprüfung<br />
ein Verzögerungsgeld<br />
fest, weil ein Unternehmer trotz mehrmaliger<br />
Mahnungen bestimmte Unterlagen<br />
nicht vorgelegt hat, behan<strong>de</strong>ln<br />
die Finanzämter diese Strafzahlung als<br />
Nebenleistung zu Steuern. Das Fatale<br />
62 ProFirma 10 2011
daran: Betreffen die Anfragen nicht<br />
abziehbare Steuern (Einkommensteuer,<br />
Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag<br />
und Gewerbesteuer von 2008<br />
an), darf auch das Verzögerungsgeld<br />
<strong>de</strong>n Gewinn nicht min<strong>de</strong>rn.<br />
ProFirma rät: Betreffen die nicht vorgelegten<br />
Unterlagen zum Teil abziehbare<br />
und zum Teil nicht abziehbare Steuern,<br />
darf auch das Verzögerungsgeld in einen<br />
abziehbaren und einen nicht abziehbaren<br />
Teil aufgeteilt wer<strong>de</strong>n (siehe<br />
auch Seite 60).<br />
7. Kostenvoranschlag<br />
In einem Urteil <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sfi nanzhofs<br />
schul<strong>de</strong>te <strong>de</strong>r Aussteller von Rechnungen<br />
die Umsatzsteuer, obwohl er die<br />
Leistungen nie erbracht hat (BFH, Urteil<br />
vom 17.2.2011, Az. V R 39/09). ProFirma<br />
hat beim Bun<strong>de</strong>sfi nanzministerium<br />
nachgehakt, ob davon auch Kostenvoranschläge<br />
mit Umsatzsteuer betroffen<br />
sind: Die klare Antwort: Nein.<br />
8. Tages- und Börsenzeitungen<br />
Mit Vorliebe streichen die Prüfer <strong>de</strong>s<br />
Finanzamts die Betriebsausgaben für<br />
Tageszeitungen, Börsen- und Wirtschaftspublikationen<br />
zusammen. Doch<br />
ein Urteil <strong>de</strong>s Finanzgerichts München<br />
macht Hoffnung. Der Kläger betonte,<br />
die Zeitungen und Zeitschriften zu<br />
benötigen, um Kenntnisse über gesamtwirtschaftliche<br />
Vorgänge, insbeson<strong>de</strong>re<br />
zum Konsumverhalten <strong>de</strong>r<br />
Verbraucher zu erlangen. Die Richter<br />
ließen in diesem Fall die Betriebsausgabe<br />
zu (FG München, Az. 5 K 379/08).<br />
9. Firmenwagen<br />
Der nachträgliche Einbau einer Flüssiggasanlage<br />
hat keine Auswirkung<br />
auf <strong>de</strong>n Listenpreis <strong>de</strong>s Fahrzeugs und<br />
erhöht so auch nicht <strong>de</strong>n zu versteuern<strong>de</strong>n<br />
Anteil für die Privatnutzung bei<br />
<strong>de</strong>r Ein-Prozent-Regelung (BFH, Urteil<br />
vom 13.10.2010, BStBl 2011 II S. 361).<br />
Dieses Urteil befl ügelt Unternehmer.<br />
Autos wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeit immer häufi ger<br />
nur in <strong>de</strong>r Grundausstattung gekauft.<br />
Die Son<strong>de</strong>rausstattung wird dann<br />
nachträglich eingebaut und bleibt bei<br />
<strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>s Privatanteils außen<br />
vor.<br />
ProFirma 10 2011<br />
10. Zivilprozesskosten abziehbar?<br />
Der Bun<strong>de</strong>sfi nanzhof än<strong>de</strong>rte seine<br />
Rechtsprechung zum Abzug einer außergewöhnlichen<br />
Belastung bei Zivilprozessen.<br />
Die Kosten für Zivilprozesse<br />
sind danach bei hinreichen<strong>de</strong>r Aussicht<br />
auf Erfolg unabhängig vom Grund <strong>de</strong>s<br />
Prozesses abziehbar.<br />
Bisher ließ <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfi nanzhof <strong>de</strong>n<br />
Abzug einer außergewöhnlichen Belastung<br />
für die Kosten eines Zivilprozesses<br />
nur zum Abzug zu, wenn die<br />
Gute<br />
Geschäfte<br />
sofort<br />
erkennen<br />
Rechtsstreitigkeit für <strong>de</strong>n Steuerzahler<br />
von existenzieller Be<strong>de</strong>utung war. Doch<br />
von diesem Grundgedanken haben sich<br />
die Richter <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sfi nanzhofs aktuell<br />
verabschie<strong>de</strong>t (Bun<strong>de</strong>sfi nanzhof, Urteil<br />
vom 12.5.2011, Az. VI R 42/10). In<br />
<strong>de</strong>m Streitfall vor <strong>de</strong>m BFH klagte eine<br />
Frau gegen ihre Versicherung, weil diese<br />
nach einer Erkrankung die Zahlung <strong>de</strong>s<br />
Krankentagegelds einstellte. Die Richter<br />
gewährten <strong>de</strong>n Abzug außergewöhnlicher<br />
Belastungen.<br />
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Finanzen & Steuern – Steuertipp<br />
Reverse-Charge-Verfahren<br />
Auf <strong>de</strong>n Kopf gestellt<br />
Der Gesetzgeber hat die Regelung, nach <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n und nicht Lieferanten die<br />
Umsatzsteuer abführen müssen, <strong>de</strong>utlich ausgeweitet. Betroffene Unternehmen<br />
müssen genau aufpassen. VON OTTFRIED WEISS<br />
Am Reverse-Charge-Verfahren, besser<br />
auch als Steuerschuldnerschaft nach<br />
§ 13b Umsatzsteuergesetz bekannt,<br />
kommt heute kaum noch ein Unternehmen<br />
vorbei. Dieses Jahr wur<strong>de</strong>n die Regelungen<br />
bereits mehrfach ergänzt, zuletzt<br />
für Umsätze auf Mobilfunkgeräte<br />
und auf bestimmte Computerbauteile.<br />
ProFirma hat die wichtigsten Grundregeln,<br />
Beson<strong>de</strong>rheiten und Stolperfallen<br />
für Betriebsinhaber zusammengestellt.<br />
Trotz <strong>de</strong>s Stopps <strong>de</strong>s Steuervereinfachungsgesetzes<br />
2011 durch <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>srat<br />
Anfang Juli traten die Än<strong>de</strong>rungen<br />
zur Steuerschuldnerschaft für Umsätze<br />
aus Mobilfunkgeräten und Computerbauteilen<br />
pünktlich zum 1. Juli 2011 in<br />
Kraft. Diese Än<strong>de</strong>rung wur<strong>de</strong> nämlich<br />
in einem an<strong>de</strong>ren Gesetz beschlossen.<br />
Zum Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2<br />
Nr. 10 UStG wird <strong>de</strong>r Besteller von Mobilfunkgeräten<br />
und integrierten Schaltkreisen<br />
nur dann, wenn <strong>de</strong>r Nettobetrag<br />
<strong>de</strong>r Bestellung min<strong>de</strong>stens 5.000 Euro<br />
beträgt. Nachträgliche Entgeltsmin<strong>de</strong>rungen<br />
wie Skonti, Rabatte o<strong>de</strong>r Boni<br />
bleiben unberücksichtigt.<br />
Beispiel: Unternehmer Müller kauft bei<br />
Bedarf bei einem Hersteller Handys: Im<br />
Juli für 7.000 Euro, im August für 3.000<br />
Euro und im September für 5.000 Euro.<br />
In diesem Fall wür<strong>de</strong> Herr Müller nur<br />
für die Juli- und die September-Rechnung<br />
nach § 13b UStG zum Schuldner<br />
<strong>de</strong>r Umsatzsteuer wer<strong>de</strong>n.<br />
Variante 1: Herr Müller bestellt im September<br />
für 20.000 Euro Handys, die<br />
vertragsgemäß in zehn getrennten<br />
Lieferungen zu je 2.000 Euro geliefert<br />
wer<strong>de</strong>n. Da es sich hier um einen wirtschaftlich<br />
zusammenhängen<strong>de</strong>n Vorgang<br />
han<strong>de</strong>lt, greift das Reverse-Charge-Verfahren<br />
für <strong>de</strong>n gesamten Betrag.<br />
Variante 2: Herr Müller or<strong>de</strong>rt im Oktober<br />
nur für 5.300 Euro Handys. Da eine<br />
bestimmte Umsatzgrenze erreicht ist,<br />
bekommt er einen Rabatt von 600 Euro,<br />
überweist also unter <strong>de</strong>m Strich nur<br />
noch 4.700 Euro. Da Entgeltsmin<strong>de</strong>rung<br />
bei dieser Regelung nicht interessiert,<br />
bleibt es bei <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>r<br />
Steuerschuldnerschaft<br />
BMF schafft Klarheit<br />
In <strong>de</strong>r Praxis stellen sich Lieferanten<br />
und Abnehmer von Handys meist die<br />
Frage, welche Geräte eigentlich als<br />
Mobilfunkgeräte einzustufen sind. In<br />
einem ausführlichen Infoschreiben hat<br />
das Bun<strong>de</strong>sfi nanzministerium dazu<br />
Stellung genommen, welche Geräte<br />
nicht unter die neue Regelung <strong>de</strong>s §<br />
13b Abs. 2 Nr. 10 UStG fallen (BMF,<br />
Schreiben vom 24.7.2011, Az. IV D 3 – S<br />
7279/11/10001). Danach sind folgen<strong>de</strong><br />
Produkte nicht von <strong>de</strong>r Regel betroffen:<br />
Navigationsgeräte, Computer, soweit sie<br />
eine Sprachübertragung über drahtlose<br />
Mobilfunk-Netzwerke nicht ermöglichen<br />
(z.B. Tablet-PC), MP3-Player, Spielekonsolen<br />
und On-Board-Units.<br />
REVERSE-CHARGE-<br />
VERFAHREN<br />
Nettorechnung: Müssen die Regelungen<br />
zum § 13b UStG angewen<strong>de</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n, darf <strong>de</strong>r leisten<strong>de</strong> Unternehmer<br />
in seiner Rechnung keine Umsatzsteuer<br />
ausweisen.<br />
Umsatzsteuer: Der Empfänger <strong>de</strong>r<br />
Leistung (Auftraggeber) rechnet die<br />
Umsatzsteuer aus und führt diese ans<br />
Finanzamt ab.<br />
Vorsteuer: Ist er zum Vorsteuerabzug<br />
berechtigt, kann er im gleichen Zuge<br />
in gleicher Höhe Vorsteuer gegenrechnen.<br />
Ein Nullsummenspiel, das<br />
einzig und allein <strong>de</strong>n Zweck hat, die<br />
Abführung <strong>de</strong>r Umsatzsteuer sicherzustellen.<br />
Vorteil: Die Steuerschuldnerschaft hat<br />
für <strong>de</strong>n Auftraggeber einen entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Vorteil. Auch wenn die Rechnungsangaben<br />
fehlerhaft sind o<strong>de</strong>r<br />
die Rechnung verloren geht – sobald<br />
<strong>de</strong>r § 13b UStG gilt, greift <strong>de</strong>r Vorsteuerabzug.<br />
Risiko: Wird das Reverse-Charge-Verfahren<br />
versehentlich nicht angewandt,<br />
schul<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r leisten<strong>de</strong> Unternehmer<br />
die ausgewiesene Umsatzsteuer nach<br />
§ 14c UStG. Dem Auftraggeber steht in<br />
diesem Fall dann jedoch kein Vorsteuerabzug<br />
aus dieser Rechnung zu.<br />
64 ProFirma 10 2011
Einkommensteuer<br />
Überraschung<br />
Unternehmer können nachträglich für ihre Erstausbildung<br />
Werbungskosten o<strong>de</strong>r Betriebsausgaben geltend<br />
machen, urteilt <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfi nanzhof. VON OTTFRIED WEISS<br />
Betriebsinhaber, bei <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Abschluss<br />
<strong>de</strong>s Studiums noch nicht so lange<br />
her ist, profi tieren möglicherweise<br />
von zwei überraschen<strong>de</strong>n Urteilen <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>sfi nanzhofs. Eine Geld-Zurück-<br />
Garantie könnte auch Unternehmern<br />
winken, die für ihre erstmalige Berufsausbildung<br />
wie zum Piloten, Schauspieler<br />
o<strong>de</strong>r Designer vor <strong>de</strong>m Weg in die<br />
berufl iche Selbstständigkeit viel Geld<br />
investieren mussten.<br />
Nachträglicher Abzug<br />
Nach bisheriger Rechtsprechung ließ<br />
das Finanzamt die Aufwendungen für<br />
ein Erststudium o<strong>de</strong>r eine Erstausbildung<br />
mit maximal 4.000 Euro pro Jahr<br />
als Son<strong>de</strong>rausgabenabzug zu. Der Haken<br />
daran war, dass Stu<strong>de</strong>nten o<strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
ohne Einnahmen mit Son<strong>de</strong>rausgaben<br />
herzlich wenig anfangen<br />
können. In <strong>de</strong>n meisten Fällen verpuffte<br />
<strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rausgabenabzug <strong>de</strong>shalb<br />
steuerlich ungenutzt. In zwei Urteilen<br />
ließen die Richter <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sfi nanzhofs<br />
nun für die Erstausbildung o<strong>de</strong>r für das<br />
Erststudium vorweggenommene Werbungskosten<br />
und Betriebsausgaben<br />
zum Abzug zu (Urteile vom 28.7.2011,<br />
Az. VI R 7/10 und VI R 38/10).<br />
Der Vorteil: Das Finanzamt stellt die<br />
aufgelaufenen Verluste (keine Einnahmen<br />
– nur Ausgaben) je<strong>de</strong>s Jahr fest.<br />
Diese Verluste können dann in späteren<br />
Jahren mit <strong>de</strong>m Verdienst Steuer sparend<br />
saldiert wer<strong>de</strong>n. Im Gegensatz zu<br />
ProFirma 10 2011<br />
Son<strong>de</strong>rausgaben fallen Werbungskosten<br />
o<strong>de</strong>r Betriebsausgaben also nicht<br />
einfach unter <strong>de</strong>n Tisch.<br />
Keine Steuererklärung<br />
in <strong>de</strong>n Vorjahren?<br />
Wer in <strong>de</strong>n vergangenen Jahren während<br />
seines Studiums keine Steuererklärung<br />
beim Finanzamt eingereicht<br />
hat, kann sich freuen. Er kann bis zum<br />
31. Dezember 2011 rückwirkend für<br />
die Jahre 2007 bis 2011 die Feststellung<br />
eines vortragsfähigen Verlusts wegen<br />
<strong>de</strong>r vorweggenommenen Betriebsausgaben<br />
beim Finanzamt beantragen.<br />
Dazu müssen <strong>de</strong>m Finanzamt nur die<br />
Kosten für das Erststudium o<strong>de</strong>r die<br />
Erstausbildung aufgelistet wer<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m<br />
muss ein konkreter Zusammenhang<br />
zwischen <strong>de</strong>m Studium o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Ausbildung und <strong>de</strong>m <strong>de</strong>rzeit ausgeübten<br />
Beruf nachgewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />
Wur<strong>de</strong>n während <strong>de</strong>r Studiumszeit<br />
bereits Steuererklärungen eingereicht,<br />
besteht nur dann die Chance auf Festsetzung<br />
<strong>de</strong>s Verlustvortrags, wenn gegen<br />
die Steuerbeschei<strong>de</strong> wegen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />
Musterprozesse Einspruch eingelegt<br />
wur<strong>de</strong> und diese Einsprüche noch offen<br />
sind. Sind die Beschei<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Vorjahre<br />
bereits bestandskräftig, bleibt alles<br />
beim Alten. Eine Feststellung und Verrechnung<br />
<strong>de</strong>r Verluste für vorweggenommene<br />
Betriebsausgaben aus einem<br />
Erststudium o<strong>de</strong>r einer Erstausbildung<br />
schei<strong>de</strong>n dann aus.<br />
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Standortvorteile<br />
Konkurrenzlos kuschelig<br />
Weil kein Mensch schielen<strong>de</strong> Bären kauft, been<strong>de</strong>te Steiff die Produktion in China.<br />
Auch <strong>de</strong>r Plüschtierhersteller stellte fest, was immer mehr Unternehmen erfahren:<br />
Für Premiumprodukte ist <strong>de</strong>r Standort Deutschland nicht so einfach zu ersetzen.<br />
VON STEFAN GNEITING<br />
Mal saß ein Auge schief, ein an<strong>de</strong>res Mal war die Schnauze<br />
nicht am richtigen Platz, manchmal bei<strong>de</strong>s. Weil diese Plüschtiere<br />
dann eher dümmlich statt lieb in die Welt schauten, war<br />
ihr Steiff-Leben bereits been<strong>de</strong>t, bevor es überhaupt richtig<br />
begonnen hatte: Die Qualitätskontrolleure <strong>de</strong>r Margarete<br />
Steiff GmbH verweigerten <strong>de</strong>n schielen<strong>de</strong>n Bären <strong>de</strong>n Knopf<br />
im Ohr. Vier Jahre versuchte das Unternehmen, einen Teil <strong>de</strong>r<br />
Produktion an einen Auftragsfertiger nach China auszulagern,<br />
dann war Schluss. Die Verantwortlichen gaben auf. „Für<br />
Premiumprodukte ist China einfach nicht kalkulierbar“, sagte<br />
<strong>de</strong>r damalige Firmenchef Martin Frechen über das gescheiterte<br />
Projekt. Abgesehen von <strong>de</strong>n Qualitätsproblemen erwiesen<br />
sich auch die weiten Transportwege als Hin<strong>de</strong>rnis, da sie<br />
zu unverhältnismäßig langen Lieferzeiten führten.<br />
Damit steht <strong>de</strong>r Kuscheltier-Hersteller nicht allein: Schlechte<br />
Lieferfähigkeit, unerwartet hohe Personalkosten sowie teure<br />
Transport- und Logistikkosten gehören laut einer Erhebung<br />
<strong>de</strong>s Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung<br />
(SIS) zu <strong>de</strong>n wichtigsten Grün<strong>de</strong>n für eine Rückverlagerung<br />
<strong>de</strong>r Fertigung vom Ausland nach Deutschland. Ganz<br />
oben auf <strong>de</strong>r Mängelliste stehen nicht erfüllte Qualitätsanfor<strong>de</strong>rungen.<br />
„Auslöser sind häufi g die unterschätzte Zeitdauer<br />
für die Sicherstellung <strong>de</strong>r angestrebten Produkt- und Prozessqualität<br />
in Län<strong>de</strong>rn mit an<strong>de</strong>rer Sprache und Kultur sowie<br />
daraus folgen<strong>de</strong> Aufwendungen für die interne Qualitätskontrolle“,<br />
so Dr. Steffen Kinkel und Spomenka Maloca vom<br />
Fraunhofer SIS in ihrer Studie.<br />
Qualität aus Deutschland<br />
Laut einer Untersuchung von TNS Infratest steht „Ma<strong>de</strong> in<br />
Germany“ für 62 Prozent <strong>de</strong>r Deutschen für Spitzenqualität.<br />
Das war nicht immer so. Ursprünglich wur<strong>de</strong> das Label<br />
nämlich von <strong>de</strong>r britischen Regierung im Merchandise Marks<br />
Act von 1887 verfügt, um Produkte aus Deutschland zu kennzeichnen.<br />
Nicht wegen ihrer Spitzenqualität allerdings, son-<br />
<strong>de</strong>rn um englische Bürger vor <strong>de</strong>n als min<strong>de</strong>rwertig und billig<br />
erachteten Waren zu schützen. Das Label baut nicht auf eine<br />
gesetzliche Grundlage. Mithin gibt es keine staatliche Institution,<br />
die die Vergabe prüft. Theoretisch kann also je<strong>de</strong>s Produkt<br />
das Label tragen. „Erst wenn jemand klagt, muss <strong>de</strong>r Hersteller<br />
<strong>de</strong>n Beweis erbringen, dass die Herkunftsbezeichnung ihre<br />
Berechtigung hat“, sagt Ingo Pfeil, Leiter Marketing und Innovation<br />
beim TÜV Nord. „Kann er das nicht, hat er ein Problem.<br />
Dann geht es beispielsweise um unlauteren Wettbewerb, <strong>de</strong>r<br />
mit erheblichen Regressfor<strong>de</strong>rungen verbun<strong>de</strong>n sein kann.“<br />
Trotz<strong>de</strong>m können Unternehmen für ihre Produkte beim TÜV<br />
Nord eine zertifi zierte Herkunftsbezeichnung erhalten. Mangels<br />
gesetzlicher Vorgaben hat <strong>de</strong>r Dienstleister einen eigenen<br />
Kriterienkatalog als Basis für die Zertifi zierung erstellt, <strong>de</strong>r im<br />
Online-Angebot <strong>de</strong>s TÜV für alle einsehbar ist. „Neben vielen<br />
an<strong>de</strong>ren Kriterien verlangen wir, dass mehr als 50 Prozent <strong>de</strong>r<br />
Wertschöpfung in Deutschland erfolgen“, sagt Ingo Pfeil. Bisher<br />
haben 20 Unternehmen das Zertifi zierungsverfahren erfolgreich<br />
abgeschlossen. „Sie haben <strong>de</strong>n Vorteil, dass sie sich<br />
einem transparenten und für alle nachvollziehbaren Verfahren<br />
unterwerfen.“<br />
Ein Netz erfahrener Zulieferer und Handwerker ist einer <strong>de</strong>r<br />
Grün<strong>de</strong>, warum Glasbau Hahn seine Glasvitrinen für Museen<br />
in <strong>de</strong>r Nähe von Frankfurt herstellt. Nur einmal ist die Geschäftsführung<br />
auf <strong>de</strong>n – häufi ger geäußerten – Wunsch eines<br />
Kun<strong>de</strong>n eingegangen, doch bitte direkt vor Ort zu produzieren.<br />
Für einen Auftrag in Toronto bezog Hahn das Glas für die bestellten<br />
Vitrinen bei einem kanadischen Hersteller. „Die Qualität<br />
war so miserabel, dass wir etwa 30 Prozent <strong>de</strong>s gelieferten<br />
Materials zurückweisen mussten“, berichtet Geschäftsführerin<br />
Isabel Hahn. Die Folge: Lieferverzögerungen und Mehraufwand,<br />
weil Hahn eigene Mitarbeiter zum Lieferanten schickte,<br />
um die Qualitätskontrolle <strong>de</strong>s Glases vor Ort zu überwachen.<br />
/shutterstock.com<br />
Ein weiteres Argument gegen eine Produktionsverlagerung<br />
Berti<br />
lieferte Isabel Hahn ausgerechnet einer ihrer Wettbewerber:<br />
Fabio<br />
Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r einen Teil seiner Produktion verlagert hatte, Foto:<br />
66 ProFirma 10 2011<br />
ProFirma<br />
Special
ProFirma 10 2011<br />
Vom Makel zum Qualitätssiegel<br />
Auto, Aspirin, Kaffeefi lter, Fernsehgerät, Computer, Plastikdübel und Airbag sind <strong>de</strong>utsche Erfi ndungen. Ma<strong>de</strong> in Germany gehört dagegen<br />
nicht dazu. Der Herkunftsnachweis ist eine britische Erfi ndung. Der Merchandise Marks Act von 1887 schrieb vor, dass nach Großbritannien<br />
eingeführte <strong>de</strong>utsche Waren unter an<strong>de</strong>rem dann <strong>de</strong>n Herkunftsvermerk „Ma<strong>de</strong> in Germany“ tragen mussten, wenn ihr Name mit<br />
<strong>de</strong>m einer britischen Firma o<strong>de</strong>r eines Produkts übereinstimmten o<strong>de</strong>r verwechselt wer<strong>de</strong>n konnte. Damit sollten die englischen Kun<strong>de</strong>n<br />
erkennen können, dass ein Produkt in Deutschland produziert wur<strong>de</strong>. Diese galten nämlich als schlechte und min<strong>de</strong>rwertige Imitationen<br />
englischer Erzeugnisse. Schon zuvor gab es in Deutschland eine Diskussion über die Produktqualität, die von Franz Reuleaux ausgelöst<br />
wur<strong>de</strong>. Der <strong>de</strong>utsche Professor für Maschinenlehre war Jurymitglied <strong>de</strong>r Weltausstellung 1876 in Phila<strong>de</strong>lphia und schrieb am 2. Juni<br />
1876: „Unsere Leistungen stehen in <strong>de</strong>r weitaus größten Zahl <strong>de</strong>r ausgestellten Gegenstän<strong>de</strong> hinter <strong>de</strong>nen an<strong>de</strong>rer Nationen zurück. <strong>Als</strong><br />
Quintessenz […] tritt <strong>de</strong>r Wahlspruch auf: Deutschlands Industrie hat das Grundprinzip ‚billig und schlecht‘.“ Die auf <strong>de</strong>n Brief folgen<strong>de</strong><br />
breite Diskussion verfehlte ihre Wirkung nicht: Wenige Jahre nach <strong>de</strong>m Erlass <strong>de</strong>s Merchandising Marks Act wan<strong>de</strong>lte sich das Label vom<br />
Malus zum Bonus. „Ma<strong>de</strong> in Germany“ hatte bald <strong>de</strong>n Ruf eines Qualitätssiegels, <strong>de</strong>r ihm bis heute anhängt.<br />
67
IT & Investition – Special Ma<strong>de</strong> in Germany<br />
musste er feststellen, dass <strong>de</strong>r chinesische Partner die Produkte<br />
kopierte und auf eigene Faust auf <strong>de</strong>n Markt brachte. „Das war<br />
Know-how-Klau par Excellence“, sagt Hahn.<br />
Ein Grund mehr für die Geschäftsführerin, weiter auf <strong>de</strong>utsche<br />
Handwerksfertigkeiten zu vertrauen. „Die Qualitätsprobleme<br />
bei ausländischer Herstellung wer<strong>de</strong>n nämlich noch<br />
viel schlimmer, wenn man weitere Handwerksarbeiten von<br />
Schlossern o<strong>de</strong>r Schreinern benötigt“, sagt Isabel Hahn. Hier<br />
mache sich bemerkbar, dass Handwerker in Deutschland drei<br />
Jahre lang ausgebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Im Ausland sei eine vergleichbare<br />
Lehrzeit nicht üblich.<br />
Hoher Automatisierungsgrad<br />
Die Qualität <strong>de</strong>r Fachkräfte gehört allgemein zu <strong>de</strong>n Qualitätsmerkmalen<br />
<strong>de</strong>s Standorts Deutschland, stellte <strong>de</strong>r DIHK<br />
bei einer Befragung von 1.400 Unternehmen fest. „Ohne das<br />
gute Fachwissen <strong>de</strong>r Mitarbeiter wäre Deutschland nie Exportweltmeister<br />
gewor<strong>de</strong>n“, sagt Dr. Susanne Lechner, Referatsleiterin<br />
Europäische Wirtschaftspolitik, Grundsatzfragen<br />
Steiff<br />
Heimat <strong>de</strong>r Kuscheltiere<br />
Der größte Teil <strong>de</strong>r Produktion <strong>de</strong>r Steiff-Tiere erfolgt am<br />
Firmensitz <strong>de</strong>r Margarete Steiff GmbH in Giengen an <strong>de</strong>r<br />
Brenz: Die Materialien wer<strong>de</strong>n alle in Giengen angeliefert,<br />
geprüft, konfektioniert und zugeschnitten, bevor sie in<br />
<strong>de</strong>n fi rmeneigenen Nähbetrieben in Portugal und<br />
Tunesien zusammengenäht wer<strong>de</strong>n. Zur Endfertigung<br />
kommen sie wie<strong>de</strong>r nach Giengen zurück, wer<strong>de</strong>n<br />
geprüft, verpackt, bekommen <strong>de</strong>n Knopf ins Ohr<br />
und treten von hier aus die Reise in die ganze<br />
Welt an.<br />
Branche: Spielwaren<br />
Hauptsitz: Giengen an <strong>de</strong>r Brenz<br />
Umsatz: 69,2 Millionen Euro (2009)<br />
Mitarbeiter: 1.375 Mitarbeiter (2009)<br />
Teure Logistik und lange Lieferzeiten waren –<br />
neben Qualitätsproblemen – die wichtigsten Grün<strong>de</strong>,<br />
warum Steiff sein China-Engagement aufgab.<br />
<strong>de</strong>r Industrie beim DIHK in Brüssel. Ein weiterer Punkt ist die<br />
kaum kalkulierbare Lohnentwicklung im Ausland: „Die meisten<br />
Niedriglohnlän<strong>de</strong>r – o<strong>de</strong>r solche, die es einmal waren<br />
– weisen inzwischen Lohnsteigerungen auf, die wesentlich<br />
höher sind als in Deutschland“, gibt Martin Neuhold, Mitglied<br />
<strong>de</strong>r Geschäftsleitung <strong>de</strong>r Kienbaum Management Consulting,<br />
zu be<strong>de</strong>nken. Hinzu komme, dass Deutschland dank <strong>de</strong>r<br />
Automatisierungsanstrengungen in <strong>de</strong>r Fertigung gute Fortschritte<br />
bei <strong>de</strong>r Produktivität vorweisen könne, die <strong>de</strong>nen in<br />
Niedriglohnlän<strong>de</strong>rn überlegen sei. „Die im internationalen<br />
Vergleich bereits hocheffi zient produzieren<strong>de</strong> Industrie arbeitet<br />
weiter an einem sparsamen Einsatz von Energie, Materi-<br />
68 ProFirma 10 2011
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MT Aerospace<br />
Spitzentechnologie fürs Weltall<br />
Wenn <strong>de</strong>r Countdown für eine Ariane-5-Rakete auf <strong>de</strong>r Startrampe<br />
<strong>de</strong>s europäischen Weltraumbahnhofs in Kourou läuft,<br />
stehen die Mitarbeiter <strong>de</strong>r MT Aerospace AG unter Hochspannung.<br />
Schließlich fertigen sie in Augsburg rund zehn Prozent <strong>de</strong>r<br />
Raketenteile, unter an<strong>de</strong>rem das Booster-Gehäuse sowie <strong>de</strong>n<br />
Tank-Dome für die Zentral- und Oberstufe <strong>de</strong>s Trägers. Auch viele<br />
Airbus-Flugzeuge haben Produkte von MT Aerospace an Bord.<br />
Der Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r MT Aerospace, Hans J. Steininger,<br />
ist vom Standort Deutschland überzeugt: „Wenn es um hohe<br />
Qualität und einen hohen Innovationsgrad geht, dann kann man<br />
in Deutschland wettbewerbsfähig produzieren – nicht nur in <strong>de</strong>r<br />
Luft- und Raumfahrttechnik.“<br />
Branche: Luft- und Raumfahrttechnik<br />
Hauptsitz: Augsburg<br />
Umsatz: 138 Millionen Euro<br />
Mitarbeiter: 710<br />
„Es ist einfacher, gute Ingenieure<br />
in Deutschland zu fi n<strong>de</strong>n als irgendwo<br />
sonst in <strong>de</strong>r Welt“, meint Hans<br />
J. Steininger, Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>r<br />
bei <strong>de</strong>r MT Aerospace.<br />
al, und Rohstoffen“, fügt DIHK-Mitarbeiterin Lechner hinzu.<br />
Diese Argumente überzeugen viele Unternehmen, auch <strong>de</strong>n<br />
Etikettenspezialisten Herma in Fil<strong>de</strong>rstadt. Der Hersteller von<br />
Haftverbun<strong>de</strong>n, Selbstklebeprodukten, Etikettierlösungen<br />
und Etikettiermaschinen kompensiert <strong>de</strong>n Nachteil <strong>de</strong>s relativ<br />
teuren Standorts mit einer sehr hohen Auslastung seiner<br />
extrem schnellen Maschinen, einem niedrigen Energieverbrauch<br />
und geringen Ausschussraten. „Außer<strong>de</strong>m ist wegen<br />
<strong>de</strong>s hohen Automatisierungsgrads in <strong>de</strong>r Fertigung <strong>de</strong>r Personalkostenanteil<br />
bei Herma mit zehn Prozent sehr gering.<br />
Damit ist eine Auslagerung wegen geringerer Lohnkosten<br />
allein für uns uninteressant“, berichtet Geschäftsführer Dr.<br />
Thomas Baumgärtner. Da das Unternehmen überwiegend europäische<br />
Kun<strong>de</strong>n beliefert, bräuchte es für eine Produktion<br />
in Asien zusätzlich ein Logistikzentrum, um Waren vorhalten<br />
zu können. Die bei Herma üblichen Vorlaufzeiten von rund<br />
fünf Tagen o<strong>de</strong>r weniger wären angesichts <strong>de</strong>r langen Transportwege<br />
aus Übersee ohne Lager nicht einzuhalten.<br />
Überdies verlange die kontinuierliche Fertigung eine sehr zuverlässige<br />
Infrastruktur. „Die ist in einem Schwellenland eher<br />
schwierig zu fi n<strong>de</strong>n. Dort sind beispielsweise Energie- und<br />
Rohstoffversorgung nicht immer durchgängig zu gewährleisten“,<br />
so Baumgärtner. Auf diese Weise entstün<strong>de</strong>n dann<br />
Produktionsverzögerungen o<strong>de</strong>r zusätzliche Kosten, die in<br />
vielen Fällen sogar die ursprünglich kalkulierten Kostenvorteile<br />
übertreffen.<br />
Fachkräfte gesucht<br />
Allenfalls <strong>de</strong>r Fachkräftemangel in Deutschland stellt Herma<br />
gelegentlich vor Herausfor<strong>de</strong>rungen. „Deswegen bil<strong>de</strong>n wir<br />
unser Personal möglichst selbst aus“, erklärt <strong>de</strong>r Geschäftsführer.<br />
48 Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> beschäftigt das Unternehmen und<br />
(2)<br />
arbeitet überdies mit Stu<strong>de</strong>nten zusammen. Aber speziell bei<br />
Hahn<br />
SPS-Programmierern o<strong>de</strong>r Maschinenbauingenieuren sei <strong>de</strong>r<br />
Engpass schon zu spüren. „Das ist aber kein Nachteil, <strong>de</strong>r uns<br />
(2)/Galsbau<br />
dazu bewegen wür<strong>de</strong>, aus Deutschland wegzugehen“, schiebt<br />
<strong>de</strong>r Manager hinterher. Diese Vorgehensweise beobachtet die<br />
Aerospace<br />
DIHK-Mitarbeiterin Lechner auch bei an<strong>de</strong>ren Unternehmen:<br />
MT<br />
„Viele Unternehmen sichern sich ihren Nachwuchs bereits Fotos:<br />
70 ProFirma 10 2011
Glasbau Hahn<br />
Vitrinen für wertvolle Exponate<br />
Wenn Museen beson<strong>de</strong>rs wertvolle und empfi ndliche Exponate<br />
in ihrem Ausstellungsbestand haben, dann kann man mit hoher<br />
Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sie die Stücke mit<br />
einer Glasvitrine „Ma<strong>de</strong> in Germany“ schützen. Das Frankfurter<br />
Unternehmen Glasbau Hahn GmbH ist einer <strong>de</strong>r Marktführer.<br />
„Wir produzieren in Deutschland, weil wir hier das hoch qualifi -<br />
zierte Personal fi n<strong>de</strong>n, das die Vitrinen in <strong>de</strong>r von uns gewohnten<br />
hohen Qualität herstellen kann“, sagt Geschäftsführerin Isabel<br />
Hahn. Glasbau Hahn wur<strong>de</strong> 1836 als Glaserei und Glashandlung<br />
gegrün<strong>de</strong>t und ist eines <strong>de</strong>r ältesten Handwerksunternehmen in<br />
Frankfurt, in <strong>de</strong>m die vierte und fünfte Generation <strong>de</strong>r Familie<br />
Hahn tätig sind. Neben <strong>de</strong>m Bau von Glasvitrinen hat sich die Firma<br />
in Stockstadt bei Aschaffenburg mit <strong>de</strong>m Lamellenfensterbau<br />
ein zweites Standbein aufgebaut.<br />
Branche: Glasbau<br />
Hauptsitz: Frankfurt/Main<br />
Rohergebnis: 11 Millionen Euro (2009)<br />
Mitarbeiter: 130<br />
Die Qualität <strong>de</strong>utscher Handwerksarbeiten<br />
ist ein wichtiger Grund, warum<br />
Geschäftsführerin Isabel Hahn nicht<br />
mehr im Ausland produzieren will.<br />
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Herma<br />
Der Etikettenspezialist<br />
Kurze Lieferzeiten und hohe Qualität haben für Herma große<br />
Be<strong>de</strong>utung. „Wir haben uns ganz bewusst für <strong>de</strong>n Standort Fil<strong>de</strong>rstadt<br />
entschie<strong>de</strong>n, weil unsere Kun<strong>de</strong>n hauptsächlich in Europa<br />
sind und wir hier auch für die Zukunft ein hohes Marktpotenzial<br />
sehen. Daher gibt es keine Notwendigkeit, die Fertigung nach<br />
Asien zu verlegen“, sagt Geschäftsführer Dr. Thomas Baumgärtner.<br />
Rund 800 Mitarbeiter stellen im schwäbischen Fil<strong>de</strong>rstadt<br />
Selbstklebeprodukte für <strong>de</strong>n Einsatz in Büro, Schule, Haushalt<br />
o<strong>de</strong>r Druckereien, selbstkleben<strong>de</strong> Papier- und Folienverbun<strong>de</strong>,<br />
Industrieetiketten und Etikettiermaschinen her.<br />
Branche: Papierverarbeitung,<br />
Druckgewerbe, Maschinenbau<br />
Hauptsitz: Fil<strong>de</strong>rstadt<br />
Umsatz: 229 Millionen Euro<br />
Mitarbeiter: 800<br />
frühzeitig, insbeson<strong>de</strong>re durch verstärkte Kooperationen mit<br />
Schulen und Hochschulen.“ Dass viele Ingenieursstellen tatsächlich<br />
unbesetzt bleiben, bestätigen die Zahlen <strong>de</strong>s Ingenieurmonitors,<br />
<strong>de</strong>n monatlich <strong>de</strong>r VDI und das Institut <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Wirtschaft (IW) in Köln herausgeben: „Aktuell gibt<br />
es 96.600 offene Stellen. Zu keinem Zeitpunkt seit Beginn <strong>de</strong>r<br />
Aufzeichnungen vor elf Jahren waren mehr Stellen für Ingenieure<br />
zu besetzen“, so <strong>de</strong>r IW-Geschäftsführer Dr. Hans-Peter<br />
Klös. Der Mangel treffe vor allem Unternehmen, die Maschinen-<br />
und Fahrzeugbauingenieure beschäftigen. Aber auch<br />
Elektro- und Bauingenieure seien gesucht.<br />
Entwicklung nahe an <strong>de</strong>r Produktion<br />
Hans J. Steininger, Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r MT Aerospace<br />
in Augsburg, relativiert diese Aussagen allerdings: „Es<br />
ist einfacher, gute Ingenieure in Deutschland zu fi n<strong>de</strong>n als irgendwo<br />
sonst in <strong>de</strong>r Welt.“ Man dürfe nicht vergessen, dass<br />
<strong>de</strong>r Ausbildungsstand in Deutschland sehr hoch sei. „Unsere<br />
Firma, die Branche Luft- und Raumfahrttechnik sowie <strong>de</strong>r<br />
Standort Augsburg waren bisher attraktiv genug, um die Leute<br />
zu bekommen, die wir benötigen.“<br />
Der Zulieferer für die Luft- und Raumfahrtindustrie, <strong>de</strong>r auf<br />
einen Lieferanteil von zirka zehn Prozent an <strong>de</strong>r Ariane-Trägerrakete<br />
verweisen kann, hat seinen Produktionsstandort<br />
teilung im bayerischen Augsburg. „Für uns ist es wichtig, die<br />
Entwicklungsmannschaft nahe an <strong>de</strong>r Produktion zu haben,<br />
um eine hohe Qualität zu erreichen.“ Bei <strong>de</strong>n Produkten, die<br />
MT Aerospace für die Raumfahrtindustrie herstellt, han<strong>de</strong>lt es<br />
sich ausschließlich um hochkomplexe Einzelstücke. „Obwohl<br />
<strong>de</strong>r Automatisierungsgrad sehr gering ist, können wir profi tabel<br />
produzieren“, sagt Steininger. Das liege aber auch daran,<br />
dass sich Europa eine eigene Raumfahrtindustrie leiste, um<br />
einen unabhängigen Zugang ins Weltall zu haben.<br />
Ganz an<strong>de</strong>rs verhält es sich wie<strong>de</strong>rum bei <strong>de</strong>n Produkten für<br />
die Luftfahrtindustrie, wo MT Aerospace für Airbus und die<br />
Lufthansa produziert. „Da geht es neben <strong>de</strong>r Qualität auch um<br />
<strong>de</strong>n Preis“, sagt Steininger. Hier könne man in einem Hochlohnland<br />
wie Bayern nur mit Serienproduktion und einer<br />
hohen Automatisierung wettbewerbsfähig und profi tabel arbeiten.<br />
Ähnlich sieht man dies bei <strong>de</strong>r Firma Thermoplastik,<br />
die im hessischen Dieburg Kunststoffteile für nahezu alle Automobilhersteller<br />
produziert. „Unsere Fertigung hat einen Automatisierungsgrad,<br />
<strong>de</strong>r zwar einen hohen Maschinen-Invest<br />
verlangt, dafür aber die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Lohnfaktors min<strong>de</strong>rt“,<br />
erläutert Geschäftsführer Erich Müller junior. Das be<strong>de</strong>utet:<br />
Wenn die Firma im Ausland produzierte, bräuchte sie die<br />
gleichen Maschinen und die gleichen Rohstoffe und könnte<br />
nur in geringem Maße an <strong>de</strong>n Lohnkosten sparen. Vor diesem<br />
GmbH<br />
Müller Erich Thermoplastik<br />
Hintergrund fällt das Bekenntnis zum Standort ein<strong>de</strong>utig aus:<br />
Herma,<br />
sowie die etwa 65-köpfi ge Forschungs- und Entwicklungsab- „Wir bleiben in Deutschland.“<br />
Fotos:<br />
72 ProFirma 10 2011
KRITERIEN FÜR DEN<br />
ZERTIFIZIERTEN HERKUNFTSNACHWEIS<br />
Unternehmen, die in Deutschland produzieren,<br />
können beim TÜV Nord einen zertifi zierten Herkunftsnachweis<br />
beantragen. Der Zertifi zierungsdienstleister<br />
prüft die Produkte anhand eines öffentlich einsehbaren<br />
Kriterienkatalogs, <strong>de</strong>r qualitätsbezogene und<br />
technische Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>fi niert. Dort sind unter<br />
an<strong>de</strong>rem folgen<strong>de</strong> Kriterien aufgeführt:<br />
> Min<strong>de</strong>stens die Hälfte <strong>de</strong>s Herstellungsprozesses muss<br />
im Inland stattfi n<strong>de</strong>n.<br />
> Für die auszuzeichnen<strong>de</strong>n Produkte sind die Nachweise<br />
zur Erfüllung <strong>de</strong>r grundlegen<strong>de</strong>n Sicherheitsanfor<strong>de</strong>rungen<br />
zu erbringen.<br />
> Das Unternehmen verfügt über eine Beschaffungsstrategie,<br />
die möglichst auf nationalen Zulieferern basiert.<br />
> Das Unternehmen bemüht sich nachweislich um die<br />
Schaffung und <strong>de</strong>n Erhalt von Arbeitsplätzen im<br />
Herstellungsland. Es sollte ausbil<strong>de</strong>n und aktive<br />
Personalentwicklung im Herkunftsland betreiben.<br />
> Die Kun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n offensiv und verständlich über das<br />
Leistungsangebot <strong>de</strong>s Unternehmens und die Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>de</strong>s nationalen Standorts für dieses Unternehmen<br />
informiert.<br />
ProFirma 10 2011<br />
„Wir brauchen eine zuverlässige Energie-<br />
und Rohstoffversorgung. Bei<strong>de</strong>s ist in<br />
Schwellenlän<strong>de</strong>rn eher schwierig zu fi n<strong>de</strong>n.“<br />
THOMAS BAUMGÄRTNER, HERMA, FILDERSTADT<br />
Thermoplastik<br />
Kunststoffbauteile für Autos<br />
und Flugzeuge<br />
Produkte für die Automobil- und Luftfahrtindustrie in hoher<br />
Qualität und zu wettbewerbsfähigen Preisen: Das hat sich die<br />
Thermoplastik Erich Müller GmbH auf die Fahnen geschrieben.<br />
„Wir fertigen in Dieburg, weil wir in <strong>de</strong>r Region seit vier Generationen<br />
verwurzelt sind und hier die Fachleute haben, die wir benötigen“,<br />
sagt Geschäftsführer Erich Müller. Kunststoffspritzgussteile<br />
aus <strong>de</strong>m Werk in Dieburg fi n<strong>de</strong>n sich in <strong>de</strong>n Fahrzeugfl otten<br />
fast aller Autohersteller – im Kofferraum <strong>de</strong>s VW Passat Variant,<br />
in <strong>de</strong>n Hutablagen <strong>de</strong>s Audi A6 und <strong>de</strong>s Merce<strong>de</strong>s SL, im Kofferraum<br />
<strong>de</strong>s Renault Laguna. Auch das Bedien-Interface <strong>de</strong>r First-<br />
und Business-Class-Sitze <strong>de</strong>r Boeing 777- und Airbus A340-Flotte<br />
<strong>de</strong>r Lufthansa ist mit Kunststoff- und Aluminiumbauteilen <strong>de</strong>s<br />
Dieburger Familienunternehmens hergestellt.<br />
Branche: Automobil- und Luftfahrtindustrie<br />
Hauptsitz: Dieburg<br />
Umsatz: 13 Millionen Euro<br />
Mitarbeiter: 50<br />
„Unsere Fertigung hat einen hohen<br />
Automatisierungsgrad; das min<strong>de</strong>rt<br />
die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Lohnfaktors“,<br />
sagt Erich Müller, Geschäftsführer bei<br />
Thermoplastik in Dieburg.<br />
73
IT & Investition – Geschäftswagen<br />
Flottenmanagement<br />
Fahren<strong>de</strong> Prämien<br />
Viele Unternehmen nutzen Firmenwagenprogramme, um Leistungsträger zu motivieren.<br />
Ob als Bonus o<strong>de</strong>r fester Bestandteil <strong>de</strong>s Arbeitsvertrags: Finanziell interessant<br />
sind die meisten Mo<strong>de</strong>lle nicht nur für <strong>de</strong>n Arbeitnehmer. VON FRANK THOMAS UHRIG<br />
Ob Versicherungsvertreter, Pharmareferent<br />
o<strong>de</strong>r Pfl egedienst: Mobilität ist die<br />
Voraussetzung für <strong>de</strong>n Job. Der Firmenwagen<br />
ist <strong>de</strong>shalb häufi g Bestandteil <strong>de</strong>s<br />
Arbeitsvertrags, noch häufi ger Teil <strong>de</strong>r<br />
ausgehan<strong>de</strong>lten Vergütung. Innerhalb<br />
<strong>de</strong>s Unternehmens dienen Dienstwagen<br />
als Motivationsanreiz für Mitarbeiter,<br />
außerhalb vermitteln sie <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n<br />
das Image, das die Firma mit ihren<br />
Wagen vorgibt. Die Bandbreite reicht<br />
hier vom bunten Kleinwagen mit aufgedrucktem<br />
Firmenlogo bis zur <strong>de</strong>zent<br />
schwarzen Oberklasselimousine. Sehr<br />
beliebt sind Dienstwagen als Motivationsanreiz<br />
insbeson<strong>de</strong>re beim Außendienstvertrieb.<br />
Eine fl exible Handhabung<br />
<strong>de</strong>r Dienstwagenberechtigungen<br />
für das mittlere und obere Management<br />
ist für <strong>de</strong>n Arbeitgeber oft einfacher<br />
und günstiger als das Aushan<strong>de</strong>ln von<br />
Gehaltsbestandteilen o<strong>de</strong>r Zusatzgratifi<br />
kationen.<br />
Bonussystem stärkt Loyalität<br />
<strong>de</strong>r Mitarbeiter<br />
Zu <strong>de</strong>n größten Firmenwagenspen<strong>de</strong>rn<br />
zählen die Autohersteller selbst. Je<strong>de</strong>r<br />
Autobauer hält sich einen großen Fuhrpark.<br />
<strong>Als</strong> Motivationsanreiz funktionieren<br />
unterschiedliche Fahrzeugtypen<br />
und -größen jedoch nur bedingt, da<br />
meist Wagen vom eigenen Fließband<br />
im Übermaß verfügbar sind. Dafür gibt<br />
es Rabatte für Erzeugnisse aus <strong>de</strong>r ei-<br />
genen Produktion, die manchmal ein<br />
festes Zubrot zum normalen Gehalt<br />
sind, immer aber die Gewähr dafür, relativ<br />
günstig das neueste Auto zu fahren<br />
und so <strong>de</strong>n Nachbarn zu beeindrucken.<br />
Damit wird die Loyalität zum Unternehmen<br />
entschei<strong>de</strong>nd gestärkt, in Zeiten<br />
<strong>de</strong>s Fachkräftemangels also ein nicht<br />
zu unterschätzen<strong>de</strong>r Vorteil. Bei Volkswagen<br />
in Wolfsburg gibt es beispielsweise<br />
ein Bonussystem, das <strong>de</strong>n Wagen<br />
stufenweise billiger macht. Zugang zu<br />
diesem „Personal-Automarkt“ haben<br />
grundsätzlich alle Mitarbeiter. Für <strong>de</strong>n<br />
Volkswagen-Außendienstler, <strong>de</strong>r einen<br />
Firmenwagen privat nutzt, gilt die Ein-<br />
Prozent-Regelung.<br />
Etwas weniger Auswahl als bei VW,<br />
dafür aber zumin<strong>de</strong>st bei manchen Mo<strong>de</strong>llen<br />
günstigere Bedingungen, wer<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>n Beschäftigten bei Ford in Köln geboten.<br />
Rund 20 Prozent billiger als für<br />
Normalkun<strong>de</strong>n sind Fiesta o<strong>de</strong>r Focus<br />
AG<br />
für Ford-Beschäftigte und -Rentner. „In<br />
diesem Jahr wer<strong>de</strong>n wir rund 7.500 Au-<br />
Volkswagen<br />
tos an Werksangehörige verkaufen“, er- Foto:<br />
74 ProFirma 10 2011
klärt Klaus Sawallisch, Leiter Fleet Operations<br />
und Remarketing <strong>de</strong>s Kölner<br />
Autobauers. Demgegenüber steht ein<br />
Flottengeschäft von rund 60.000 Autos<br />
in diesem Jahr bei einer Gesamtzahl von<br />
rund 200.000 verkauften Autos. „Das<br />
Flottengeschäft wird immer wichtiger“,<br />
so Sawallisch, „was nicht zuletzt darauf<br />
zurückzuführen ist, dass immer mehr<br />
Firmen ihren Mitarbeitern anstelle eines<br />
Teils <strong>de</strong>s Gehalts ein Auto anbieten.“<br />
Etwa die Hälfte <strong>de</strong>s jährlichen Flottenabsatzes<br />
geht an Großkun<strong>de</strong>n, die mehr<br />
als 50 Autos abnehmen. Die an<strong>de</strong>re<br />
Hälfte sind meist kleine und mittlere<br />
Unternehmen, bei <strong>de</strong>nen die Fahrzeuge<br />
aber überwiegend als Funktionsfahrzeuge<br />
eingesetzt sind.<br />
„Das Fahrzeug ist nach wie vor eines <strong>de</strong>r<br />
stärksten Motivationsinstrumente“, sagt<br />
Michael Velte, Sprecher <strong>de</strong>r Geschäftsführung<br />
<strong>de</strong>r Deutschen Leasing Fleet<br />
GmbH in Bad Homburg. Die Leasing-<br />
Gesellschaft versorgt zahlreiche Firmen<br />
mit Dienstwagen und übernimmt auch<br />
das Fuhrparkmanagement. Velte unterschei<strong>de</strong>t<br />
zunächst zwei Kategorien von<br />
Firmenwagen: Die Funktionsfahrzeuge<br />
– beispielsweise Montagewagen o<strong>de</strong>r<br />
Transporter – und „Gehaltsverzichtsmo<strong>de</strong>lle“<br />
– also Autos, die <strong>de</strong>n Mitar-<br />
ProFirma 10 2011<br />
beiterinnen und Mitarbeitern auch zur<br />
privaten Nutzung überlassen wer<strong>de</strong>n<br />
und für die auf ein Teil <strong>de</strong>s Gehalts verzichtet<br />
wird. Nur Letztere sind dazu<br />
geeignet, als Leistungsanreize o<strong>de</strong>r Prämie<br />
eingesetzt zu wer<strong>de</strong>n. „Arbeitgeber<br />
und Arbeitnehmer haben Vorteile von<br />
<strong>de</strong>r Überlassung von Dienstwagen zur<br />
privaten Nutzung“, so Velte, aber es gibt<br />
natürlich auch Pfl ichten, also „Aufwand,<br />
<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Arbeitgeber treiben muss“. Die<br />
Pfl icht <strong>de</strong>s Arbeitnehmers ist in erster<br />
Linie, <strong>de</strong>n geldwerten Vorteil, <strong>de</strong>n er<br />
durch die Dienstwagennutzung hat, zu<br />
versteuern. Die überwiegen<strong>de</strong> Mehrzahl<br />
<strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Dienstwagen wird<br />
nach <strong>de</strong>r Ein-Prozent-Regel versteuert:<br />
Jährlich ist dieser Satz, gemessen am<br />
Listen-Brutto-Neupreis <strong>de</strong>s Fahrzeugs,<br />
ans Finanzamt abzuführen. Die Alternative<br />
heißt Fahrtenbuch, dann wer<strong>de</strong>n<br />
lediglich die Fahrten versteuert, die tatsächlich<br />
privaten Zwecken dienten.<br />
Spielregeln müssen sein<br />
„Wichtig ist“, so Velte, „dass die Spielregeln<br />
im Betrieb bestimmt wer<strong>de</strong>n,<br />
nach <strong>de</strong>nen die Dienstwagenvergabe erfolgt.“<br />
Die Spielregeln legen fest, welche<br />
Hierarchieebene welche Dienstwagen-<br />
berechtigung hat, und welche Marken<br />
bestellt wer<strong>de</strong>n dürfen.<br />
Da ein <strong>de</strong>rartiges Fuhrparkmanagement<br />
recht sensible Daten benötigt, wird<br />
es in aller Regel im Haus behalten und<br />
selten ausgelagert, im Gegensatz zum<br />
Management von Funktionsfahrzeugen.<br />
„Die größte Motivation gibt es natürlich<br />
bei maximaler Flexibilität“, erklärt<br />
Michael Velte. Allerdings gelte es auch,<br />
fi rmeninterne Beson<strong>de</strong>rheiten und Zielvorgaben<br />
zu berücksichtigen. So ist es<br />
etwa in vielen Firmen nicht gestattet,<br />
Sportwagen, Cabriolets o<strong>de</strong>r Gelän<strong>de</strong>wagen<br />
zu bestellen – je nach Image, das<br />
sich die Firma geben möchte o<strong>de</strong>r wie<br />
sie in eine Kun<strong>de</strong>nbeziehung eintreten<br />
Bei Volkswagen in Wolfsburg<br />
gibt es ein Bonussystem,<br />
das <strong>de</strong>n Wagen stufenweise<br />
billiger macht. Zugang zu<br />
diesem „Personal-Automarkt“<br />
haben grundsätzlich<br />
alle Mitarbeiter.<br />
will. Immer unwichtiger wer<strong>de</strong> allerdings<br />
die Vorgabe <strong>de</strong>r internen Hierarchie.<br />
Bei <strong>de</strong>r Deutschen Leasing Fleet<br />
GmbH ist man sehr fl exibel: Lediglich<br />
Cabrios und Sportwagen sind als privat<br />
genutzte Dienstwagen ausgeschlossen.<br />
Die Zusammensetzung <strong>de</strong>s Fuhrparks<br />
entspricht <strong>de</strong>nnoch <strong>de</strong>rjenigen, die in<br />
<strong>de</strong>n meisten Betrieben zu beobachten<br />
ist: Je höher <strong>de</strong>r „Dienstgrad“, <strong>de</strong>sto<br />
kräftiger <strong>de</strong>r Dienstwagen. Und: „Rund<br />
80 Prozent sind <strong>de</strong>utsche Premiummarken“,<br />
so Velte.<br />
75
IT & Investition – Geschäftswagen<br />
Der Automobilzulieferer Continental in<br />
Hannover gehört zu <strong>de</strong>n Großen seiner<br />
Branche und hält entsprechend viele<br />
Dienstwagen bereit. Allein in Deutschland<br />
rollen 2.000 Conti-Firmenwagen,<br />
die auch privat genutzt wer<strong>de</strong>n dürfen.<br />
Die Verwaltung <strong>de</strong>r Fahrzeuge im Konzern<br />
übernimmt die Abteilung „Compensation<br />
and Benefi ts“. Die Vergabe<br />
<strong>de</strong>r Fahrzeuge hängt an <strong>de</strong>r Funktion<br />
<strong>de</strong>r Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen,<br />
wobei für alle Berechtigten die gleichen<br />
Richtlinien gelten. Anspruch auf einen<br />
privat nutzbaren Dienstwagen haben<br />
das mittlere und obere Management<br />
und natürlich <strong>de</strong>r Außendienst. „Wer<br />
für das Unternehmen viel unterwegs<br />
ist, soll auch sicher und komfortabel<br />
fahren können“, erklärt Unternehmenssprecherin<br />
Denise Maria Eichhorn. „Ob<br />
das ein beson<strong>de</strong>rer Motivationsanreiz<br />
ist, kann ich nicht beurteilen“, so Eichhorn.<br />
Der Dienstwagen ist bei Conti ein<br />
üblicher Bestandteil <strong>de</strong>s Vergütungspakets.<br />
Da Firmenwagen in <strong>de</strong>r gesamten<br />
Industrie nach ähnlichen Kriterien<br />
vergeben wer<strong>de</strong>n, wer<strong>de</strong> ein entsprechen<strong>de</strong>s<br />
Auto beim Antritt <strong>de</strong>r Stelle<br />
oft vorausgesetzt, so Eichhorn. Für<br />
Außendienstler und Manager gilt die<br />
Ein-Prozent-Regel für die Versteuerung<br />
<strong>de</strong>s geldwerten Vorteils. Eine Beson<strong>de</strong>rheit<br />
bei Conti: Ein Wagen kann von<br />
einer Führungskraft auch abgewählt<br />
und gegen eine Barvergütung getauscht<br />
wer<strong>de</strong>n. Und wie überall gilt auch in<br />
Hannover: Wer etwas kann und gut ver-<br />
han<strong>de</strong>lt, kann mehr für sich herausholen.<br />
Restriktionen hinsichtlich <strong>de</strong>r eingekauften<br />
Automarke gibt es bei Continental<br />
keine, allerdings überwiegen<br />
auch in Hannover die drei <strong>de</strong>utschen<br />
Premiummarken im Firmenwagenfuhrpark.<br />
„Einschränkungen gibt es<br />
nur bei Luxus- und Sportwagen sowie<br />
Cabriolets“, so Eichhorn. <strong>Als</strong> Luxus<br />
zählen die Oberklasselimousinen, sodass<br />
sich die Conti-Firmenwagenfl otte<br />
größtenteils aus Autos zwischen Kom-<br />
„Für Manager und Außendienstler gilt<br />
bei Continental die Ein-Prozent-Regel.“<br />
DENISE MARIA EICHHORN, CONTINENTAL, HANNOVER<br />
paktklasse und oberer Mittelklasse zusammensetzt.<br />
Die Verteilung auf die<br />
Stellen entspricht dabei weitestgehend<br />
<strong>de</strong>r Hierarchie im Unternehmen und<br />
damit <strong>de</strong>m Gehaltsgefüge. Ausgenommen<br />
von dieser Regel ist lediglich <strong>de</strong>r<br />
Vorstand. Der darf selbstverständlich<br />
Oberklasse fahren – mit Chauffeur.<br />
Dienstwagen spart Steuern<br />
Ähnlich wie bei Conti gibt es bei Lanxess<br />
– <strong>de</strong>r ausgeglie<strong>de</strong>rten Kunststoffsparte<br />
<strong>de</strong>s Chemieriesen Bayer – in Leverkusen<br />
„Dienstwagen für einen Kreis von<br />
Berechtigten, die vollständig vom Konzern<br />
fi nanziert wer<strong>de</strong>n“, wie Lanxess-<br />
Sprecher Frank Grodzki erklärt. „Dazu<br />
zählen beispielsweise Geschäftsbereichsleiter,<br />
Vertriebsleiter, aber auch<br />
Außendienstmitarbeiter.“ Darüber hinaus<br />
bietet Lanxess außertarifl ichen<br />
Mitarbeitern und leiten<strong>de</strong>n Angestellten<br />
die Möglichkeit, einen Dienstwagen<br />
im Rahmen einer Gehaltsumwandlung<br />
zu beantragen. Das kann trotz Ein-<br />
Prozent-Versteuerung, die auch für die<br />
Privatnutzer im Leverkusener Konzern<br />
gilt, sinnvoll sein, wenn sie dabei etwa<br />
weniger Steuern auf ihr Einkommen<br />
zahlen müssen.<br />
Von <strong>de</strong>n rund 7.600 Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern von Lanxess in<br />
Deutschland haben rund 17 Prozent<br />
die Möglichkeit, einen Dienstwagen zu<br />
fahren. Allerdings machen bei Weitem<br />
nicht alle Berechtigten davon Gebrauch.<br />
Entsprechend gering schätzt Grodzki<br />
<strong>de</strong>n Motivationsanreiz von Firmenwagen<br />
in seiner Branche ein: „Unserer<br />
Kenntnis nach nimmt das Instrument<br />
<strong>de</strong>s Firmenwagens in <strong>de</strong>r gesamten<br />
chemischen Industrie – an<strong>de</strong>rs als in an<strong>de</strong>ren<br />
Branchen – eine eher untergeordnete<br />
Rolle ein.“ Den Beschäftigten sei<br />
die Monatsabrechnung wichtiger, und<br />
die ist bei Lanxess üppiger als an<strong>de</strong>rswo<br />
in <strong>de</strong>r Republik. Zu <strong>de</strong>n branchenüblich<br />
hohen Gehältern mit festem und<br />
variablem Anteil gibt es ein recht attraktives<br />
Mitarbeiter-Aktienprogramm, Unterstützung<br />
bei <strong>de</strong>r Vereinbarkeit von<br />
Beruf und Familie sowie eine ansprechen<strong>de</strong><br />
Altersversorgung.<br />
Wer sich für einen privat genutzten<br />
Dienstwagen o<strong>de</strong>r das Gehaltsverzichtsmo<strong>de</strong>ll<br />
entschei<strong>de</strong>t, wen<strong>de</strong>t sich<br />
bei Lanxess an einen externen Dienstleister,<br />
<strong>de</strong>r Autos verschie<strong>de</strong>ner Hersteller<br />
im Wahlprogramm hat. Auch in<br />
Leverkusen dominieren die drei großen<br />
Premiumhersteller.<br />
Der Blick auf die großen Firmen zeigt,<br />
dass ein privat nutzbarer Dienstwagen<br />
gezielt als Motivationsanreiz eingesetzt<br />
wird. Die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Dienstwagens<br />
hat zugunsten an<strong>de</strong>rer Faktoren, die<br />
über das reine Gehalt hinausgehen, zwar<br />
abgenommen, besitzt aber immer noch<br />
einen hohen Stellenwert. In vielen Firmen<br />
ist er ab einer gewissen Gehaltsklasse<br />
selbstverständlich. Der nach <strong>de</strong>r Ein-<br />
Prozent-Regel versteuerte Firmenwagen<br />
für Mitarbeiter kann auch für kleinere<br />
Unternehmen ein Mo<strong>de</strong>ll sein, Anreize<br />
zu schaffen, die über das Gehalt hinausgehen<br />
und – gera<strong>de</strong> in Zeiten knapper<br />
AG<br />
wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Facharbeitskräfte – eine stärkere<br />
Bindung zum Unternehmen schaf-<br />
Continental<br />
fen, ohne allzu teuer zu sein. Foto:<br />
76 ProFirma 10 2011
.<br />
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IT & Investition – Kolumne<br />
Unsere Nachbarn haben einen kleinen Sohn, und wenn sie<br />
mal ausgehen wollen, bitten sie uns manchmal, ob sie uns das<br />
Babyfon rüberstellen dürfen. Der Grieche am Eck, zu <strong>de</strong>m sie<br />
gerne gehen, ist lei<strong>de</strong>r knapp außer Reichweite <strong>de</strong>s Geräts; also<br />
rufen wir sie an, wenn <strong>de</strong>r junge Stupor mundi wie<strong>de</strong>r schreit,<br />
und sie müssen dann alles stehen und liegen lassen und nach<br />
Hause stürmen, weil wir sonst wahnsinnig wer<strong>de</strong>n ob <strong>de</strong>s blechernen<br />
Krächzens aus <strong>de</strong>m winzigen Billiglautsprecher <strong>de</strong>s<br />
klobigen Geräts.<br />
Das muss aber alles nicht mehr sein, <strong>de</strong>nn jetzt gibt es das<br />
Babyfon fürs Handy! Darauf hat mich neulich <strong>de</strong>r Branchenverband<br />
Bitkom per Pressemeldung aufmerksam gemacht.<br />
Möglich wird das durch sogenannte „Apps“ – winzige Applikationen,<br />
die es beispielsweise für Apples iPhone sowie für<br />
Mobiltelefone mit <strong>de</strong>m zunehmend beliebteren Android-Betriebssystem<br />
von Google gibt. Sie heißen „Babysitter Phone“,<br />
„BabyPhone Deluxe“ o<strong>de</strong>r „Dial My Nanny“ (funktioniert<br />
wahrscheinlich nur bei Paaren, die sich ein Kin<strong>de</strong>rmädchen<br />
leisten können) und bieten alle die gleichen Grundfunktionen:<br />
Man legt das Mobiltelefon mit eingeschalteter App ins<br />
Kin<strong>de</strong>rzimmer und geht zum Griechen, Italiener, Franzosen<br />
o<strong>de</strong>r in die kleine Kneipe am Eck. Fängt <strong>de</strong>r Nachwuchs an zu<br />
schreien, löst das einen Anruf an eine vorher festgelegte Telefonnummer<br />
aus. Voraussetzung ist also, dass bei<strong>de</strong> Elternteile<br />
über ein Handy verfügen, aber das dürfte heute eher selbstverständlich<br />
sein. Wahlweise kann man auch die Festnetznummer<br />
<strong>de</strong>r Groß- o<strong>de</strong>r Schwiegermutter hinterlegen, die freut<br />
sich sicher, mal wie<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>m kleinen Wonneproppen zu<br />
hören, selbst mitten in <strong>de</strong>r Nacht.<br />
Doch damit nicht genug: Die App-Schreiber überbieten sich<br />
gegenseitig mit Zusatzfunktionen, die weit über das hinaus-<br />
Cole's Corner<br />
Karaoke<br />
fürs Kin<strong>de</strong>rzimmer<br />
Von Tim Cole<br />
Tim Cole Der IT-Journalist und Chefredakteur<br />
mehrerer Elektronikzeitschriften<br />
ist ein gefragter Autor und Redner zum<br />
Thema E-Commerce.<br />
Info: www.cole.<strong>de</strong><br />
gehen, was ein gemeines Babyfon bislang zu leisten vermochte.<br />
Man kann zum Beispiel mit <strong>de</strong>m lieben Kleinen daheim<br />
re<strong>de</strong>n – schließlich ist es ein Telefon! Vielleicht reicht das ja<br />
auch, und er schläft wie<strong>de</strong>r ein, dann kann man sein Soufl aki<br />
in Ruhe zu En<strong>de</strong> essen.<br />
Die meisten Babyfon-Apps funktionieren im Übrigen auch<br />
als Einschlafhilfe, in<strong>de</strong>m sie beruhigen<strong>de</strong> Melodien o<strong>de</strong>r das<br />
Lieblingslied <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s spielen. Das können Musikkonserven<br />
sein o<strong>de</strong>r wahlweise auch selbst aufgenommene Stücke,<br />
falls man sich davon eine beruhigen<strong>de</strong> Wirkung verspricht.<br />
Achtung: Vorher testen! Schließlich soll das Kind ja nicht vor<br />
lauter Schreck über die Karaoke-Einlage <strong>de</strong>r Eltern noch lauter<br />
schreien.<br />
Auch wirtschaftlich sind Babyfon-Apps laut Bitkom sinnvoll,<br />
<strong>de</strong>nn sie kosten in <strong>de</strong>r Regel nur wenige Euro, während gute<br />
DECT- o<strong>de</strong>r UKW-Babyfons 80 Euro und mehr kosten können.<br />
Zwar gibt es auch spezielle Geräte, die ebenfalls einen<br />
Anruf über die Telefonnetze auslösen und damit keine Reichweitenbeschränkung<br />
haben. Sie kosten aber gleich ein paar<br />
Hun<strong>de</strong>rt Euro.<br />
Auf eine Gefahr weisen die Autoren <strong>de</strong>s Bitkom allerdings<br />
vorsichtshalber beson<strong>de</strong>rs hin: „Die Akkus bei<strong>de</strong>r Geräte<br />
sollten einen ausreichen<strong>de</strong>n La<strong>de</strong>stand haben.“ Meine Frau<br />
vergisst ständig, ihr Handy aufzula<strong>de</strong>n, was aber nicht so<br />
schlimm ist, <strong>de</strong>nn unsere Tochter ist zum Glück längst erwachsen<br />
und aus <strong>de</strong>m Haus. Wenn sie uns womöglich mal<br />
ein Enkelchen beschert, kann sie gerne ihr Handy neben das<br />
Bettchen stellen und die Babyfon-App einschalten. Wir wer<strong>de</strong>n<br />
uns sicher freuen, die Stimme <strong>de</strong>s Kleinen zu hören, ansonsten<br />
aber nichts weiter tun müssen. Sie wohnt nämlich<br />
in Irland ...<br />
78 ProFirma 10 2011
IT & Investition – IT-Security<br />
Datensicherheit<br />
Bis <strong>de</strong>r Kammerjäger kommt<br />
Fünf Jahre lang blieb „Shady Rat“ unerkannt. Bei min<strong>de</strong>stens 72 Firmen und Behör<strong>de</strong>n<br />
schöpften die Unbekannten sensible Daten ab. Der Fall zeigt: Die Diebe wer<strong>de</strong>n immer<br />
dreister. Vor allem KMU müssen lernen, dass es keine absolute Sicherheit gibt. VON TIM COLE<br />
Die Ratten sind überall. Sie schleichen<br />
durch die Leitungen bis in <strong>de</strong>n digitalen<br />
Bauch <strong>de</strong>r Firma, zu <strong>de</strong>n Servern und<br />
Datenspeichern, und nisten sich dort<br />
ein. Sie nagen an Dateien und Ordnern,<br />
picken sich die schmackhaftesten heraus<br />
und stehlen sich dann leise damit<br />
davon.<br />
Die Re<strong>de</strong> ist nicht von normalen Nagetieren,<br />
son<strong>de</strong>rn von ihren virtuellen Verwandten.<br />
Dirk Kollberg schüttelt <strong>de</strong>n<br />
Kopf: „Es ist unglaublich, wie raffi niert<br />
die vorgegangen sind.“ Der IT-Spezialist<br />
im Hamburger Security Lab <strong>de</strong>r Firma<br />
Sophos hat schon viel gesehen, aber <strong>de</strong>r<br />
Angriff, <strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>m Namen „Shady<br />
Rat“ („zwielichtige Ratte“) im Frühjahr<br />
2011 ans Tageslicht kam, hat ihn doch<br />
erstaunt.<br />
Den Hackern war es gelungen, die Server<br />
von min<strong>de</strong>stens 72 Unternehmen,<br />
Behör<strong>de</strong>n und Organisationen zu infi<br />
ltrieren und dort winzige Software-<br />
Programme zu hinterlassen, die systematisch<br />
wertvolle Daten abgriffen und<br />
per Internet an ihre unbekannten Auftraggeber<br />
übermittelten. Fünf Jahre lang<br />
konnten die digitalen Ratten ungestört<br />
und unerkannt ihr Unwesen treiben. Die<br />
Liste <strong>de</strong>r Opfer ist lang und eindrucksvoll:<br />
Regierungsstellen in aller Welt,<br />
das Internationale Olympische Komitee,<br />
die Welt-Dopingagentur Wada, die<br />
Nachrichtenagentur AP. Vor allem aber<br />
hatten es die Ratten auf Unternehmen<br />
abgesehen: Rüstungshersteller und ihre<br />
Lieferanten, Hightech-Unternehmen,<br />
mittelständische Maschinenbauer und<br />
Automobilzulieferer.<br />
Sousa/shutterstock.com<br />
Niemand weiß bis heute genau, wer die<br />
Miguel<br />
Hintermänner von Shady Rat sind. „Die<br />
Pedro<br />
meisten Experten vermuten, dass es Chi- Foto:<br />
80 ProFirma 10 2011
nesen o<strong>de</strong>r Russen waren, die das Knowhow<br />
auch kleinerer Firmen systematisch<br />
klauten“, berichtet Kollberg. Doch ob es<br />
sich um staatlich organisierte Industriespionage<br />
o<strong>de</strong>r um das Werk von<br />
gedungenen Hackern han<strong>de</strong>lt, wird sich<br />
vermutlich niemals klären lassen. Eines<br />
zeige <strong>de</strong>r Fall aber ganz klar: Es kann<br />
je<strong>de</strong>n treffen, auch KMU. „Deutschland<br />
ist bekannt als Spezialist für Innovation,<br />
und <strong>de</strong>shalb sind heute gera<strong>de</strong> mittelständische<br />
<strong>de</strong>utsche Unternehmen ein<br />
beliebtes Ziel für Computerangriffe.<br />
Und die machen es <strong>de</strong>n Hackern leicht,<br />
<strong>de</strong>nn sie schützen ihre Betriebsgeheimnisse<br />
in <strong>de</strong>r Regel schlecht – o<strong>de</strong>r überhaupt<br />
nicht“, sagt Kollberg.<br />
Dazu kommt: Die Gauner sind raffi -<br />
nierter gewor<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n Sophos Labors<br />
in Hamburg, Vancouver, Sydney und<br />
Abingdon bei London treffen je<strong>de</strong>n Tag<br />
durchschnittlich 150.000 Meldungen<br />
über vermutete o<strong>de</strong>r tatsächliche Online-<br />
Angriffe gegen Unternehmenskun<strong>de</strong>n<br />
ein: Viren, Trojaner, Computer-Würmer,<br />
phantomartige „BotNets“ aus Tausen<strong>de</strong>n<br />
von heimlich gekaperten PC und –<br />
immer häufi ger – sogenannte „Denial of<br />
Service“-Attacken, bei <strong>de</strong>nen die Server<br />
<strong>de</strong>s Opfers mit Millionen von Anfragen<br />
pro Stun<strong>de</strong> bombardiert wer<strong>de</strong>n, bis sie<br />
vor Überlastung in die Knie gehen.<br />
Online-Gauner greifen gezielt an<br />
Doch all das sei noch harmlos, meint<br />
Kollberg, im Vergleich zu <strong>de</strong>m, was<br />
Betrügerban<strong>de</strong>n und Industriespione<br />
inzwischen täglich versuchen: mithilfe<br />
von „targeted attacks“ ganz gezielt auf<br />
einzelne Firmenmitarbeiter loszugehen<br />
und sie mit List und Tücke dazu zu kriegen,<br />
ihre Zugangsdaten wie Benutzername<br />
und Passwort herauszurücken.<br />
Das Vorgehen ist perfi <strong>de</strong>: Die Gauner<br />
recherchieren so lange im Internet, bis<br />
sie die Namen <strong>de</strong>rjenigen herausgefun<strong>de</strong>n<br />
haben, die für beson<strong>de</strong>rs sensible<br />
Informationen o<strong>de</strong>r Systeme zuständig<br />
sind: Die IT-Administratoren, leiten<strong>de</strong><br />
Mitarbeiter o<strong>de</strong>r sogar <strong>de</strong>r Finanzchef.<br />
„Der bekommt dann eine E-Mail, die<br />
täuschend echt aussieht, als käme sie<br />
von <strong>de</strong>r IT-Abteilung. Darin wird er<br />
aufgefor<strong>de</strong>rt‚ zum Beispiel aus irgend-<br />
ProFirma 10 2011<br />
welchen Wartungsgrün<strong>de</strong>n seine Zugangsdaten<br />
durchzugeben. Und dann<br />
ist natürlich Polen offen“, so Kollberg.<br />
Unter <strong>de</strong>m Oberbegriff „Social Engineering“<br />
halten Online-Betrüger und<br />
Spione eine ganze Trickkiste bereit.<br />
Beson<strong>de</strong>rs beliebt: Komplizen lassen<br />
USB-Sticks auf <strong>de</strong>r Straße o<strong>de</strong>r an Haltestellen<br />
in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Firmengebäu<strong>de</strong>s<br />
liegen. „Das funktioniert erstaunlich<br />
gut“, sagt Kollberg: Fünf von zehn solcher<br />
Findlinge, so seine Erfahrung, wer<strong>de</strong>n<br />
von Mitarbeitern ins Büro mitgenommen<br />
und gleich in <strong>de</strong>n PC gesteckt.<br />
„Das machen sogar gestan<strong>de</strong>ne Profi s<br />
aus <strong>de</strong>r IT-Abteilung“, so Kollberg,<br />
„weil die Neugier manchmal stärker ist<br />
als <strong>de</strong>r Menschenverstand.“ Ergebnis:<br />
Die Bösewichte sind „drin“ und können<br />
Schad-Software installieren, die sich<br />
übers Netzwerk ausbreiten und in aller<br />
Ruhe sensible Daten abziehen kann.<br />
Was tun? Mit herkömmlichen Schutzmaßnahmen<br />
wie Antivirus-Software<br />
o<strong>de</strong>r Firewalls allein ist <strong>de</strong>r neuen Bedrohung<br />
aus <strong>de</strong>m Netz kaum Herr zu<br />
wer<strong>de</strong>n. Und außer<strong>de</strong>m: „Hun<strong>de</strong>rtprozentigen<br />
Schutz gibt es nicht“, glaubt<br />
Günther Ennen, Referatsleiter Informationssicherheitsberatung<br />
im Bun-<br />
CHECKLISTE<br />
Wie sicher ist Ihre IT?<br />
■ Ist auf Ihrem System eine Firewall installiert?<br />
■ Sind alle vom Hersteller Ihres Betriebssystems empfohlenen Sicherheits-<br />
Updates installiert?<br />
■ Ist Ihr Browser aktuell und sicher konfi guriert?<br />
■ Ist ein lokaler Viren-Scanner installiert, und wird dieser permanent<br />
aktualisiert?<br />
■ Sind vertrauliche Daten auf Ihrer Festplatte verschlüsselt?<br />
■ Ist <strong>de</strong>r Zugang zu Ihrem System mit einem Passwortschutz versehen?<br />
■ Verwen<strong>de</strong>n Sie sichere Passwörter?<br />
■ Ist <strong>de</strong>r USB-Anschluss <strong>de</strong>aktiviert o<strong>de</strong>r durch einen Administrator<br />
kontrollierbar?<br />
■ Gelten für Ihre PDA und Smartphones gleich hohe Sicherheitsstandards<br />
wie für Notebooks und PC?<br />
■ Sind die Bluetooth- und Infrarotschnittstellen Ihrer Handys, PDA und<br />
Notebooks <strong>de</strong>aktiviert, wenn sie nicht verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n?<br />
Quelle: Deutschland sicher im Netz e.V.<br />
<strong>de</strong>samt für Sicherheit in <strong>de</strong>r Informationstechnik<br />
(BSI) in Bonn. Zwar setzen<br />
nach seiner Erfahrung immer mehr Mittelständler<br />
auf technischen Schutz, aber<br />
das sei so, als „wür<strong>de</strong>n Sie die Fenster in<br />
<strong>de</strong>r Firma vergittern, aber in <strong>de</strong>r Pförtnerloge<br />
sitzt keiner“.<br />
Sicherheitsexperten for<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>shalb seit<br />
Langem eine an<strong>de</strong>re Herangehensweise<br />
an das Thema IT-Sicherheit. „Man muss<br />
die leiten<strong>de</strong>n Leute im Unternehmen ins<br />
Boot holen und gemeinsam eine Sicherheitsstrategie<br />
entwerfen. IT-Sicherheit<br />
ist Chefsache“, sagt Ennen.<br />
Heike Troue, Geschäftsführerin <strong>de</strong>s Vereins<br />
„Deutschland sicher im Netz“, for<strong>de</strong>rt<br />
zum Beispiel klare Zuständigkeiten<br />
und eine methodische Vorgehensweise.<br />
Ihrer Meinung nach sollte je<strong>de</strong>s mittelständische<br />
Unternehmen einen IT-<br />
Sicherheitsbeauftragten benennen, <strong>de</strong>ssen<br />
Job es ist, Sicherheitsmaßnahmen<br />
zu koordinieren und die Risikosituation<br />
zu überwachen. Er sollte sich stets auf<br />
<strong>de</strong>m Laufen<strong>de</strong>n halten in Sachen neuer<br />
Bedrohungsszenarien, sich regelmäßig<br />
beispielsweise auf <strong>de</strong>n Webseiten <strong>de</strong>s<br />
BSI schlau machen und die Kollegen informieren,<br />
wenn neue Angriffsformen<br />
bekannt wer<strong>de</strong>n.<br />
81
IT & Investition – IT-Security<br />
„Wenn Leute ihr Passwort per Klebenotiz an <strong>de</strong>n<br />
Bildschirm hängen, ist <strong>de</strong>r Firma nicht zu helfen.“<br />
SACHAR PAULUS, PROFESSOR FÜR WIRTSCHAFTSINFORMATIK, FH BRANDENBURG<br />
Ganz am Anfang aber steht für Fachleute<br />
wie Troue die Risikoanalyse. Am besten<br />
habe sich ein eigens dafür geschaffenes<br />
Gremium bewährt. <strong>Als</strong> Sicherheits-<br />
Ausschuss habe diese Arbeitsgruppe<br />
zunächst die Aufgabe, Schwachstellen<br />
und Gefahrenpotenziale zu i<strong>de</strong>ntifi zieren<br />
und eine Wunschliste zu erstellen,<br />
aus <strong>de</strong>r ein Anfor<strong>de</strong>rungsprofi l abgeleitet<br />
wird. Später könne die gleiche o<strong>de</strong>r<br />
eine kleinere Run<strong>de</strong> das Ergebnis prüfen<br />
und Verbesserungen vorschlagen.<br />
Erster Schritt:<br />
Die Risiken erkennen<br />
Um die Risiken richtig einschätzen zu<br />
können, muss sich <strong>de</strong>r Arbeitskreis<br />
zunächst einen Überblick über die<br />
wichtigsten Firmenwerte verschaffen,<br />
sozusagen die „Kronjuwelen“ <strong>de</strong>s Unternehmens.<br />
Die Fragenliste kann dabei<br />
ziemlich lang wer<strong>de</strong>n und auch nicht<br />
technische Aspekte umfassen, zum Beispiel:<br />
> Wie viele Aufträge wür<strong>de</strong>n wir verlieren,<br />
wenn jemand unsere Bestell- o<strong>de</strong>r<br />
Vertragsdaten löscht o<strong>de</strong>r manipuliert?<br />
> Wie teuer wäre es, die verlorenen Daten<br />
mithilfe von Backups o<strong>de</strong>r durch<br />
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Weitere Informationen rund um das<br />
Thema IT-Sicherheit haben wir für Sie<br />
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Dort fi n<strong>de</strong>n Sie unter an<strong>de</strong>rem:<br />
> Checklisten zur IT-Sicherheit<br />
> Fachbeitrag Sicherheitsmaßnahmen<br />
> Fachbeitrag IT Sicherheit – Wer haftet?<br />
> Fachbeitrag Grundschutz in <strong>de</strong>r Praxis<br />
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manuelle Eingabe wie<strong>de</strong>rherzustellen?<br />
> Könnte ein Betrüger durch Manipulation<br />
unserer Daten Veruntreuungen<br />
erfolgreich verbergen?<br />
> Wären wir im Falle einer unbefugten<br />
Veröffentlichung interner Daten gegenüber<br />
Vertragspartnern regresspfl<br />
ichtig?<br />
> Wie groß wäre <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>n, wenn unser<br />
Wettbewerber unsere wichtigsten<br />
Betriebsgeheimnisse in die Hand bekäme?<br />
Sogar Fragen <strong>de</strong>r Personalpolitik können<br />
zur Sprache kommen, etwa dann,<br />
wenn es um die Bestrafung o<strong>de</strong>r Entlassung<br />
von Mitarbeitern geht, die fahrlässig<br />
o<strong>de</strong>r vorsätzlich gegen die Sicherheitsinteressen<br />
<strong>de</strong>s Hauses verstoßen.<br />
Schon <strong>de</strong>shalb müssen Vertreter <strong>de</strong>r<br />
Personalabteilung sowie <strong>de</strong>s Betriebsrats<br />
bei <strong>de</strong>n Beratungen über die künftige<br />
Sicherheitspolitik eines Unternehmens<br />
eingebun<strong>de</strong>n sein. Was passiert<br />
zum Beispiel, wenn ein Mitarbeiter<br />
kündigt? Wie sichert sich das Unternehmen<br />
dagegen ab, dass er wichtige Daten<br />
mitnimmt o<strong>de</strong>r löscht? Wer kümmert<br />
sich darum, dass seine Zugangsberechtigungen<br />
rechtzeitig annulliert wer<strong>de</strong>n?<br />
Von welchem Zeitpunkt an ist es besser,<br />
ihn freizustellen, damit er keinen Scha<strong>de</strong>n<br />
anrichten kann?<br />
„Solche Risikoabschätzung ist ein zeitrauben<strong>de</strong>r<br />
und komplizierter Prozess“,<br />
weiß Troue aus Erfahrung, und das<br />
Umsetzen <strong>de</strong>r beschlossenen Maßnahmen<br />
kostet Geld. Sie ist aber überzeugt:<br />
„IT-Sicherheit gibt es lei<strong>de</strong>r nicht zum<br />
Nulltarif.“<br />
Zweiter Schritt:<br />
Spielregeln für die Sicherheit<br />
Erst wenn die Unternehmensleitung<br />
ihre Hausaufgaben in Form von Risikoanalyse<br />
und Sicherheitskonzept ge-<br />
macht hat, können konkrete technische<br />
Maßnahmen folgen. Technische Ansätze<br />
zur Absicherung von Firmeninformationen<br />
unterteilen sich prinzipiell in<br />
vier Bereiche:<br />
1. Anti-Virus-Software: Schadprogramme<br />
gegen Viren, Würmer und<br />
Trojaner sind nur wirksam, wenn sie<br />
immer auf <strong>de</strong>m neuesten Stand sind.<br />
Die entsprechen<strong>de</strong>n Virus-Bibliotheken<br />
können zentral von <strong>de</strong>r IT-Abteilung<br />
o<strong>de</strong>r von je<strong>de</strong>m Mitarbeiter einzeln heruntergela<strong>de</strong>n<br />
und installiert wer<strong>de</strong>n.<br />
2. Backups: Die billigste Form <strong>de</strong>s Datenschutzes<br />
ist die Sicherungskopie.<br />
Sogar im Fall eines Totalabsturzes hält<br />
sich <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>n nämlich in Grenzen,<br />
weil sich die Daten zumin<strong>de</strong>st auf <strong>de</strong>m<br />
Stand <strong>de</strong>r letzten Sicherheitskopie leicht<br />
rekonstruieren lassen.<br />
3. Kryptografi e: Das Verschlüsseln<br />
von empfi ndlichen Daten ist die einfachste<br />
und wirkungsvollste Art, sie zu<br />
schützen. Lei<strong>de</strong>r wird diese Tatsache in<br />
<strong>de</strong>r Unternehmenspraxis viel zu selten<br />
beachtet.<br />
4. Stromversorgung: Sogar in Deutschland<br />
gehen bis zu 46 Prozent aller<br />
schwerwiegen<strong>de</strong>n Fälle von Datenverlust<br />
auf das Konto <strong>de</strong>r E-Werke. Zwar<br />
weisen die Stromnetze hierzulan<strong>de</strong> eine<br />
durchschnittliche Verfügbarkeit von<br />
99,98 Prozent auf, das heißt aber nach<br />
Adam Riese, dass <strong>de</strong>r Strom je<strong>de</strong>s Jahr<br />
für 105 Minuten weg ist. Außer<strong>de</strong>m gibt<br />
es auch bei uns regelmäßig Spannungsschwankungen,<br />
die empfi ndliche Com-<br />
privat<br />
putersysteme fast ebenso stark beein- Foto:<br />
82 ProFirma 10 2011
trächtigen können wie ein Totalausfall.<br />
Geld für eigene unterbrechungsfreie<br />
Stromversorgungsanlagen ist also in<br />
je<strong>de</strong>m Fall gut angelegt. Zwar wird die<br />
Umsetzung dieser technischen Maßnahmen<br />
weitgehend Aufgabe <strong>de</strong>r IT-Fachleute<br />
im Unternehmen beziehungsweise<br />
von externen Dienstleistern sein, es<br />
ist aber wichtig, dass das Management<br />
weiß, welche Maßnahmen geplant sind<br />
und wer dafür zuständig ist.<br />
Dritter Schritt:<br />
Planen für <strong>de</strong>n Notfall<br />
Die Planung für <strong>de</strong>n Notfall ist laut Ennen<br />
ein elementarer Baustein je<strong>de</strong>s guten<br />
Sicherheitskonzepts. Dazu müssen,<br />
wie bei je<strong>de</strong>r Form <strong>de</strong>r Katastrophenplanung,<br />
zuerst die Verantwortungen<br />
und Kompetenzen klar sein. Für das<br />
rechtzeitige Einleiten von Gegenmaßnahmen<br />
sollte <strong>de</strong>shalb ein Notfall-Verantwortlicher<br />
bestimmt wer<strong>de</strong>n. Dieser<br />
muss genau wissen, was er zu tun hat,<br />
aber auch, wen er wann informieren<br />
muss. Das Konzept muss bereits vorgeben,<br />
was die EDV-Leute selbst entschei<strong>de</strong>n<br />
dürfen und wann sie einen Manager<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Firmenchef alarmieren<br />
müssen. Dazu müssen sie zum Beispiel<br />
wissen, unter welcher Telefonnummer<br />
sie ihn im Zweifelsfall nachts aus <strong>de</strong>m<br />
Bett klingeln können. Die hierzu erfor<strong>de</strong>rlichen<br />
Regelungen sollten am besten<br />
schriftlich als „Notfall-Organigramm“<br />
nie<strong>de</strong>rgelegt sein.<br />
Und wenn es nun doch passiert und<br />
Gauner eindringen und <strong>de</strong>n Datenschatz<br />
<strong>de</strong>s Unternehmens entführen?<br />
Neben <strong>de</strong>m Gang zur nächsten Polizeidienststelle<br />
o<strong>de</strong>r am besten gleich zum<br />
Lan<strong>de</strong>skriminalamt (inzwischen gibt<br />
es in allen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn sogenannte<br />
„Online-Dezernate“) steht <strong>de</strong>m Management<br />
noch ein hochnotpeinliches<br />
Gespräch bevor – mit <strong>de</strong>r Innenrevision.<br />
Die wird nämlich wissen wollen, wie so<br />
etwas passieren konnte. Auch Banken<br />
verlangen inzwischen im Rahmen <strong>de</strong>s<br />
jährlichen Rating-Gesprächs über die<br />
Kreditlinie <strong>de</strong>r Firma oft <strong>de</strong>n Nachweis<br />
ausreichen<strong>de</strong>r Risikovorsorge in <strong>de</strong>r IT,<br />
wie es die Richtlinien von Basel II auch<br />
vorschreiben.<br />
ProFirma 10 2011<br />
„Compliance wird immer wichtiger“,<br />
glaubt Professor Sachar Paulus, Ordinarius<br />
für Wirtschaftsinformatik und<br />
Unternehmenssicherheit an <strong>de</strong>r Fachhochschule<br />
Bran<strong>de</strong>nburg. Doch gera<strong>de</strong><br />
darum sei es im Mittelstand lei<strong>de</strong>r nicht<br />
gut bestellt. Laut einer Studie, die er<br />
für <strong>de</strong>n Verein „Deutschland sicher im<br />
Netz“ durchgeführt hat, besitzen nur 24<br />
Prozent <strong>de</strong>r KMU in Deutschland eine<br />
Compliance-Strategie, in <strong>de</strong>r das Unternehmen<br />
Verhaltensmaßregeln und die<br />
Berücksichtigung von Gesetzen sowie<br />
Richtlinien im IT-Bereich <strong>de</strong>fi niert und<br />
dokumentiert.<br />
I<strong>de</strong>ntity- und Access-Management<br />
Vor diesem Hintergrund wird es immer<br />
wichtiger, dafür zu sorgen, dass je<strong>de</strong>rzeit<br />
nachvollziehbar ist, wer das Recht<br />
hat, auf bestimmte Informationen in<br />
<strong>de</strong>r Firmen-IT zuzugreifen o<strong>de</strong>r bestimmte<br />
Anwendungen zu verwen<strong>de</strong>n.<br />
„I<strong>de</strong>ntity- und Access-Management ist<br />
eine relativ junge Disziplin in <strong>de</strong>r IT“,<br />
sagt Paulus, „aber sie wird in Zukunft<br />
eine Schlüsselrolle spielen.“ Es müsse<br />
nachvollziehbar sein, welche Mitarbeiter<br />
wann auf welche Daten zugegriffen<br />
haben und ob sie dazu auch berechtigt<br />
waren. „Schon ein Beauftragungsprozess<br />
per E-Mail, verbun<strong>de</strong>n mit einer guten<br />
Protokollierung, ist ein erster wichtiger<br />
Schritt“, meint er. Viele Vorgänge<br />
ließen sich auch automatisieren. Und<br />
auch ein durchdachtes Passwort-Management<br />
könne viel zur Sicherheit <strong>de</strong>r<br />
Unternehmensdaten beitragen, glaubt<br />
Paulus. „Wenn die Leute natürlich <strong>de</strong>n<br />
Vornamen <strong>de</strong>r Ehefrau o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Hun<strong>de</strong>s<br />
als Passwort verwen<strong>de</strong>n und diesen<br />
auch noch gut sichtbar auf einer Klebenotiz<br />
an <strong>de</strong>n Bildschirm heften, dann ist<br />
<strong>de</strong>m Unternehmen wohl nicht mehr zu<br />
helfen.“<br />
Von einer Illusion, so Paulus, müsse<br />
sich <strong>de</strong>r Mittelständler allerdings verabschie<strong>de</strong>n,<br />
nämlich dass er das alles selbst<br />
leisten kann. „IT-Sicherheit ist heute so<br />
komplex, dass kein Unternehmen mehr<br />
ohne einen externen Spezialisten o<strong>de</strong>r<br />
die aufwendige Zertifi zierung <strong>de</strong>r eigenen<br />
IT-Leute auskommen kann“, behauptet<br />
er. An <strong>de</strong>n Unis und Fachhoch-<br />
schulen wer<strong>de</strong>n inzwischen Inhalte<br />
aus <strong>de</strong>n zahlreichen Publikationen und<br />
Vorgaben <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>samts für Sicherheit<br />
in <strong>de</strong>r Informationstechnik in <strong>de</strong>n<br />
Unterricht eingebun<strong>de</strong>n. Beratungsunternehmen<br />
wie <strong>de</strong>r TÜV, zahlreiche Systemhäuser<br />
und selbstständige Berater<br />
und Auditoren bieten landauf, landab<br />
ihre Dienste an (siehe Kasten: „Sichere<br />
Adressen“).<br />
„Bei einem Angriff wie Shady Rat ist<br />
<strong>de</strong>r typische Mittelständler endgültig<br />
überfor<strong>de</strong>rt“, sagt Paulus. Um <strong>de</strong>r<br />
Rattenplage Herr zu wer<strong>de</strong>n, müsse<br />
man sich schon professionelle Helfer<br />
holen, die min<strong>de</strong>stens einmal im Jahr<br />
einen „Grundcheck“ <strong>de</strong>r IT-Systeme<br />
durchführen. „Das digitale Ungeziefer<br />
breitet sich immer mehr aus“, sagt<br />
Paulus, fügt aber süffi sant hinzu: „Zum<br />
Glück gibt es ja <strong>de</strong>n digitalen Kammerjäger<br />
…“<br />
SICHERE ADRESSEN<br />
Eine Liste <strong>de</strong>r von BSI anerkannten<br />
und zertifi zierten Sicherheitsberater<br />
und Auditoren gibt es unter www.<br />
bsi.bund.<strong>de</strong>/ContentBSI/grundschutz/zert/veroeffentl/ISO27001<br />
Auditoren/auditoren27001.html<br />
Das „Bürger-CERT“ („Computer<br />
Emergency Response Team“) warnt<br />
mittelständische Unternehmen gezielt<br />
und schnell vor neuen Angriffsszenarien<br />
aus <strong>de</strong>m Netz wie Viren,<br />
Würmer und Trojaner sowie neu<br />
ent<strong>de</strong>ckte Sicherheitslücken in <strong>de</strong>n<br />
meisten Standardanwendungen.<br />
www.buerger-cert.<strong>de</strong><br />
Die Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit<br />
in <strong>de</strong>r Wirtschaft (ASW) fungiert<br />
seit <strong>de</strong>m Jahr 2003 als Dachverband<br />
<strong>de</strong>r regionalen Verbän<strong>de</strong> für Sicherheit<br />
in <strong>de</strong>r Wirtschaft (VSWn) und<br />
arbeitet eng mit <strong>de</strong>n Industrie- und<br />
Han<strong>de</strong>lskammern zusammen, um<br />
<strong>de</strong>n Mittelstand in Sicherheitsfragen<br />
zu beraten und zu unterstützen.<br />
www.asw-online.<strong>de</strong><br />
83
Business English<br />
Können Sie mir helfen?<br />
Polite Requests<br />
„Chris, can I borrow your laptop over<br />
the weekend please? The screen on mine<br />
has gone funny and I really have to fi -<br />
nish that presentation.” Or: „Uh, Chris?<br />
Sorry to bother you but I was just won<strong>de</strong>ring<br />
whether I might possibly be able<br />
to borrow your laptop for a while over<br />
the weekend if you weren’t planning on<br />
using it? It’s just that the screen on mine<br />
has been dodgy this week, and I’m rather<br />
worried about getting that presentation<br />
done. So if you weren’t going to<br />
be too busy maybe I could pop over on<br />
Sunday morning and pick it up?”<br />
The correct choice<br />
Does the fi rst one sound good to you? It<br />
is polite, there is a „please” in the request,<br />
there is even an explanation of why<br />
you need to borrow the laptop so badly.<br />
Business English<br />
Was im Deutschen höfl ich klingt, muss es im Englischen noch lange nicht<br />
sein, auch wenn die Frage ein „Bitte“ enthält. Diese Folge hilft Ihnen, Anfragen<br />
so zu formulieren, wie englische Muttersprachler sie gern hören.<br />
Mit <strong>de</strong>r Serie „Business English“ können Sie<br />
je<strong>de</strong> Aufgabe in perfektem Englisch lösen. Verbessern<br />
Sie durch die Lektüre Ihre Fähigkeit, Präsentationen,<br />
Verhandlungen und Meetings in englischer<br />
Sprache erfolgreich zu gestalten.<br />
Souverän und sicher im Daily Business English<br />
business-english.<strong>de</strong> bietet Ihnen die i<strong>de</strong>ale<br />
Kombination aus Informationen, Mustervorlagen,<br />
Arbeitshilfen, Experten-Know-how und Lernspaß<br />
für ein fehlerfreies Englisch im Job.<br />
Für je<strong>de</strong> Herausfor<strong>de</strong>rung auf Englisch sofort<br />
die passen<strong>de</strong> Lösung: Überzeugen Sie sich selbst<br />
unter www.business-english.<strong>de</strong><br />
However, you’re more likely to end up<br />
with no laptop if you use this approach:<br />
it just isn’t polite enough for a native<br />
speaker.<br />
The second approach is far more likely<br />
to get you what you want: it’s very polite,<br />
allowing both you and your colleague<br />
to avoid losing face or being embarrassed,<br />
no matter what the response<br />
is, meaning that your future relationship<br />
can be a good or better one. It doesn’t<br />
sound like a <strong>de</strong>mand whereas the fi rst<br />
one is rather peremptory, although of<br />
course your tone of voice could do a lot<br />
to soften the words, even though the<br />
fi rst version uses the word „please” and<br />
the second doesn’t. This is not always<br />
the <strong>de</strong>ciding factor in whether or not<br />
a request is polite. The more tentative<br />
a request, as seen by the use of words<br />
such as „maybe” and „perhaps”, as well<br />
as phrases such as „I was just won<strong>de</strong>ring<br />
whether …” and „… if you weren’t<br />
going to be too busy …”, the more it<br />
shows that you are trying to be as polite<br />
as possible. The use of a „pre-appeal”<br />
such as the „Sorry to bother you …” in<br />
our second example, also signifi es politeness<br />
and – another important sign of<br />
a good, polite request – it also gives escape<br />
routes for the person being asked<br />
should they need to fi nd a way of saying<br />
„no” (in a very polite way, of course),<br />
which is very important in English.<br />
Who is speaking to whom?<br />
The fi rst point to consi<strong>de</strong>r is the relationship<br />
between the speakers. If a ma-<br />
nager is speaking to the caretaker, he<br />
may well use fewer polite markers in a<br />
request:<br />
> „Could you hand me that fol<strong>de</strong>r<br />
please?”<br />
Lektion 19<br />
would be suffi cient.<br />
If a secretary is speaking to her boss, she<br />
might want to phrase her request in a<br />
more polite way:<br />
> „Do you think you could pass me that<br />
fol<strong>de</strong>r, please?”<br />
> „I won<strong>de</strong>r if you could just pass me<br />
that fol<strong>de</strong>r?”<br />
As you see, the use of „please” is not<br />
mandatory and doesn’t serve to make a<br />
request acceptable.<br />
Background to the request<br />
The history between the speakers – how<br />
long have they known each other or<br />
worked together, are they on fi rst name<br />
84 ProFirma 10 2011<br />
ProFirma<br />
Serie
TIP: Intonation can make a big difference to a request – the more tentative your voice<br />
sounds, the more polite a request is going to be. <strong>Als</strong>o, rising intonation at the end<br />
of the sentence is vital: falling intonation could indicate a <strong>de</strong>mand even if it does<br />
coinci<strong>de</strong> with the word „please”, whereas making your voice go up at the end of your<br />
request often obviates the need for „please”.<br />
terms, is it a very formal setting with<br />
others present or a relaxed, informal<br />
occasion – all contribute to the level of<br />
politeness required.<br />
In addition, the immediate background<br />
to the request needs to be consi<strong>de</strong>red. Is<br />
this the fi rst or the third time of asking?<br />
If the request was ignored or not complied<br />
with for some reason, second and<br />
further requests may very well not show<br />
the same <strong>de</strong>gree of politeness.<br />
Is it a request the speaker might reasonably<br />
be expected to make? Passing a<br />
fol<strong>de</strong>r is one thing, lending someone<br />
your brand new car for a week is quite<br />
another and would <strong>de</strong>mand quite another<br />
level of politeness!<br />
Modifying adverbs<br />
and pre-appeals<br />
You may have noticed that several of the<br />
examples use modifying adverbs such as<br />
„just” , „possibly” or „terribly” to make<br />
the request more tentative and hence<br />
more polite. These are used by native<br />
speakers more than the word „please”<br />
to indicate politeness, so it is well worth<br />
ProFirma 10 2011<br />
Vocabulary<br />
dodgy (coll.) nicht einwandfrei<br />
to pop over (schnell) besuchen<br />
to lose face das Gesicht verlieren<br />
peremptory unabweisbar<br />
tentative vorsichtig<br />
pre-appeal erster Anlauf<br />
caretaker Hausmeister<br />
mandatory obligatorisch<br />
to comply with etwas einhalten<br />
to coinci<strong>de</strong> zusammenfallen<br />
to obviate vermei<strong>de</strong>n<br />
curt knapp<br />
subordinate Untergebener<br />
to acce<strong>de</strong> to einwilligen<br />
convoluted verschachtelt<br />
learning a few of such phrases that you<br />
will feel comfortable using should you<br />
need to make a polite request.<br />
Pre-appeals or apologies are used to indicate<br />
to your listener that you are going<br />
to be phrasing a request and that you<br />
wish to be very humble and polite while<br />
doing so. They inclu<strong>de</strong> phrases such<br />
as „Sorry …” or „I was just won<strong>de</strong>ring<br />
whether …”; see our download for a list<br />
of phrases you can choose from.<br />
So do you get the laptop?<br />
> „Sorry, I need it this weekend.”<br />
This response would be very likely if<br />
you asked for the favour using the fi rst<br />
example back at the beginning of this<br />
article: although grammatically correct,<br />
it is curt almost to the point of being<br />
ru<strong>de</strong> (<strong>de</strong>pending on the tone, it could be<br />
ma<strong>de</strong> very ru<strong>de</strong> or a little more polite)<br />
and doesn’t leave either you or your colleague<br />
feeling particularly good about<br />
the exchange. Then again, the request<br />
wasn’t really <strong>de</strong>signed to make your<br />
colleague feel good – more the kind of<br />
thing a CEO might say to a subordinate<br />
than one colleague to another.<br />
> „Oh I would but I’m terribly sorry,<br />
I’m afraid I’m going to Brighton for<br />
the weekend and I will need to catch<br />
up on some work myself while I’m<br />
there. You could try asking Heather<br />
though.”<br />
A very polite refusal to the polite request,<br />
this says: „no” in a nice way. It<br />
shows that Chris feels bad about not<br />
being able to lend you his laptop, and<br />
is doing his best to make up for this<br />
by suggesting an alternative: ask Heather.<br />
You haven’t got the laptop but<br />
you have maintained your relationship<br />
with Chris and you now have another<br />
avenue to try.<br />
> „Yeah, sure, I guess I don’t really need<br />
to do much myself this weekend.<br />
Why don’t you call in around 11 on<br />
Sunday?”<br />
Success! You have the laptop and a time<br />
to pick it up on Sunday – well done!<br />
Accepting or<br />
refusing a request<br />
Accepting a request is easy. Everyone<br />
wants to hear: „Sure, no problem!”<br />
You may want to dress it up or express<br />
more enthusiasm: „I’d love to!” or „Absolutely,<br />
right away!” but your answer is<br />
going to be accepted happily no matter<br />
how you word it.<br />
Negative responses are rather more tricky,<br />
though. For a native speaker, it is<br />
very important that a request is acce<strong>de</strong>d<br />
to, even if the fi nal answer is „no”.<br />
This means that a phrase showing the<br />
respon<strong>de</strong>nt’s willingness to comply is<br />
vital. In our original scenario we showed<br />
both a negative and a positive possible<br />
response to the second and more<br />
acceptable request. Even the negative<br />
response started off in a positive way by<br />
stating: „I would but …”<br />
This allows both participants in the exchange<br />
to maintain face, it is a very nice<br />
way to say „no”.<br />
Should you have to <strong>de</strong>ny someone’s request,<br />
it is always kin<strong>de</strong>r to start off in a<br />
positive way if you can – just remember<br />
to show your willingness in some way<br />
and then continue with the word „but”<br />
to indicate a change of direction in your<br />
reply.<br />
TIP: To make a request more polite, use more words! The longer and more convoluted<br />
it is, the more polite it will generally seem. Compare „Wait a moment” to „I won<strong>de</strong>r<br />
whether you would mind terribly just waiting for a moment, please?”<br />
S. 86 Correspon<strong>de</strong>nce, S. 87 Kreuzworträtsel<br />
85
Business English<br />
Korrekte Anfragen formulieren<br />
How to write letters and e-mails of enquiry<br />
Schriftliche Anfragen an englischsprachige Geschäftspartner verlangen treffsichere Formulierungen. Mit <strong>de</strong>m<br />
passen<strong>de</strong>n Vokabular, das wir Ihnen in diesem Beitrag vorstellen, erzielen Sie gute Ergebnisse.<br />
Letter of enquiry<br />
If your company is approaching a new<br />
company for the fi rst time, with a view<br />
to doing business with that fi rm, it is<br />
wise to write a letter rather than an email.<br />
Th is not only gives the impression<br />
that your company intends to enter a serious<br />
business relationship but also you<br />
avoid the risk of your mail ending up in<br />
the spam fi le or being <strong>de</strong>leted without<br />
being read.<br />
Essential components of a letter of enquiry<br />
are:<br />
1. Subject Heading<br />
Th is highlights that the letter is an enquiry<br />
e.g.<br />
> Query about Price List<br />
> Enquiry about Stationery<br />
> Request for Brochure<br />
2. First Paragraph<br />
Th is introduces you to the rea<strong>de</strong>r and<br />
should briefl y summarize your line of<br />
business e.g.<br />
> We are IT and network consultants<br />
operating mostly in Germany’s northern<br />
region and are based in Cologne.<br />
business-english<br />
Fachmodule auf<br />
business-english.<strong>de</strong><br />
<strong>Als</strong> Experte sind Sie im internationalen<br />
Business beson<strong>de</strong>rs<br />
gefor<strong>de</strong>rt. Personalverantwortliche,<br />
Controller und Unternehmer<br />
fi n<strong>de</strong>n im Professional-Bereich von<br />
business-english.<strong>de</strong> speziell auf<br />
ihre Arbeitsanfor<strong>de</strong>rungen zugeschnittene<br />
Arbeitsvorlagen, Beiträge,<br />
Downloads und Trainings.<br />
ANZEIGE<br />
3. Second Paragraph<br />
If it is a standard request, such as sending<br />
sales literature or a price list, you<br />
can use:<br />
> Please send me/us…<br />
If it is a request for something more unusual,<br />
use:<br />
> I/we would be very grateful if you<br />
could send me/us…<br />
Perhaps you need more background information<br />
fi rst; then use:<br />
> I am/We are writing to enquire if it is<br />
possible …<br />
When checking prices, ask if they inclu<strong>de</strong><br />
tax (AmE) or VAT (BrE)<br />
Additional or extra information can be<br />
requested in the following way:<br />
> I/We would especially like to know…<br />
> Could you also tell me/us…<br />
4. Final Paragraph<br />
Th is tells the rea<strong>de</strong>r why you are writing<br />
and gives more <strong>de</strong>tails. Here, you can<br />
mention a contact person or fi rm. Alternatively,<br />
you can quote the newspaper<br />
or tra<strong>de</strong> journal where you saw this<br />
company advertised.<br />
> You were recommen<strong>de</strong>d to us by Karl<br />
Grün at NetTel GmbH as experts in<br />
cable systems. We are looking for new<br />
distributors in this area.<br />
> Your advertisement in the May edition<br />
of CableSys mentioned your pest resistant<br />
cables and we are interested in<br />
or<strong>de</strong>ring some.<br />
5. Closing remark<br />
Th is draws the letter to a close and adds<br />
a time reference for future contact e.g.<br />
> We look forward to receiving your<br />
catalogue/brochure/sales literature at<br />
your earliest convenience.<br />
In letters, use a formal fi nish which matches<br />
the salutation e.g.<br />
> Yours faithfully<br />
> Yours sincerely<br />
Vocabulary<br />
enquiry (BrE)/inquiry Anfrage<br />
(AmE)<br />
to approach sich annähern<br />
with a view to in <strong>de</strong>r Absicht<br />
query (An-)Frage<br />
request Bitte<br />
line of business Branche<br />
sales literature Verkaufsprospekt<br />
distributor Lieferant<br />
pest resistant schädlingssicher<br />
to draw to a close sich <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> nähern<br />
at your earliest<br />
convenience<br />
umgehend<br />
recognisable erkennbar<br />
E-mails requesting an offer<br />
Most companies have standard forms<br />
on their homepages when it comes to<br />
requesting an off er of goods. Th at is<br />
why it makes sense to either use their<br />
86 ProFirma 10 2011
form or formulate a request by e-mail.<br />
Letters in this case would waste valuable<br />
time. It is important to layout your<br />
e-mail so that the quantity and catalogue<br />
number (or similar) is clearly re-<br />
Die Autoren: Lucy Renner Jones und Anita Duncan<br />
CROSSWORD PUZZLE<br />
ProFirma 10 2011<br />
1<br />
2 3<br />
5<br />
6 7 8 9<br />
13 14<br />
12<br />
16 17<br />
Across:<br />
2. long-win<strong>de</strong>d (excuse, answer etc.)<br />
4. friendly, amiable<br />
10. a large collection of data<br />
12. to timetable<br />
13. especially, particularly<br />
14. area, sphere or subdivision of the<br />
Internet with common purpose<br />
16. appropriate (e.g. skills for a job)<br />
–<br />
cognisable. Th e rest of the e-mail can<br />
be kept to a minimum. Th e style is not<br />
necessarily informal just because it is<br />
an e-mail. Aft er all, this is the fi rst impression<br />
of your company.<br />
15<br />
10<br />
4<br />
Down:<br />
1. discreet<br />
3. to repeat (for rhetoric reasons)<br />
5. a rough draft (of a letter, plan etc.)<br />
6. to ratify or sanction<br />
7. give or supply<br />
8. to put forward an i<strong>de</strong>a<br />
9. the organizer, architect or brains behind<br />
something<br />
11. outlook, manner, stance<br />
15. rough or brusque<br />
17. to drag (heavy things)<br />
Answers: Across: 2. convoluted, 4. affable, 10. database, 12. schedule, 13. notably, 14. domain, 16. well-suited<br />
Down: 1. judicious, 3. reiterate, 5. preliminary, 6. validate, 7. contribute, 8. pitch, 9. mastermind, 11. attitu<strong>de</strong>,<br />
15. gruff, 17. lug<br />
11
Rückschau & Termine<br />
TERMINE<br />
STATISTA STARTET<br />
ENGLISCHSPRACHIGE SEITE<br />
Das Statistikportal Statista, Kooperationspartner<br />
von ProFirma, hat unter<br />
www.statista.com seine englischsprachige<br />
Seite freigeschaltet. Auf ihr<br />
fi n<strong>de</strong>n Nutzer Statistiken zu 20 verschie<strong>de</strong>nen<br />
Branchen in <strong>de</strong>n USA und<br />
zu weiteren internationalen Märkten.<br />
Die Daten wer<strong>de</strong>n ergänzt mit englischen<br />
Übersetzungen von Statistiken<br />
zum <strong>de</strong>utschen Markt. Statista startete<br />
im Mai 2008 als <strong>de</strong>utschsprachiges<br />
Angebot. Kun<strong>de</strong>n haben Zugriff auf<br />
Daten zu 60.000 Themen aus mehr<br />
als 10.000 Quellen. En<strong>de</strong> 2010 hat die<br />
Statista GmbH (Hamburg/New York)<br />
als Trägerin <strong>de</strong>s Portals in Deutschland<br />
<strong>de</strong>n wirtschaftlichen Break-even<br />
erreicht und bewiesen, dass ihr Geschäftsmo<strong>de</strong>ll<br />
funktioniert.<br />
5. Oktober 2011<br />
Mittelstandskongress<br />
Konzerthaus Freiburg<br />
www.fr-mk.<strong>de</strong><br />
25. bis 27. Oktober 2011<br />
DKM<br />
Messe Dortmund<br />
www.dkm-messe.<strong>de</strong><br />
Alles, was Unternehmen zum Thema<br />
Kun<strong>de</strong>nbeziehung wissen müssen, fi n<strong>de</strong>n sie<br />
bei <strong>de</strong>r CRM-Expo in Nürnberg.<br />
CRM-Expo<br />
Wertvolles CRM-Wissen für kleine<br />
und große Unternehmen<br />
Die CRM-Expo am 5. und 6. Oktober 2011 in <strong>de</strong>r Messe Nürnberg bietet Führungskräften<br />
aus Industrie, Han<strong>de</strong>l und Dienstleistung wertvolles Praxiswissen, Experten-<br />
Know-how und Anwendungsbeispiele rund um die Themen Kun<strong>de</strong>nbindung, Neukun<strong>de</strong>ngewinnung,<br />
Kun<strong>de</strong>nbeziehungsmanagement und -pfl ege.<br />
„Die CRM-Expo hält erneut ein spannen<strong>de</strong>s, praxisorientiertes Programm mit Mehrwert<br />
für alle Unternehmensgrößen vor“, betont Ralf Korb, Projektleiter <strong>de</strong>r CRM-<br />
Expo beim Veranstalter Atelier Scherer Fair Consulting GmbH (asfc) in Fürth. „CRM<br />
ist heute in vielen Unternehmensbereichen nicht nur ein integraler und wichtiger<br />
Bestandteil. CRM ist die Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg und Wachstum“,<br />
so Korb. Denn entschei<strong>de</strong>nd für <strong>de</strong>n Erfolg aller Unternehmen seien dauerhaft gute<br />
Kun<strong>de</strong>nbeziehungen.<br />
Auch in diesem Jahr gibt es wie<strong>de</strong>r eine Fülle spannen<strong>de</strong>r Kongressbeiträge. Neben<br />
<strong>de</strong>r Reihe „CRM @ its best“ mit <strong>de</strong>n Siegerkonzepten <strong>de</strong>r Finalisten <strong>de</strong>s CRM Best<br />
Practice Awards dürfen sich Besucher auf Vorträge und Software-Tests freuen.<br />
Weitere Informationen unter:<br />
www.crm-expo.com und www.mobile-business-area.<strong>de</strong><br />
Mittelstandsprogramm<br />
Attraktive För<strong>de</strong>rpreise für <strong>de</strong>n Mittelstand<br />
Bereits zum neunten Mal können sich<br />
kleine und mittlere Unternehmen um<br />
die begehrten Preise <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rinitiative<br />
Mittelstandsprogramm bewerben. „Die<br />
ausgezeichneten Mittelständler können<br />
kostenfrei, schnell und ohne Risiko<br />
neue innovative Produkte in ihrem<br />
Unternehmen einführen o<strong>de</strong>r Dienstleistungen<br />
zur Steigerung ihres Unternehmenserfolgs<br />
in Anspruch nehmen“,<br />
erklärt Martin Hubschnei<strong>de</strong>r, Initiator<br />
<strong>de</strong>s Mittelstandsprogramms und Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r CAS Software<br />
AG in Karlsruhe.<br />
Die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rinitiative ist einfach:<br />
Hersteller und Dienstleister aus verschie<strong>de</strong>nen<br />
Branchen stellen als Sponsoren<br />
ihr aktuelles Produktportfolio für<br />
mittelständische Unternehmen kostenfrei<br />
bereit. Insgesamt 390 Sponsoren<br />
sorgten in <strong>de</strong>n vergangenen acht Run<strong>de</strong>n<br />
dafür, dass <strong>de</strong>m Mittelstand Preise<br />
im Wert von mehr als 13 Millionen Euro<br />
übergeben wer<strong>de</strong>n konnten. Das För<strong>de</strong>rpreisangebot<br />
umfasste IT-Lösungen<br />
und Dienstleistungen für Vertrieb und<br />
Marketing, Back Offi ce und Organisation<br />
sowie Planung und Management.<br />
Ein unabhängiger Innovationsrat prüft<br />
im Vorfeld die Innovationskraft <strong>de</strong>r<br />
Sponsoren. Eine Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>s Mittelstandsprogramms<br />
ist, dass je<strong>de</strong>r<br />
Sponsor selbst entschei<strong>de</strong>t, welcher<br />
Bewerber Preisträger wird. Die nächste<br />
Run<strong>de</strong> startet am 1. November 2011. Sie<br />
wird wie<strong>de</strong>r vom renommierten Mittelstandsexperten<br />
Prof. Dr. h.c. Lothar<br />
Späth unterstützt.<br />
Weitere Informationen unter:<br />
www.mittelstandsprogramm.com<br />
88 ProFirma 10 2011<br />
Foto: CRM-Expo
Vorschau 11.2011<br />
Titelthema: Das Wachstum steuern<br />
Für mittelständische Unternehmen gibt es viele Möglichkeiten, um zu wachsen.<br />
Sie können neue Filialen eröffnen, ins Ausland expandieren, ihr Geschäft in<br />
ein Franchise-System umwan<strong>de</strong>ln und vieles mehr. In unserer Titelgeschichte<br />
beschreiben wir anhand von Unternehmensbeispielen, welche Ansätze sich<br />
unter verschie<strong>de</strong>nen Voraussetzungen eignen, und geben Expertentipps für die<br />
erfolgreiche Umsetzung <strong>de</strong>r Strategie.<br />
IMPRESSUM<br />
Redaktion:<br />
Dieter Römer (Chefredakteur)<br />
E-Mail: Dieter.Roemer@ProFirma.<strong>de</strong><br />
Paul Lauer (Redakteur)<br />
E-Mail: Paul.Lauer@ProFirma.<strong>de</strong><br />
Christoph Lorenz (Redakteur)<br />
E-Mail: Christoph.Lorenz@profi rma.<strong>de</strong><br />
Hans-Walter Neunzig (Redakteur)<br />
E-Mail: Hans-Walter.Neunzig@ProFirma.<strong>de</strong><br />
Gabi Reuys (Assistentin)<br />
E-Mail: Gabi.Reuys@ProFirma.<strong>de</strong><br />
Telefon 07 61/89 83 031, Fax 07 61/89 83 112<br />
Hausadresse <strong>de</strong>r Redaktion:<br />
<strong>Haufe</strong>-Lexware GmbH & Co. KG<br />
Munzingerstr. 9, 79111 Freiburg<br />
Autoren dieser Ausgabe:<br />
M. Bahnerth, Prof. M. Beck, A. Bemmer, J. Christ,<br />
T. Cole, K. Dietzel, A. Duncan, St. Gneiting, S.<br />
Hölper, G. Hopmeier, E. Neuthinger, L. Renner<br />
Jones, Johannes Schmeer, F. T. Uhrig, L. Volkelt, O.<br />
Weiss, B. Weller<br />
Grafi k: Hanjo Tews<br />
ProFirma 10 2011<br />
Anzeigen-Verkauf:<br />
Bernd Junker (Anzeigenleitung)<br />
Telefon 09 31/27 91 556<br />
Oliver Cekys (Senior Key Account Manager)<br />
Telefon 09 31/27 91 731<br />
Thomas Horejsi (Senior Key Account Manager)<br />
Telefon 09 31/27 91 451<br />
Michaela Dotzler (Disposition)<br />
Tel. 09 31/27 91 559, Fax 09 31/27 91 477<br />
E-Mail: Anzeigen@ProFirma.<strong>de</strong><br />
Verbreitete Aufl age,<br />
2. Quartal 2011: 79.441<br />
Verkaufte Aufl age: 58.198<br />
IVW-geprüft. ISSN 1435-6082<br />
Abonnentenservice:<br />
<strong>Haufe</strong> Service Center GmbH, Postfach,<br />
79091 Freiburg<br />
Telefon 01 80/50 50 169*, Fax 01 80/50 50 441*<br />
E-Mail: Zeitschriften@<strong>Haufe</strong>.<strong>de</strong><br />
* 0,14 €/Min. aus <strong>de</strong>m dt. Festnetz, max. 0,42 €/Min. mobil.<br />
Ein Service von dtms.<br />
Die Ausgabe 11/2011 erscheint am 27. Oktober 2011<br />
Weitere Themen:<br />
WORK-LIFE-BALANCE<br />
Alles zu seiner Zeit<br />
Beruf und Privates gut zu vereinen, fällt<br />
vielen Unternehmern schwer, ist aber<br />
wichtig für die Gesundheit. ProFirma gibt<br />
Ratschläge, wie es gelingen kann.<br />
BASEL III<br />
Der Countdown läuft<br />
In <strong>de</strong>n Banken haben die Vorbereitungen<br />
für Basel III begonnen. Auch Unternehmen<br />
müssen wissen, was auf sie zukommt.<br />
ProFirma nennt die wichtigsten Punkte.<br />
SPECIAL NUTZFAHRZEUGE<br />
Leasing lohnt sich<br />
Full-Service-Leasing lohnt sich für Transporter<br />
und Nutzfahrzeuge. ProFirma zeigt,<br />
wie Unternehmen diese Finanzierungsform<br />
für ihren Fuhrpark richtig nutzen.<br />
Verlag: <strong>Haufe</strong>-Lexware GmbH & Co. KG<br />
Verlagsleitung: Reiner Straub<br />
Munzinger Straße 9, D-79111 Freiburg<br />
www.<strong>Haufe</strong>.<strong>de</strong><br />
Druck: Druckerei Echter, Würzburg<br />
Vertrieb im Han<strong>de</strong>l:<br />
SPECIAL INTEREST<br />
Zeitschriften Distribution & Marketing GmbH<br />
Nor<strong>de</strong>ndstraße 2; 64546 Mörfel<strong>de</strong>n-Walldorf<br />
Der jährliche Bezugspreis beträgt für ProFirma im Inland: 68 Euro inkl. MwSt. und Versand, im Ausland 79 Euro inkl. Versand. Das Kombi-Jahresabo ProFirma<br />
Professional kostet im Inland 237,60 Euro inkl. MwSt. und Versand, im Ausland 252,60 Euro inkl. Versand. Bezieher <strong>de</strong>r Produkte aus <strong>de</strong>r „Lexware professional<br />
line“ (9018, 9182, 9183, 9170, 9171, 9172, 9173, 9174, 8804, 9094) erhalten ProFirma im Rahmen ihres Abonnements. Für Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Selbständigen<br />
(BDS) und <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverban<strong>de</strong>s Metall ist <strong>de</strong>r Bezug im Mitgliedsbeitrag enthalten.<br />
89
Schluss mit lustig<br />
H2O saß mit Clara, von <strong>de</strong>r er im Moment nicht wusste, ob sie<br />
jetzt noch seine Ex-Frau o<strong>de</strong>r schon wie<strong>de</strong>r seine Frau war, auf<br />
<strong>de</strong>n Stühlen im Achter<strong>de</strong>ck <strong>de</strong>r Jacht seines griechischen Geschäftsfreun<strong>de</strong>s.<br />
Sie hatten bei<strong>de</strong> ein Glas kühlen Cava Drios<br />
in <strong>de</strong>r Hand und blickten über das Meer auf die lichtgesprenkelte<br />
Küste Korfus. „Zwei Millionen“, seufzte H2O. „Haben<br />
wir nicht, Henning“, antwortete Clara. „Ich weiß. Aber ohne<br />
eine CO 2 -Waschanlage für das Methangas von Kühen geht es<br />
nicht.“ „Henning, versteh mich jetzt nicht falsch, aber hast du<br />
dir mal überlegt, dass das ganze Projekt einfach eine Nummer<br />
zu groß ist für dich? Für uns?“ „Was heißt hier zu groß,<br />
Clara? Zwei Millionen für eine<br />
CO 2 -Waschanlage ist im Grun<strong>de</strong><br />
ein guter Preis. Und die I<strong>de</strong>e, aus<br />
Methangas von Rin<strong>de</strong>rn Bioenergie<br />
herzustellen, die ist, Clara, na<br />
ja, unschlagbar.“<br />
„Henning, wir müssen jetzt vernünftig<br />
sein.“ „Wir, Clara?“ „Mein<br />
Geld steckt da auch drin, Henning.<br />
Und wir sind immer noch verheiratet.“<br />
„Ich weiß. Aber sind wir noch<br />
ein Paar?“ „Vielleicht wer<strong>de</strong>n wir<br />
wie<strong>de</strong>r eines, Henning. Wenn wir<br />
es schaffen, uns zu vertrauen, uns<br />
zu respektieren und <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
zu akzeptieren, so wie er ist.“ „Hab<br />
ich das nicht immer getan, Clara?“<br />
„Henning, bitte.“ „Wie jetzt, bitte?“ „Ich hatte am Schluss das<br />
Gefühl, dass alles, was ich tue, dir zuwi<strong>de</strong>r ist, Henning.“ „Vielleicht,<br />
Clara, aber das war nur, weil ich das Gefühl hatte, dass<br />
alles, was ich tue, dir zuwi<strong>de</strong>r ist.“ Eine Zeitlang blickten sie<br />
schweigend auf die Küste, je<strong>de</strong>r versunken in seiner Welt.<br />
„Wür<strong>de</strong>st du mich noch wollen?“, fragte H2O leise in die Dunkelheit.<br />
„Unter Umstän<strong>de</strong>n.“ „Ich auch nur unter Umstän<strong>de</strong>n,<br />
Clara, das ist ja klar.“ „Ich frage mich gera<strong>de</strong>, ob ich dich noch<br />
lieben könnte, Henning.“ „Ich weiß nur, Clara, dass ich nie<br />
aufgehört habe, dich zu lieben. Irgendwie. Und dass es richtig<br />
gut war, wie<strong>de</strong>r mit dir zu schlafen.“ „Das, Henning, können<br />
wir wirklich gut, stimmt.“ „Können wir das wie<strong>de</strong>rholen,<br />
Clara, jetzt?“ „Später, Henning, wir müssen uns zuerst noch<br />
H 2O<br />
... fl irtet so gut wie lange nicht<br />
von Michael Bahnerth<br />
Unternehmer Henning Hirschmüller-Oberst, H2O genannt, liebäugelt mit seiner Ex-Frau,<br />
behält aber weiter die Methangas-Geschäfte im Blick.<br />
über die Waschanlage klar wer<strong>de</strong>n. Aber ich fän<strong>de</strong> es schön,<br />
wenn du näher kommen und <strong>de</strong>ine Hand auf mein Bein legen<br />
wür<strong>de</strong>st.“<br />
„Gut so?“, fragte H2O. „Ja.“ „Clara?“. „Ja?“ „Vielleicht sollten<br />
wir Deutschland verlassen und hier unsere Zelte aufschlagen.“<br />
„Vielleicht.“ „Wir grün<strong>de</strong>n eine griechische Firma und<br />
hängen uns an die EU-Subventions-Infusion für dieses abgewirtschaftete<br />
Land hier, erhalten vielleicht 60 Prozent <strong>de</strong>r zwei<br />
Millionen, weil wir Arbeitsplätze schaffen und nachhaltige<br />
Produktion betreiben und so weiter.“ „Könnte sein, Henning,<br />
aber ist dir aufgefallen, dass es hier kaum Kühe gibt?“. „Oh.<br />
Vielleicht gibt es ein paar oben im<br />
Nor<strong>de</strong>n. Und es geht ja nur darum,<br />
diese eine Waschanlage zu bauen,<br />
das Gas auf <strong>de</strong>n Markt zu bringen.<br />
Danach verkaufen wir das Konzept<br />
im Franchising und kümmern uns<br />
nur noch um uns.“<br />
„Machst du dir das nicht alles ein<br />
bisschen zu einfach, Henning?“<br />
„Wieso soll ich es mir schwer machen,<br />
Clara?“ „Weil die Dinge nicht<br />
immer einfach sind!“ „Aber stell<br />
dir vor, wir bei<strong>de</strong> hier in Griechenland,<br />
leben unsere I<strong>de</strong>e, geben noch<br />
einmal alles, bevor wir richtig alt<br />
wer<strong>de</strong>n, und dann haben wir genug<br />
Geld, um unsere letzten Jahre<br />
zu genießen.“ „Und wenn es nicht klappt, Henning?“ „Clara,<br />
mit Pessimismus kannst du keine Geschäftsi<strong>de</strong>e zum Laufen<br />
bringen. Da musst du nach vorne schauen. Immer.“ „Und<br />
warum gibt’s dann so viele Firmenpleiten, Henning?“ „Weil,<br />
natürlich, neben Optimismus braucht man auch Können.<br />
Und Glück.“ „Und das haben wir?“ „Wer<strong>de</strong>n wir haben.“ „Ich<br />
<strong>de</strong>nke darüber nach, Henning.“ „Gut.“ „Übrigens, <strong>de</strong>ine Hand<br />
fühlt sich gut an.“ „Das liegt an <strong>de</strong>inem Oberschenkel.“ „Ach,<br />
Henning.“<br />
DIE NÄCHSTE FOLGE: H2O, Clara und <strong>de</strong>r Spatz in <strong>de</strong>r<br />
Hand o<strong>de</strong>r die Taube auf <strong>de</strong>m Dach.<br />
90 ProFirma 10 2011<br />
Folge 38<br />
Illustration: Reinhold Harwath
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im Überblick!
„Viele Dinge funktionieren nur mit vereinten Kräften. Zum Beispiel wenn wir<br />
unsere Mannschaft beim Heimspiel anfeuern. O<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Karnevalsumzug<br />
organisieren. Und alleine grillen macht auch keinen Spaß. Zusammen kann man<br />
Je<strong>de</strong>r Mensch hat etwas, das ihn antreibt.<br />
vr.<strong>de</strong>/naehe<br />
Wir machen <strong>de</strong>n Weg frei.<br />
halt mehr auf die Beine stellen.<br />
Und genauso funktioniert das<br />
bei uns im Ort: Man kennt sich,<br />
man schätzt sich, und man ist ganz selbstverständlich füreinan<strong>de</strong>r da.<br />
Das schafft gegenseitiges Vertrauen, auf das sich aufbauen lässt. Schließlich ist<br />
Vertrauen die beste Grundlage, wenn man gemeinsam was erreichen will.“<br />
Udo Totzke, Volksbank Rhein-Wupper eG in Leverkusen-Schlebusch, einer unserer über 160.000 Mitarbeiter<br />
Wir machen <strong>de</strong>n Weg frei. Gemeinsam mit <strong>de</strong>n Spezialisten <strong>de</strong>r Genossenschaftlichen FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken: DZ BANK, WGZ BANK,<br />
BausparkasseSchwäbischHall,DGHyp,DZPRIVATBANK,easyCredit,MünchenerHyp,R+VVersicherung,UnionInvestment,VRLEASING,WLBank.