(focus)uni lübeck - Universität zu Lübeck

| 29. JAHRGANG | HEFT 2 | OKTOBER 2012
Met. IV, 241-255) und der Verräterin Clytie in die Heliotrope
(256-270), die Verschmelzung von Salmacis mit Hermaphroditus,
der erst dadurch seine Zweigeschlechtlichkeit erhält (271-
388), der Sturz von Ino mit Melicertes ins Meer (512-530), die
Verwandlung von Cadmus und Harmonia in Schlangen (563-
603) und von Atlas in ein Gebirge, neben welchem der dafür
verantwortliche Perseus vorbeizieht (631-662).
Von besonderer Bedeutung freilich sind die bereits eingangs
erwähnten Töchter des Minyas. In Theben wird auf
Befehl des Bacchus ein Fest für diesen ausgerichtet; die Minyaden
weigern sich, teilzunehmen 42 . Sie leisten statt dessen
weiterhin den Dienst der Minerva, indem sie textile Handarbeiten
verrichten und sich dabei die Geschichten von Pyramus
und Thisbe, Leucothoe und Clytie sowie von Salmacis und
Hermaphroditus erzählen, diesen Texten also den Rahmen
geben. Zur Strafe werden sie jedoch von Bacchus in Fledermäuse
verwandelt; man sieht sie auf der Graphik (Abb. 16)
neben dem Balkon, wo sie ihre Arbeit verrichtet haben, davonfliegen.
Abb. 16: Illustration aus Matthaeus Merian (Hrsg.): Metamorphosen,
Frankfurt 1619 43
42 Ovid, Met. III, 732 – IV, 35
43 http://www.latein-pagina.de/ovid/pic_ovid_4/ovidmerian4.jpg (20.05.2012)
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4. Dionysische Mysterien
Das Kolleg |
Der bereits mehrfach angeklungene Kontext Dionysos /
Bacchus ist offenbar auch für die folgende, für den Stoff
bislang zentrale Abbildung (Abb. 17) von entscheidender
Bedeutung, was sich jedoch erst bei genauerer Analyse
aufschließt. 44 Von dem Bild geht eine gewisse Beunruhigung
aus, die sich erst bei näherer Betrachtung erklärt:
Zwar wird ein Unwetter dargestellt, welches gewissermaßen
den Rahmen für das im Vergleich kleinformatig
abgebildete „Liebesunglück“ von Pyramus und Thisbe bildet.
Die Figuren und die Vegetation werden von einem offensichtlich
von links nach rechts heftig wehenden Sturm
bewegt. Die in der Mitte liegende Wasserfläche dagegen
bleibt unberührt; der stark vom Wind geschüttelte Baum
am Ufer spiegelt sich ohne Trübung im Wasser. Zweifellos
besteht darin eine der „Unstimmigkeiten“, von denen die
Beunruhigung beim Betrachten ausgeht.
Abb. 17: Nicolas Poussin (1594-1665): Landschaft mit Pyramus
und Thisbe 1651 Frankfurt, Städelmuseum; Öl auf Leinwand, 193
x 274 cm
Thisbe eilt von rechts gegen den Wind auf den im Vordergrund
hingestreckten Pyramus zu. Links im Mittelgrund hat
eine Löwin das Pferd des einen von zwei Reitern angesprungen,
der Reiter liegt am Boden. Rechts davon treiben Hirten,
einem Reiter im roten Mantel folgend, ihre Herden einem Gebäudekomplex
zu, der am Abhang der den See umgebenden
Berge emporwächst. Links findet sich über dem Seeufer
ein kleiner Tempel, darüber eine Festung. Ein größerer Blitz
schlägt in der Nähe des Baumes hinter dem See ein, ein kleinerer
in ein festungsähnliches Gebäude rechts fern über dem
See.
44 Ich folge der höchst erhellenden Analyse von Oskar Bätschmann: Nicolas Poussin.
Landschaft mit Pyramus und Thisbe. Das Liebesunglück und die Grenzen der
Malerei Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1987 passim.