Die zerebrale Oximetrie bei herzchirurgischen Patienten Von Julika Schön, Hauke Paarmann und Matthias Heringlake In den letzten Jahren konnte in verschiedenen Untersuchungen sowohl an herz- als auch an nicht-herzchirurgischen Patienten herausgearbeitet werden, dass die Vermeidung von intraoperativen Abfällen der mittels Nah-Infrarot-Spektroskopie bestimmten zerebralen Sauerstoffsättigung mit einer Verbesserung des neurologischen und klinischen Outcomes einhergeht.
| Forschung aktuell Durch die Verbesserungen der herzchirurgischen Techniken, die Einführung weniger invasiver Verfahren und verbesserte perioperative Versorgung nimmt die Morbidität und Mortalität nach herzchirurgischen Operationen trotz <strong>zu</strong>nehmend höherem Lebensalter der Patienten ab 1 . Mit dem steigenden Lebensalter der <strong>zu</strong> versorgenden Patienten steigt allerdings das Risiko für neurologische Komplikationen, die das operative Ergebnis erheblich einschränken können 2,3 . Da<strong>zu</strong> gehören Schlaganfall, Delir oder kognitive Dysfunktion 4-6 . Postoperatives Delir ist hier definiert als postoperativ auftretende akute Wesensveränderung mit vorübergehender Störung der Wahrnehmung und des Bewusstseins ohne andere erkennbare Ursache, kognitive Dysfunktion als postoperativ auftretende Merk- und Denkstörungen. Intraoperative Störungen der zerebralen Durchblutung, die unter anderem für die genannten Komplikationen als ursächlich betrachtet werden, können regional durch Embolisation z.B. durch Luft, Thromben oder arteriosklerotische Plaques bedingt sein oder global entstehen, z.B. durch schwerere Einschränkungen der allgemeinen Hämodynamik 7,8 , oder auch durch Veränderungen der zerebralen Autoregulation während der extrakorporalen Zirkulation 9 . Während embolische Ereignisse vor allem durch Optimierung der Kanülierungs- und Perfusionstechniken reduziert oder vermieden werden können 10 , sind Ereignisse, die die globale zerebrale Perfusion beeinträchtigen, durch intraoperative Narkoseführung, Therapie von Blutdruckschwankungen und Optimierung der Herzleistung potenziell beeinflussbar. Darüber hinaus können Faktoren, die mit der Krankheitsschwere der Patienten assoziiert sind, wie Anämie, eingeschränkte kardiale Leistungsbreite oder hohes Alter, das Risiko für postoperative globale kognitive Störungen erhöhen4 . Da nicht nur fokale neurologische Störungen, sondern auch das postoperative Delir und kognitive Funktionseinbußen mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität einhergehen3,11 , kommt der frühzeitigen Detektion von zerebralen Perfusionsstörungen eine herausragende Bedeutung <strong>zu</strong> 12 . Es wird daher <strong>zu</strong>nehmend ein umfassendes zerebrales Monitoring während herzchirurgischer Eingriffe gefordert 12-14 , wobei die Wahl des geeignetsten Verfahrens noch diskutiert wird 15,16 . Ideal wäre ein nicht-invasives, kontinuierliches Monitoring, das Untersucher-unabhängig und mobil einsetzbar wäre. Einige dieser Vorausset<strong>zu</strong>ngen erfüllt die zerebrale Oximetrie. Die zerebrale Oximetrie hat sich in operativen Bereichen, die mit einer erhöhten Gefährdung der zerebralen Perfusion einhergehen, wie Chirurgie der hirnversorgenden Gefäße (insbesondere Carotis-Thrombendarteriektomie) und der Er- 29. JAHRGANG | HEFT 2 | OKTOBER 2012 | wachsenen- und Kinderherzchirurgie besonders etabliert. Es konnte bislang gezeigt werden, dass intraoperative längere Phasen mit niedrigen Werten der zerebralen Sauerstoffsättigung sowohl bei herzchirurgischen, wie auch allgemeinchirurgischen Patienten mit schlechterem neurologischen Ergebnis assoziiert sind 17,18 . Dabei sind die potenziell bedrohlichen Grenzwerte noch Gegenstand der Diskussion. Die <strong>Lübeck</strong>er Arbeitsgruppe konzentriert sich im Bereich der Herzchirurgie auf drei Bereiche: Den präoperativen Einsatz der zerebralen Oximetrie <strong>zu</strong>r Prädiktion von allgemeinem und neurologischem Outcome, die Anwendung der zerebralen Oximetrie als Parameter der globalen Hämodynamik und den Zusammenhang zwischen zerebraler Oximetrie und postoperativen kognitiven Funktionsstörungen. Technische Grundlagen Die zerebrale Oximetrie ermöglicht kontinuierlich und nichtinvasiv die Messung einer zerebralen Sauerstoffsättigung im Gewebe und damit der Sauerstoffversorgung des Gehirns im frontalen Bereich. Die Technik beruht auf den physikalischen Prinzipien von Absorption und Streuung. Licht im nahinfraroten Wellenlängenbereich von 700 bis 900nm kann menschliches Gewebe gut durchdringen und wird auf dem Weg durch die verschiedenen Gewebeanteile absorbiert und gestreut. Die Absorption der eindringenden Photonen der für die cerebrale Oximetrie verwendeten Wellenlängen geschieht überwiegend durch das Chromophor Hämoglobin, da die Absorption durch Wasser und andere Gewebeanteile in diesem Wellenlängenbereich minimal ist. Da sich Oxy- und Desoxyhämoglobin in ihren Absorptionseigenschaften unterscheiden, kann der Oxygenierungsgrad des durchleuchteten Gewebes gemessen werden, wenn die verwendeten Wellenlängen entsprechend gewählt werden. Neben der Absorption werden die Photonen durch die verschiedenen Gewebeanteile gestreut. Die Streuung führt <strong>zu</strong> einer diffusen Ausbreitung des Lichtes im Gewebe und ermöglicht die Detektion der wieder austretenden Photonen an einem vom Lichtsender entfernten Detektor. Da sich das Licht im Schädel und im Gehirngewebe durch Streuung bogenförmig ausbreitet, können unter Verwendung von zwei Detektoren, die sich in unterschiedlichem Abstand <strong>zu</strong>m Lichtsender befinden, verschiedene tiefe Gewebeschichten diskriminiert werden. Je näher der Detektor an der Lichtquelle liegt, desto flacher ist der <strong>zu</strong>rückgelegte Weg der Photonen durch das Gewebe, je entfernter, desto tiefer (siehe Abbildung 1). Wenn durch ein Subtraktionsverfahren die Lichtabsorption durch das oberflächliche Gewebe eliminiert (<strong>focus</strong>) <strong>uni</strong> <strong>lübeck</strong> 7 |