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(focus)uni lübeck - Universität zu Lübeck

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| Das Kolleg<br />

dass sie annähernd der Vorstellung entsprechen, die sich ein<br />

spätantikes Publikum von Pyramus und Thisbe machte. Der<br />

gutaussehende junge Mann auf dem Porträt, „iuvenum pulcherrimus“<br />

3 , trägt wie Pyramus ein Schwert – „quoque erat accinctus,<br />

[…] ferrum“ 4 –, wie der in griechischer Weise über die<br />

Schulter gehängte Schwertgurt – άορτήρ – zeigt. 5<br />

Ein von diesen Porträts abweichendes Bild gibt die bislang<br />

älteste überlieferte Darstellung des von Ovid berichteten Geschehens,<br />

genauer der Schlussszene. Sie findet sich als Wandmalerei<br />

im Atrium einer Villa in Pompei, der sogenannten<br />

„Casa di Octavio“ (Abb. 2 und 3), und ist somit vor 79 n. Chr. <strong>zu</strong><br />

datieren. Gezeigt werden die Protagonisten unter dem Maulbeerbaum<br />

mit Thisbes velamen und im Hintergrund die Löwin,<br />

nicht aber der fons.<br />

Abb. 2: Wandmalerei, Pompei, 1. Jhd. n. Chr. 6<br />

Dieser wird durch das Impluvium im Zentrum des Atriums<br />

vertreten; das in den Metamorphosen berichtete Geschehen<br />

wird somit an den Ort des Alltagslebens herangerückt bzw.<br />

umgekehrt dieses in eine poetische Welt hineingestellt.<br />

3 Ovid, Met. IV, 55<br />

4 Ibid. IV, 119<br />

5 Auch wenn ich dem hier anatomisch ohnehin nicht ganz korrekten Aristoteles,<br />

Hist. An. 513 b, widerspreche (sacrilegium est!), meine ich, daß die Aorta – άορτή<br />

– ihren Namen der Form des άορτήρ verdankt, die sie, (bei Rechtshändern) beginnend<br />

von der Mitte der Brust über die rechte Schulter und dann den Rücken<br />

abwärts, innerhalb des Thorax genau nachzeichnet.<br />

6 http://fr.wikipedia.org/wiki/Fichier:Pompeji_Casa_Di_Octavio_Quartio_Aedicula_Pyramus_And_Thisbe.jpg<br />

(13.05.2012)<br />

29. JAHRGANG | HEFT 2 | OKTOBER 2012 |<br />

Abb. 3: Position der Wandmalerei innerhalb der „Casa di Octavio“<br />

„Pyramus war und Thisbe, der Jünglinge schönster der eine,<br />

Hoch die andre gerühmt vor den morgenländischen Jungfrau'n.<br />

Dicht angrenzende Häuser bewohnten sie, dort in der Hauptstadt,<br />

Welche Semiramis einst mit tönernen Mauern befestigt.<br />

Beide wurden bekannt, und wie Nachbarkinder vertraulich,<br />

Dann allmählich verliebt; auch hätte sie Ehe vereinigt;<br />

Doch dies wehrten die Väter: was nicht sie <strong>zu</strong> wehren vermochten,<br />

Von gleichzeitiger Glut entloderten beiden die Herzen.<br />

Fern ist jeglicher Zeug'; Andeutungen sprechen und Winke;<br />

Und je enger bedeckt, je heftiger brauset das Feuer.<br />

Eine mäßige Ritze durchspaltete seit der Erbauung<br />

Schon die gemeinsame Wand der beiden verbundenen Häuser.<br />

Dieser Fehl, den keiner in ewigen Zeiten gespüret,<br />

Ward (was merkt nicht Liebe?) <strong>zu</strong>erst euch Liebenden merkbar;<br />

Und ihr bahntet der Stimme den Weg, auf welchem gesichert<br />

Oft liebkosende Red' in gedämpfterem Lispel hindurchging.<br />

Wann sie davor sich gestellt, hier Thisbe, Pyramus jenseits,<br />

Und mit begegnendem Munde den Hauch voneinander geschöpfet:<br />

Neidische Wand, was trennst du die Liebenden? sagten sie oftmals.<br />

Was denn, wenn du einmal uns volle Vereinigung gönntest,<br />

Oder, ist dieses <strong>zu</strong>viel, dich öffnetest unseren Küssen?<br />

Aber nicht undankbar wir bekennen uns gerne verpflichtet,<br />

Daß du den Worten die Bahn <strong>zu</strong> gefälligen Ohren gewährtest.<br />

Wann sie solches umsonst am geschiedenen Orte geredet,<br />

Sagten sie gegen die Nacht: Schlaf wohl! und hefteten Küsse,<br />

Jeder der eigenen Seite, die nicht <strong>zu</strong> der anderen drangen.<br />

Früh nun hatte verscheucht die nächtlichen Schimmer Aurora,<br />

Und mit den Strahlen die Sonne betauete Kräuter getrocknet.<br />

Beide nahn dem gewöhnlichen Ort. Mit leisem Geflüster<br />

Klagen sie vieles <strong>zu</strong>vor, und beraten sich, daß sie die Hüter<br />

Täuschen in schweigender Nacht, und hinaus<strong>zu</strong>gehen versuchen;<br />

Und wann außer dem Haus', und den Toren der Stadt sie gekommen,<br />

Um dann nicht <strong>zu</strong> verirren im weit durchwandelten Felde,<br />

Wählen sie Ninus' Grab <strong>zu</strong>r Vereinigung: wo sie im Schatten<br />

Berge der Baum; denn ein Baum voll schneeweiß hängenden Obstes<br />

Stand an dem kühligen Quell, ein hochgewipfelter Maulbeer.<br />

(<strong>focus</strong>) <strong>uni</strong> <strong>lübeck</strong><br />

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