Erpel am Rhein Von der alten Herrlichkeit Erpel am ... - Rheinkiesel
Erpel am Rhein Von der alten Herrlichkeit Erpel am ... - Rheinkiesel
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9. Jahrgang<br />
rheinkiesel 09<br />
Kieselchen<br />
Nadeln im Waldhaufen<br />
Ihr Recht<br />
Surfen<br />
mit Risiko<br />
Magazin für <strong>Rhein</strong> und Siebengebirge<br />
<strong>Erpel</strong> <strong>am</strong> <strong>Rhein</strong><br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>alten</strong><br />
<strong>Herrlichkeit</strong><br />
September 2005<br />
Kleine Weinkunde<br />
Reges Leben<br />
zwischen den Reben<br />
Königswinter<br />
Der Künstler<br />
Carlo Mense<br />
Bad Honnef<br />
Musik kennt<br />
keine Grenzen<br />
<strong>Rhein</strong>gemeinden<br />
Süße Erinnerungen<br />
Natur<br />
Die Schrecken<br />
<strong>der</strong> Zimmerdecken<br />
Bonn<br />
Königswinter<br />
Oberpleis<br />
Bad Honnef<br />
<strong>Rhein</strong>breitbach<br />
Unkel <strong>Erpel</strong> Linz<br />
17 Seiten<br />
Veranstaltungsübersicht
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser,<br />
wenn die Schatten länger werden,<br />
kündigt sich allmählich <strong>der</strong><br />
Herbst an. Mit ihm kommen die<br />
vielen wun<strong>der</strong>baren Weinfeste,<br />
die unsere Region zu bieten hat.<br />
Als ein Beispiel von vielen stellen<br />
wir in diesem Heft das Weinfest<br />
in <strong>Erpel</strong> vor. Martina Rohfleisch<br />
erzählt <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>alten</strong> <strong>Herrlichkeit</strong><br />
auf den Seiten 4 bis 6. Hier<br />
erfahren Sie auch Einzelheiten<br />
über das diesjährige Weinfest.<br />
Wenn Sie zwischendurch einmal<br />
dem weinseligen Trubel entgehen<br />
wollen, flüchten Sie vielleicht in<br />
einen Weinberg. Auch wenn die<br />
Ruhe zwischen den Rebstöcken<br />
wohltuend ist: Bei genauem Hinsehen<br />
können Sie hier Reges Leben<br />
zwischen den Reben entdecken.<br />
Norbert Dommermuth<br />
offenbart Ihnen mehr darüber<br />
auf Seite 7.<br />
Wo Wein ist und gefeiert wird,<br />
da ist im Allgemeinen auch die<br />
Musik zuhause. Musik kennt<br />
keine Grenzen stellt Paulus Hinz<br />
auf den Seiten 8 bis 9 fest. Das<br />
gilt ganz beson<strong>der</strong>s, wenn es sich<br />
um Folklore-Musik handelt. In<br />
Bad Honnef können Jutta Mensing<br />
und die Initiative »Folk im<br />
Feuerschlößchen« (FiF) auf ein<br />
Jubiläum ganz beson<strong>der</strong>er Art<br />
hinweisen. Am 15. September<br />
findet in <strong>der</strong> Badestadt <strong>am</strong><br />
<strong>Rhein</strong> das inzwischen 50. Konzert<br />
des FiF statt.<br />
Vielleicht denken Sie jetzt an Ihre<br />
Jugend zurück? Gerade im Leben<br />
<strong>der</strong> jungen Leute spielt die<br />
Musik ja eine entscheidende<br />
Rolle. Ganz an<strong>der</strong>s Ulrike Ziskoven.<br />
Ihr Rückblick in Süße Erinnerungen<br />
zielt in eine ganz an<strong>der</strong>e<br />
Richtung. Mehr darüber<br />
finden Sie auf Seite 10/12.<br />
Wenn Sie sich die Fotos im vorstehenden<br />
Beitrag einmal näher<br />
betrachten, erkennen Sie auch,<br />
welch enormer Wandel sich an<br />
den Arbeitsplätzen vollzogen hat.<br />
Statt an <strong>der</strong> Sortieranlage sitzt<br />
mancher heute <strong>am</strong> Computer<br />
und <strong>am</strong>üsiert sich bisweilen zu<br />
Lasten des Arbeitsgebers an seinem<br />
Arbeitsplatz beim Surfen<br />
mit Risiko. Mehr darüber erfahren<br />
Sie von Rechtsanwalt Christof<br />
Ankele auf Seite 13.<br />
Gehen Sie mit uns wie<strong>der</strong> ein<br />
paar Jahrhun<strong>der</strong>te zurück! Besichtigen<br />
Sie gemeins<strong>am</strong> mit<br />
Paulus Hinz die Burg Linz, und<br />
lernen Sie eine neue Attraktion<br />
<strong>der</strong> »Bunten Stadt <strong>am</strong> <strong>Rhein</strong>«<br />
kennen. Der Autor ist Den Ahnen<br />
auf <strong>der</strong> Spur. Des Rätsels Lösung<br />
erfahren Sie auf Seite 14/15.<br />
Besucher sind in <strong>der</strong> Burg Linz<br />
selbstverständlich gern gesehene<br />
Gäste. Es finden sich dort aber<br />
auch solche ein, die überhaupt<br />
nicht willkommen sind. Es sind<br />
Editorial<br />
Die Schrecken <strong>der</strong> Zimmerdekken,<br />
von denen hier die Rede<br />
ist. Ulrich San<strong>der</strong> klärt Sie auf:<br />
Es geht um Heuschrecken (Seite<br />
16/17).<br />
Kunstinteressierten Leserinnen<br />
und Lesern sagt <strong>der</strong> N<strong>am</strong>e Carlo<br />
Mense sicher etwas. Vor vierzig<br />
Jahren verstarb <strong>der</strong> Künstler in<br />
Königswinter. In »Die Hauptsache,<br />
daß Bil<strong>der</strong> gemalt werden«<br />
zeichnet Karl Josef Klöhs auf den<br />
Seiten 18/19 das bewegte Leben<br />
des Malers nach.<br />
Nach dem Schrecken <strong>der</strong> Zimmerdecken<br />
entführt zum guten<br />
Schluß unser Kieselchen Sie zur<br />
Entspannung wie<strong>der</strong> einmal in<br />
den Wald. Suchen und finden<br />
Sie hier Nadeln im Waldhaufen<br />
– denn diesmal geht es um die<br />
Nadelbäume. Mehr darüber auf<br />
den Seiten 20/21.<br />
Ich wünsche Ihnen eine gute<br />
Zeit!<br />
Impressum<br />
Titelbild: Erwin Bid<strong>der</strong><br />
(Blick durch das Stadttor in <strong>Erpel</strong>)<br />
Erscheinungsweise: monatlich,<br />
jeweils zum Monatsende<br />
Redaktions- und Anzeigenschlußtermin:<br />
15. des Vormonats<br />
Verteilte Auflage: 15.000 Exemplare<br />
Druckunterlagen: nach Absprache<br />
(auch als pdf-, eps-, tif- o<strong>der</strong> jpg-Datei)<br />
Herausgeber: Erwin Bid<strong>der</strong>, <strong>Rhein</strong>breitbach<br />
Redaktion: Erwin Bid<strong>der</strong> (verantwortlich), Julia Bid<strong>der</strong>,<br />
RA Christof Ankele, Norbert Dommermuth,<br />
Paulus Hinz, Karl Josef Klöhs, Martina<br />
Rohfleisch, Ulrich San<strong>der</strong>, Ulrike Ziskoven<br />
Verlag, Vertrieb und Anzeigenverwaltung:<br />
Quartett-Verlag Erwin Bid<strong>der</strong>,<br />
Im Sand 56, 53619 <strong>Rhein</strong>breitbach,<br />
Tel.: (0 22 24) 7 64 82, Fax: (0 22 24) 90 02 92,<br />
E-Mail: info@rheinkiesel.de, www.rheinkiesel.de<br />
Layout, Satz und Grafiken:<br />
datiset.com Werbebüro Yvonne Schnei<strong>der</strong>,<br />
<strong>Rhein</strong>str. 32, 53619 <strong>Rhein</strong>breitbach,<br />
Tel.: (0 22 24) 96 82 88, www.datiset.com<br />
Illustrationen: Archiv »Folk im Feuerschlößchen«, Archiv<br />
Wilhelm Brassel, Erwin Bid<strong>der</strong>, Haus <strong>der</strong><br />
Springmaus, Pantheon Bonn, Paulus Hinz,<br />
Karl Josef Klöhs, Photodisc, Ulrich San<strong>der</strong>,<br />
Kur- und Verkehrsverein Unkel<br />
Anzeigen: Erwin Bid<strong>der</strong> (Verlag), Tel.: (0 22 24) 7 64 82<br />
Druck: Krahe-Druck GmbH, Unkel<br />
Internet: www.rheinkiesel.de<br />
erstellt von <strong>Rhein</strong>@Net Ansgar Fe<strong>der</strong>hen<br />
Beilage: Contour-Einrichtungssystem, Königswinter<br />
rheinkiesel September 2005 • 3
<strong>Erpel</strong><br />
<strong>Von</strong> alter<br />
<strong>Herrlichkeit</strong><br />
»Kaum ein Ort <strong>am</strong> <strong>Rhein</strong> scheint so die sonnige Lebensfreude<br />
des gesegneten <strong>Rhein</strong>tals wi<strong>der</strong>zuspiegeln wie das<br />
trauliche <strong>Erpel</strong> <strong>am</strong> Fuß <strong>der</strong> schroff zum Strom hin abfallenden<br />
<strong>Erpel</strong>er Ley«, heißt es in dem historischen Führer<br />
»<strong>Rhein</strong>ische Kunststätten« (Heft 29). In <strong>der</strong> Tat strahlt <strong>der</strong><br />
Ort mit seinem nahezu geschlossenen Bild rheinischen<br />
Fachwerks, <strong>der</strong> <strong>alten</strong> Stadtmauer, <strong>der</strong> Kirche und dem Rathaus<br />
eine eigene Atmosphäre aus. Kaum zu glauben, daß<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg – aufgrund <strong>der</strong> Lage nahe <strong>der</strong><br />
strategisch wichtigen Ludendorff-Brücke – 54% <strong>der</strong> Bausubstanz<br />
zerstört war. In mühevoller Arbeit haben die Bewohner<br />
ihren Ort wie<strong>der</strong> aufgebaut.<br />
Schmucke Fachwerkhäuser prägen das Bild des Ortes<br />
(hier <strong>am</strong> Marktplatz)<br />
4 • rheinkiesel September 2005<br />
Romantischer Spaziergang<br />
(Blick auf das Stadttor)<br />
Zum Abschluß ließ die Gemeindeverwaltung<br />
<strong>Erpel</strong> <strong>am</strong> Fronbogen<br />
die Aufschrift »<strong>Herrlichkeit</strong><br />
<strong>Erpel</strong> – Fronhof – 1388« anbringen.<br />
Die Jahreszahl bezeichnet<br />
nicht etwa das hohe Alter des<br />
Gebäudes – <strong>der</strong> Fronbogen selbst<br />
ist sogar noch älter –, son<strong>der</strong>n<br />
auf das Erscheinungsjahr eines<br />
Gerichtsbuches, das als so genanntes<br />
»Weistum« von <strong>der</strong> Blütezeit<br />
<strong>Erpel</strong>s kündet. Der Begriff<br />
»<strong>Herrlichkeit</strong>« dagegen weist auf<br />
die Son<strong>der</strong>stellung des Ortes<br />
hin. Er war nämlich bereits 1130<br />
dem Kölner Domkapitel geschenkt<br />
worden, dem politischen<br />
Gegenspieler des Kölner<br />
Kurfürsten. Das Domkapitel errichtete<br />
in <strong>Erpel</strong> eine so genannte<br />
Unterherrschaft, die eine Son-<br />
<strong>der</strong>stellung im Erzstift und späteren<br />
Kurfürstentum begründete<br />
und bis zum Beginn des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
währte. Diese »<strong>Herrlichkeit</strong>«<br />
war also nie einer weltlichen<br />
Obrigkeit untergeordnet.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> weiten Entfernung<br />
von Köln bestellte das Domkapitel<br />
einen Vogt zur Wahrung seiner<br />
Interessen und zur Sicherheit<br />
<strong>der</strong> <strong>Erpel</strong>er Bürger. Doch schon<br />
wenig später wurde für diese<br />
Aufgaben ein ortseigener Schultheis<br />
für mehrere Jahre ernannt.<br />
<strong>Erpel</strong> erwarb sich nach und nach<br />
immer mehr Freiheiten – freilich<br />
mit Billigung des Domkapitels.<br />
Die Kölner Domherren weilten<br />
regelmäßig in <strong>der</strong> schönen Jahreszeit<br />
und natürlich während<br />
<strong>der</strong> Weinlese in dem eigens dafür<br />
erbauten »Fronhof«, <strong>der</strong> aus Kelterhaus,<br />
Zehntscheune, Tiergarten<br />
und dem Kölner Hof bestand.<br />
Die älteren Teile des Kölner<br />
Hofs, ein im gotischen Stil erbautes<br />
Haus nahe des Kirchturms,<br />
sind bis heute gut erh<strong>alten</strong>.<br />
In seiner Verlängerung wurde<br />
1725 im heiteren Rokokostil<br />
ein sechsseitiges Gartenhaus mit<br />
geschwungener Haube aufgesetzt.<br />
Den ältesten Teil des Fronhofs<br />
stellt allerdings <strong>der</strong> Torbogen<br />
dar, <strong>der</strong> ursprünglich zum<br />
<strong>Rhein</strong>tor <strong>der</strong> mittelalterlichen<br />
Befestigung gehörte und vermutlich<br />
in <strong>der</strong> ersten Hälfte des<br />
(bitte lesen Sie weiter auf Seite7)
<strong>Erpel</strong>er Weinfest 2005<br />
<strong>Erpel</strong><br />
Freitag, 16. September 2005:<br />
18.00 Uhr Eröffnung <strong>der</strong> Weinstände<br />
ab 19.00 Uhr Festliche Beleuchtung des Weindorfes<br />
und des historischen Altortes<br />
19.15 Uhr Abholen des Weingottes Bacchus<br />
anschließend Abholung <strong>der</strong> Weinkönigin<br />
20.00 Uhr Fackelzug<br />
anschließend Offizielle Eröffnung des Weinfestes 2004 durch<br />
die Weinkönigin und den Weingott Bacchus<br />
danach <strong>Rhein</strong>ische Stimmung im Weindorf,<br />
auf dem Marktplatz und in den Gaststätten<br />
S<strong>am</strong>stag, 17. September 2005:<br />
16.00 Uhr Öffnung des Weindorfes<br />
16.15 Uhr Abholen <strong>der</strong> Weinkönigin<br />
anschließend Abholen des Weingottes Bacchus<br />
17.15 Uhr Festfahrt <strong>der</strong> Weinkönigin<br />
18.00 Uhr Weinfestmesse in <strong>der</strong> Pfarrkirche St. Severinus<br />
19.00 Uhr Weindorf <strong>am</strong> Rathaus: Festakt<br />
20.00 Uhr Musik und Tanz<br />
im festlich beleuchteten Weindorf.<br />
21.00 Uhr Marktplatz <strong>Erpel</strong>: Musikgruppe »Timbre Tajiri«<br />
spielt auf<br />
Sonntag, 18. September 2005:<br />
11.00 Uhr Die Stände im Weindorf sind geöffnet<br />
15.00 Uhr Abholen des Weingottes Bacchus<br />
anschließend Abholen <strong>der</strong> Weinkönigin<br />
14.30 Uhr Aufstellen des Festzuges in <strong>der</strong> Heisterer Straße<br />
15.00 Uhr Großer, bunter Wein- und Blütenfestzug<br />
durch die Straßen <strong>der</strong> »Alten <strong>Herrlichkeit</strong>«<br />
Zugweg: Heisterer Straße – Kölner Straße –<br />
Marktplatz – Bahnhofstraße – <strong>Erpel</strong>er-Ley-Straße/<br />
Verladestraße – Schleidentor – Marktplatz –<br />
Kirchgasse – <strong>Rhein</strong>allee B 42 – <strong>Rhein</strong>straße –<br />
Grabenstraße – Auflösung Schleidentor<br />
danach Festakt <strong>am</strong> Rathaus<br />
anschließend klingt <strong>der</strong> Tag bei Musik und Tanz in den Straßen<br />
des festlich beleuchteten Altortes und in den Gaststätten<br />
gemütlich aus.<br />
rheinkiesel September 2005 • 5
6 • rheinkiesel September 2005<br />
<strong>Erpel</strong><br />
Trutzig ragt er in den Himmel: Turm von St. Severin<br />
13. Jahrhun<strong>der</strong>ts errichtet wurde.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> dazugehörigen Ringmauer<br />
sind große Teile erh<strong>alten</strong>,<br />
insbeson<strong>der</strong>e die beson<strong>der</strong>s massiv<br />
aus unbehauenen Basaltbrokken<br />
gemauerte Befestigung zum<br />
<strong>Rhein</strong> hin. Als einziger Turm <strong>der</strong><br />
<strong>alten</strong> Stadtmauer ragt heute<br />
noch das Neutor mit seiner<br />
spitzbogigen Durchfahrt empor.<br />
In den Geschossen des Torturms<br />
wird mit viel Engagement von<br />
hiesigen Handwerkern ein kleines<br />
Museum geschaffen. Die<br />
früheren Tore Schleidenpforte<br />
und das Linzer Tor sind nicht<br />
mehr erh<strong>alten</strong>. Erwähnenswert<br />
ist jedoch auch <strong>der</strong> Rest eines<br />
runden Turmes <strong>am</strong> <strong>Rhein</strong>, <strong>der</strong><br />
einst – wohl ähnlich wie <strong>der</strong> Unkeler<br />
Gefängnisturm – als Eisbrecher<br />
fungierte.<br />
Die Pfarrkirche<br />
St. Severin<br />
Uralt ist auch die Pfarrkirche in<br />
<strong>der</strong> Dorfmitte. Die heutige Kirche<br />
ist über einem Vorgängerbau<br />
größtenteils im spätromanischen<br />
Stil errichtet und ist d<strong>am</strong>it das<br />
älteste Gotteshaus in <strong>der</strong> Verbandsgemeinde<br />
Unkel. Während<br />
<strong>der</strong> Barockzeit wurde sie lei<strong>der</strong><br />
einschneidenden Än<strong>der</strong>ungen<br />
unterworfen, die in den 1960er<br />
Den vorstehenden Text entnahmen<br />
wir mit freundlicher<br />
Genehmigung des Verlags<br />
»Edition Wolkenburg« teilweise<br />
<strong>der</strong> Publikation<br />
Martina Rohfleisch<br />
Zwischen <strong>Rhein</strong><br />
und Wingert<br />
Lese-, Bil<strong>der</strong>- und Wan<strong>der</strong>buch<br />
für Bruchhausen, <strong>Erpel</strong>,<br />
<strong>Rhein</strong>breitbach und Unkel,<br />
352 Seiten, broschiert,<br />
durchgängig farbig illustriert,<br />
21 x 14,8 cm,<br />
ISBN 3-934676-13-8,<br />
€ 19,80<br />
Erhältlich in je<strong>der</strong> Buchhandlung<br />
o<strong>der</strong> beim Verlag<br />
Jahren bei umfangreichen Restaurierungsarbeiten<br />
jedoch größtenteils<br />
wie<strong>der</strong> rückgängig gemacht<br />
wurden. So präsentiert sie sich<br />
heute wie<strong>der</strong> als dreischiffige<br />
Emporenbasilika. Der Innenraum<br />
in schöner rhythmischer<br />
Glie<strong>der</strong>ung ist nach <strong>alten</strong> Originalbefunden<br />
farbenfroh ausgemalt:<br />
Alle tragenden Architekturteile<br />
in hellem Grau mit weißem<br />
Fugenstrich, die Säulendienste,<br />
Rippen und Wülste dagegen<br />
im lebhaftem Streifen-,<br />
Wellen- und Punktmuster in<br />
Rot, Gelb, Grau und Schwarz.<br />
Nur wenige Kunstwerke lenken<br />
den Blick von <strong>der</strong> gelungenen<br />
Architektur auf sich, darunter<br />
<strong>der</strong> Erzengel St. Michael aus gotischer<br />
Zeit, <strong>der</strong> in jugendlichem<br />
Schwung sein Schwert gegen<br />
den Höllenhund richtet.<br />
Dem Auge verborgen, bewahrt<br />
die Kirche jedoch einen weiteren<br />
kostbaren Schatz auf: ihre Glokken.<br />
Um die älteste – Osanna genannt<br />
– rankt sich eine son<strong>der</strong>bare<br />
Sage, doch auch ohne sie<br />
wirkt das <strong>Erpel</strong>er Geläut geheimnisvoll<br />
schön. Die einzelnen<br />
Glocken sind harmonisch<br />
aufeinan<strong>der</strong> abgestimmt: D – E<br />
– fis – E; ihr Zus<strong>am</strong>menklang<br />
bildet mit <strong>der</strong> Reinheit <strong>der</strong><br />
Obertöne keine Akkorde, son<strong>der</strong>n<br />
Melodien, die bereits mehrfach<br />
aufgenommen wurden und<br />
»über den Äther« liefen. Auch<br />
wenn das Alter von Osanna erstaunlich<br />
scheint – schließlich<br />
wurde die Technik des Glockengusses<br />
erst um 1100 von Mönchen<br />
entwickelt – gab es möglicherweise<br />
sogar noch Vorgänger<br />
in <strong>Erpel</strong>. Jedenfalls heißt es in einer<br />
Legende, nach <strong>der</strong> das <strong>Erpel</strong>er<br />
Gotteshaus die Gebeine <strong>der</strong><br />
Hl. Drei Könige aufnahm, als sie<br />
von Mailand nach Köln gebracht<br />
wurden: »Bei <strong>der</strong> Translation<br />
1164 läuteten <strong>am</strong> <strong>Rhein</strong><br />
entlang in allen Orten zu beiden<br />
Seiten die Glocken.«<br />
An diese sagenhafte Geschichte<br />
erinnern übrigens auch die drei<br />
Kronen im oberen Feld des<br />
Ortswappens.<br />
Martina Rohfleisch
Reges Leben<br />
zwischen<br />
den Reben<br />
Die Weinlese steht vor <strong>der</strong> Tür. Sonnige Tage laden zu einem<br />
Spaziergang in den Weinhängen entlang des <strong>Rhein</strong>tales<br />
und <strong>der</strong> Ahr ein. Es gibt viel zu entdecken. Die Weinberge<br />
mit ihrem speziellen Kleinklima bieten auch zum<br />
Teil vom Aussterben bedrohten Organismen, insbeson<strong>der</strong>e<br />
Echsen und Insekten, einen Lebensraum.<br />
Wärmeliebend und außergewöhnlich flink: Die Mauereidechse<br />
Dem aufmerks<strong>am</strong>en Spaziergänger<br />
wird es gelingen, den einen<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Bewohner unserer<br />
Weinberge aufzuspüren. Auch<br />
für den Winzer ist die Artenvielfalt<br />
von großer Bedeutung. Beson<strong>der</strong>s<br />
in ökologisch geführten<br />
Betrieben mit ausgeprägter Begrünung<br />
ist eine umfangreichere<br />
Artenzahl anzutreffen. Der Einsatz<br />
von Pflanzenschutzmitteln<br />
kann entscheidend verringert<br />
werden, wenn im Weinberg eine<br />
ausreichende Zahl an Gegenspielern<br />
<strong>der</strong> Schädlinge vorhanden<br />
ist. Stellvertretend für viele<br />
Arten werden nachfolgend einige<br />
interessante Tiere vorgestellt.<br />
Flinke<br />
Mauereidechsen<br />
Sie sind die etwa 22 cm großen<br />
Kobolde im Weinberg. Ihr Körper<br />
ist schlank und meist mäßig<br />
abgeflacht. Ihre Färbung ist sehr<br />
variabel. Der Rücken hell- bis<br />
mittelbraun o<strong>der</strong> grau zuweilen<br />
grünlich, die Unterseite weißlich,<br />
gelblich bis rot. Unregelmäßige<br />
schwarze Flecken bilden<br />
manchmal ein Netzmuster. Die<br />
tagaktive Mauereidechse ist unsere<br />
agilste und behendeste Eidechsenart<br />
und ein guter Kletterer.<br />
Ihre Wohlfühltemperatur<br />
liegt bei etwa 33° C. Die warmen<br />
Weinbergsmauern mit ihren<br />
Ritzen und Löchern bieten<br />
einen idealen Lebensraum. Ein<br />
Tier sorgt auf einem Areal von<br />
etwa 25 m² für Ordnung und<br />
ernährt sich dabei von Insekten,<br />
Spinnen und an<strong>der</strong>en Glie<strong>der</strong>tieren.<br />
Das Weibchen legt in 2<br />
bis 3 Gelege im Jahr 2 bis 10<br />
Eier. Meist im Oktober beginnt<br />
die Ruhezeit. Auch im Winter<br />
und Vorfrühling trifft man an<br />
warmen Sonnentagen sonnenba-<br />
dende Tiere. Weitere Einzelheiten<br />
können Sie in <strong>der</strong> April-Ausgabe<br />
2002 nachlesen.<br />
Musik im Weinberg<br />
Das Große Heupferd gehört zu<br />
den größten europäischen Heuschreckenarten,<br />
ist durchgehend<br />
hell bis dunkelgrün gefärbt und<br />
30 bis 40 mm groß mit monumentalen<br />
Fühlern von ca. 50 mm<br />
Länge. Es besitzt 2 Flügel- und<br />
3 Beinpaare, das hintere umgewandelt<br />
zu mächtigen Sprungbeinen.<br />
Die Flügel funktionieren<br />
ähnlich wie bei einem Hubschrauber<br />
und erlauben die<br />
Überwindung einer Distanz von<br />
in <strong>der</strong> Regel etwa 100 Metern.<br />
Das singende Männchen sitzt,<br />
meist kopfüber, gut getarnt auf<br />
höheren Pflanzen, den sogenannten<br />
Singwarten. Sein Zirpen<br />
beginnt in den Abendstunden<br />
und reicht bis weit nach<br />
Mitternacht. Es entsteht durch<br />
das Reiben <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>flügel über<br />
einer Membrane. Der Schall<br />
dringt bis zu 100 m weit und soll<br />
das schöne Geschlecht betören.<br />
Heupferde ernähren sich meist<br />
räuberisch. Auf dem Speiseplan<br />
stehen Insekten, Raupen und<br />
auch kranke Artgenossen. Kleinere<br />
Beutetiere werden dabei im<br />
Flug ergriffen und sofort mit<br />
den kräftigen Kiefern zerbissen.<br />
Blattläuse sind die überwiegende<br />
Nahrung <strong>der</strong> kleinen Larven.<br />
Entgegen <strong>der</strong> früher üblichen<br />
Ansicht trägt das Heupferd so<br />
erheblich zur Schädlingsbegrenzung<br />
bei.<br />
Kleine Weinkunde<br />
Seltener ist die auf <strong>der</strong> Roten Liste<br />
stehende kleinere blauflügelige<br />
Ödlandschrecke anzutreffen.<br />
Sie besiedelt die warmen sandigen<br />
Stellen des Weinberges und<br />
ist ein Meister <strong>der</strong> Tarnung. Körper<br />
und Vor<strong>der</strong>flügel sind meist<br />
grau o<strong>der</strong> braun und fein marmoriert.<br />
Sie musiziert mit den<br />
dickeren Hinterschenkeln und<br />
ist ein reiner Pflanzenfresser.<br />
Wildbiene/Erdhummel<br />
Sie nutzen als Nistplätze die offenen<br />
Böden zwischen den Rebreihen<br />
und die Mauern, Treppen<br />
und Saumbiotope. Sie leben von<br />
Pollen und Nektar, verfüttern<br />
aber an ihre Brut proteinreiche<br />
Insekten und Glie<strong>der</strong>tiere. So<br />
tragen sie zur Schädlingsregulierung<br />
bei.<br />
Fliegende<br />
bunte Tupfen<br />
Falter sind eine schöne Bereicherung<br />
<strong>der</strong> Insektenfauna. Seien es<br />
Tagpfauenauge, Admiral, Bläuling<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> seltene Segelfalter.<br />
Norbert Dommermuth<br />
Weinkellerei A. Schnei<strong>der</strong><br />
Kasbach/<strong>Rhein</strong><br />
rheinkiesel September 2005 • 7
Bad Honnef<br />
Musik kennt<br />
keine Grenzen<br />
Portugal, Schottland, Spanien, Indien, Griechenland, Irland<br />
– lang ist die Reihe <strong>der</strong> Musiker aus aller Herren Län<strong>der</strong>, die<br />
Jutta Mensing für die Initiative FiF – Folk im Feuerschlößchen<br />
nach Bad Honnef holte. Am 15. September 2005 wird<br />
das nunmehr 50. Konzert über die Bühne gehen.<br />
Völkerverständigung nach Noten: Die schwedische Gruppe »Plommon«<br />
Außerordentlich farbig ist das<br />
musikalische Angebot, mit dem<br />
Jutta Mensing und <strong>der</strong> Verein<br />
FiF die kulturelle Szene im Siebengebirgsraum<br />
bereichern. Da-<br />
8 • rheinkiesel September 2005<br />
bei dient die Initiative beileibe<br />
nicht ausschließlich kulturellen<br />
Zwecken. Im Grunde wird hier<br />
Völkerverständigung ganz groß<br />
geschrieben, denn die Volksmu-<br />
sik steht im Mittelpunkt <strong>der</strong><br />
meisten Auftritte. Doch d<strong>am</strong>it<br />
nicht genug: Auch Jazz, Blues,<br />
Weltmusik, Kabarett und Lie<strong>der</strong>macher<br />
sind häufig auf dem<br />
Progr<strong>am</strong>mzettel zu finden.<br />
Klar, daß die gebürtige Schleswig-Holsteinerin<br />
die Fülle <strong>der</strong><br />
anfallenden Aufgaben unmöglich<br />
alleine meistern kann. Zum<br />
Glück stehen ihr eine Reihe<br />
ehren<strong>am</strong>tlicher Helfer zur Seite,<br />
darunter auch ihr Ehemann Pe-<br />
ter, <strong>der</strong> sich um die Finanzen des<br />
Vereins kümmert und dafür<br />
sorgt, daß »die Kasse stimmt«.<br />
Eine weitere wichtige Stütze ist<br />
Mike K<strong>am</strong>p, Gründungsmit-<br />
glied, Herausgeber <strong>der</strong> bundesweiten<br />
Zeitschrift »Folker! –<br />
Magazin für Folk, Lied und<br />
Weltmusik« und 2. Vorsitzen<strong>der</strong><br />
von Anfang an, <strong>der</strong> den Verein<br />
vor allem in musikalischen Fragen<br />
berät.<br />
Es ist beileibe kein Allerweltspublikum,<br />
das zu den Konzerten<br />
erscheint. »Jede Gruppe, jede<br />
Stilrichtung hat durchaus ihr<br />
eigenes Besucherpotential« sagt<br />
die seit 1980 in Bad Honnef an-<br />
sässige Initiatorin. Und sie fügt<br />
hinzu: »Wer keltische Musik<br />
liebt, muß ja beileibe vom Fado<br />
nicht unbedingt begeistert sein.«<br />
Folk begleitet Jutta Mensing
schon seit langer Zeit. Bereits in<br />
ihrer Heimatstadt Eckernförde<br />
war sie aktives Mitglied <strong>der</strong><br />
Folkgruppe »Moin«, die von<br />
1974 bis 1980 auf vielen Folk-<br />
Festivals, nicht nur in Schleswig-<br />
Holstein, zu finden war. Schon<br />
d<strong>am</strong>als organisierte sie im Rahmen<br />
ihrer kirchlicher Arbeit<br />
Folk-Festivals. Als sie dann 1980<br />
ins <strong>Rhein</strong>land k<strong>am</strong>, vermißte sie<br />
das. Was lag da näher, als auch<br />
hier aktiv zu werden?<br />
Trotz aller vorausgegangenen<br />
Aktivitäten ließ die Gründung<br />
von FiF noch auf sich warten.<br />
Erst im Februar 1998 fanden<br />
sich zwölf engagierte Bürger zus<strong>am</strong>men.<br />
Gemeins<strong>am</strong> gründeten<br />
sie den Verein.<br />
Dauerhafte Bleibe<br />
Mit einem »Offenen Singen« im<br />
Honnefer Kolping-Haus fing es<br />
d<strong>am</strong>als an. Trinkhalle und Hager<br />
Hof hießen einige <strong>der</strong> weiteren<br />
Stationen, bis FiF dann mit Hilfe<br />
<strong>der</strong> Stadt Bad Honnef im<br />
Feuerschlößchen eine dauerhafte<br />
Bleibe fand. Apropos Stadt: Gibt<br />
es eigentlich öffentliche Zuschüsse?<br />
»Es gab sie,« bestätigt<br />
Jutta Mensing – »zwar in eher<br />
geringem Umfang, aber hilfreich<br />
war das allemal.« Angesichts des<br />
gähnend leeren Stadtsäckels geben<br />
sich die Stadtväter seit geraumer<br />
Zeit aber verständlicherweise<br />
zugeknöpft.<br />
Immerhin jährlich sechs bis acht<br />
Konzerte zum Teil unterschiedlichster<br />
Art bietet das Jahresprogr<strong>am</strong>m<br />
– eine beachtliche Leistung<br />
<strong>der</strong> Truppe.<br />
Manchmal bangen<br />
die Organisatoren<br />
Ist das nicht ein gewagtes Unternehmen?<br />
Wer trägt überhaupt<br />
das Risiko? Träger <strong>der</strong> Konzertreihe<br />
ist <strong>der</strong> FiF als eingetragener<br />
Verein, <strong>der</strong> selbstverständlich<br />
auch das Risiko übernehmen<br />
muß. Neben dem Honorar für<br />
die Künstler und <strong>der</strong>en Unterbringung,<br />
dem Druck von Plakaten<br />
und Handzetteln, den unumgänglichen<br />
Gebühren für die<br />
GEMA und den Kosten für die<br />
Öffentlichkeitsarbeit fallen noch<br />
eine Menge weiterer Ausgaben<br />
an, die gedeckt werden müssen.<br />
Das führt letztlich dazu, daß<br />
manche Veranstaltung mit einem<br />
Minus abschließt – je nach<br />
Zahl <strong>der</strong> Konzertbesucher; die<br />
übrigens zwischen 11 und 99<br />
pro Konzert liegt. Ȇber das Jahr<br />
hinweg gleicht sich das aber<br />
meist wie<strong>der</strong> aus« freut sich die<br />
FiF-Vorsitzende. »Und schließlich<br />
helfen auch die Beiträge unserer<br />
Mitglie<strong>der</strong>« fügt Frau Mensing<br />
zu. »Obwohl es ein ewiger<br />
K<strong>am</strong>pf ist und wohl auch bleiben<br />
wird.«<br />
Zu den Eintrittsgel<strong>der</strong>n in mäßiger<br />
Höhe gesellen sich noch die<br />
Mitgliedsbeiträge sowie Spenden,<br />
denn <strong>der</strong> Verein ist als gemeinnützig<br />
vom Finanz<strong>am</strong>t anerkannt.<br />
Ergo darf er auch Spendenquittungen<br />
ausstellen, die<br />
dem Spen<strong>der</strong> helfen, seine Steuerlast<br />
ein wenig zu mil<strong>der</strong>n.<br />
Warum muß es eigentlich vornehmlich<br />
Folk sein? »Folk – das<br />
ist Musik zum Anfassen«, sagt<br />
die Mutter von drei Kin<strong>der</strong>n, die<br />
selbst heute noch in einem Honnefer<br />
Chor singt. Folklore bringt<br />
für sie eine beson<strong>der</strong>e Form <strong>der</strong><br />
direkten Ansprache. Deshalb ist<br />
auch <strong>der</strong> Kontakt zwischen Musikern<br />
und Publikum so wichtig.<br />
Das habe etwas mit Sozialer Ebene,<br />
aber auch mit Ursprünglichkeit<br />
zu tun, sagt sie.<br />
Partnerschaftlich<br />
Ausgesprochen positiv gestaltet<br />
sich die Zus<strong>am</strong>menarbeit mit<br />
an<strong>der</strong>en Vereinen und Institutionen,<br />
wie zum Beispiel dem<br />
Partnerschaftskomitee Bad Honnef-Ludvika,<br />
<strong>der</strong> Deutsch-Finnischen<br />
Gesellschaft, Caledonian<br />
Society und vielen an<strong>der</strong>en. Beliebt<br />
sind auch die vom FiF in<br />
Schulen und Seniorenheimen<br />
veranstalteten Mitmach-Konzerte<br />
sowie Workshops für Schulen<br />
(zum Beispiel Afrikanischer Tanz,<br />
Trommeln u.a.) sowie Instrumentenbasteln<br />
für Kin<strong>der</strong>.<br />
Alles in allem eine vorbildliche<br />
Bürgerinitiative also. Sie beweist,<br />
daß Kulturinteressierte durchaus<br />
nicht darauf warten müssen, daß<br />
ihnen von Seiten <strong>der</strong> Kommune<br />
»endlich etwas geboten wird« –<br />
mithin ein Beispiel, daß Schule<br />
machen sollte.<br />
Paulus Hinz<br />
FiF<br />
Bad Honnef<br />
Folk im Feuerschlößchen<br />
e.V.<br />
Vorsitzende:<br />
Jutta Mensing<br />
Bergstraße 19,<br />
53604 Bad Honnef<br />
Tel.: 0 22 24 / 7 50 11<br />
E-Mail:<br />
Mensing.FiF@t-online.de<br />
Mitgliedsbeitrag:<br />
€ 30,- jährlich<br />
(Die Mitgliedschaft berechtigt<br />
zum verbilligten Eintritt<br />
bei Konzerten).<br />
Die Veranstaltungen finden<br />
im Regelfall im Foyer des<br />
Feuerschlößchens auf dem<br />
Gelände des Siebengebirgsgymnasiums,<br />
Bad Honnef,<br />
Rommersdorfer Straße 78,<br />
statt.<br />
Bitte, beachten Sie hierzu<br />
unseren Redaktionstip auf<br />
Seite 29.<br />
rheinkiesel September 2005 • 9
<strong>Rhein</strong>gemeinden<br />
Süße<br />
Erinnerungen<br />
Kaum zu glauben, daß <strong>Rhein</strong>breitbach vor fünfzig Jahren<br />
noch mitten in Erdbeerfel<strong>der</strong>n lag und Bruchhausen das<br />
»Himbeerdorf« genannt wurde. Wer gern Marmelade und<br />
eingemachtes Obst aß, bek<strong>am</strong> in den Geschäften <strong>der</strong> Region<br />
einst heimisches geboten. Kirschen und Co. k<strong>am</strong>en<br />
aus Bad Honnef, Unkel und <strong>Erpel</strong> und wurden hier auch in<br />
eigenen Betrieben verarbeitet. Erst Mitte 1989 schloß die<br />
letzte große Marmeladenfabrik in Bad Honnef.<br />
»Wir haben mit Haarnadeln die<br />
Kirschen entsteint, die ganze F<strong>am</strong>ilie,<br />
in Heimarbeit. Für 1 Mark<br />
10 • rheinkiesel September 2005<br />
und sechzig Pfennige die Stunde.«<br />
Um 1950 sei das noch richtig<br />
Geld gewesen, ungefähr wie 8<br />
Euro heute, meint Rudolf Vollmer,<br />
Stadtarchivar in Unkel, <strong>der</strong><br />
sich gern an seinen Schülerjob<br />
von einst erinnert, auch wenn<br />
die Hände immer schwer vom<br />
Kirschsaft wie<strong>der</strong> sauber zu kriegen<br />
waren. Zentnerweise nahmen<br />
die S<strong>am</strong>melstellen <strong>der</strong> sieben<br />
Obstfabriken in <strong>der</strong> Region<br />
den Kleinbauern die Früchte ab.<br />
In den Blütezeiten des Anbaus,<br />
zwischen den 1930er und -60er<br />
Jahren, gab es vier allein in Bad<br />
Honnef und drei weitere in Unkel,<br />
<strong>Erpel</strong> und <strong>Rhein</strong>breitbach.<br />
Mit zünftigen Werbesprüchen den Absatz ankurbeln: »Unsere Erdbeeren groß und klein<br />
gehören in jede Bowle rein«<br />
Die Früchte wurden in den S<strong>am</strong>melstellen<br />
brutto für netto abgekauft,<br />
das heißt, mit dem inne<br />
liegenden Papier gewogen. Da<br />
wurde mit nassen Zeitungen geschummelt,<br />
daß sich die Körbe<br />
bogen. Aber die Tricks waren<br />
natürlich bekannt.<br />
Morgens früh fuhren die Arbeiterinnen<br />
mit Bussen zu den Marmeladefabriken.<br />
Alles sei recht<br />
fröhlich zugegangen. »Manche<br />
hatten noch Lockenwickler auf<br />
dem Kopf«, lacht Doris Müller<br />
aus Unkel, die die flotte Einsatztruppe<br />
auf ihrem Schulweg in<br />
den späten 50er Jahren immer<br />
sah. Ihr Ziel war die »Obst- und<br />
Konservenfabrik Wirtz & Co«<br />
an <strong>der</strong> Bruchhausener Straße in<br />
Unkel. Sie war schon um 1930<br />
gegründet worden und beschäftigte<br />
vor allem Frauen. Dann gab<br />
es noch die Marmeladenfabriken<br />
»Juchem & Co.« in <strong>Erpel</strong> in <strong>der</strong><br />
Heisterer Straße (heute Handwerkerzentrum)<br />
und die Firma<br />
»Johann Josef Bornheim und<br />
Veser« (»Lebo-Werk«, nach dem<br />
ersten Besitzer Leonhard Bornheim)<br />
im Industriegebiet in<br />
<strong>Rhein</strong>breitbach (Höhe heutige<br />
Autohäuser). Es waren keine<br />
Riesenbetriebe. So beschäftigte<br />
Wirtz und Co Anfang <strong>der</strong> 60er<br />
Jahre gerade mal 65 Personen<br />
und lag d<strong>am</strong>it im oberen Feld.<br />
Aber nach dem Krieg waren die<br />
Marmeladenfabriken die ersten,<br />
die wie<strong>der</strong> produzierten und<br />
Leute einstellten. Bis Ende 1970<br />
hielt sich <strong>der</strong> letzte Unkeler<br />
Betrieb.<br />
Nachdem <strong>der</strong> Weinanbau in <strong>der</strong><br />
Gegend Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
zurückgegangen war (siehe<br />
»rheinkiesel« 9/2004), hatte man<br />
nach neuen Verdienstmöglichkeiten<br />
gesucht. Die sandig-leh-
migen Böden des <strong>Rhein</strong>tals in<br />
Verbindung mit dem milden<br />
Klima waren ideal für Äpfel,<br />
Sauerkirschen und Erdbeeren.<br />
Auf den Hochflächen bei Bruchhausen<br />
wurden dazu noch Rhabarber,<br />
Süßkirschen und Himbeeren<br />
gezogen. In Bad Honnef<br />
gab es die Firmen »Dienel & Jakob«<br />
und »Weyershaus«, beide<br />
in <strong>der</strong> Lohfel<strong>der</strong> Straße (Nähe<br />
Bahnhof) und die Firma Josef<br />
Mundt in <strong>der</strong> Karlstraße. Unangefochtener<br />
Marmeladenkönig<br />
war hier jedoch die »<strong>Rhein</strong>ische<br />
Spitzenhäubchen und Marmelade:<br />
Abfüllung im Jahre 1960 im Hause Brassel<br />
Konservenfabrik Peter Brassel«,<br />
mitten in <strong>der</strong> Innenstadt in <strong>der</strong><br />
Kirchstraße (heute steht an <strong>der</strong><br />
Stelle das Wohn- und Geschäftshaus<br />
»Saynscher Hof«). Die Firma<br />
war ein F<strong>am</strong>ilienbetrieb von<br />
Anfang an, <strong>der</strong> zu besten Zeiten<br />
deutschlandweit und auch ins<br />
Ausland verkaufte. Der Grün<strong>der</strong>vater<br />
Peter Brassel, Großvater<br />
des heute noch lebenden letzten<br />
Firmenbesitzers, betrieb Anfang<br />
des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts auf <strong>der</strong><br />
Hauptstraße 80 eine kleine<br />
»Kolonialwarenhandlung«. Dort<br />
k<strong>am</strong> ihm eines Tages eine gute<br />
Idee. Er verkaufte in seinem La-<br />
<strong>Rhein</strong>gemeinden<br />
den Erdbeeren aus eigenem<br />
Anbau im Selhofer Feld, sein<br />
Schwager Josef Wierich war<br />
Schlossermeister und konnte<br />
Dosen löten. Die Ehefrauen<br />
wußten, wie man einkocht. Das<br />
ließ sich doch vermarkten. So<br />
gründeten sie 1921 die »<strong>Rhein</strong>ische<br />
Konservenfabrik Brassel &<br />
Wierich«.<br />
Mit einem <strong>alten</strong> Fuhrwerk und<br />
dem Pferd Max belieferten sie<br />
die Hotellerie von Bad Honnef<br />
mit Erdbeeren und Spargel, etwa<br />
das Hotel Klein (heute Volks-<br />
bank), das für Tanz und Geselligkeit<br />
stand o<strong>der</strong> das Hotel Dell<br />
(heute Kaiser's Kaffee) mit seiner<br />
weithin bekannten gutbürgerlichen<br />
Küche. Das Geschäft mit<br />
dem Fuhrwerk lief. 1934 zog<br />
man gleich um die Ecke in die<br />
Kirchstraße um und baute den<br />
Betrieb aus. 1945, nach <strong>der</strong><br />
Rückkehr aus dem Krieg, übernahm<br />
Brassels Sohn Wilhelm,<br />
ein Bankkaufmann, die Firma<br />
und baute sie zu einem mo<strong>der</strong>nen<br />
Unternehmen aus. Sein<br />
Sohn Peter, <strong>der</strong> letzte <strong>der</strong> Reihe,<br />
<strong>der</strong> die »<strong>Rhein</strong>ische Konservenfabrik<br />
Peter Brassel GmbH &<br />
<strong>Rhein</strong>gemeinden<br />
Co KG« bis zur Auflösung 1989<br />
führte – erinnert sich heute an<br />
die Zeiten, als die Fließbän<strong>der</strong><br />
noch ratterten: Waschen, Entsteinen,<br />
Füllmaschine, mit Zukkerwasser<br />
auffüllen, Verschließen,<br />
Pasteurisieren, Etikettieren<br />
und ab in die Kartons. Als Schüler<br />
habe er vor allem in <strong>der</strong> Pakkerei<br />
geschuftet und sei späterer<br />
noch als Firmenchef von den<br />
Altgedienten geduzt worden.<br />
Erfreulich positive<br />
Entwicklung<br />
In <strong>der</strong> Hauptsaison zwischen<br />
Mitte Juli und Ende August rollten<br />
jeden Tag 4 bis 5 LKWs mit<br />
frischen Kirschen an, rund 100<br />
Tonnen, die verarbeitet werden<br />
mußten. Hinzu k<strong>am</strong>en Äpfel,<br />
Erdbeeren und Preiselbeeren.<br />
Über 150 Mitarbeiter beschäftigte<br />
<strong>der</strong> Betrieb in <strong>der</strong> Saison.<br />
Renner waren die Fruchtsaucen<br />
(die auch über Dr. Oetker in Bielefeld<br />
vertrieben wurden) und<br />
<strong>der</strong> »Apfel Mix«, ein Mus aus<br />
Äpfeln und exotischen Früchten.<br />
Längst k<strong>am</strong> das Obst vom Großmarkt<br />
und aus Frankreich o<strong>der</strong><br />
Italien. Aber die <strong>alten</strong> S<strong>am</strong>melstellen<br />
gab es trotzdem bis zuletzt;<br />
wenn die Ablieferungen<br />
<strong>der</strong> Kleinbauern und F<strong>am</strong>ilienjobber<br />
aus <strong>der</strong> Region jetzt<br />
auch nur noch 20 Prozent des<br />
Ges<strong>am</strong>tbedarfs <strong>der</strong> Firma ausmachten.<br />
Rund um die Früchte wurde<br />
gern gefeiert. Das »Erdbeerdorf«<br />
<strong>Rhein</strong>breitbach veranstaltete bis<br />
in die 50er Jahre im Juli sogar<br />
einen eigenen Festzug. »Unsere<br />
Erdbeeren, ob groß o<strong>der</strong> klein,<br />
gehören in jede Bowle rein« verriet<br />
eine Aufschrift auf einem <strong>der</strong><br />
Festwagen. Strahlen<strong>der</strong> Mittelpunkt<br />
des Geschehens war eine<br />
füllige rotwangige Frau in den<br />
besten Jahren, die rücklings auf<br />
einem hufeisenförmigen Karren<br />
thronte, auf dem sonst locker<br />
fünf Kin<strong>der</strong> Platz gehabt hätten<br />
– die »Erdbeerkönigin«. Diesen<br />
Titel verdankte die lustige<br />
<strong>Rhein</strong>breitbacherin einer gewissen<br />
Ähnlichkeit mit <strong>der</strong> d<strong>am</strong>aligen<br />
Lieblingserdbeere <strong>der</strong> Marmeladefabrikanten,<br />
»Mad<strong>am</strong>e<br />
Moutout«, einer dicken, prächtigen<br />
Sorte, die beim Einkochen<br />
nicht zerfiel.<br />
Ausländische Billigkonkurrenten,<br />
aus Spanien o<strong>der</strong> den ehemaligen<br />
Ostblocklän<strong>der</strong>n, allen<br />
voran Jugoslawien, machten das<br />
Geschäft mit Mus und Marmelade<br />
ab Ende <strong>der</strong> 60er Jahre<br />
völlig unrentabel. Mitte 1989<br />
schloß als letzte heimische Marmeladenfabrik<br />
die Firma Brassel<br />
in Bad Honnef ihre Tore. Die<br />
Obstfel<strong>der</strong> teilten nun das<br />
Schicksal <strong>der</strong> Weinanbauflächen,<br />
die ein Jahrhun<strong>der</strong>t zuvor nach<br />
und nach verschwunden waren.<br />
Sie gingen in »mo<strong>der</strong>ner Fruchtfolge«<br />
– wie es so schön heißt –<br />
in Bauland über, vor allem die<br />
Apfelplantagen bei<strong>der</strong>seits des<br />
<strong>Rhein</strong>s (auf Höhe Honnefer<br />
<strong>Rhein</strong>fähre) wurden wegen <strong>der</strong><br />
Aussichtslage zu Höchstpreisen<br />
verkauft. Trotzdem ist das Einkochen<br />
heimischer Früchte –<br />
nun eben aus dem eigenen Garten<br />
– immer noch ein beliebtes<br />
Hobby. Ein beson<strong>der</strong>s leckeres<br />
Beispiel ist ein Fruchtgelee n<strong>am</strong>ens<br />
»Unkeler Quittentraum«:<br />
Rezept<br />
Ulrike Ziskoven<br />
¾ Liter Quittensaft (selbst<br />
gepreßt o<strong>der</strong> im Entsafter<br />
gewonnen) mit 1 Pfund Gelierzucker<br />
mischen und eine<br />
Minute kochen. So heiß wie<br />
möglich in Gläser füllen,<br />
Twist off – Deckel drauf und<br />
fertig.<br />
Guten Appetit!<br />
rheinkiesel September 2005 • 11
Surfen mit Risiko<br />
So sehr ist das Internet selbstverständlicher Teil unseres<br />
Alltags geworden, daß bei dem Begriff »Surfen« nur noch<br />
die Sportfans zuerst an hohe Wellen, Strand und Sonne<br />
denken. Und auch diesen Fans muß nicht mehr erklärt werden,<br />
wie man sich ohne Brett und nasse Füße stundenlang<br />
surfend <strong>am</strong>üsieren kann.<br />
Stundenlanges Amüsement aber<br />
ist etwas, was möglicherweise <strong>am</strong><br />
Arbeitsplatz nicht beson<strong>der</strong>s<br />
gern gesehen wird. Und an<strong>der</strong>s<br />
als bei persönlichen Gesprächen<br />
unter Kollegen und dem Lesen<br />
privater Lektüre läßt sich mit<br />
Hilfe des Verlaufsprotokolls im<br />
Computer leicht nachweisen,<br />
daß und wie lange sich ein Arbeitnehmer<br />
mit nicht beruflichen<br />
Angelegenheiten beschäftigt<br />
hat. Die privaten Aktivitäten<br />
reichen dabei vom Schreiben<br />
und Versenden von e-mails über<br />
Ankauf- und Verkaufsbemühungen<br />
bei Internet-Auktionen bis<br />
zum Betrachten und »Herunterladen«<br />
nicht jugendfreier Seiten<br />
auf den Computer.<br />
Verdächtig hohe<br />
Telefonrechnungen<br />
Wenn dann die Aktivitäten des<br />
Arbeitnehmers ans Licht kommen,<br />
meist wegen auffallend gestiegener<br />
Telefonkosten o<strong>der</strong><br />
weil <strong>der</strong> Betroffene aus an<strong>der</strong>en<br />
Gründen unter beson<strong>der</strong>er Beobachtung<br />
steht, fragt sich mancher<br />
Chef, ob dies nicht eine<br />
günstige Gelegenheit ist, einen<br />
ungeliebten Beschäftigten rasch<br />
und kostengünstig zu entlassen.<br />
Obwohl nach Umfragen <strong>der</strong><br />
weitaus größte Teil <strong>der</strong> Arbeitnehmer<br />
den Dienstcomputer<br />
privat nutzt, ist bisher nur in<br />
wenigen Arbeitsverträgen ausdrücklich<br />
geregelt, ob und in<br />
welchem Umfang dies vom Arbeitgeber<br />
toleriert wird.<br />
Auch entsprechende Betriebsvereinbarungen<br />
sind noch selten.<br />
Ein direkter Verstoß gegen den<br />
geschriebenen Vertrag o<strong>der</strong> betriebliche<br />
Regelungen kann dem<br />
Arbeitnehmer dann nicht vorgeworfen<br />
werden. Natürlich ist ein<br />
Surfen auf <strong>der</strong> Arbeitsstelle? Hier wohl kaum!<br />
Beschäftigter jedoch dazu verpflichtet,<br />
für sein Gehalt dem<br />
Arbeitgeber die versprochenen<br />
Dienste zu erbringen. Daß die<br />
private Nutzung des Computers<br />
keine <strong>der</strong>artige Dienstleistung<br />
ist, weiß je<strong>der</strong>. Der ertappte Bedienstete<br />
wird dagegen argumentieren,<br />
er sei davon ausgegangen,<br />
sein Dienstherr würde<br />
dies tolerieren, schließlich würden<br />
sich alle im Betrieb gelegentlich<br />
<strong>am</strong> Computer vergnügen.<br />
Ohne Abmahnung<br />
geht es nicht<br />
Vor einer Kündigung müßte also<br />
zumindest eine Abmahnung erfolgen,<br />
d.h. ein Hinweis des Arbeitgebers,<br />
die private Nutzung<br />
des Computers nicht zu gestatten<br />
und für den Wie<strong>der</strong>holungsfall<br />
die Kündigung anzudrohen.<br />
Das Bundesarbeitsgericht (BAG)<br />
hat sich in einer Entscheidung<br />
aus Juli 2005 (Az. 2 AzR 581/04)<br />
zum ersten Mal mit <strong>der</strong> Frage<br />
<strong>der</strong> Wirks<strong>am</strong>keit einer fristlosen<br />
Kündigung ohne Abmahnung<br />
wegen privaten Surfens im Internet<br />
befaßt.<br />
Einem langjährigen Mitarbeiter<br />
war vorgeworfen worden, im<br />
Zeitraum von drei Monaten das<br />
Internet insges<strong>am</strong>t 18 Stunden<br />
privat genutzt zu haben, wobei<br />
er sich auf pornografischen Sei-<br />
ten 5 Stunden »aufgeh<strong>alten</strong>« habe.<br />
Der Beschäftigte hatte eine<br />
Privatnutzung von 5 Stunden inklusive<br />
dem Aufruf von pornografischen<br />
Material für höchstens<br />
70 Minuten eingestanden.<br />
Die vorherigen Instanzen hatten<br />
die Kündigung ohne Abmahnung<br />
auf jeden Fall für unwirks<strong>am</strong><br />
erklärt. Das BAG urteilte<br />
jetzt, die Kündigung sei nicht in<br />
Ihr Recht<br />
jedem Fall unwirks<strong>am</strong>. Es müsse<br />
geklärt werden, ob <strong>der</strong> Arbeitgeber<br />
durch den Aufruf <strong>der</strong> anstößigen<br />
Seiten einen Imageverlust<br />
erlitten habe, welche Kosten ihm<br />
entstanden seien und in welchem<br />
zeitlichen Umfang <strong>der</strong> Arbeitnehmer<br />
seine Dienstpflichten<br />
verletzt habe.<br />
Dann käme je nach Ausmaß <strong>der</strong><br />
Schäden bzw. <strong>der</strong> Pflichtverletzungen<br />
eine fristlose Kündigung<br />
in Frage, wobei noch die Dauer<br />
<strong>der</strong> Betriebszugehörigkeit und<br />
die Eindeutigkeit des Verbots<br />
<strong>der</strong> Privatnutzung des Computers<br />
berücksichtigt bzw. geklärt<br />
werden müsse. Eine fristlose<br />
Kündigung setzt nämlich in jedem<br />
Fall voraus, daß es dem Arbeitgeber<br />
unter Berücksichtigung<br />
auch <strong>der</strong> Interessen des Arbeitnehmers<br />
nicht mehr zuzumuten<br />
ist, das Arbeitsverhältnis<br />
bis zum Ende <strong>der</strong> vertraglich<br />
vereinbarten Kündigungsfrist<br />
fortzusetzen.<br />
Angesichts <strong>der</strong> erheblichen finanziellen<br />
Folgen einer wirks<strong>am</strong>en<br />
fristlosen Kündigung, (kein<br />
Anspruch auf Abfindung für den<br />
Arbeitsplatzverlust, mehrwöchige<br />
Sperrzeit für den Bezug des<br />
Arbeitslosengeldes) sind hier zum<br />
Schutz des Arbeitnehmers beson<strong>der</strong>s<br />
strenge Maßstäbe anzulegen.<br />
Dies gilt entsprechend bei<br />
einer ordentlichen, d.h. fristgemäßen<br />
Kündigung mit dem gleichen<br />
Kündigungsgrund.<br />
Rechtsanwalt Christof Ankele<br />
Kanzlei Schmidt & Ankele,<br />
Bad Honnef<br />
rheinkiesel September 2005 • 13
Linz<br />
Den Ahnen<br />
auf <strong>der</strong> Spur<br />
»Der führt Böses im Schilde« sagt mancher – und weiß<br />
doch nicht um des Wortes ursprüngliche Bedeutung. Besucher<br />
<strong>der</strong> Burg Linz hingegen kennen sich nach <strong>der</strong> Besichtigung<br />
des »Europäischen Wappenmuseums« in dieser<br />
Hinsicht aus. Und mancher beschließt, den Spuren <strong>der</strong><br />
eigenen Herkunft einmal nachzugehen.<br />
Genau hinschauen! Bei <strong>der</strong> Reise in die Vergangenheit<br />
kommt es auf jede Kleinigkeit an<br />
Linz, die »Bunte Stadt <strong>am</strong><br />
<strong>Rhein</strong>« ist um eine Attraktion<br />
reicher: Wo einst laute Musik<br />
durch die Räume des »Museums<br />
für Mechanische Musikinstrumente«<br />
schallte, blinken heute<br />
farbenfrohe Wappen auf, blitzen<br />
uralte, goldene Siegelringe, for<strong>der</strong>n<br />
ehrfurchtheischende, jahrhun<strong>der</strong>tealte<br />
Dokumente von<br />
14 • rheinkiesel September 2005<br />
Kaisern und Königen die Aufmerks<strong>am</strong>keit<br />
des Betrachters<br />
heraus.<br />
Günter Kleinhenz ist <strong>der</strong> Herrscher<br />
in diesem <strong>alten</strong> Gemäuer.<br />
Er zeigt Urkunden aus dem Mittelalter,<br />
erläutert Heiratskontrakte<br />
und berichtet unter an<strong>der</strong>em<br />
über die Entstehungsgeschichte<br />
<strong>der</strong> Wappen.<br />
»Rund 90% aller Wappen sind<br />
bürgerlichen Ursprungs« weiß er<br />
zu berichten. »Meist wurden sie<br />
für Verdienste um die eigene<br />
Zunft vergeben.« Wobei natürlich<br />
jede Zunft ihr eigenes Zeichen<br />
führte; Zeichen, die zum<br />
Teil heute noch wahrzunehmen<br />
sind (zum Beispiel beim Bäcker<br />
<strong>der</strong> Löwe). Wer das Wappen<br />
führen durfte, genoß automatisch<br />
gewisse Privilegien. Zum<br />
Teil gewährte das Wappen aber<br />
auch Schutz vor <strong>der</strong> Einmischung<br />
»Nicht-Berechtigter«; vergleichbar<br />
ist das mit den heutigen<br />
Handwerkerinnungen.<br />
Heraldik, die Wappenkunde also,<br />
ist ein weites Feld. Das Wort<br />
kommt übrigens von »Herold«.<br />
Das war früher jemand, <strong>der</strong> sich<br />
mit den Wappen, also mit den<br />
einzelnen Geschlechtern, auskannte.<br />
Die Entwicklungsgeschichte<br />
<strong>der</strong> Wappen<br />
Das Wort »Wappen« ist gleichbedeutend<br />
mit »Waffen«. Daher<br />
auch das Wort »sich wappnen«,<br />
also bereit machen (zum K<strong>am</strong>pf).<br />
Wie k<strong>am</strong> es überhaupt zur Entstehungsgeschichte<br />
<strong>der</strong> Wappen?<br />
Im 12. Jahrhun<strong>der</strong>t wurden die<br />
Schutzeinrichtungen <strong>der</strong> Ritter<br />
immer komplexer und umfassen<strong>der</strong>,<br />
so bedeckten die Helme<br />
immer mehr das Gesicht ihres<br />
Trägers und verhin<strong>der</strong>ten die<br />
Identifikation von Freund und<br />
Feind auf dem Schlachtfeld.<br />
Dies ermöglichten nun die<br />
Schildbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ritter, <strong>der</strong>en<br />
Darstellung auf dem Schild das<br />
Wappen ausmacht. Hinzukommt<br />
noch <strong>der</strong> Helm mit Decken und<br />
Zier und bildet zus<strong>am</strong>men mit<br />
dem Schild das Vollwappen.<br />
Gültiges Wappen?<br />
In den Wappen gibt es wichtige<br />
Bestandteile, die es aufweisen<br />
muß, um überhaupt als solches<br />
anerkannt zu werden. Da existieren<br />
aber auch spezielle heraldische<br />
Farben, die alle ihre eigene<br />
Bedeutung haben. Interessant<br />
dabei ist, daß es grundsätzliche<br />
keinerlei Farbnuancen gibt: Man<br />
kennt also kein hell- o<strong>der</strong> dunkelblau,<br />
son<strong>der</strong> nur die Farbe blau.<br />
Die sogenannten »Wappenbriefe«<br />
stellte übrigens nur <strong>der</strong> Kaiser<br />
aus. Und nur, wer im Besitz<br />
des Wappenbriefes war, durfte<br />
auch das Wappen führen. Selbst<br />
Hausrat wurde früher häufig mit<br />
dem eigenen Wappen verziert –<br />
teils aus berechtigtem Stolz, teils<br />
aber auch, um das Eigentumsrecht<br />
deutlich zu machen. Günter<br />
Kleinhenz zeigt in seiner umfangreichen<br />
S<strong>am</strong>mlung eine Reihe<br />
von zum Teil wun<strong>der</strong>schönen<br />
Beispielen.<br />
Ein schier<br />
unglaublicher Fundus<br />
Farbenfrohe Ahnentafeln weisen<br />
weit zurück. Sie zeigen die Entwicklung<br />
<strong>der</strong> hier dargestellten<br />
Geschlechter eindrucksvoll und<br />
ansprechend auf.<br />
Stolz verweist <strong>der</strong> 68jährige ehemalige<br />
Opernsänger und Dozent
<strong>der</strong> Musikhochschule in Dublin<br />
auf rund 2,5 Millionen Wappennachweise.<br />
»Wir verfügen über<br />
mehr als 3.000 Original-Handschriften<br />
und rund 2.500 Bücher«<br />
informiert <strong>der</strong> Museumsinhaber.<br />
Aber natürlich könne<br />
man davon nur einen kleinen<br />
Teil zeigen.<br />
Wie k<strong>am</strong> er zu seiner Passion,<br />
die er später zum Beruf machte?<br />
»Ich war auf <strong>der</strong> Suche nach<br />
meinen eigenen Wurzeln«, berichtet<br />
Günter Kleinhenz. Das<br />
war vor 40 Jahren. »Es hat mich<br />
so fasziniert, daß ich immer tie-<br />
Linz<br />
Prächtig: Wappen, Siegel und Urkunden im Wappenmuseum<br />
in <strong>der</strong> Burg Linz<br />
Europäisches<br />
Wappenmuseum<br />
Burgplatz 4<br />
53545 Linz <strong>am</strong> <strong>Rhein</strong><br />
Tel.: 0 26 44 / 60 22 61<br />
Fax: 0 26 44 / 60 23 77<br />
Eintritt:<br />
Erwachsene: € 3,50<br />
Kin<strong>der</strong>: € 2,00<br />
(ab 8 Jahren)<br />
Gruppen: € 3,00<br />
(ab 10 Pers.)<br />
Öffnungszeiten:<br />
Täglich<br />
(auch sonn- und feiertags)<br />
von 10.00 bis 18.00 Uhr<br />
Ab Ende Oktober dienstags<br />
geschlossen<br />
Gruppenführungen nach<br />
vorheriger Anmeldung<br />
fer in die Materie eindrang; zum<br />
Schluß konnte ich gar nicht<br />
mehr davon lassen.« Heute hilft<br />
er an<strong>der</strong>en bei <strong>der</strong> Suche nach<br />
den Ahnen (siehe Kasten) – in<br />
unserer schnellebigen, reizüberfluteten<br />
Zeit ist das ganz sicherlich<br />
für manchen eine wertvolle<br />
Orientierungshilfe.<br />
Paulus Hinz<br />
Auf <strong>der</strong> Suche nach<br />
den Quellen<br />
Was bedeutet mein F<strong>am</strong>ilienn<strong>am</strong>e?<br />
Wo kommen meine<br />
Vorfahren her? Wann wurde<br />
mein F<strong>am</strong>ilienn<strong>am</strong>e erstmals<br />
urkundlich erwähnt? Gibt es<br />
vielleicht sogar Aufzeichnungen<br />
eines <strong>alten</strong> F<strong>am</strong>ilienwappens.<br />
Diese Fragen klärt Günter<br />
Kleinhenz unter an<strong>der</strong>em mit<br />
Hilfe seiner in Europa einmaligen<br />
S<strong>am</strong>mlung von 2,5 Millionen<br />
Nachweisen bürgerlicher<br />
F<strong>am</strong>ilien-Wappen: zum<br />
Beispiel Kirchenbucheinträgen<br />
von mehr als einer Milliarde<br />
verschiedener F<strong>am</strong>ilienn<strong>am</strong>en<br />
sowie mehr als eine<br />
Milliarde f<strong>am</strong>ilienurkundlicher<br />
Aufzeichnungen. Wo<br />
<strong>der</strong> Laienforscher schon nach<br />
kurzer Zeit verzweifelt aufgibt,<br />
findet Kleinhenz oft<br />
schon nach kurzem Blättern<br />
eine »heiße Spur <strong>der</strong> Ahnen«.<br />
rheinkiesel September 2005 • 15
Natur<br />
Die Schrecken<br />
<strong>der</strong> Zimmerdecken<br />
Trautes Heim, Glück allein. – My home is my castle – so<br />
sagt man. Aber: Alles Glück währt nicht ewig, jede Burg hat<br />
ihre Schwachstelle und kaum eine ist wirklich uneinnehmbar.<br />
Außerdem sind es nicht immer die großen Eindringlinge,<br />
die uns Menschen zu schaffen machen, viel häufiger<br />
haben wir es mit den kleinen ungebetenen Gästen zu tun,<br />
die unsere Behausungen erobern und uns lästig werden.<br />
Der N<strong>am</strong>e klingt furchterregend, das Tier ist aber harmlos:<br />
Beißschrecke (hier bei <strong>der</strong> Fußpflege)<br />
Was klein ist, das ist allerdings<br />
wie<strong>der</strong>um relativ. Manchmal gehören<br />
jedenfalls Heuschrecken<br />
zu den ungebetenen Besuchern.<br />
Warum das so ist? Vielleicht finden<br />
Heuschrecken uns genauso<br />
interessant wie wir die Heuschrecken?<br />
Vielleicht sind sie<br />
ebenso neugierig wie wir? Jedenfalls<br />
suchen einige Vertreter die-<br />
16 • rheinkiesel September 2005<br />
ser Gruppe, zu <strong>der</strong> wir vielfältige<br />
Beziehungen haben – mehr<br />
als man gemeinhin annehmen<br />
möchte – gerne Gebäude auf.<br />
Was haben wir Menschen also<br />
mit den Heuschrecken zu tun?<br />
Und für gewöhnlich unterschätzt<br />
<strong>der</strong> Normalbürger sowohl<br />
die Zahl als auch die Größe<br />
<strong>der</strong> Arten, die selbst in unserem<br />
gemäßigten und »wohlgeordneten«<br />
Deutschland vorkommen.<br />
Womit muß man hier wohl<br />
rechnen? Und wenn, was gerade<br />
jetzt in dieser Jahreszeit manchmal<br />
geschieht, eine solche Kreatur<br />
die Dreistigkeit haben sollte,<br />
unsere Behausung aufzusuchen?<br />
Was hat man davon zu h<strong>alten</strong><br />
und im »Ernstfall« zu tun?<br />
Fragen über Fragen, die hier in<br />
aller Kürze beantwortet werden<br />
sollen.<br />
Nachdem die Singvögel schon<br />
im Juni ihren morgendlichen<br />
Gesang eingestellt hatten und<br />
auch die kreischenden Mauersegler<br />
unsere Häuserfluchten<br />
dieses Jahr schon vor Ende Juli<br />
verließen, ist es draußen zwar<br />
stiller geworden, doch etliche<br />
<strong>der</strong> rund 80 Heuschreckenarten<br />
in Deutschland, die meist nicht<br />
nur springen son<strong>der</strong>n auch singen<br />
können, haben seitdem ihren<br />
Gesang ertönen lassen. Und<br />
tun dies auch weiter, sofern <strong>der</strong><br />
(Spät-) Sommer bis Oktober anh<strong>alten</strong><br />
sollte. Diese Beson<strong>der</strong>heit<br />
und die Tatsache, daß einige<br />
Arten in <strong>der</strong> Nähe des Menschen<br />
anzutreffen sind, haben schon<br />
früh unsere Aufmerks<strong>am</strong>keit auf<br />
die Heuhüpfer gelenkt. Das<br />
fängt schon in <strong>der</strong> Bibel an, zieht<br />
sich durch die Literatur des Mittelalters<br />
und schlägt sich im Extremfall<br />
bis heute in Schlagzeilen<br />
<strong>der</strong> Nachrichten nie<strong>der</strong>, wenn<br />
irgendwo in <strong>der</strong> Welt wie<strong>der</strong><br />
eine Heuschreckenplage auftritt.<br />
Deutschland ist heutzutage<br />
glücklicherweise weitgehend von<br />
solchen Kal<strong>am</strong>itäten verschont<br />
(was übrigens nicht immer so<br />
war), aber auch ohne großes<br />
Aufsehen erregende Plagen weckten<br />
und wecken nach wie vor<br />
Heuschrecken die Neugierde des<br />
Menschen. Davon zeugen allein<br />
die unglaublich vielen Bezeichnungen,<br />
die in den verschiedensten<br />
Regionen unseres Landes<br />
entstanden sind.<br />
Was das Vorkommen<br />
verrät<br />
Als Beispiel erscheint hier eine<br />
unvollständige Auflistung, aus<br />
<strong>der</strong> sich je<strong>der</strong> sein Lieblingswort<br />
aussuchen kann:<br />
Grashauer, Grashüpfer, Grasmönch,<br />
Graspferd(chen), Graswetzer,<br />
Heuhopser, Heuhüpfer, Heujucker,<br />
Heupferd, Heuschrecke,<br />
Heustefzge, Hingselspringsel, Pferdehüpfer,<br />
Schneidepferd, Sensenhüpfer,<br />
Stoppelgans, Wetterhans,<br />
Wetterhüpfer, Wiesenschnarcher,<br />
usw. usf.<br />
Zudem haben Heuschrecken in<br />
die mo<strong>der</strong>ne Landschaftsplanung<br />
und Naturschutzbiologie<br />
als wichtige Indikator-Organismen<br />
Einzug geh<strong>alten</strong>. So wie <strong>der</strong><br />
Meßtechniker mit seinen Meßgeräten<br />
den Verhältnissen mit<br />
physikalischen Mitteln auf den<br />
Grund geht, erkennen Biologen<br />
<strong>am</strong> Vorkommen bestimmter Arten<br />
den Zustand <strong>der</strong> Umwelt<br />
o<strong>der</strong> bestimmter Biotope. Beispielsweise<br />
kommt die Sumpfschrecke<br />
in Feuchtgebieten vor,<br />
<strong>der</strong> Heidegrashüpfer in kurzrasigen<br />
Wiesen auf kargem Boden,<br />
die Ödlandschrecke auf felsigen<br />
und steinigen Flächen und die<br />
Strauchschrecke im Gebüsch.<br />
Wen finden wir wo?<br />
Hecken, Sträucher, Gebüsche<br />
und Bäume sind die bevorzugten<br />
Plätze <strong>der</strong> Langfühlerschrecken,<br />
die im Gegensatz zu den Kurzfühlerschrecken,<br />
den typischen<br />
kleinen Grashüpfern auf Wiesen<br />
und an<strong>der</strong>en Offenlandflächen,<br />
generell eher die höhere Vegetation<br />
besiedeln. Dort gehen die<br />
Vertreter dieser Gruppe, die man<br />
daran erkennt, daß <strong>der</strong>en Fühler<br />
so lang o<strong>der</strong> länger wie <strong>der</strong> Kör-
per sind, gerne auf Suche nach<br />
Eßbarem. Diese meist grünen<br />
Laubheuschrecken sind meist<br />
keine reinen Vegetarier wie die<br />
Artgenossen mit den kurzen<br />
Fühlern, die braunen Feldheuschrecken,<br />
son<strong>der</strong>n sie genehmigen<br />
sich gerne – das wird den<br />
Gärtner freuen – auch jede Menge<br />
Blattläuse, denen sie so begegnen.<br />
Außer grün und vielfach<br />
nützlich sind viele Laubheuschreckenarten<br />
recht kräftig, oft<br />
dick und manche beeindrukkend<br />
groß.<br />
Wie ein<br />
Preßlufth<strong>am</strong>mer<br />
Einige von ihnen sind auch recht<br />
laut, was den Gesang angeht.<br />
Alle diese Wesenszüge weist das<br />
Große Heupferd auf, die größte<br />
heimische Art. Der laut tickende<br />
Gesang, <strong>der</strong> erst <strong>am</strong> späten<br />
Nachmittag bis in die Nacht<br />
vorgetragen wird, erinnert stilistisch<br />
an den Rhythmus eines<br />
Preßlufth<strong>am</strong>mers, wenn auch<br />
nicht ganz so laut. Dennoch:<br />
50 m weit trägt die Geräuschkulisse<br />
locker. Ein Weibchen, das<br />
Ende des Sommers »gut im Futter<br />
ist« und zudem ja auch die<br />
Eier mit sich herumschleppt,<br />
kann fast fingerdick sein und<br />
mißt vom Kopf bis zur Flügelspitze<br />
etwa 7 cm – die langen<br />
Fühler nicht mit eingerechnet.<br />
Zum Schrecken <strong>der</strong> Nacht werden<br />
die Schrecken dann, wenn<br />
sie die Zimmer durch offene<br />
Fenster fliegend o<strong>der</strong> krabbelnd<br />
aufsuchen. Das passiert gelegentlich<br />
schon mal im Zuge eines<br />
Unwetters o<strong>der</strong> infolge von starkem<br />
Wind, aber gegen Ende des<br />
Sommers, wenn die Umgebungstemperatur<br />
sinkt und Häuser<br />
abends noch eine angenehme<br />
Wärme abstrahlen, suchen Arten<br />
wie das Große Heupferd und<br />
kleinere wie die Eichenschrecke<br />
o<strong>der</strong> Punktierte Zartschrecke,<br />
die Gebäude hin und wie<strong>der</strong> gezielt<br />
auf. Wird man ihrer erst in<br />
<strong>der</strong> Dämmerung gewahr, wo die<br />
Schatten länger als lang sind, die<br />
Konturen verschwimmen und<br />
die Schemenhaftigkeit selbst aus<br />
Mücken Monster macht, ist <strong>der</strong><br />
Natur<br />
»Schreck vor <strong>der</strong> Schreck' an <strong>der</strong><br />
Zimmerdeck« zunächst groß,<br />
auch, dies schon mal als erster<br />
schwacher Trost vorab, bei<br />
routinierten Insektenkundlern.<br />
Grund zur Panik gibt es allerdings<br />
keinen.<br />
Garantiert ohne Gift<br />
Selbst wenn die N<strong>am</strong>en einiger<br />
Arten wie Westliche Beißschrekke,<br />
Warzenbeißer, Säbelschrecke<br />
o<strong>der</strong> anatomische Details wie<br />
Beißwerkzeuge, bedornte Schienen<br />
und Legebohrer Respekt<br />
einflößend klingen, sind Heuschrecken<br />
völlig harmlos. Sofern<br />
sie einzeln und nicht in Schwärmen<br />
auftauchen, versteht sich.<br />
Zwar können Heupferd & Co.<br />
spürbar in die menschliche Haut<br />
zwacken, aber sie beißen uns mit<br />
Sicherheit nicht blutig. Und Gift<br />
ist hier auch nicht im Spiel. Es<br />
kann aber sein, daß in <strong>der</strong> Hand<br />
die Tiere als typische »Schreckreaktion«<br />
ihren braun-grünen<br />
Magensaft ausspucken und hoffen,<br />
aufgrund des Geschlabbers<br />
schnell freizukommen. Wer sich<br />
also nicht traut, ein solches<br />
»Hingselspringsel« anzufassen<br />
(lange Beine hat es ja immerhin<br />
auch noch und springen, zappeln<br />
und treten kann es ebenso)<br />
<strong>der</strong> nehme ein Glas und stülpe es<br />
beherzt über das ohnehin irritierte<br />
Tier. Deckel drauf – fertig.<br />
Vielleicht hilft es, den Schrecken<br />
vor den Schrecken abzubauen,<br />
indem man sie jetzt noch einmal<br />
nüchtern betrachtet, getreu dem<br />
Motto: Gefahr erkannt, Gefahr<br />
gebannt, bevor man die vorwitzigen<br />
Nützlinge <strong>am</strong> besten wie<strong>der</strong><br />
nach draußen in die nächste<br />
Grünfläche beför<strong>der</strong>t.<br />
Ulrich San<strong>der</strong><br />
Julias Glosse<br />
Schuh-Schizophrenie<br />
»Ich habe ü-b-e-r-h-a-u-p-t nichts anzuziehen!«<br />
seufzen Frauen bekanntlich<br />
selbst vor Klei<strong>der</strong>schränken und<br />
Schuhregalen, die aus allen Nähten<br />
platzen. Schizophren, denkt<br />
da <strong>der</strong> Herr Gemahl. Möglicherweise<br />
hat er sogar Recht, behauptet<br />
jetzt <strong>der</strong> schwedische Forscher<br />
Jan Flensmark. Nach seinen Untersuchungen<br />
sind es nämlich ausgerechnet<br />
hochhackige Schuhe, die Frauen<br />
um ihre Geistesgegenwart bringen.<br />
Orthopäden haben die gewagten Stelzenkonstruktionen,<br />
auf denen partywütige Sexbomben<br />
gern ihr Dasein fristen, längst als gesundheitsschädlich<br />
enttarnt. Neurologen wittern nun auch noch<br />
die Ursache <strong>der</strong> Geisteskrankheit Schizophrenie im Schuhwerk.<br />
Dafür gibt es jede Menge Belege, denn mit dem reißenden<br />
Schuhabsatz von Highheels und Co. in den Industrielän<strong>der</strong>n<br />
schnellte auch die Rate <strong>der</strong> Schizophreniekranken in die Höhe.<br />
Barfußläuferinnen aus Entwicklungslän<strong>der</strong>n, die in die westliche<br />
Welt übersiedeln und dort nunmehr auf hohen Absätzen balancieren,<br />
werden häufiger geisteskrank als ihre Geschlechtsgenossinnen,<br />
die daheim im Busch bleiben. Schuld an dem Phänomen<br />
– wir ahnen es längst – ist mal wie<strong>der</strong> die Feinfühligkeit des schwachen<br />
Geschlechts: Feine Sensoren in Frauenwaden h<strong>alten</strong> nämlich<br />
das Kleinhirn auf Trab – sofern die Besitzerinnen <strong>der</strong> Waden<br />
nicht gerade auf hohen Absätzen balancieren. Wird <strong>der</strong> Balanceakt<br />
dagegen zum Dauerzustand, schlägt sich das im Kleinhirn<br />
nie<strong>der</strong> – Schizophrenie, Depressionen und an<strong>der</strong>e Geisteskrankheiten<br />
drohen. Ach ja, Radeln bringt übrigens die deformierten<br />
Wadensensoren und d<strong>am</strong>it das Kleinhirn wie<strong>der</strong> auf Trab. Aber<br />
dazu braucht frau – ganz genau! – erst noch ein paar neue<br />
Turnschuhe…<br />
Julia Bid<strong>der</strong><br />
rheinkiesel September 2005 • 17
Königswinter<br />
»Die Hauptsache,<br />
daß gute Bil<strong>der</strong><br />
gemalt werden«<br />
Vor vierzig Jahren verstarb nach einem sehr bewegten,<br />
streckenweise entsagungsvollem Leben <strong>der</strong> Maler Carlo<br />
Mense in Königswinter. Karl Josef Klöhs zeichnet ein Bild<br />
des Künstlers, dessen Werke im Dritten Reich als »Entartete<br />
Kunst« gebrandmarkt wurden.<br />
»Ich bin geboren in <strong>Rhein</strong>e in<br />
Westfalen. Da ich in Köln a. Rh.<br />
aufwuchs und bis jetzt mein Elternhaus<br />
dort war, fühle ich<br />
mich als Kölner. Fühle mich<br />
stolz als <strong>der</strong> 361. <strong>der</strong> 360 Kölner<br />
Künstler, die sich kürzlich auf<br />
einer kunstunterstützenden Vers<strong>am</strong>mlung<br />
eingefunden haben<br />
sollen. – Ich lernte viel an <strong>der</strong><br />
Düsseldorfer Akademie bei Jansen,<br />
in Berlin bei Corinth, in<br />
Weimar, in Florenz. Ascona im<br />
Tessin wurde meine südliche<br />
Heimat. Bil<strong>der</strong>, die die hohen<br />
Herren des Kölner Kunstvereins<br />
refüsierten, k<strong>am</strong>en dann zuerst<br />
auf die Son<strong>der</strong>bund-Ausstellung<br />
in den »Blauen Reiter«-Saal. Die<br />
von mir mit Aug. Macke veranstaltete<br />
rheinische Expressionisten-Ausstellung<br />
in Düsseldorf<br />
hatte gar keinen Erfolg ...<br />
Rußland war so schön, daß ich<br />
Gott danke den Krieg mitgemacht<br />
zu haben, nur dort gibt es<br />
Wäl<strong>der</strong>, Menschen, Tiere, Dörfer<br />
von Ewigkeit her!<br />
18 • rheinkiesel September 2005<br />
Nun lebe ich in Köln-Bonn und<br />
versuche Bil<strong>der</strong> zu malen ...<br />
Was sonst um mich vorgeht<br />
interessiert mich wenig, und an<strong>der</strong>e<br />
noch weniger, ist ja immer<br />
dasselbe. Die Hauptsache, daß<br />
gute Bil<strong>der</strong> gemalt werden, wer<br />
dies nun zufällig tut, ist Nebensache.«,<br />
schrieb Carl Mense im<br />
Oktober 1920.<br />
Unbeschwert war <strong>der</strong> <strong>am</strong> 13. Mai<br />
1886 als sechstes von insges<strong>am</strong>t<br />
acht Kin<strong>der</strong>n geborene Carl<br />
Mense in einer wohlhabenden<br />
Kaufmannsf<strong>am</strong>ilie aufgewachsen.<br />
1891 zog die F<strong>am</strong>ilie in die<br />
Domstadt. Hier besuchte Carl,<br />
<strong>der</strong> ein ausgezeichneter Klavierspieler<br />
gewesen sein soll, das<br />
Gymnasium und begann nach<br />
<strong>der</strong> »Mittleren Reife« eine kaufmännische<br />
Lehre in Erfurt.<br />
Dann rief ihn für ein Jahr das<br />
Militär nach Köln-Riehl zur<br />
Feldartillerie ehe Mense schließlich<br />
Kunst studierte.<br />
1911 zurück in Köln beteiligte<br />
er sich an seiner ersten Ausstel-<br />
Im Dritten Reich Schöpfer »Entarteter Kunst«:<br />
Der »<strong>Rhein</strong>ische Expressionist« Carlo Mense<br />
lung »Kölner-Künstler« im Wallraf-Richartz-Museum.<br />
Hier lernte<br />
er vermutlich Franz M. Jansen,<br />
Olga Oppenheimer und<br />
Emmy Worringer kennen und<br />
schloß sich <strong>der</strong> avantgardistischen<br />
»Cölner Sezession« und<br />
dem »Gereonsclub« an.<br />
Im Sommer 1912 bereicherte<br />
Carl Mense mit zwei Bil<strong>der</strong>n die<br />
Son<strong>der</strong>bund-Ausstellung in Köln.<br />
Bis zum Ausbruch des Ersten<br />
Weltkriegs schlossen sich u.a. die<br />
Teilnahme an <strong>der</strong> Bonner Ausstellung<br />
»<strong>Rhein</strong>ische Expressionisten«<br />
und Herwarth Waldens
»Erstem Deutschen Herbstsalon«<br />
in Berlin an.<br />
Mense entwarf Grafiken für Titelblätter<br />
<strong>der</strong> expressionistischen<br />
Zeitschriften »Der Sturm« und<br />
»Die Aktion«. 1914 reiste er dann<br />
mit seinem Malerfreund Heinrich<br />
Maria Davringhausen nach<br />
Ascona.<br />
Jäh unterbrach die Mobilmachung<br />
alle künstlerischen Ambitionen.<br />
Mense diente während<br />
des ganzen Krieges als Soldat in<br />
<strong>der</strong> Etappe.<br />
Die Eindrücke während des<br />
Krieges mit den anschließenden<br />
revolutionären Wirren und dem<br />
Zus<strong>am</strong>menbruch des Kaiserreiches<br />
prägten Carlo Menses neusachlichen<br />
Stil.<br />
Zurück ins <strong>Rhein</strong>land<br />
1918 hatte Mense seine erste<br />
Einzelausstellung in <strong>der</strong> Münchener<br />
Galerie Hans Goltz. In<br />
<strong>der</strong> bayerischen Landeshauptstadt<br />
lernte er die junge Russin<br />
Vera Baske kennen und lieben.<br />
In aller Stille heiratete das Paar<br />
<strong>am</strong> 23. Mai 1919 <strong>am</strong> Königssee.<br />
Im November 1919 war Mense<br />
Mitbegrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> »Gesellschaft<br />
<strong>der</strong> Künste« in Köln und wurde<br />
Mitglied <strong>der</strong> Berliner »Novembergruppe«.<br />
In <strong>der</strong> Münchener Zeit besuchte<br />
das Ehepaar Mense häufiger<br />
Positano in Italien. 1925 erhielt<br />
Mense den Ruf als Ordentlicher<br />
Professor an die Breslauer Kunstakademie.<br />
Nach wenigen sorgenfreien<br />
Jahren in Schlesien<br />
verschlug ihn die notgedrungene<br />
Schließung <strong>der</strong> Akademie 1932<br />
im Folgejahr wie<strong>der</strong> ins <strong>Rhein</strong>land<br />
zurück. Das Ehepaar ließ<br />
sich 1933 unauffällig in Bad<br />
Honnef nie<strong>der</strong>. Hier lebte d<strong>am</strong>als<br />
Menses Mutter mit seinen<br />
beiden älteren Brü<strong>der</strong>n.<br />
Die Verleihung des »Rompreises«<br />
im gleichen Jahr half ihm<br />
über die gröbsten finanziellen<br />
Probleme hinweg. Der Preis ermöglichte<br />
ihm einen einjährigen<br />
Studienaufenthalt in Rom.<br />
<strong>Von</strong> da ab glücklos<br />
1936, nach dem Tod von Menses<br />
Mutter, zog das Ehepaar<br />
Mense weiter nach Köln-Müngersdorf.<br />
Seine letzte Einzelausstellung<br />
für zwei Jahrzehnte sollte<br />
1937 in <strong>der</strong> Kölner Galerie<br />
Dr. Andreas Becker stattfinden.<br />
Nur kurze Zeit später wurden<br />
34 seiner Werke in öffentlichem<br />
Besitz als »Entartete Kunst«<br />
von den Nationalsozialistischen<br />
Machthabern beschlagnahmt.<br />
Sie tauchten nie wie<strong>der</strong> auf.<br />
Den Zweiten Weltkrieg erlebte<br />
<strong>der</strong> Maler als Frontoffizier. Nach<br />
dem Zus<strong>am</strong>menbruch ließen<br />
sich (inzwischen statt Carl) Carlo<br />
und Vera Mense erneut in Bad<br />
Honnef nie<strong>der</strong>. Das Atelier in<br />
Köln hatte die Bombenangriffe<br />
nicht überstanden. Jetzt hieß es,<br />
sich den Lebensunterhalt mit<br />
einfachen Aufträgen zu verdienen.<br />
An die Vorkriegserfolge<br />
konnte er allerdings nicht mehr<br />
anknüpfen.<br />
Anläßlich seines 70. Geburtstages<br />
1956 zeigte Carlo Mense<br />
Königswinter<br />
erstmals nach dem Krieg seine<br />
Werke wie<strong>der</strong> in einer Einzelausstellung<br />
in Königswinter. 1961<br />
erhielt <strong>der</strong> Künstler das Bundesverdienstkreuz.<br />
Seine Freundschaft<br />
zu Franz M. Jansen hatte<br />
die Jahre überdauert. Am 11. August<br />
1965 starb Carlo Mense in<br />
Königswinter.<br />
Informationen:<br />
www.carlomense.de<br />
Karl Josef Klöhs<br />
rheinkiesel September 2005 • 19
Kieselchen<br />
Nadeln<br />
im Waldhaufen<br />
Der Herbst eilt mit Riesenschritten heran. Bald schon färben<br />
sich die Blätter <strong>der</strong> Bäume bunt, um sie kurze Zeit darauf<br />
zu verlieren. Alle Bäume? Nicht ganz, denn die meisten<br />
Nadelbäume beh<strong>alten</strong> auch im Winter ihr grünes Kleid.<br />
Daumen rauf: Die Zapfen <strong>der</strong> Weißtanne stehen aufrecht<br />
Moment mal: Fichten, Tannen<br />
und Kiefern haben doch Nadeln,<br />
keine Blätter, o<strong>der</strong>? Richtig –<br />
aber pflanzenwissenschaftlich<br />
gesehen, sind Nadeln und Laubblätter<br />
dasselbe. Die pieksigen<br />
spitzen grünen Nadeln sind lediglich<br />
sehr schmal geformte<br />
Spezialausgaben normaler Laubblätter.<br />
Die unsichtbar winzigen<br />
Atemöffnungen auf ihrer Unterseite,<br />
durch die die Bäume Sauerstoff<br />
abgeben und Kohlendioxid<br />
einatmen, sind tief in die<br />
Blätter eingesenkt. Dicke Wachsschichten<br />
schützen die Nadeln<br />
zudem vor Austrocknung. Deshalb<br />
verdunsten Nadelbäume<br />
weniger Wasser. Ein trockener<br />
Winter, <strong>der</strong> Laubbäume verdursten<br />
ließe, kann den Nadelbäumen<br />
daher nichts anhaben. Und<br />
20 • rheinkiesel September 2005<br />
die schwere Last des Schnees, die<br />
Laubbäume mit Blättern abbrechen<br />
lassen würde, verteilt sich<br />
bei Nadelbäumen besser und<br />
rutscht größtenteils von den pyr<strong>am</strong>idenförmigen<br />
Spitzen von<br />
Tanne & Co. einfach herunter.<br />
Daher sind die meisten Nadelbäume<br />
immergrün und geben<br />
auch im tiefsten Winter wun<strong>der</strong>schöne<br />
grüne Weihnachtsbäume<br />
ab. Einzige Ausnahme ist die<br />
Lärche: Weil sie im Herbst alle<br />
Nadeln verliert, ist sie als Christbaum<br />
völlig ungeeignet!<br />
Neben <strong>der</strong> Lärche gibt es noch<br />
einen weiteren Nadelbaum, <strong>der</strong><br />
nicht ganz zu seinen Geschwistern<br />
Kiefer, Tanne und Fichte<br />
paßt: <strong>der</strong> Ginko. Dieser Baum<br />
aus Asien wächst mittlerweile<br />
auch hierzulande in vielen Parks<br />
und Gärten. Er trägt herzförmige<br />
Blätter, ist aber trotzdem<br />
mit den Nadelträgern verwandt.<br />
Wenn Ihr einmal ein Ginkoblatt<br />
in die Hand nehmen könnt,<br />
werdet Ihr sehen, daß es sich<br />
ganz an<strong>der</strong>s anfühlt als normale<br />
Laubblätter – viel härter und<br />
ledriger. Auch <strong>der</strong> Ginko verliert<br />
seine Blätter im Herbst. Und<br />
wenn Ihr einmal aufmerks<strong>am</strong><br />
durch ein Fichtenwäldchen gegangen<br />
seid, habt Ihr bestimmt<br />
die vielen braunen Tannennadeln<br />
auf dem Boden bemerkt.<br />
Offensichtlich haben auch Nadelbäume<br />
Herbst – aber wann?<br />
Versteckte<br />
Jahreszeiten<br />
Normalerweise verlieren Nadelbäume<br />
ihr Blattkleid alle paar<br />
Jahre. Tannennadeln zum Beispiel<br />
bleiben bis zu zwölf Jahre<br />
<strong>am</strong> Baum, die Nadeln <strong>der</strong> Fichte<br />
hängen acht Jahre an ihren<br />
Zweigen. Nach und nach vertrocknen<br />
sie, fallen ab und werden<br />
durch neue Triebe ersetzt.<br />
Weil <strong>der</strong> Baum dabei nie ganz<br />
kahl wird, ist sein Laubwechsel<br />
nicht so auffällig wie <strong>der</strong> von Buche<br />
und Co..<br />
Ähnlich unauffällig verh<strong>alten</strong><br />
sich Nadelbäume im Frühling<br />
und Sommer, wenn sie blühen.<br />
An<strong>der</strong>s als zum Beispiel Kastanien,<br />
die sehr auffällige Blüten<br />
bilden, sind Nadelbaumblüten<br />
sehr unscheinbar und wachsen<br />
auch nur an älteren Bäumen, die<br />
40 bis 70 Jahre alt sind. Meist<br />
verbergen sich die Blüten in aufrecht<br />
stehenden, grünen Zäpfchen,<br />
die männliche Pollen o<strong>der</strong><br />
weibliche Stempel tragen. Die<br />
Bestäubung besorgt <strong>der</strong> Wind.<br />
Meist blühen Nadelbäume nur alle<br />
drei bis fünf Jahre, Tannen sogar<br />
nur alle sechs bis zehn Jahre.<br />
Viel bekannter dagegen sind die<br />
Früchte <strong>der</strong> Nadelbäume, o<strong>der</strong><br />
zumindest die hölzernen Zapfen,<br />
in denen sich die Nadeln verbergen.<br />
»Tannenzapfen« heißt auch<br />
im Siebengebirge meist, was Kin<strong>der</strong><br />
beim Spaziergang im Wald<br />
vom Boden auflesen. Dabei bleiben<br />
ausgerechnet die Zapfen <strong>der</strong><br />
Tanne meist <strong>am</strong> Baum aufrecht<br />
stehen, öffnen sich und entlassen<br />
ihre S<strong>am</strong>en. Nach und nach zerfallen<br />
die Zapfen noch <strong>am</strong> Baum<br />
– ganz an<strong>der</strong>s als bei Kiefern und<br />
Fichten, <strong>der</strong>en Zapfen als Ganzes<br />
vom Baum fallen. Meist haben<br />
sich dann die Zapfenschuppen<br />
schon geöffnet und die<br />
Baums<strong>am</strong>en sind heraus gefallen.<br />
Tannenzapfen sind nicht nur<br />
hübsche Herbst- und Weihnachtsdekoration,<br />
son<strong>der</strong>n können<br />
auch als Mini-Wetterstation<br />
Daumen runter: Bei <strong>der</strong> Fichte hängen die Zapfen
dienen: Bei trockenem Wetter<br />
(Sonnenschein) öffnen sich die<br />
Schuppen; wird es naß, schließen<br />
sie sich.<br />
Natürlich ist es jetzt noch viel zu<br />
früh, um nach einem geeigneten<br />
Christbaum Ausschau zu h<strong>alten</strong><br />
– zumal Ihr den ja auch nicht<br />
einfach aus dem Wald mitnehmen<br />
dürft, son<strong>der</strong>n kaufen müßt.<br />
Aber wenn Ihr bei Eurem nächsten<br />
Waldspaziergang einen Kie-<br />
Kleine Nadelbaum-Kunde<br />
Kieselchen<br />
fern- o<strong>der</strong> Fichtenzapfen findet,<br />
nehmt ihn doch mit nach Hause<br />
und legt ihn außen aufs Fensterbrett.<br />
Öffnet er sich, habt Ihr<br />
noch ein paar schöne Herbsttage<br />
vor Euch, schließt er sich, könnt<br />
Ihr getrost drinnen bleiben,<br />
denn es wird kühl und feucht.<br />
Euer<br />
Kieselchen<br />
Die Fichte ist <strong>der</strong> häufigste Nadelbaum Mitteleuropas. In<br />
Deutschland ist im Schnitt je<strong>der</strong> vierte Baum eine Fichte. Diese<br />
Bäume wachsen schnell, weshalb sie für die Holzwirtschaft interessant<br />
sind, und stellen keine großen Ansprüche an den Boden<br />
o<strong>der</strong> das Wetter. Eine rotbraune Borke umgibt den geraden,<br />
schlanken St<strong>am</strong>m. Äste zweigen von ihm stets zur Seite ab. Nur<br />
flache Wurzeln verankern die Fichte im Boden. Stürme werfen<br />
diese Bäume daher leicht um. Fichtenzapfen sind meist sehr auffällig<br />
und lang und hängen gut sichtbar <strong>am</strong> Baum. Fichtennadelextrakt<br />
verströmt als Badezusatz einen angenehmen Geruch und<br />
soll gegen Erkältungskrankheiten helfen.<br />
Die Waldkiefer wächst fast überall in Europa. Kiefern kann man<br />
leicht von Fichten o<strong>der</strong> Tannen unterscheiden, weil bei ihnen<br />
stets zwei Nadeln gemeins<strong>am</strong> aus den Zweigen wachsen. Waldkiefern<br />
werden bis zu 40 Meter hoch. Dicke Pfahlwurzeln und Seitenwurzeln<br />
verankern diese Bäume fest im Boden, so daß Stürme<br />
ihnen nicht viel anhaben können. Kiefernzapfen sind rundlicher<br />
und meist kleiner als Fichtenzapfen. Auch das Holz <strong>der</strong> Kiefer<br />
dient zum Möbelbau. Aus Kiefernharz stellt man Terpentinöl und<br />
Pinienöl her, das man für Seifen, Duftzusätze und Badezusätze<br />
verwendet.<br />
Tannen (Weiß- o<strong>der</strong> Edeltannen) mögen es gern etwas wärmer<br />
und sind daher relativ selten in heimischen Wäl<strong>der</strong>n anzutreffen.<br />
30 bis sogar 70 Meter hoch wachsen diese Nadelbäume und können<br />
bis zu 800 Jahre alt werden! Die Borke von älteren Weißtannen<br />
färbt sich weißlich-grau. Ihren N<strong>am</strong>en hat sie jedoch von ihren<br />
Nadeln: Oben sind sie dunkelgrün, auf <strong>der</strong> Unterseite tragen<br />
sie zwei weißliche, wachsgefüllte Linien. Weißtannen werden<br />
gern als Weihnachtsbäume genutzt. Aus ihren frischen Trieben<br />
kann man einen Tee bereiten, <strong>der</strong> gegen Husten helfen soll.<br />
Hellgrüne, sehr weiche Nadeln trägt die Lärche, die gern im Gebirge<br />
wächst. Sie liebt volles Sonnenlicht und bildet sehr wi<strong>der</strong>standsfähiges<br />
Holz. Im Herbst färben sich Lärchennadeln goldgelb<br />
und fallen ab.<br />
Die Eibe ist ein Nadelbaum mit ganz weichen Blättern, die man<br />
oft in Parks o<strong>der</strong> auf Friedhöfen findet. Früher fertigte man aus<br />
ihrem Holz Bögen und Armbrüste, deshalb waren Eiben sehr beliebt.<br />
Im Wald wachsen sie nur noch selten und meist nur als kleine<br />
Sträucher. Eiben tragen keine Zapfen wie ihre Nadelbaumgeschwister,<br />
son<strong>der</strong>n bilden rote S<strong>am</strong>enbecher, die wie Beeren<br />
aussehen.<br />
In den letzten Jahrzehnten hat <strong>der</strong> Mensch noch eine ganze Reihe<br />
von exotischen Nadelbäumen nach Europa importiert, zum Beispiel<br />
Douglasien. Sie sehen den Fichten recht ähnlich.<br />
rheinkiesel September 2005 • 21