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114 V. Von Peshawsr bis Cslcutta. Doch da rollte unser Zug heran, wir bestiegen den an seiner weissen Farbe erkenntlichen vollständig leeren Wagen erster Klasse, bemerkten im Halbdunkel nicht, dass alles in ihm mit einer dicken Staubschicht überzogen war, und ge langten in zehn Minuten nach Mathurä. Hier war durch das Bahnhofspersonal unsere Ankunft ruchbar geworden, und so wurden wir von einer Deputation empfangen, welche mit echt indischer Naivität berichtete, dass der ganze Äryasamäj in der Stadt versammelt sei, dass ein Wagen bereit stehe, um mich sofort dorthin zu bringen; man hoffe, dass ich ihnen heute Abend, wie ich es in Agra getan habe, einen Vortrag halten werde. „Aber, liebe Freunde," erwiderte ich, „es ist acht Uhr abends, wir haben seit Mittag nichts gegessen und sind beide müde von der Reise. Der Koch, den ihr dort in seiner weissen Schürze seht, drängt zum Abendessen; so wartet, bis wir schnell gegessen haben, dann will ich mit euch kommen, um eure Versammlung wenigstens in der Kürze zu begrüssen." Dieser Vorschlag fand Zustimmung; in fliegender Hast verzehrten wir unser Dinner und rollten sodann in dem höchst eleganten Wagen des reichen greshth Lakshman Das zur Versammlung. Unterdessen war es neun Uhr geworden; ich begrüsste die Anwesenden, lobte ihren Eifer und musste wohl oder übel versprechen, morgen nachmittag um fünf Uhr den ge wünschten Vortrag zu halten. Nach kurzem Abschiede führte uns der Wagen, der auch für den ganzen folgenden Tag uns zur Verfügung gestellt wurde, nach dem Bahnhofe zurück, und totmüde sanken wir auf die improvisierten Betten des Waiting Room. Am andern Morgen, als wir uns eben zum Frühstück setzen wollten, wurde eine neue Deputation gemeldet, welche von uns empfangen zu werden wünschte. Sie kämen, sagten sie, vom Dharmasamäj, welcher in dieser Stadt viel zahl reichere und angesehenere Mitglieder zähle. Ich möchte daher den für den Äryasamäj angekündigten Vortrag nicht
Mathurä. Indische Naivitäten. Ein Heilkünstler. H5 dort, sondern im Dharmasamäj halten. „Es mag ja sein", erwiderte ich, „dass eure Gesellschaft in dieser Stadt die angesehenere ist, und hätte ich es früher gewusst, so hätte das meine Entschliessungen beeinflussen können; jetzt aber kann ich nicht daran denken, das den andern gegebene Ver sprechen zu brechen." — Dann möchte ich, so meinten sie, noch einen zweiten Vortrag in dem Dharmasamäj halten. — „Es fällt mir nicht ein", antwortete ich, „wo ich Indien nur zu meinem Vergnügen bereise, in einer Stadt zwei Vorträge zu halten. Wollt ihr mich hören, so kommt heute um fünf Uhr zum Äryasamäj; ihr sollt alle willkommen sein." Damit schieden sie, und wir machten uns auf, um in Gesellschaft des Pandit Bäla Krishna, dem wir brieflich em pfohlen waren, und an den sich nachher noch andere schlössen, die Stadt zu besehen. Unterwegs befragte ich den Pandit nach seinem Studium. Er war Mediziner, d. h. er hatte den Ayurveda studiert und übte daraufhin eine ausgedehnte Praxis in der Gegend aus. „Was ist das Fieber?" fragte ich ihn. — „Das Fieber", sagte er, „ist eine falsche Mischung der drei Körpersäfte, Wind, Schleim und Galle." — „Wie heilt man dasselbe?" — Hier nannte er mit grosser Geläufigkeit eine erschreckende Menge von Drogen, welche zerkleinert und gemischt dem Kranken einzugeben seien. Unter diesen Gesprächen waren wir bei der Hauptsehens würdigkeit der Stadt, den Ghatta's, angelangt. Sie bestehen aus einem schön gepflasterten Promenadenwege und von ihm überall zum Flusse herabführenden, wohlbehauenen Treppen stufen und ziehen sich zwischen Fluss und Stadt in deren ganzer Länge hin. Treppen und Treppchen führten überall herab ins Wasser und zu den Badenden, anmutige Pavillons luden zum behaglichen Niedersitzen ein, Sagenreiche Bauten begleiteten das Ufer der Länge nach, wie denn z. B. ein stattlicher Turm an der Stelle gezeigt wurde, wo Kansa's Weib, nachdem Krishna diesen erschlagen, ihre Satt beging.
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Mathurä. Indische Naivitäten. Ein Heilkünstler. H5<br />
dort, sondern im Dharmasamäj halten. „Es mag ja sein",<br />
erwiderte ich, „dass eure Gesellschaft in dieser Stadt die<br />
angesehenere ist, und hätte ich es früher gewusst, so hätte<br />
das meine Entschliessungen beeinflussen können; jetzt aber<br />
kann ich nicht daran denken, das den andern gegebene Ver<br />
sprechen zu brechen." — Dann möchte ich, so meinten sie,<br />
noch einen zweiten Vortrag in dem Dharmasamäj halten. —<br />
„Es fällt mir nicht ein", antwortete ich, „wo ich Indien nur<br />
zu meinem Vergnügen bereise, in einer Stadt zwei Vorträge<br />
zu halten. Wollt ihr mich hören, so kommt heute um fünf<br />
Uhr zum Äryasamäj; ihr sollt alle willkommen sein."<br />
Damit schieden sie, und wir machten uns auf, um in<br />
Gesellschaft des Pandit Bäla Krishna, dem wir brieflich em<br />
pfohlen waren, und an den sich nachher noch andere schlössen,<br />
die Stadt zu besehen. Unterwegs befragte ich den Pandit<br />
nach seinem Studium. Er war Mediziner, d. h. er hatte den<br />
Ayurveda studiert und übte daraufhin eine ausgedehnte Praxis<br />
in der Gegend aus. „Was ist das Fieber?" fragte ich ihn.<br />
— „Das Fieber", sagte er, „ist eine falsche Mischung der<br />
drei Körpersäfte, Wind, Schleim und Galle." — „Wie heilt<br />
man dasselbe?" — Hier nannte er mit grosser Geläufigkeit<br />
eine erschreckende Menge von Drogen, welche zerkleinert<br />
und gemischt dem Kranken einzugeben seien.<br />
Unter diesen Gesprächen waren wir bei der Hauptsehens<br />
würdigkeit der Stadt, den Ghatta's, angelangt. Sie bestehen<br />
aus einem schön gepflasterten Promenadenwege und von ihm<br />
überall zum Flusse herabführenden, wohlbehauenen Treppen<br />
stufen und ziehen sich zwischen Fluss und Stadt in deren<br />
ganzer Länge hin. Treppen und Treppchen führten überall<br />
herab ins Wasser und zu den Badenden, anmutige Pavillons<br />
luden zum behaglichen Niedersitzen ein, Sagenreiche Bauten<br />
begleiteten das Ufer der Länge nach, wie denn z. B. ein<br />
stattlicher Turm an der Stelle gezeigt wurde, wo Kansa's<br />
Weib, nachdem Krishna diesen erschlagen, ihre Satt beging.