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JETZT Uni&Job - Stellenmarkt - Süddeutsche Zeitung

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STEFAN, 31, arbeitet<br />

als selbstständiger<br />

Grafikdesigner:<br />

„Während meines<br />

Kommunikationsdesignstudiums<br />

habe<br />

ich frei gearbeitet.<br />

Ich wusste nicht, was<br />

ich für meine Arbeit<br />

verlangen darf, und<br />

habe gesagt: Danke,<br />

dass du überhaupt an<br />

mich gedacht hast!<br />

Ich mache das total<br />

gern! Es macht mir<br />

schließlich Spaß! Um<br />

meinen Verdienst<br />

einzuordnen, habe<br />

ich abgewogen, wie<br />

viel ich verdienen<br />

würde, wenn ich<br />

stattdessen kellnern<br />

würde. Ein ganz<br />

falscher Ansatz. Mir<br />

hat es geholfen, ande ­<br />

re Grafiker zu fragen,<br />

wie viel sie für ihre<br />

Arbeit ver langen. Zur<br />

Not helfen auch<br />

Gehalts spiegel von<br />

Designverbänden.<br />

Mit diesen Fakten hat<br />

man vor dem Kunden<br />

eine Verhandlungsbasis.<br />

Die ersten<br />

Jahre sind trotzdem<br />

ein einziges Stolpern.<br />

Mal schießt man über<br />

das Angemessene<br />

hinaus, mal ist man<br />

viel zu günstig. Ich<br />

habe mich schon oft<br />

geärgert, wenn ich<br />

schüchtern einen<br />

Preis sagte und mein<br />

Gegenüber sofort<br />

einverstanden war.<br />

Hochpokern ist<br />

immer die bessere<br />

6 jetzt UNI & JOB Nr.02/11<br />

Anfang des Jahres hat die Grafikdesignerin<br />

Jessica Hische aus New York einen Entscheidungsbaum<br />

online gestellt, der mit der<br />

Frage „Should I work for free?“ beginnt. Hische<br />

beschreibt Szenarien, die jeder Grafikdesigner<br />

kennt: Ein Freund, ein Unternehmen oder eine<br />

soziale Einrichtung melden sich und fragen um<br />

einen kleinen Gefallen, vielleicht um die Gestaltung<br />

einer Einladungskarte, einer Website<br />

oder eines Flyers. Geld soll es nicht geben, aber<br />

vielleicht ja weitere Aufträge und auf jeden Fall<br />

ganz viel Ehre. Und schon hockt der Grafikdesigner<br />

im Dilemma. Soll er für lau arbeiten?<br />

Auf shouldiworkforfree.com dekliniert Jessica<br />

Hische alle Optionen durch. Meistens antwortet<br />

sie mit einem klaren „No“. Ihre Übersicht ist<br />

eine Ansage an alle, die denken, nur weil jemand<br />

seinen <strong>Job</strong> gern macht, könne man ihn<br />

ausbeuten.<br />

Viele Menschen haben den Link weitergegeben,<br />

offenbar finden nicht nur Grafiker die<br />

we sentlichen Fragen dahinter spannend. Was ist<br />

das eigene Können wert, wenn man gerade<br />

seinen Abschluss an einer Hochschule gemacht<br />

hat? Wie günstig darf man sich verkaufen?<br />

Ehe Frau Ocker und Frau Zimmermann dazu<br />

ein paar wichtige Sachen sagen, lohnt sich ein<br />

Blick in das Buch The Pleasures and Sorrows of<br />

Work, in dem der Philosoph Alain de Botton<br />

grundsätzliche Gedanken über das Wesen der<br />

Arbeit aufzeichnet. Er trifft zum Beispiel einen<br />

Maler, der jahrelang nichts anderes macht, als<br />

eine bestimmte Eiche zu malen. Der Maler<br />

studiert alle Einzelheiten: die Würmer am<br />

Boden, die sich durch die gefallenen Blätter<br />

fressen, oder das Licht, das sich jede Stunde<br />

anders in den Ästen bricht. Als nach langer<br />

Vorarbeit ein paar wenige Bilder des Malers<br />

fertig sind und in einer Galerie hängen, wundert<br />

sich Alain de Botton, wozu Menschen in<br />

der Lage sind. Der Mensch, stellt er fest, sei in<br />

der Lage, große Opfer zu bringen, bloß damit<br />

etwas entstehe, das anmutiger und schöner ist<br />

als der Mensch selbst. Der Philosoph bewundert<br />

den Maler für seine Arbeit und seine Ausdauer.<br />

Und doch bedauert er ihn. Der Eichenzeichner<br />

hat in den zwei Jahren seiner Arbeit<br />

vor dem Baum im Schnitt so viel Geld wie ein<br />

„erfolg loser Installateur“ verdient. Die Welt<br />

hält nicht immer einen fairen Gegenwert dafür<br />

bereit, wenn jemand etwas Wertvolles schafft<br />

oder einer Arbeit nachgeht, die ihn persönlich<br />

bereichert. Und da sind wir bei Irene Ocker.<br />

Sie gehört seit 25 Jahren zum Hochschulteam<br />

der Arbeitsagentur Göttingen und berät vor allem<br />

Geistes- und Sozialwissenschaftler (sie nennt sie<br />

liebevoll „meine Geister“). Immer wieder muss<br />

sie zwischen der Leidenschaft für ein Fach und<br />

dem Wert dieser Leidenschaft auf dem Arbeitsmarkt<br />

vermitteln. „Viele Geister haben ihr<br />

Fach nicht nach Vermarktungsgesichtspunkten<br />

gewählt, sondern aus Interesse. Das unterscheidet<br />

sie oft von Wirtschaftswissenschaftlern,<br />

und das ist auch sehr schön. Aber ein Romanist<br />

mit dem Schwerpunkt Französisch, der auch<br />

nach dem Abschluss noch zu mir kommt und<br />

unbedingt mit der Sprache arbeiten will, hat etwas<br />

übersehen. Die Sprache Französisch ist nur<br />

ein Mittel zur Arbeit. Der Romanist muss viel<br />

früher seinen Berufsnavigator einschalten und<br />

sich fragen: Wo will ich einmal die Sprache einsetzen?<br />

Im Marketing eines Unternehmens? Im<br />

Vertrieb? In der Erwachsenenbildung?“ Einmal<br />

kam ein Fremdsprachenphilologe in die<br />

Beratungsstelle, der während seines Studiums<br />

nicht ein einziges Mal im Ausland war. „Das<br />

wirft Fragen auf“, sagt Irene Ocker.<br />

Blöd ist das schon. Aristoteles zum Beispiel<br />

definierte Arbeit als eine niedere Angelegenheit.<br />

Wer etwas auf sich hielt und es sich vor allem<br />

leisten konnte, hing den ganzen Tag nur<br />

rum und dachte nach. Irgendwann erhoben<br />

dann die ersten Christen ihre Stimme und behaupteten,<br />

dass nur jene in den Himmel kommen,<br />

die sich von früh bis spät plagen. Mit der<br />

Renaissance schließlich, so schreibt Alain de<br />

Botton, wurde ein neuer Gedanke populär. Die<br />

Menschen fragten sich zum ersten Mal, ob es<br />

nicht super wäre, wir würden bei der Arbeit<br />

auch noch Spaß haben. Noch heute hängen wir<br />

dieser Idee an. Wir sind eine Arbeitsgesellschaft,<br />

Arbeit bestimmt einen großen Teil unseres<br />

Lebens und unserer Zufriedenheit. Deshalb<br />

flehen die Berufsberater die Schüler so<br />

sehr an, sich ein Fach zu suchen, das ihnen entspricht.<br />

Deshalb bittet Frau Ocker die Studenten<br />

darum, den Kopf aus den Büchern zu heben<br />

und sich einen Weg in den Arbeitsmarkt zu<br />

überlegen. „Sie müssen schon früh im Studium<br />

einen roten Faden auslegen, an dem entlang sie<br />

Alternative. Das<br />

Gespräch ist nicht<br />

sofort beendet,<br />

nur weil du zu viel<br />

ver langst. Schlecht<br />

bezahlte Projekte<br />

nehme ich inzwischen<br />

nur noch an, wenn<br />

sie von Freunden<br />

stammen, die mir<br />

schon mal behilflich<br />

waren. Ich habe auch<br />

mal unentgeltlich<br />

eine Webseite für<br />

eine Kneipe gemacht.<br />

Bis heute bekomme<br />

ich dort Freibier. Das<br />

macht schon Spaß –<br />

aber reich macht es<br />

einen nicht. Es gibt<br />

den Punkt, an dem<br />

man eine realistische<br />

Rechnung aufstellen<br />

muss: Wie finanziere<br />

ich mein Leben? Wie<br />

viel Zeit habe ich für<br />

unbezahlte Projekte?<br />

Hab ich überhaupt<br />

Lust darauf? Wann ist<br />

einfach mal Schluss?“<br />

MORITZ, 26, arbeitet<br />

seit seinem Abitur als<br />

Steward: „Es war gar<br />

nicht geplant, diesen<br />

<strong>Job</strong> nach meinem<br />

Abitur länger als ein,<br />

zwei Jahre zu<br />

machen. Ich wollte<br />

bloß raus in die Welt.<br />

Und plötzlich habe<br />

ich mehr verdient als<br />

die meisten anderen<br />

Leute in meinem<br />

Umfeld. Im Vergleich<br />

mit ihnen habe ich

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