JETZT Uni&Job - Stellenmarkt - Süddeutsche Zeitung
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1. DER VERRÜCKTE<br />
So verhält er sich: Der Verrückte ist zum Unglück seiner Untergebenen<br />
unberechenbar. Mal gefällt er sich in der Pose des Unruhestifters, mal<br />
will er mit seinem brillanten Mutterwitz punkten und wird dabei unverschämt.<br />
Aus Routinemeetings macht er im Alleingang unvergessliche<br />
Momente der Konzerngeschichte. Wenn dabei mal eine Glastüre zu<br />
Bruch geht, dann ficht das diesen Menschen wenig an. Schließlich hat er<br />
eines im Überfluss: Selbstbewusstsein. Dass er angesichts seiner geistigen<br />
Verfassung überhaupt noch einigermaßen funktioniert, hat er allein<br />
seiner kampferprobten Assistentin zu verdanken.<br />
Der übliche Satz: „Wissen Sie, wie sehr mich der Anblick Ihrer grauen<br />
Gesichter anödet? Ja? Warum tun Sie dann nichts dagegen?“<br />
So isst er zu Mittag: Da sich der Verrückte nicht ganz zu Unrecht im<br />
Lauf der Jahre einen Verfolgungswahn zugelegt hat, beschränkt er sich<br />
bei der Nahrungsaufnahme auf luftdicht abgepackte Sandwiches, die er<br />
am Rechner sitzend verdrückt, während er sich beinahe erfolgreich<br />
davon abzuhalten versucht, seine Lieblingswebsites erotischer Natur<br />
abzusurfen.<br />
Warum macht der das? Der Verrückte war nicht immer so. Vermutlich<br />
galt er seinen Vorgesetzten eine Zeit lang als grenzwertig ins Geniale<br />
spielend, als noch niemand so genau merkte, dass seine Furchtlosigkeit<br />
sehr viel mit seinen Wahnzuständen und ganz wenig mit echtem Mut zu<br />
tun hat.<br />
Kann man da was machen? Man muss auf die Vernunft der Oberbosse<br />
hoffen, denen man durchaus auch mal einen Wink geben kann. Die<br />
aller größte Pflicht bei einem verrückten Chef ist es aber, ihn und seine<br />
Anweisungen keinesfalls ernst oder gar anzunehmen und Aufträge immer<br />
nur nach Rücksprache mit der zweiten Reihe anzunehmen. Denn<br />
die sonst so verhassten Hierarchien im <strong>Job</strong> haben immerhin einen Vorteil:<br />
Sie gleichen eine ganze Weile auch solche Totalausfälle aus. Bis es<br />
den Untergebenen zu bunt wird und sie eine Revolution anzetteln.<br />
2. DER EHRGEIZLING<br />
So verhält er sich: Der Ehrgeizling ist nicht zufällig auf diesen Posten<br />
gepurzelt. Es war sein Plan. Er hat in der Mittelstufe das Double Feature<br />
Wall Street und American Psycho gesehen und am Tag darauf seinen<br />
Schulranzen gegen eine Aktentasche getauscht und sich Hosenträger<br />
zugelegt. Er versteht nicht, wie andere Menschen ihr Leben vertändeln,<br />
pünktlich Feierabend machen und womöglich einen Betriebsrat gründen<br />
wollen – ein Ansinnen, das ihm ähnlich absurd erscheint wie das<br />
Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens. Er ist um acht Uhr<br />
der Erste am Schreibtisch und zwölf Stunden später der Letzte, der vom<br />
Pförtner verabschiedet wird. Er bringt unter der Woche volle Leistung,<br />
und am Wochenende widmet er sich aktiv seiner attraktiven Frau und<br />
den beiden wohlgeratenen Kleinkindern.<br />
44 jetzt UNI & JOB Nr.02/11<br />
1.<br />
VON CHRISTINA WAECHTER / TEXT & KATHARINA BITZL / ILLUSTRATION<br />
Kenn den<br />
Es gibt nur fünf verschiedene Cheftypen auf der ganzen Welt. Hier sind sie.<br />
Der übliche Satz: „Die gute Nachricht: Die Zahlen sind da, und sie sind<br />
im Vergleich zum Vorjahresquartal um das Fünffache gestiegen. Die<br />
schlechte Nachricht: Das reicht mir nicht.“<br />
So isst er zu Mittag: Der Ehrgeizling könnte gut ohne Mittagessen auskommen,<br />
schließlich hat er seine Diät fast ganz ohne Nebenwirkungen<br />
auf Multivitamin-Shakes und Muskelaufbaupräparate umgestellt. Aber<br />
Networking ist nicht weniger wichtig als eine ansehnliche Figur, also<br />
verabredet er sich täglich mit abteilungsfremden Entscheidungsträgern,<br />
die ihm eines Tages nützlich werden könnten. Dazu gibt es dann saisonalen<br />
Salat oder eine klare Suppe, das belastet den Körper nicht.<br />
Warum macht der das? Der Ehrgeizling will etwas erreichen, denn das<br />
Sein an sich reicht ihm nicht. Dieses „Etwas“ kann er zwar jetzt auch<br />
nicht auf Anhieb definieren – aber muss er das denn? Manchmal hat er<br />
das Gefühl, einfach schneller zu leben als alle anderen. Und manchmal<br />
glaubt er, ihm fehle einfach nur so etwas wie der Sinn seines Lebens.<br />
Aber dann nimmt er eine Schlaftablette und vertagt diese fragwürdigen<br />
Gedanken auf nach der Rente.<br />
Kann man da was machen? Selten, aber hin und wieder kommt es zu<br />
einer großartigen Verquickung, und der Ehrgeizling stellt sich als guter<br />
Chef heraus – als einer, der seine Mitarbeiter motivieren kann und neben<br />
seinem eigenen Fortkommen auch das seines Teams im Blick hat. Die<br />
große Mehrheit der Chefs mit Ehrgeiz ist allerdings fast ausschließlich<br />
an der eigenen Karriere interessiert. Also muss der Angestellte schauen,<br />
wo er bleibt – mithilfe exzessiver Eigenwerbung und der gewissenhaften<br />
Imitation der Chef-Verhaltensweisen. Wem das zu anstrengend ist, der<br />
kann versuchen, sich so lange unauffällig zu verhalten, bis der Ehrgeizling<br />
wegbefördert wurde.<br />
3. DER WITZIGE<br />
So verhält er sich: Der Witzige ist nicht ganz freiwillig Chef geworden<br />
und weiß bisweilen immer noch nicht, was er da jetzt soll – an diesem<br />
Schreibtisch im Einzelbüro. Lieber bringt er das Betriebsklima auf<br />
Temperatur, streift über den Gang und verteilt gute Laune.<br />
Der übliche Satz: Besteht aus einem kommentarlos per Mail gesandten<br />
Link auf ein sehr niedliches Babytier-fällt-aus-Versehen-in-Erdloch-<br />
Video.<br />
So isst er zu Mittag: Der Witzige mag es am liebsten, wenn was los ist.<br />
Also begibt sich die ganze Abteilung im Rudel zu Tisch. Dort wird<br />
dann gnadenlos alles kommentiert: die Wahl der Speisen, das Essenstempo,<br />
die Kleidung der Kollegen und selbstverständlich auch die aller<br />
anderen Kantinenbesucher.<br />
Warum macht der das? Wenn der witzige Chef auf eines keine Lust hat,<br />
dann sind das Konflikte. Die hasst er, seitdem seine Eltern ihm die<br />
unbeschwer ten Schweden-Sommerferien mit ihrem Gestreite versaut haben.<br />
Also versucht er, jegliches Konfliktpotenzial im Keim zu ersticken.<br />
Seine Waffe dabei sind der nie enden wollende Strom witziger Anekdoten<br />
aus seiner Adoleszenz und der unbedingte Wille, die Augen ganz fest<br />
vor allem zu verschließen, was nach Ärger aussehen könnte.<br />
Kann man da was machen? Solange du deine Arbeit machen kannst<br />
und die Konfliktvermeidungsstrategie deines Chefs dich nicht daran<br />
hindert – muss man da überhaupt etwas machen?