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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Am Abend besuche ich Hans aus Hamburg in seinem Hotel, obwohl mir mein Körper sagt, dass ich<br />
unbedingt schlafen gehen sollte. Kraftlos quäle ich mich die vielen Treppenstufen nach oben zu<br />
seinem Hotel. Hans freut sich über meinen Besuch und wir sitzen bis Mitternacht auf der Terrasse mit<br />
tollem Ausblick auf die in der Dunkelheit liegenden Yungas. Hans erzählt mir, dass er schon seit<br />
Feuerland mit dem Fahrrad unterwegs ist. Und das in seinem stattlichen Alter von 63 Jahren! Gleich<br />
nachdem er Rentner geworden ist, hat er sich auf den Weg gemacht seinen lange gehegten Traum zu<br />
erfüllen, gegen den Willen seiner Frau, was wohl das Beachtlichste an der ganzen Sache ist. Er ist im<br />
Januar losgefahren und möchte es bis zum Dezember nach Venezuela geschafft haben.<br />
Als ich zurück zu meinem Hotel gehe, stehe ich dort vor verschlossenen Türen! So ein Mist! Lange<br />
stehe ich am Eingang und drücke auf die Klingel, ohne dass irgendeine Reaktion folgt. Ich klettere<br />
über Mauern und schleiche mich um das ganze Hotel, um einen Eingang zu finden. Es ist unfassbar!<br />
Selbst die Hintertüren sind von innen mit dicken Kettenschlössern gesichert! Ich benutze meine<br />
Kamera als Taschenlampe und schleiche wie ein Dieb durch das ganze Gebäude. Die einzigen<br />
geöffneten Türen führen mich in zwei modrig riechende Schlafkammern für das Personal, wo ich<br />
allerdings niemanden antreffe. Ich finde eine morsche Leiter und denke schon daran so in das Hotel<br />
zu kommen. In einem nahe gelegenen Häuschen brennt noch Licht. Entnervt klettere ich über dessen<br />
Mauer und klopfe an die Tür. Ich habe Glück, dass der Hausmeister hier wohnt. Verdutzt öffnet er die<br />
Tür und fragt mich was denn los sei. Aus dem Inneren des Hauses kommt eine müde Frauenstimme:<br />
"¿Quien es?". "Nur ein Gringo." antwortet er ihr. Na, vielen Dank auch!<br />
Ich erkläre ihm die Lage und nachdem er sich selbst davon überzeugt hat, dass der Nachtportier nicht<br />
öffnen will, holt er den Kellner, der auch in der Nähe wohnt. Der wiederum weckt durch ein Fenster die<br />
Chefin und die wiederum weckt den schlafenden Nachtportier. Nach einer Weile öffnet dieser mir mit<br />
Kissenfalten im Gesicht die Tür. Wenn ich nicht selbst total müde wäre, hätte ich ihn als unfähiges<br />
"sonstwas" beschimpft. Ich bin zu nichts mehr zu gebrauchen und falle ohne vorher die Zähne zu<br />
putzen ins Bett.<br />
Ausblick vom Hotel<br />
An den folgenden beiden Tagen liege ich fast nur im Bett. Ich habe mir eine üble Magen-Darm-<br />
Infektion zugezogen, fühle mich kraftlos und habe das Gefühl Glasscherben scheißen zu müssen.<br />
Während der Hausmeister meine ständig fließende Dusche repariert, liege ich nur im Bett und kann<br />
ihm keines Blickes würdigen. Ich schaffe es nur mit schweren Beinen bis zum Frühstückstisch und<br />
verziehe mich gleich danach wieder ins Bett. Am ersten Tag quäle ich mich schwitzend bis zu Hans'<br />
Hotel. Wir gehen mit einer deutschen Motorradgruppe in dem gegenüberliegenden Restaurant essen,<br />
welches von einem Deutschen geführt wird. Ich bekomme nur einen Kamillentee und ein halbes Bier<br />
herunter und muss mich danach fast übergeben, als die Anderen die Nudelgerichte serviert<br />
bekommen. Lieber gehe ich wieder zurück ins Hotel. Hans hat sich dazu entschieden noch einen Tag<br />
länger mit der Abreise zu warten. Wir haben sowieso das gleiche Ziel und können zusammen<br />
weiterfahren.<br />
Am nächsten Tag geht es schon etwas besser mit dem Laufen und ich schaffe es vorm Hotel mein<br />
Fahrrad mit dem Gartenschlauch zu waschen. Dabei spricht mich eine Engländerin an, ob wir uns<br />
nicht kennen würden. Ich kann ihr Gesicht zuerst nicht einordnen, dann fällt es mir wie Schuppen von<br />
den Augen. Ich kenne sie aus San Pedro in Chile! Es ist echt verwunderlich, wie oft ich auf dieser<br />
Reise noch Menschen wieder treffen werde, die ich eigentlich von ganz woanders kenne.<br />
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