Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
der Asphalt ist glatt und würde beim Ausrutschen kaum Halt bieten; Leitplanken gibt es natürlich nicht.<br />
Teilweise fahren sie so schnell, dass es mich nicht wundern würde, wenn am Ende des Tages die<br />
Hälfte der Gruppe als "Kollateralschaden" eine Klippe heruntergeplumst wäre. Vielleicht bin ich auch<br />
etwas hochnäsig da ich schon so viele Kilometer hier in Bolivien auf dem Rad zurückgelegt habe,<br />
aber irgendwie meine ich die Kräfte in meinem Fahrrad doch wirklich besser einschätzen zu können,<br />
wenn ich mir das so ansehe.<br />
So wäre ich schnell der Letzte in der Truppe, wenn da nicht zwischendurch ein paar Anstiege wären,<br />
an denen ich die anderen mühelos überhole. Einige fangen schon zu quengeln an - sie wären am<br />
liebsten den ganzen Tag bergab gefahren - wie es der Werbeprospekt verspricht. Ein französisches<br />
Pärchen setzt sich sogar wieder in den Wagen, bis die Anstiege vorbei sind. Tolle Sportsfreunde! So<br />
langsam bin ich an mir am zweifeln, was mich geritten hat, an einer solchen organisierten Tour<br />
teilzunehmen. Nun gut, es hat auch seine Vorteile. Schließlich kann ich mein Gepäck in unserem<br />
Begleitwagen lassen, während die Straße immer gefährlicher wird und ich bekomme Verpflegung<br />
gestellt. Das war zwar eigentlich nicht so abgemacht aber unsere beiden Reiseleiter scheinen nichts<br />
davon zu wissen. Da sage ich nicht Nein...<br />
Noch einmal geht es durch eine Drogenkontrolle der Armee und kurz danach beginnt der<br />
spektakulärste Teil der Yungas.<br />
Wo der Asphalt endet, stehen wir an einer Klippe und blicken in diesige Wolken hinunter. Die Tiefe<br />
der Schlucht können wir nur erahnen. Die Yunga-Straße wurde übrigens ursprünglich von den Inkas<br />
gebaut, um ihrem Reich eine Verbindung in das Amazonas-Tiefland zu geben. Und auch heute noch<br />
ist sie die einzige Straße, die La Paz mit dem Tiefland verbindet, somit herrscht in diesem Nadelöhr<br />
natürlich eine Menge Verkehr.<br />
Auf einer Piste, die ursprünglich für den Warentransport mit Lamas konzipiert war, brettern nun<br />
Lastwagen und Busse in halsbrecherischem Tempo auf und ab. Um wenigstens ein wenig "Ordnung"<br />
in diesen Verkehr zu bringen, hat man beschlossen, die herabfahrenden Fahrzeuge links fahren zu<br />
lassen - am Klippenrand - und bergauf fahrender Verkehr hat Vorrang. An vollkommen<br />
unübersichtlichen Stellen fungieren Menschen als Ampeln. Sie halten ein mit Plane bespanntes Holz<br />
nach oben, das auf der einen Seite grün, auf der anderen Seite rot ist. Sobald man Rot auf seiner<br />
Seite hat, sollte man schnell die nächste Ausweichstelle erreicht haben oder sich mit dem Fahrrad an<br />
die rechte Felswand schmiegen, da in Kürze ein LKW oder ein Bus die Straße hochgebrettert kommt.<br />
Es wirkt wie ein Wunder, dass die Straße - die sich so eng in die Steilwand schmiegt - nicht unter dem<br />
vielen Verkehr längst in die Tiefe gestürzt ist, doch genau dieses Schicksal hat schon viele Busse und<br />
LKWs ereilt, aber auch scheinbar ein paar Radfahrer. An einigen Stellen hat man noch Platz gefunden<br />
Kreuze aufzustellen, wovon es so einige gibt. Auf diesen Kreuzen sieht man oft Namen von<br />
Deutschen, Neuseeländern, Schweizern, Niederländern und Engländern, die hier im Laufe der Jahre<br />
in die Tiefe gestürzt sind. Manchmal wage ich einen Blick in die Tiefe, doch dort unten lassen sich<br />
keine Wracks erkennen. Man sieht nur dichten Urwald, der sicher alle Spuren eines Unfalls schnell<br />
überwuchert hat.<br />
Urwald! Nach den öden Wochen in der Atacama und auf dem Altiplano sehe ich endlich einmal wieder<br />
dichte Wälder. Farne bedecken die feuchten Steilwände und überall krallen sich die Bäume und<br />
Büsche mit ihren kräftigen Wurzeln fest.<br />
- 74 -