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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Ich weiß nicht, was ich mir von dieser Stadt versprochen habe, aber meinen Erwartungen von einer<br />
"Stadt" wird sie nur wenig gerecht. Alles wirkt immer noch sehr dörflich. Um nicht von den Leuten total<br />
verdutzt angesehen zu werden, was sowieso schon der Fall ist, nehme ich lieber den Helm ab und<br />
fahre über breite staubige Straßen ins Zentrum. Verkehr gibt es praktisch keinen. Nur selten sieht<br />
man ein Auto und wenn, dann ist es meist ein Touristenjeep, ein Bus oder ein Camión (kleiner LKW).<br />
Die Straße gehört mir.<br />
Ich möchte wenig Zeit hier verbringen. Zuviel Zeit habe für die schlechten Pisten im Süden Boliviens<br />
verbraucht und ich möchte unbedingt noch etwas vom Dschungel und dem Tiefland Boliviens sehen.<br />
Von daher habe ich mich entschlossen von hier nach La Paz einen Bus zu nehmen.<br />
Der Besitzer des Hostals an der Bushaltestelle kommt auf mich zu und spricht mich freundlich an. Ich<br />
könne mein Rad für 2 Bolivianos (ca. 25ct) bis heute Abend bei ihm abstellen, er würde drauf<br />
aufpassen. Außerdem fährt er heute Abend auch nach La Paz und hilft mir beim Kauf eines<br />
Bustickets. Danach bekomme ich in seiner Küche einen wundervollen Bananen-Shake für nur 2<br />
Bolivianos. Ich genieße nach langer Zeit mal wieder die Annehmlichkeiten einer "Stadt", gehe essen,<br />
ins Internet-Café und verschicke Postkarten, die ich schon vor zwei Wochen in Chile geschrieben<br />
habe, aber auf dem Weg hierher nirgends abschicken konnte. Außerdem lasse ich den Stempel in<br />
meinen Reisepass auf 90 Tage verlängern. Dafür brauche ich vier Kopien und wie es der "Zufall" zu<br />
will ist gleich neben der Migración ein Copyshop. Für 4 Kopien will man 80 haben. Ziemlich teuer,<br />
denke ich mir. Aber ich habe mich schon damit abgefunden, dass man mich hier übers Ohr hauen<br />
wird, wenn schon die Aufenthaltsverlängerung nichts kostet. Der Verkäufer sieht mich ziemlich<br />
verdutzt an, als ich ihm 100 Bolivianos (12,50 EUR) in die Hand drücke: "Geht es nicht auch etwas<br />
kleiner?" fragt er verklemmt. "Wieso, die wollten doch 80 Bolivianos haben, oder?" antworte ich<br />
gereizt. Der Verkäufer kommt ins Lachen und klärt mich auf, dass er nur 80 Centavos haben wollte.<br />
10 Cent!<br />
Gegen 20 Uhr geht es mit einiger Hektik in den vorm Hostal stehenden Bus. Mein Rad und das<br />
Gepäck bekommen sogar ein eigenes Gepäckfach und ich muss keinen Aufschlag bezahlen. Zur<br />
Vorsicht - denn ich habe schon viel Schlimmes über Diebstahl in den bolivianischen Bussen gelesen -<br />
schließe ich mein Rad im Gepäckraum fest.<br />
Der Bus ist gar nicht so kalt, wie es alle Leute behauptet haben. Dafür gibt es gar keinen Platz, denn<br />
die Passagiere "kuscheln" dicht gedrängt aneinander. Neben mir sitzt eine Frau mit Kleinkind, das im<br />
Schlaf immer wieder auf mich rutscht und im Gang links von mir sitzt ein Jugendlicher, der ganz<br />
fasziniert von meiner Ausrüstung ist. Ganz besonders toll findet er meine LED-Stirnlampe und kann<br />
es gar nicht glauben, dass die mit einem Satz Batterien 2 Wochen lang brennen soll. Als<br />
Gegenleistung leiht er mir seinen Discman, der die Schlaglöcher, durch die der Bus fährt, besser<br />
verkraftet als meiner. Und wiederum als Gegenleistung stelle ich meine Kopfhörer, Batterien und CDs<br />
zur Verfügung. Denn der Junge ist zwar ganz stolz auf seinen Discman, hat allerdings weder CDs,<br />
Batterien oder Kopfhörer. Jetzt müsse er sich nur die noch Kopfhörer zulegen, sagt er mir fröhlich.<br />
Unser Musikgenuss wird allerdings durch den halsbrecherischen Fahrstil des Busfahrers und die<br />
schlechte Fahrbahn getrübt. Und um das alles noch zu toppen, lässt er den ganzen Abend über seine<br />
plärrenden bolivianischen Songs über den Buslautsprecher laufen. Zum Schlafen komme ich<br />
jedenfalls nicht...<br />
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