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Tanz im Sand<br />
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Exkurs: Eine Bevölkerung für sich...<br />
Mit geduldigem Blick sitzt sie da. Zum Schutz vor Kälte hat sie eine warme Decke<br />
über ihre Beine geworfen. Ihre wachen Augen stehen im Kontrast zu ihrem tief<br />
von Falten durchfurchten und wettergegerbtem Gesicht. Vor sich hat sie ein<br />
Häufchen Kokablätter auf dem Boden liegen, dass sie in kleinen Tütchen zum<br />
Kauf anbietet. Sie gehört zu der sehr großen Gruppe der Marktverkäufer.<br />
Menschen, die mit ihrem Verdienst nur sparsam überleben können.<br />
Die Bolivianische Gesellschaft ist einzigartig. Im Gegensatz zu den Einwohnern<br />
der anderen amerikanischen Länder sind die meisten der Einwohner Boliviens<br />
indianischer Abstammung. Nachkommen der großen Inkareiche, deren zähe<br />
Einwohner oftmals erfolgreich gegen die spanischen Conquistadores Widerstand<br />
leisten konnten. Ihre Abgeschiedenheit und Härte hat sie durch die Ausrottung<br />
durch die europäischen Eroberer bewahrt, die an den südamerikanischen Küsten<br />
und besonders in Nordamerika nahezu jede Präsenz indianischer Kultur<br />
gnadenlos vernichtet haben. So sind sagenhafte 92% der Bolivianer indianischer<br />
Abstammung, 65% davon sogar reine Nachkommen. Zum Vergleich: In den USA<br />
sind dies nur 0,7% ! In vielen Landesteilen werden immer noch die kehlig und hart<br />
klingenden Inkasprachen Quechua und Aymara gesprochen - Spanisch gilt für<br />
viele Menschen immer noch als Zweitsprache.<br />
Somit hat sich Bolivien nur wenig vom "Westen" beeinflussen lassen. Viele<br />
Gebräuche sind für uns unverständlich, wie z.B. das einmauern von<br />
glücksbringenden Lamaföten in die eigenen vier Wände. Die Menschen wurden<br />
im Laufe der Jahrhunderte zwar christianisiert, doch gibt es nur geringen Einfluss<br />
aus Rom und die Religion stellt eine Mischung aus altem Geisterglauben, dem<br />
Glauben an Pachamama (Mutter Erde) und dem katholischen Glauben dar.<br />
Ein beliebtes Fotomotiv der Touristen sind die Frauen in ihren breiten Kleidern<br />
und ihren runden Hütchen auf dem Kopf. Immer noch wird diese Kleidung als die<br />
ursprünglich indianische Kleidung missverstanden, doch alles ist viel<br />
komplizierter. Die heutige "traditionelle" Kleidung der Frauen wurde den Indígenas<br />
einst von den spanischen Conquistadores aufgezwungen, um ihnen ein weiteres<br />
Stück ihrer eigenen Kultur zu nehmen. Sie entspricht der Kleidung einer<br />
spanischen Bäuerin des 16. und 17. Jahrhunderts aus den Provinzen Sevilla und<br />
Extremadura. Auf dem Land tragen sogar die heranwachsenden Mädchen schon<br />
diese Kleidung. Sie haben alle lange schwarze Haare, die oftmals zu Zöpfen<br />
geflechtet sind. Die Jungen und Männer haben fast allesamt eine "Pottfrisur". Von<br />
der "internationalen" MTV-Kultur ist hier praktisch nichts zu spüren...<br />
Tief eingemollt liege ich unter vielen Filzdecken, als um 5 Uhr in der Dunkelheit die Reisegruppe<br />
aufbricht. Ich bemerke, dass ich wieder eine total verstopfte Nase habe. Beim Schnäuzen ins<br />
Taschentuch spüre ich eine warme Flüssigkeit, die auf meine Hand läuft und sich nicht aufhalten<br />
lässt. Ich bin total verwirrt und kann überhaupt nicht verstehen, warum mir mein Schnupfen plötzlich<br />
wie ich Bächen aus meiner Nase läuft. In der Dunkelheit kann ich nichts sehen und erst, als ich<br />
endlich meine Taschenlampe gefunden habe, klärt sich der Fall. Meine Hand, die ich unter diese<br />
Nase gehalten habe, ist blutüberlaufen und das Taschentuch ist inzwischen auch dunkelrot und trieft<br />
nur so vor Blut. Hastig hole ich weitere Taschentücher aus der Packung und halte sie unter die Nase<br />
bis der Spuk vorbei ist. Ich besinne mich wieder und frage mich, wie das plötzlich kommt. Ich habe<br />
noch nie Nasenbluten gehabt. Erschöpft schlafe ich wieder ein.<br />
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