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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Über eine kleine Holperpiste fahre ich wieder auf die Straße zurück. Zu allem Unglück hat der Wind<br />
über Nacht gedreht und kommt nun direkt von vorne. Gestern habe ich gar nicht bemerkt, wie kräftig<br />
der Wind hier in der Wüste ist und bin selbst längere Anstiege locker mit 20 km/h bergauf gefahren.<br />
Heute bekomme ich das totale Gegenteil zu spüren. Fast den ganzen Tag über liegt meine<br />
Geschwindigkeit zwischen 8 und 16 km/h. Solche Anstiege, die ich gestern locker "hinaufgeschoben"<br />
wurde, bemerke ich erst heute! Denn die Anstiege sieht man hier in der Weite der Wüste gar nicht!<br />
Auf scheinbar ebener Fläche geht es dann ständig bergauf und der Wind kann einem mit voller Kraft<br />
entgegensetzen.<br />
Bei einer der Ruinenstädte winkt mir ein kleiner Junge mit seinen Eltern fröhlich zu. Einige Zeit später<br />
überholen sie mich in ihrem klapprigen Chevrolet Pickup. Der Vater steigt aus und erzählt mir einiges,<br />
was für mich sehr unverständlich ist, da er leider eine sehr undeutliche Aussprache hat. Ich verstehe,<br />
dass er es in seiner Jugend einmal mit dem Fahrrad in 6 Stunden von Calama nach Antofagasta und<br />
umgekehrt in 9 Stunden geschafft hat - sicher als Rennradler. Davon kann ich heute nur träumen.<br />
Nach einer Weile bin ich bin ernsthaft am zweifeln, wie ich die 95 Kilometer heute bis nach Calama<br />
vor der Dunkelheit schaffen soll. Es geht einfach nicht vorwärts. Die Kommune Sierra Gorda sehe ich<br />
wie so vieles lange vor meiner Ankunft. Von hier aus wird es absolut keine Abwechslung mehr geben.<br />
65 Kilometer habe ich hinter Sierra Gorda noch zu fahren - nicht einmal Ruinen gibt es dort. Ein<br />
kleiner Junge auf seinem Mountainbike fragt mich, wo ich denn herkomme. Aus Antofagasta sage ich<br />
ihm. Nun ja, genauer aus Deutschland per Flugzeug, korrigiere ich mich. Dass ich mit dem Flugzeug<br />
nach Chile gekommen bin, findet er scheinbar viel cooler als dass ich mit dem Rad durch die Atacama<br />
fahre...<br />
Von Sierra Gorda aus sehe ich bereits einen Anstieg in der Ferne. Die Strasse verliert sich im<br />
Nirgendwo. Stunden später habe ich das "Nirgendwo" erreicht, das von Sierra Gorda aus für mich der<br />
Horizont war - über 20 Kilometer und unglaubliche Anstrengungen später. Scheiß Gegenwind! Nun<br />
wäre ich drauf und dran meinen Radlerstolz hinzuschmeißen und in den nächstbesten Wagen zu<br />
steigen, wo mir eine Mitfahrgelegenheit angeboten wird. Natürlich bietet sich eine solche Möglichkeit<br />
nie, wenn man sie wünscht. Die Langeweile auf dieser Strecke ist einfach unglaublich. Zwei Tage<br />
lang einer einzigen Asphaltstrasse folgen zu wollen - wie kann man nur so dumm sein??? Anfangs<br />
habe ich mir noch gesagt, dass ich alle 10 Kilometer einen Zwischenstopp einlegen werde. Im<br />
Endeffekt stoppe ich mindestens alle 5 Kilometer, um der Langeweile zu entgehen und dem<br />
schmerzenden Hintern (trotz neuer Radhose) eine Erholung zu gönnen.<br />
Wahnsinns Ausblick? Zum wahnsinnig werden, ja...<br />
Nach unendlichen Qualen bin ich endlich so weit oben, dass ich einen schönen Ausblick bis nach<br />
Calama und die dahinter liegenden schneebedeckten Vulkangiganten der westlichen Andenkordillere<br />
habe. Ich stoppe kurz, um ein Foto zu machen. Der Fahrer des klapprigen Chevrolets von heute<br />
Morgen kommt wieder an mir vorbei und sagt mir, dass es nun nur noch 32 Kilometer bis Calama<br />
seien. Und: Was viel wichtiger für mich ist. Es geht teilweise leicht bergab und ich habe nach einer<br />
Kurve endlich Rückenwind! Natürlich kommt Calama nicht so schnell näher wie es der Blick<br />
vortäuscht, doch das zählen der Kilometer und Meter auf dem Fahrradcomputer (fast die einzige<br />
Abwechslung für mich heute) verläuft schon wesentlich schneller als am Vormittag. Die<br />
Reklameschilder beginnen wieder und ich verwechsle eines von ihnen aus der Ferne mit dem eines<br />
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