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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Traum Südamerika<br />
Vom 27. Mai bis zum 18. August 2003<br />
Per Fahrrad, Bus, Flugzeug, Boot, Bahn,<br />
Wüstenbuggy, Pick-Up und zu Fuß quer durch<br />
Chile, Bolivien, Perú und Venezuela.<br />
Vom eisigen Altiplano in die Hitze der Karibik...<br />
© 2003 by Sascha Normann<br />
www.FietsPad.De<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
"Verschiebe nicht auf morgen, was auch bis übermorgen Zeit hat."<br />
- 2 -<br />
Mark Twain
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Einleitung<br />
Start der Reise - Die ersten Tage<br />
Reiseradler-Treffen am Edersee<br />
Rad zum Flug inklusive<br />
Der Flug: Alles ändert sich<br />
Kostenloser Anschlussflug nach Antofagasta<br />
Trucks, Geisterstädte, Geier<br />
Zähneputzen mit Arsen<br />
Von Steinen und einem Baum<br />
San Pedro de Atacama<br />
In Unterhose bei -20°C<br />
Blutiger Anstieg<br />
¡Hola amigo!<br />
Tanz im Sand<br />
Soldaten und der Wilde Westen Boliviens<br />
Kurs 354° - Der stille Ozean<br />
Die Friedliche? - La Paz<br />
Chacaltaya - Mystik, Hochprozentiges und Kokablätter<br />
Absturz in die Yungas<br />
El Gran Casco<br />
Gold und dreckige Dólares<br />
Wie geht es weiter?<br />
+ Ausrüstungsliste<br />
+ Tipps und Informationen<br />
+ Kartenmaterial<br />
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Einleitung<br />
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Was mir immer vorschwebte war eine Weltreise mit dem Rad. Um meine Mutter und mein Gewissen<br />
zu beruhigen änderte ich meine Pläne ausgehend von diesem großen Traum dahingehend, dass ich<br />
für ein Jahr nach Asien radeln wollte. Mit Open End sozusagen...<br />
Das heißt, dass daraus im Extremfall auch eine Weltreise hätte werden können. Ich hatte mir zeitlich<br />
keine Grenzen gesetzt. Dann allerdings geschah im Dezember 2002 etwas Unerwartetes: Die Firma,<br />
für die ich bis dahin freiberuflich gearbeitet hatte, suchte einen Auszubildenden zum Fachinformatiker<br />
ab Sommer 2003. Bei dieser Gelegenheit bot es sich mir an mein Hobby - die Flugsimulation - zu<br />
meinen Beruf zu machen. Also packte ich die Gelegenheit beim Schopf und bewarb mich. Nach dem<br />
Motto: Ich habe ja nichts zu verlieren. Der Job ist super, und falls es nichts wird, gehe ich eben wie<br />
geplant auf Reise. Alles kam dann erst einmal recht plötzlich. Ich wurde sofort nach meiner<br />
Bewerbung zu einem Vorstellungsgespräch in Paderborn (recht weit weg von Hamburg) eingeladen.<br />
So weit lief alles ganz super. Doch dann passierte erst einmal gar nichts mehr.<br />
Ab Januar hatte ich wieder nur noch meine Reise im Kopf und bekam echte Probleme, den<br />
Einkaufsgutschein, den ich von meinen Eltern zu Weihnachten bekommen habe, bei Mediamarkt<br />
einzulösen. Nachdem ich mir ein wenig Ausrüstung für die Kamera gekauft hatte, ließ ich mir den<br />
größten Teil an der Kasse auszahlen und wurde das Geld kurz danach bei Globetrotter Ausrüstung<br />
ziemlich schnell los...<br />
Einen Tag später kam dann die Überraschung: Im Briefkasten lag ein Brief, der mit dem Satz begann:<br />
"Wir freuen uns Ihnen mitteilen zu können...". Ich bin fast von Stuhl gefallen!<br />
Damit waren die Asienreise sowie eine eventuelle Weltreise hinfällig. Ich bekam alles so geregelt,<br />
dass ich mit der Ausbildung erst im September beginnen musste. Das hieß, dass ich zwischen Ende<br />
des Zivildienstes gegen Ende Mai 2003 und dem 1. September 2003 noch gute 3 Monate Zeit zum<br />
Reisen hatte. Nun stand ich vor einem anderen Problem: Asien war fast unmöglich zu bereisen, da<br />
dort im Sommer der Monsun und große Hitze herrscht. Per Rad wäre es in dieser Zeit so oder so<br />
nicht zu erreichen gewesen. Nach gründlichen Recherchen und Überlegungen standen mir noch zwei<br />
Ziele zur Auswahl. Hauptkriterium war, dass ich einmal etwas nicht "Westliches" erleben wollte:<br />
Entweder also mein heiß geliebter Balkan oder Südamerika. Für den Balkan sprach, dass ich seine<br />
Landschaften und Menschen liebe. Für Südamerika sprach, dass ich Spanisch spreche und dort das<br />
Reisewetter in unserem Sommer nahezu perfekt ist. Für Afrika hatte ich zuwenig Erfahrung in<br />
kritischen Ländern gesammelt und Nordamerika, sowie Ozeanien sind nun doch ziemlich westlich<br />
veranlagt.<br />
Nach einigem Hin -und Her entschied ich mich also für Südamerika. Ich ließ mich von Reiseberichten,<br />
wie dem von Betzgi inspirieren.<br />
Vor Jahren fand ich einmal auf einem Büchereiflohmarkt die abgenutzte Auflage des 1982 verlegten<br />
Buches "Mit dem Fahrrad von Feuerland nach Mexiko". Noch vor meiner ersten Radreise habe ich<br />
dieses Buch zweimal gelesen und viele Male darin geblättert. Selten habe ich ein so faszinierendes<br />
Buch gelesen und erst jetzt kam es mir wieder in Gedanken. Die fantastischen Erzählungen von<br />
grenzenlos gastfreundlichen Menschen und unglaublichen Landschaften, aber auch kaum<br />
ermessbaren Torturen, die der damals 19 jährige Patrick Hettrich durchlebt hatte.<br />
So kam ich eines Tages von der Hamburger City nach Hause und ließ meine Mutter wissen, dass ich<br />
ein wenig "shoppen" gegangen bin. Allerdings habe ich dabei 1260 Euro ausgegeben und zeigte ihr<br />
meine Flugtickets für Santiago de Chile, Antofagasta, Lima und Caracas. Man kann sich vorstellen,<br />
dass sie darüber nicht sonderlich erfreut war...<br />
Damit begann die konkrete Planung. Ich kaufte weitere Ausrüstung, viele Ersatzteile, die es in<br />
Südamerika nicht gibt, Kartenmaterial (was sich als die schwierigste Aufgabe erwies), Reiseführer und<br />
mehr.<br />
Und am Dienstag, den 27. Mai.2003 geht es dann endlich los. Erst mit dem Rad zum Frankfurter<br />
Flughafen - von da soll das Abenteuer beginnen...<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Start der Reise - Die ersten Tage<br />
Am Dienstag den 27. Mai verabschiede ich mich von meiner Mutter. Mit bangem Gefühl steige<br />
ich in die S-Bahn nach Hamburg-Harburg, von wo aus die Reise starten soll. Harburg... das<br />
klingt zwar nicht gerade exotisch, es soll aber noch viel weiter gehen. Genau genommen bis<br />
zum Frankfurter Flughafen - und danach: 11 Wochen Südamerika. Meine bisher größte Reise,<br />
von der ich gar ahne, was mich erwartet. Von riesigen Wüsten habe ich gehört, unglaublich<br />
hohen Bergen und mit schlechten Straßen, gigantischen Salzseen, netten Menschen (die ganz<br />
anders sein sollen), einer beeindruckenden Tierwelt und vielem, vielem mehr...<br />
Eines ist sicher: Es wird die beeindruckendste Reise meines Lebens werden.<br />
Im Weserbergland<br />
Doch erst einmal wird klein angefangen. Im Harburger S-Bahnhof treffe ich Nico, mit dem ich mich<br />
spontan vor ein paar Tagen im Internet verabredet habe. Zusammen wollen wir bis zum Edersee<br />
fahren, da dort wieder das alljährliche Reiseradler-Treffen stattfinden wird. Für mich kommt das<br />
zeitlich gerade passend und ich kann es gut mit meiner Reise kombinieren. Ich fahre also auch mit<br />
dem Rad dorthin, teste dabei noch meine neue Ausrüstung, und setze dann meine Fahrt bis zum<br />
Frankfurter Flughafen fort. So fällt der Abschied nicht ganz so schwer. Ich muss mich nicht sofort in<br />
einem neuen Land zurechtfinden, wo ich mit dem Flugzeug von Hamburg gerade ein paar Stunden<br />
später gelandet wäre. So ist der Auftakt schon um einiges bequemer. Hinzu kommt noch, dass ich die<br />
erste Tagesetappe bereits nahezu auswendig kenne und schon zweimal auf anderen Reisen gefahren<br />
bin.<br />
Die Reise fängt gleich gut an. In der S-Bahn wirft ein türkisches Mütterchen einen Blick auf mein Rad<br />
und dann auf mich und drückt mir gleich zwei überreife Bananen in die Hand. Als Wegzehrung<br />
sozusagen. Der Weg zehrt am ersten Tag mehr an den Bananen als an mir. Als ich eine von ihnen<br />
nach mehreren Kilometern über Feldwege in der Lüneburger Heide aus der Lenkertasche holen will,<br />
finde ich dort nur noch einen feinen Bananenshake vor, der sich in einer schmierigen Schicht über<br />
Kamera, Handy und Reisepass zieht...<br />
Mit Nico komme ich von Anfang an wunderbar klar. Und das müssen wir auch, denn gleich am ersten<br />
Tag wollen wir 150 Kilometer zurücklegen. Sogar das Wetter zeigt sich von seiner guten Seite. Die<br />
Rapsfelder blühen aufgrund des trockenen Wetters zwar nicht so kräftig wie im letzten Jahr, doch<br />
kann man die lange Fahrt durch die schöne Frühlingslandschaft durch und durch genießen. - Aber<br />
eben auch nur fast:<br />
Mein Nacken schreit nach einer Massage, die Hände schlafen ein und mein Hintern schmerzt. Am<br />
Abend des zweiten Tages ist der Gesäßbereich so tomatenrot, dass ich beim verrenkenden Blick in<br />
den Spiegel regelrecht erschrecke. Bei der nächsten Gelegenheit sollte ich vielleicht doch mal eine<br />
Radhose ausprobieren.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Nach dem Steinhuder Meer beginnen die ersten Anstiege, die Landschaft wird schnell gebirgiger und<br />
nach kurzer Fahrt durch das Weserbergland gelangen wir auf den Weserradweg. Das Wetter ist<br />
weiterhin gut und wir kommen gut voran. Nach einer Übernachtung an einem Campingplatz südlich<br />
von Beverungen folgt die dritte und letzte Tagesetappe bis zum Edersee. Auf dem schönen<br />
Diemelradweg fahren wir bis zur Twiste und folgen dieser weiter nach Süden. Wir jagen nicht nur<br />
kleine Wildschweine über den Radweg, nein, wir müssen auch mit mehr oder weniger betrunken über<br />
den Weg torkelnden Gruppen zurechtkommen. Es ist Vatertag.<br />
Vorm Edersee kommen dann die eigentlichen Aufstiege. Nachdem ich in den letzten Tagen immer<br />
sehr gut mit Nico mithalten konnte, komme ich beim ersten Aufstieg ziemlich ins Keuchen. Bei<br />
meinem Gepäck auch kein Wunder. Ich schleppe bereits alles mit, was ich für Südamerika zu<br />
brauchen meine. Das geht von einem über einen Kilo schweren Ersatzreifen, über Ersatzspeichen bis<br />
zum Wasserentkeimer. Und alles muss jeden Berg mit rauf. Reiß Dich zusammen, Sascha! In<br />
Südamerika wird's garantiert nicht einfacher...<br />
Tag 1:<br />
Tag 2:<br />
Tag 3:<br />
Uetersen - Steinhuder Meer 145,55 km<br />
Steinhuder Meer - südlich von Beverungen 144,79 km<br />
südlich von Beverungen - Edersee 99,41 km<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Reiseradler-Treffen am Edersee<br />
Am Edersee gibt es wieder eine ganze Menge bekannter Gesichter zu sehen. Da sind Karsten, Maze,<br />
Thun, Nico, Urs aus der Schweiz, Klaudia, Detlef, Katja und viele andere bekannte Gesichter aus dem<br />
Reiseradler-Forum, von denen ich viele auch schon aus dem letzten Jahr kenne.<br />
Obwohl ich kaum jemandem etwas von meinem Reiseziel gesagt habe, hat es sich - dass ich direkt<br />
im Anschluss an das Treffen weiter nach Südamerika reisen werde - schon längst herumgesprochen.<br />
Und natürlich prasseln wieder eine Menge gut gemeinter Ratschläge, Schwarzmalereien und gute<br />
Wünsche auf mich herein. Dazu gehört unter anderem, dass ich mir doch vor dem Abflug noch ein<br />
Kruzifix besorgen solle, um die südamerikanischen Diebe bei Überfällen zu besänftigen. Toll, dann<br />
haben sie auch gleich eins, um es auf das Grab zu stecken, wo sie mich nach dem Überfall<br />
verbuddeln werden! Warum auch nicht? Man sollte schließlich für den Fall der Fälle alles dabeihaben.<br />
Als wie ernst ich nun meine ironisch gemeinten Gegenkommentare betrachten soll, weiß ich selbst<br />
nicht genau. Schließlich habe ich kaum eine Ahnung davon, was mich dort unten erwarten wird.<br />
Alle hocken gespannt über der Peru-Karte<br />
Zusammen verbringen wir noch drei amüsante Tage auf dem Campingplatz in Herzhausen und<br />
Umgebung. An schöne Wanderungen und Touren um den landschaftlich sehr reizvollen Edersee<br />
schließen sich die immer wieder sehr interessanten Grillabende an. Da wird geklönt, gelacht, alle<br />
tauschen haufenweise Geschichten und Tipps von ihren Reisen aus und irgendwie sind sich alle gut<br />
Freund. Das mag jetzt vielleicht etwas komisch klingen, doch die Atmosphäre auf einem solchen<br />
Treffen ist einfach einmalig. Bekannt ist ja schon der Zusammenhalt unter Motorbikern - umso größer<br />
ist er natürlich in dem so kleinen Grüppchen der "richtigen" Biker...<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Ja, und das mit den Karten ist auch so eine Geschichte für sich. Kaum wird eine aufgefaltet, oder man<br />
sieht eine am Wegesrand, und schon bildet sich ein Grüppchen drumherum, das sich über Standort,<br />
besten Weg, Topografie und Sehenswürdigkeiten und dergleichen beratschlägt bis sich die Balken<br />
biegen. Selten habe ich Leute gesehen, die so fanatisch jede Information aus einer Karte saugen<br />
möchten. So als wenn diese ein dickes Buch voller Wissen wäre. Ich möchte mich da allerdings nicht<br />
ausschließen...<br />
Am Samstag unternimmt der eine Teil der Gruppe noch eine Wanderung, während der andere sich<br />
auf eine Radtour durchs Gebüsch macht. Im Regen landen letztendlich alle. Es regnet noch einmal<br />
richtig kräftig. In einer spontanen "Eingebung" von Tine einigen wir uns darauf das Wetter durch<br />
positives Denken besser zu machen. Es funktioniert! - zumindest teilweise...<br />
Am Sonntagmorgen ist dann auch dieses Treffen vorbei. Als ich aus dem Zelt komme, sind die ganz<br />
Eiligen schon in aller Frühe aufgebrochen, die meisten sind aber noch dabei ihre Sachen zu packen.<br />
Etwas wehmütig beginne ich meine Sachen zu packen und habe dabei ein gehörig mulmiges Gefühl<br />
im Magen. Andy sieht es mir beim Abschied an: "Muffensausen?" Ja, damit bringt sie es direkt auf<br />
den Punkt. Von heute an werde ich wieder alleine sein. Bis nach Frankfurt sind es noch zwei Tage -<br />
danach folgt absolutes Neuland. Ein ganzer Kontinent, auf dem ich bis jetzt weder Freunde noch<br />
Bekannte habe. Und dazwischen liegt niemand, mit dem ich mich aussprechen könnte. Um die<br />
Abfahrt hinauszuzögern, werfe ich noch einen Blick auf die Karten, um meine heutige Tagesetappe<br />
noch festzulegen. Ein Lächeln bringe ich kaum noch über die Lippen, nachdem die letzten Tage doch<br />
eigentlich so voller guter Laune waren. Mit einem wehmütigen Blick zurück trete ich in die Pedale und<br />
fahre in Richtung Süden...<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Tag 4:<br />
Tag 5:<br />
Rad zum Flug inklusive<br />
...oder: Der erste Eindruck von "Amerika"<br />
Tour um den Ederse e 51,45 km<br />
Wanderung ohne Rad 0,17 km<br />
Es ist Sonntag, die Sonne scheint, es ist heiß und viele Familien sowie kleine Grüppchen genießen<br />
das schöne Wetter indem sie durchs Land radeln. Auf den Radwegen lassen sich schon die ersten<br />
leicht bekleideten Schönheiten auf Inlinern blicken.<br />
Es geht bergauf. Ich bin wieder alleine. Ab Gmünden folge ich dem Wohra-Radweg, schwenke dann<br />
in einem großen Bogen auf dem Lahn-Radweg nach Marburg um, um von dort auf durchgehend<br />
ebener Strecke weiter nach Süden zu fahren. Das Wetter lässt die Menschen scheinbar offener<br />
werden. Im vorbeifahren fragen mich so einige, wohin es mit dem Gepäck denn ginge. Nach<br />
Frankfurt, antworte ich wortkarg - zu faul ihnen mein ganzes Vorhaben beschreiben zu müssen.<br />
Nach dem regnerischen April zeigt sich die Landschaft in satten Farben. Und nach 4 Jahren kehre ich<br />
wieder einmal auf dem Campingplatz Wißmar ein. Wieder einmal bekomme ich vor dem Einchecken<br />
haufenweise Bedingungen und Verbote genannt. Spaß und alle anderen lästerlichen Dinge sind auf<br />
diesem Platz nämlich verboten. Dafür solle man sich gefälligst woanders hin begeben, lässt mich der<br />
Hinweiszettel wissen. Auf meiner ersten großen Radreise nach Italien habe ich hier einmal<br />
übernachtet. Das war im Sommer 1999. Ich kann mich noch gut an meine damalige Stimmung<br />
erinnern. Am Morgen hatte ich mich nach mehrtägigem Aufenthalt im Sauerland von meiner Oma<br />
verabschiedet und bin von dort weiter nach Süden gefahren - mit dem ungewissen Ziel Italien. An<br />
diesem Abend war alle Motivation dahin. Ich wäre am liebsten wieder nach Hause umgekehrt. Doch<br />
dann, das weiß ich heute sicher, hätte ich eine der größten Erfahrungen meines Lebens verpasst.<br />
Und heute sehe ich das als Lehre.<br />
Heute habe ich mich von guten Freunden verabschiedet.<br />
Heute finde ich mich hier wieder.<br />
Wieder fühle ich mich niedergeschlagen, Kopfschmerzen bereiten mir Qualen und eigentlich wäre es<br />
doch zu Hause immer noch am schönsten.<br />
Doch ich weiß, dass Rückreise keine Lösung ist. Wenn ich diesen Tag überstehe, wird der Rest ein<br />
Kinderspiel. Man wird sehen...<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Marburg<br />
Am nächsten Tag finde ich mich plötzlich in Amerika wieder. Verdutzt sehe ich den beiden<br />
Streifenpolizisten in dunkelblauer Hose, himmelblauen Hemden und amerikanischen Kappies<br />
hinterher. Der nächste Blick fällt auf eines der Straßenschilder: "Wisconsin Rd". Die nächste nennt<br />
sich Washington Road, eine weitere New York Road, und überhaupt haben alle Straßen plötzlich so<br />
neudeutsche Namen. Die Nummernschilder der vor den Wohnblocks parkenden Autos sind zwar<br />
deutsch, jedoch klein und eckig und weisen den Landkreis HK aus - Hong Kong? Ich stehe vor einem<br />
Rätsel und fahre weiter. Plötzlich muss ich eine von Soldaten bewachte Schranke passieren. Man<br />
lässt mich ohne Kontrolle durch, nachdem ich einem von ihnen ein wenig verstört zugenickt habe. Die<br />
Soldaten haben Stars und Stripes auf den Schultern ihrer Uniform. Und erst beim Blick zurück wird<br />
mir alles klar: Man heißt mich im Roman Way Village willkommen - 'gesponsert' von der 1-36<br />
amerikanischen Infanteriedivision. Irgendwie bin ich ohne Kontrolle durch einen "Hintereingang" in<br />
dieses abgeschottete Wohngebiet geraten.<br />
Doch damit nicht Genug. Die nordamerikanische Besatzungsmacht scheint in dieser Gegend noch<br />
fleißig Munition zu verballern - über 50 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges. Wo auch<br />
immer ich durch einen Wald fahre, werde ich von großformatigen Schildern vor Waffengebrauch der<br />
Amerikanischen Streitkräfte gewarnt. Einige besagen, dass man doch bitte vor dem Durchqueren<br />
dieser Wälder die Service-Rufnummer wählen möge; um zu erfahren, ob man heute als radelndes<br />
Freiwild betrachten werden könnte oder nicht.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Ohne "Feindkontakt" durchquere ich die östlichen Ausläufer des Taunus, nur um nach der<br />
genussvollen Abfahrt feststellen zu müssen, dass einer meiner Schuhe fehlt! Nein, nicht die an den<br />
Füßen! Heute habe ich wegen der Hitze Sandalen angezogen und die Schuhe in die auf dem<br />
Lowrider liegende Plane gewickelt. Und nun enthält diese nur noch einen der 150 Euro teuren<br />
Schuhe! Arrrg! Es ist zum Verrückt werden! Verzweifelt wühle ich in der Plane und kann nur noch<br />
feststellen, dass eines der wichtigsten Kleidungsstücke meiner Reise fehlt. Ich wühle in meinem<br />
Gedächtnis nach und werde (zumindest da) fündig. An einer Stelle heute dachte ich von einem Tier<br />
aus dem Gebüsch angegriffen zu werden, weil ich einen Aufprall an der rechten Vordertasche<br />
abgelenkt wurde. Doch beim Blick zurück war im hohen Rasen nichts zu sehen. Und nun - Wunder oh<br />
wunder - fehlt an der rechten Seite der Plane mein linker Schuh. Ich wühle anhand der Karte weiter im<br />
Gedächtnis und versuche mit Angleichen der eingezeichneten Topografie und meiner Erinnerung an<br />
die dortige Landschaft den Punkt wieder ausfindig zu machen. Und tatsächlich finde ich einen Punkt,<br />
der allen Kriterien entspricht. Dumm nur, dass dieser Ort 20 Kilometer zurück liegt, was 40 Kilometer<br />
Umweg bedeuten würde.<br />
Ein älterer Rennradler kommt vorbei und erzählt mir seine Lebensgeschichte. In der Hoffnung auf ein<br />
Auto frage ich ihn nach Hilfe. Nein, zu helfen wüsste er mir da nicht, er scheint mir aber viel lieber von<br />
den großen Radtouren seiner Jugend zu erzählen. Als wenn ich dazu jetzt Zeit hätte! Nicht einmal bei<br />
der Frage nach Autovermietungen klingelt es bei ihm. Und da an mich - ich habe erst vor einer Woche<br />
meinen Lappen erhalten - sowieso niemand Autos vermieten will, muss ich wohl oder übel in den<br />
sauren Apfel beißen. Im nächsten Dorf frage ich jemanden, ob ich mein Gepäck bei ihm abstellen<br />
könne. Öh, das wüsste er nicht, da sollte ich schon bei xy nachfragen. Die Hilfsbereitschaft der<br />
Menschen in Deutschland ist immer wieder umwerfend. Ich werde hier noch zum Wahnsinn getrieben!<br />
Also fahre ich mit Gepäck die ganzen 20 Kilometer wieder zurück. In der Ferne tauchen die ersten<br />
heftigen Wärmegewitter auf. Ich umfahre dieses Mal die Ausläufer des Taunus, werde dafür aber<br />
durch einen halben Kurort wegen Fußgängerzone von "Sicherheitsbeamten" zum Schieben<br />
gezwungen. Die haben vielleicht Probleme...<br />
Dann beginnt die Verzweiflung. Ich suche den Straßenrand an besagter Stelle ab. Nachdem ich den<br />
für mich am ehesten in Frage kommenden Bereich erfolglos abgefahren habe, werfe ich aus<br />
Verzweiflung noch den zweiten Schuh uns Gebüsch, nur um vergleichsweise zu sehen wie gut man<br />
ihn von der Straße aus erkennen kann. Ich habe den linken Schuh sicher in dieser Abfahrt verloren.<br />
Kurz vorm Ende sehe ich eine Puma-Socke im Gras liegen. Habe ich solch billigen Socken? Nein, die<br />
kann nicht von mir sein. Ratlos und verzweifelt drehe ich mich wieder um, werfe dabei aber noch<br />
einmal einen Blick auf die Socke. Hmm, noch warm. Und dann werde ich wie vom Blitz getroffen. Da<br />
liegt tatsächlich mein Schuh tief unter der Socke im Gestrüpp! Ich nehme ihn da heraus und hätte ihn<br />
am liebsten umarmt und geküsst. Ohne diese "billige" Socke, die doch von mir stammte, und aus dem<br />
Schuh geschleudert wurde, hätte ich ihn nie gefunden. Doch dann beginnt die zweite Suche. Den<br />
zweiten Schuh, den ich auch ins Gebüsch geworfen habe, finde ich erst beim zweiten Suchanlauf<br />
wieder. Ich komme mir langsam schon vor wie eine Comicfigur...<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Frankfurt<br />
Den Abend und den Tag danach verbringe ich in Frankfurt. Die Jugendherberge ist kaum<br />
auszuhalten. Es ist wahnsinnig heiß und als ich abends in mein Zimmer gehe, kippe ich fast hinten<br />
rüber. In den Betten liegen schwitzende amerikanische Gestalten, die vor sich hinschnarchen, und es<br />
stinkt wie im Pumakäfig. Nein, eigentlich habe ich doch nichts gegen Amerikaner - eigentlich...<br />
Am folgenden Tag verbringe ich die Zeit bis zum abendlichen Abflug in der City. Ich gehe zu<br />
Globetrotter, lese in einem der vielen Parks einen Roman, lasse mich in der Apotheke über Cremen<br />
gegen meinen wunden Hintern beraten und kaufe mir in einem großen Radladen eine flotte<br />
Radlerhose mit weicher Einlage.<br />
Tag 6:<br />
Tag 7:<br />
Edersee - Wißmar b. Gießen 107,34 km<br />
Wißmar b. Gießen - Frankfurt 126,96 km<br />
Der Flug: Alles ändert sich<br />
Am Abend geht es dann los. Ich hole Rad und Gepäck in der Jugendherberge ab und mache mich auf<br />
den Weg zum Frankfurter Flughafen. Wieder ist es ein sehr heißer Tag gewesen und während die<br />
Hitze so langsam abklingt, folge ich dem Main in Richtung Westen. Ich gehe das letzte Mal zu einem<br />
Fahrradhändler um die Pedale lockern zu lassen. Preislich scheint er seine "Flughafenlage"<br />
zumindest ordentlich auszunutzen...<br />
Durch einen großen Wald fahre ich weiter in Richtung Süden. Nichts lässt auf das nahe gelegene<br />
"Drehkreuz Europas" schließen, doch ganz plötzlich finde ich mich in der hinter dem Wald gelegenen<br />
Trabantenstadt wieder, die sich Frankfurter Flughafen nennt.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Das Einchecken gestaltet sich gar nicht so einfach, obwohl die Lufthansa mit dem eigentlichen<br />
Fahrradtransport kaum Probleme hat. Erst einmal muss ich den Schalter finden. Natürlich bin ich mit<br />
dem Rad am falschen Terminal angekommen und muss mit dem so genannten Skytrain weiter zum<br />
Lufthansa-Terminal. Kaum dass ich in den Zug steigen will, kommt die Durchsage: "Es ist verboten<br />
Gepäckwagen mit in den Zug zu nehmen!"<br />
Fragend blicke ich einen Flughafenmitarbeiter an. Gilt mein Rad als Gepäckwagen??? Er nickt mir<br />
verschwörerisch zu und schon bin ich im Zug.<br />
Als ich endlich den Schalter gefunden habe, suche ich mir ein ruhiges Eckchen und bereite alles für<br />
den Flug vor. Das Ganze artet mit der Zeit in ein ziemliches Chaos aus. Ich muss die schwersten<br />
Sachen ins Handgepäck stopfen (darunter darf allerdings kein "Terroristenwerkzeug" sein), die<br />
Taschen müssen gleichmäßig ausgefüllt werden, das Fahrrad muss teilweise demontiert werden<br />
(Pedalen und Lenker) und nicht benötigte Dinge müssen in das für meine Eltern bestimmte Päckchen<br />
geschmissen werden. Dann müssen alle Taschen in meine Zeltunterlage geschnürt werden, damit<br />
alles zusammen zwei Gepäckstücke ergibt. Ich darf zwar 2x32kg mitnehmen. Ergo: Das Rad als ein<br />
Gepäckstück und die in die Plane geschnürten Taschen als ein weiteres. Doch das muss ich dann<br />
alles noch einmal ganz auseinander nehmen, da mein Handgepäck als zu groß erachtet wird und ich<br />
dadurch wieder umdisponieren muss.<br />
Kopfzerbrechen bereitet mir noch die am Fahrrad befestigte Benzinflasche. Im Wald wollte ich sie<br />
nicht einfach auskippen und nun frage ich den Lufthansa-Mitarbeiter am Schalter:<br />
"Ähem, ich habe da eine Benzinflasche unten am Rad. Mit Inhalt ist die doch verboten, oder?"<br />
"Ja, das Benzin muss weg!"<br />
"Hmm, sie haben doch bestimmt des Öfteren mit dem Problem zu tun. Können sie mir sagen, wo ich<br />
das hinkippen kann?"<br />
"Öhem...", man sieht, wie es in seinem Kopf rattert, "...in die Toilette?"<br />
"Aha... und wenn nun jemand nach mir auf der Toilette eine raucht?"<br />
"...Ich habe ihnen das ja nicht gesagt."<br />
"Ok, und können sie dann mal kurz auf mein Fahrrad aufpassen?"<br />
"N..nn...n...nein! Das geht nicht! Dann kommt die Polizei und sperrt hier alles ab! Das Fahrrad muss<br />
raus!"<br />
Aha... also nehme ich mein Fahrrad widerwillig mit nach draußen und frage dort einen weiteren<br />
Lufthansa-Angestellten, der gerade ein Päuschen macht. Er sagt mir, dass ich für meinen Gang zur<br />
Toilette erst das Rad vom Flughafengelände wegschieben muss. Arrg!<br />
Wir einigen uns darauf, dass er nichts gesehen hat...<br />
Also gehe ich nur kurz zur Toilette, entleere die Flasche in der Kloschüssel und werfe noch Klopapier<br />
hinterher um den Gestank wenig erfolgreich zu unterdrücken. Was der Mensch nebenan bei seiner<br />
Sitzung wohl gerade über diesen Gestank denkt?<br />
Macht nichts. Danach checke ich problemlos ein. Für die am Rad befestigte Flasche mit der<br />
deutlichen Aufschrift "Brennstoff" interessiert sich dann plötzlich niemand mehr...<br />
Im Flugzeug sitze ich neben einer Münchnerin, die in São Paulo lebt und dort mit einem Chilenen<br />
verheiratet ist. Mit ihr unterhalte ich mich zu beginn des Fluges angeregt über Südamerika, während<br />
ich hin -und wieder einen Blick auf das unter mir verschwindende Deutschland und Europa werfe. Zu<br />
Beginn des Fluges meldet sich der Captain und lässt uns wissen, dass in Frankreich, Italien und<br />
Österreich heute die Fluglotsen streiken. Heißt also, dass wir über England auf den Atlantik<br />
hinausfliegen müssen, dort noch eine Gewitterfront umfliegen und dann endlich Kurs nach Süden<br />
nehmen werden...<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Die Nacht ist recht turbulent. Fasziniert verfolge ich die ersten Lichter, die unter uns im brasilianischen<br />
Dschungel auftauchen. Dann folgt der Anflug auf São Paulo. Über Unmengen kleiner eckiger Häuser<br />
mit flachen Dächern sinken wir tiefer. Hier ist es früh am Morgen und die Dämmerung beginnt. Die<br />
ersten Autos kommen aus den Garagen und fahren die hell erleuchteten Straßen entlang. Ich bin<br />
absolut fasziniert von dieser neuen Welt. Die Autos sind fast allesamt große amerikanische Schlitten,<br />
die ganze Architektur, das Schachbrettmuster der Stadt, der Bewegungen der Menschen, die mit<br />
größerer Annäherung an den Boden immer deutlicher zu erkennen sind...<br />
In São Paulo betrete ich unter unromantischen Zuständen das erste Mal südamerikanischen Boden.<br />
Über einen großen Umweg werden wir zur Transferhalle geleitet, die unserem Flugzeug eigentlich<br />
direkt gegenüberliegt. Fasziniert entdecke ich, dass mein Handy ein brasilianisches Netz findet und<br />
ich von hier aus Nachrichten in sekundenschnelle an das tausende Kilometer entfernte Hamburg<br />
versenden kann.<br />
Dann starten wir mit Kurs auf Santiago de Chile, dem Endziel des Fluges LH526. In kräftigen<br />
Rottönen erhebt sich die Sonne über São Paulo und zwischen den Wolken kann ich das erste Mal auf<br />
die Landschaften Südamerikas blicken. Alles wirkt so gigantisch. In Argentinien sehe ich wie in einem<br />
Schachbrett endlos aneinander gereihte Felder, dazwischen schnurgerade Straßen, quadratische<br />
Städte und Dörfer... über einem riesigen See, den ich bis jetzt noch auf keiner Karte gesehen habe,<br />
kommen wir in große Turbulenzen, die über Land schlagartig wieder verschwinden. Vor Santiago de<br />
Chile kommt das Highlight: Die Anden! Majestätisch liegen sie dort unten unter einer dichten<br />
Schneedecke und wirken mit ihrer Höhe so nah am Flugzeug wie zum greifen Nahe. Überall finden<br />
sich gigantische Bergspitzen und Täler. Was in den Alpen alles durch Skilifte, Straßen, Wege und<br />
Ortschaften zerschnitten ist findet sich hier vor mir, als wenn ich der Erste wäre, die diese Landschaft<br />
erblickt. Das Nichts: Der Mangel an Orten, Infrastruktur und jeglichem Anzeichen menschlicher<br />
Zivilisation ist einfach beeindruckend.<br />
Auf einmal endet die Bergwelt und wir fliegen weiter über eine von Nebel bedeckte Tiefebene, in der<br />
sich die größte Stadt in einem Umkreis von tausenden von Kilometern befindet: Santiago. Plötzlich<br />
gibt es wieder Zivilisation in Form von Wohnvierteln, Industrie, gigantischen französischen<br />
Supermärkten sowie Müllkippen...<br />
- 14 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Am Gepäckband frage ich einen deutschen Geschäftsmann, wieviel Uhr es hier ist. Ich hätte nicht<br />
gedacht, dass die Zeitdifferenz zu Deutschland tatsächlich 6 Stunden beträgt. Beim Verlassen des<br />
Gepäckbandes bekomme ich den ersten Eindruck südamerikanischer Kultur: Es stürzen sich gleich<br />
alle Taxifahrer auf mich: "Nececitas Transporte?!?". Ein freundlicher Gepäckträger vom Flughafen<br />
boxt mich durch, möchte aber danach ungern ohne "Tip" zurückgelassen werden... In gebrochenem<br />
Spanisch lasse ich ihn wissen, dass ich leider keinen einzigen Peso oder Euro dabeihabe, was mir<br />
furchtbar leid tut. Seinem Gesichtsausdruck ist zu entnehmen, dass er es mir nicht glauben will, doch<br />
er verabschiedet sich gehalten.<br />
Dann beginnt erneut das Organisatorische. Natürlich findet sich hier im Terminal für Innlandsflüge<br />
kaum jemand, der Englisch spricht, und nach langer Zeit muss ich mich wieder auf Spanisch<br />
durchschlagen. Der Fahrradtransport stellt ein größeres Problem dar, als erwartet. Doch ich werde<br />
noch lernen: Probleme sind in Südamerika entweder dazu da um gelöst zu werden oder die Kosten in<br />
die Höhe zu treiben. Man sagt mir, dass man immer dieses Problem mit den Lufthansa-Passagieren<br />
habe. Die haben einfach zuviel Gepäck dabei! Auf Innlandsflügen der LanChile sind ganz plötzlich<br />
nämlich nur noch 20kg erlaubt und diese Marke habe ich mit meinem Gepäck weit überschritten. Um<br />
die Transportkosten nicht in ungeahnte Höhen schnellen zu lassen, muss ich die Reifen abmontieren<br />
und alles zusammen in meine Zeltunterlage packen. Allerdings finde ich schnell heraus, dass auf<br />
diesem Flug keine Begrenzung für die Anzahl der Gepäckstücke gilt. Also gebe ich als kleine "Rache"<br />
meine Taschen einzeln ab. Man zeigt sich gar nicht begeistert davon, 6 Gepäckstücke plus<br />
Handgepäck für mich mitnehmen zu müssen. Und meine Visa-Karte wird trotz dem verpackten<br />
Fahrrad immer noch um weitere 50 "Dólares" belastet.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Flug von Santiago nach Antofagasta<br />
Nach stundenlangem Warten startet der Flug nach Calama mit Zwischenstopp in Antofagasta endlich.<br />
Wieder sehe ich faszinierende Gebirgszüge und das erste Mal sehe ich den unendlichen tiefblauen<br />
Pazifischen Ozean. Passend serviert man uns Fisch mit einigen anderen Leckereien. Sollte ja<br />
eigentlich kein Problem sein. Dumm ist nur, dass ich fischloser Vegetarier bin und gerade jetzt mit<br />
einem wahnsinnigen Hunger dasitze. Was soll's! Ich habe mich schon vor diesem Urlaub lange<br />
mental darauf vorbereitet, dass ich dieser Problematik in Südamerika kaum ausweichen kann. Und so<br />
nehme ich Messer und Gabel und beiße das erste Mal seit 8 Jahren in einen Fisch...<br />
Fasziniert werfe ich während des Fluges einen Blick aus dem rechten Fenster. Weit breitet sich unter<br />
mir die Atacama aus; die trockenste Wüste der Erde. In allen möglichen Schattierungen von braun<br />
und schwarz, tief eingeschnittenen trocken daliegenden Tälern und gekrönt von Schneebedeckten<br />
Sechstausendern bietet sie ein eindrucksvolles Bild, lässt mir aber zugleich auch einen Schauer über<br />
den Rücken laufen. Da will ich durch? Mit dem Rad?<br />
Dafür kann es nur eine Erklärung geben: Ich BIN verrückt!<br />
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Tage 8-9:<br />
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Frankfurt - São Paulo -<br />
Santiago de Chile -<br />
Antofagasta<br />
Kostenloser Anschlussflug nach Antofagasta<br />
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ca. 14.000 km<br />
Am Flughafen warten wieder Unmengen an Taxifahrern und Autovermietern, die schreiend ihre<br />
Angebote der Menge unterbreiten. Als ich mein Rad endlich gepackt habe, sind deren Kehlen längst<br />
verstummt und ich fühle mich ein wenig wie bestellt und nicht abgeholt. Alleine stehe ich am einzigen<br />
Gepäckband am Airport. Das Wiederzusammenbauen des Rades war gar nicht so einfach. LanChile<br />
hat es tatsächlich geschafft meinem robusten Alu-Gepäckträger einen Querschlag zu verpassen und<br />
mein Rücklicht zu zerdeppern. Nie wieder verpacke ich mein Rad!<br />
Vorm Flughafen geht es dann los. Die Reise beginnt. Endlich bin ich wirklich in Südamerika. Und<br />
schon kommen erste Zweifel in mir hoch, ob Antofagasta wirklich die beste Wahl als Startpunkt auf<br />
meiner Reise gewesen ist. Schnurgerade verlässt eine breite Asphaltstraße den Flughafen und<br />
versinkt in den fernen Tiefen der Wüste. Bei der klaren Luft kann ich das 30 Kilometer entfernte<br />
Antofagasta schon lange vorher erkennen. Tief atme ich die neue frische Luft ein. Doch ich kann<br />
nichts riechen. Es gibt keinen typischen Geruch, wie man ihn sonst in fernen Ländern so schnell<br />
wahrnimmt. Ein scheinbar typisches Merkmal der Atacama: Nichts. Kein Geruch nach Blumen,<br />
Kräutern, Gewürzen, Früchten oder ähnlichem. Hin -und wieder einmal der Gestank von Benzin.<br />
Zahlreiche riesige Trucks amerikanischer Bauart brettern an mir vorbei. Doch meine schlimmsten<br />
Befürchtungen über den Verkehr bestätigen sich nicht. Nachdem ich anfangs den ersten Autos vor<br />
Angst auf den Seitenstreifen ausweiche, bemerke ich nach einer Weile, dass man an Radfahrern -<br />
wenn möglich - auch in diesem Land in einem weiten Bogen vorbeifährt. Es ist nicht viel dran an den<br />
Gerüchten, der man vor der Abreise immer so hört.<br />
Die Straße ist gesäumt von großen Werbetafeln, die immer zahlreicher werden, desto näher ich<br />
Antofagasta komme. Zu Hause ist es schon spät am Abend. Hier sind es noch keine 18 Uhr und die<br />
Sonne geht bereits unter. Überhaupt muss ich mich auf so viele Veränderungen einstellen. Alleine die<br />
Tatsache, dass hier Winter ist und die Sonne über das nördliche Firmament verläuft, lässt einem die<br />
Entfernung von zu Hause noch deutlicher werden. Im Glauben "Die Wüste ist warm" habe ich mir<br />
Sandalen angezogen und die Fahrradschuhe vorne an den Lowrider gebunden.<br />
Nein, wirklich warm ist es nicht. Schnell muss ich feststellen, dass ich ohne Jacke nicht fahren kann<br />
und beginne zu frieren. Die Vorstädte zeigen sich alles andere als einladend. Der Verkehr auf der<br />
schnurgeraden Straße nimmt beträchtlich zu. Bald habe ich mit zahlreichen Bussen, Kleinwagen und<br />
quer über die Straße laufenden Fußgängern zu kämpfen. Ein Anhalter kippt fast rücklings hintenüber<br />
in den Dreck, als er mich erblickt. Hunde jagen mich, können mir auf der dicht befahrenen<br />
Asphaltstraße aber zum Glück nur schwer folgen.<br />
Nein, ich bin nicht begeistert. Es ist alles einfach zu neu und ich komme mir ziemlich verlassen vor.
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Wirklich Problematisch wird es, als plötzlich ohne Vorwarnung mein Vorderrad blockiert! Das Fahrrad<br />
kommt sofort zum Stillstand, das Hinterrad hüpft samt Gepäck nach oben und ich "hüpfe" unfreiwillig<br />
über meinen Lenker hinaus. Ein Glück, dass meine Beine mich in einer schnellen Reaktion weich<br />
auffangen und mir in dem dichten Verkehr nichts passiert!<br />
Das Ganze hat allerdings nur so gut funktioniert, weil - wie ich später merke - meine Gabel die meiste<br />
Stoßkraft "abgefangen" hat. Das erste Mal in "unseren" 5 Jahren nimmt mir mein Rad einen Unfall<br />
wirklich übel. Die Gabel hat einen ordentlichen Knick über den Bremsen und ist stark nach hinten<br />
verbogen. Zuerst fällt es mir gar nicht auf und ich will gleich nach dem Unfall wieder aufsteigen und<br />
weiterfahren. Dumm nur, dass das nicht geht. Der Reifen liegt an der unteren Querstrebe des<br />
Rahmens an und ich kann nur noch nach links und rechts lenken - aber nicht mehr geradeaus. Toll!<br />
Ich werde wohl kaum die ganze Zeit hier auf der Hauptstraße aus bunter Lustigkeit im Kreis fahren!<br />
Bei der Fehlersuche entdecke ich auch recht schnell den Verursacher. Mein Linker Schuh (welcher<br />
auch sonst...) hat sich zwischen Lowrider und Speichen verheddert. Es ist zusätzlich ein Wunder,<br />
dass die Speichen und der Schuh bei diesem abrupten Stopp mit voll bepacktem Fahrrad keine<br />
Schäden davon getragen haben.<br />
Doch jetzt stehe ich vor einem riesigen Problem. Oder realistischer ausgedrückt: Vor einem ganzen<br />
Haufen von Problemen. Wie komme ich jetzt mit einem fahruntüchtigen Rad die letzten 10 Kilometer<br />
in die Stadt? Wo bekomme ich eine neue Gabel in einem Land, in dem es nur 26-Zoll-Fahrräder gibt?<br />
Und wie komme ich überhaupt ohne Geld weiter? Bis jetzt habe ich noch keine Bank gesehen und<br />
habe nicht einen Peso in meinen Taschen. So kann ich mir auch die Möglichkeit einen Bustransports<br />
aus dem Kopf schlagen. Mist! Verdammt! Sch...!!! Fluchend schiebe, hebe und trete ich mein Rad<br />
durch die nicht enden wollende Vorstadt. Hin -und wieder gelingt es mir das das Vorderrad so weit<br />
gerade zu treten, dass ich auch ein paar Meter fahrend zurücklegen kann bis sich die Gabel wieder<br />
zurückgebogen hat. Dieser Jux hat allerdings nur zur folge, dass ich noch zwei weitere Male über den<br />
Lenker hinausfliege. Es ist zum verzweifeln! Schon längst ist es dunkel und die Vorstadt mit ihren<br />
hinter großen Mauern und Zäunen liegenden Häusern scheint mir alles andere als sicher. Kläffende<br />
Köter verfolgen mich und werden kurz darauf von umstehenden Menschen mit Steinen beworfen. Das<br />
ist allerdings die einzige Hilfe, die mir die Menschen hier geben. Und erst nachdem ich den Helm<br />
abgenommen habe, ernte ich auf meine Fragen wortkarge Antworten anstatt nur sture Blicke. Über<br />
die Hilfsbereitschaft dieser Menschen hier kann ich keinesfalls Loblieder singen. Auf meine Fragen<br />
nach der Entfernung zum Zentrum bekomme ich nur kurze Antworten mit dem Inhalt "Noch weit", oder<br />
"Nicht mehr weit". Nur ein kleines Mädchen, die ihren kläffenden Köter von mir wegzerrt spendet mir<br />
ein paar mehr Worte. Der kleine sei einmal vom Fahrrad angefahren worden und möge Radfahrer<br />
deswegen überhaupt nicht, erklärt sie mir. Dann frage ich mich allerdings, wie bei so wenigen<br />
Fahrrädern so viele Hunde schon traumatische Erlebnisse mit Fahrrädern gehabt haben wollen, dass<br />
sie so hinter mir her sind.<br />
Ich kann die vielen Eindrücke der neuen Welt kaum verarbeiten. Und nach endlosen Torturen und<br />
endlosen Flüchen erreiche ich Stunden später endlich die Innenstadt. Inzwischen stehe ich schon<br />
ziemlich neben mir. Beim Abheben am Geldautomaten übersehe ich bei meinen beiden Geldkarten<br />
fast dreimal das Eingabefeld für die Geheimnummer und muss mir von einem Sicherheitsbeamten<br />
und einem netten Ehepaar helfen lassen. Das erste Hostal macht auf mich einen alles andere als<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
guten Eindruck. An der zerfallenen Rezeption sitzt steif und veraltert eine hässliche Frau, die jedem<br />
Horrorfilm alle Ehre gemacht hätte. Innerlich denke ich mir schon flehend: "Bitte lass mich hier nicht<br />
übernachten, bitte lass mich hier nicht übernachten". Sie erfüllt mir meinen Wunsch. "Mit dem<br />
Fahrrad?" fragt sie krächzend und schüttelt steif den Kopf von einer Seite zur anderen. Uff!<br />
Ich fahre noch ein Stückchen weiter bis zum Hotel Brasil und werde von einem freundlichen alten<br />
Ehepaar empfangen und die auf meine Fragen meistens eine Antwort haben.<br />
Für heute ist der Tag gelaufen. Ich schließe mein Fahrrad ab, schleppe das Gepäck ins Zimmer und<br />
lasse mich kraftlos auf die durchgelegene Matratze fallen. Jetzt nur noch Duschen und schlafen. Zum<br />
Duschen habe ich kaum noch Kraft, zum Schlafen schwirren mir zu viele Eindrücke im Kopf herum...<br />
Im wahrsten Sinne des Wortes angeschlagen<br />
Am folgenden Tag mache ich mich Angst und Bange auf den Weg zum einzigen Fahrradladen in der<br />
Stadt. Hier der Eintrag aus meinem Tagebuch:<br />
Heute Morgen habe nach längerem Auskundschaften die einzige Fahrradwerkstatt hier ausfindig<br />
machen können. Da habe ich dann sicher ein paar Stunden verbracht, da hier sowieso nicht alles so<br />
schnell vonstatten geht. Es ist eben Südamerika...<br />
Nach einigem Telefonieren ist man dann zu dem Schluss gekommen, dass es in ganz Chile keine<br />
Gabel für mein 28er-Rad gibt. Doch eine einzige gäbe es immerhin in der anderen Filiale des Ladens<br />
- angeblich sogar inklusive Ösen für den Lowrider.<br />
Die zwei Jungs im Radladen kommen dann aber noch auf die glänzende Idee, dass man die Gabel ja<br />
wieder gerade biegen könnte. Das haben sie dann auch mit Stahlrohren gemacht und das Ergebnis<br />
ist entsprechend: Ein paar neue Defekte am Fahrrad und ein leierndes Vorderrad. Da habe ich dann<br />
gedacht: Es geht gar nichts mehr und ich kann mir die Reise abschminken...<br />
Doch immerhin haben die beiden Jungs es so hinbekommen, dass das Rad wieder fast genauso<br />
fährt, wie vorher. Und bezahlt habe ich auch nichts dafür. Mir sind in diesem Laden sicher ein paar<br />
Nervenstränge gerissen, aber über das Ergebnis bin ich dann doch ganz zufrieden. Das Rad fährt<br />
wieder. Und nach einstimmiger Aussage soll ich es damit sogar bis ins rund 200 Kilometer entfernte<br />
Calama schaffen, wo ich sowieso hinwollte. Wenn die Gabel bis dahin alles gut durchhält, werde ich<br />
sie evtl. sogar weiter benutzen. Es ist aber noch nicht gesagt, dass die Gabel im Radladen in Calama<br />
auch wirklich allen Kriterien entsprechen wird...<br />
Am gleichen Tag gehe ich noch ein wenig durch die Stadt schlendern. An der Plaza Mayor gibt es<br />
eine Nachbildung, die den Big Ben aus London darstellen soll. Das war's dann auch schon an<br />
Attraktionen. Doch die Unterschiede zu Europa faszinieren mich immer wieder. So muss ich in jedem<br />
Laden erst einmal herausfinden, wie ich denn bezahlen soll. Am schwierigsten gestaltet sich das<br />
Einkaufen neuer Handtücher. Die hat man mir im Flugzeug nämlich aus dem Gepäck (!) geklaut. Die<br />
Verkäuferin drückt mir einen Zettel in die Hand und verweist mich an einen kleinen Glaskasten hinter<br />
mir. Tief im Glaskasten sitzt ein alter grimmiger Zwerg, der dort seine Pfründe bewacht. Er nimmt<br />
meinen Geldschein entgegen und quittiert die Rechnung über 2 Euro als bezahlt. Erst danach darf ich<br />
meine Handtücher in Empfang nehmen.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Als ob die technischen Defekte am Fahrrad nicht genug wären, hat das Objektiv meiner Kamera<br />
Feuchtigkeit angesetzt. Von Freunden zu Hause hole ich mir übers Internet Rat. Einstimmige<br />
Meinung: Ich soll mir Silica-Gel zulegen, was Feuchtigkeit aufsaugt. Hier mein Bericht an das<br />
Reiseradler-Forum:<br />
Nach dem Besuch im Internet-Cafe wollte ich natürlich gleich, wie mir geraten wurde, Silica-Gel für<br />
meine Kamera kaufen. Aber glaubt ihr vielleicht das ginge hier so einfach??? Von jedem Laden wurde<br />
ich weitergeschickt zu einem anderen. In so ziemlich allen Fotoläden war ich hier, in einigen wenigen<br />
Computerläden, ja - verdammt! - sogar in zwei Apotheken wurde ich geschickt! In einem kleinen<br />
Technikladen (dessen Sortiment man nicht so genau einsortieren konnte, wie bei vielen anderen hier),<br />
hat man mir gleich den kleinen Jungen des Ladenbesitzers an die Hand gegeben. Der hat mich dann<br />
bestimmt auch noch mal 10 Kilometer durch die Innenstadt geschleift und ich konnte schon fast nicht<br />
mehr auf eigenen Beinen stehen, als er die Suche (endlich!) aufgegeben hat.<br />
Im Endeffekt habe ich das Problem mit dem von Innen feuchten Kameraobjektiv so gelöst, indem ich<br />
über Nacht einfach ein Taschentuch draufgelegt habe. Jetzt funktioniert sie wieder.<br />
Heute Morgen wollte ich mich mal auf den Weg machen, um Landkarten und anderes Zeugs zu<br />
kaufen. In einem riiiiiesigen Einkaufszentrum (so etwas habe ich selbst in Frankreich noch nicht<br />
gesehen) läuft mir ein Kundenberater namens Raúl über den Weg. Er lässt mich nicht gehen, bevor<br />
ich nicht alles habe. Ein Gepäckband (das hat mir die Airline auch geklaut) und ein neues<br />
Kopfhörerset (ging im Flugzeug kaputt), ist schnell gefunden. Dann möchte ich gerne noch einen<br />
schönen Länderaufkleber von Chile haben, den ich dann auf eine meiner Gepäcktaschen kleben<br />
kann. Da hat Raúl sich dann richtig ins Zeug gelegt. Nachdem unsere Suche im Einkaufszentrum<br />
erfolglos war, geht er einfach mit mir in die Innenstadt. "Hast Du denn überhaupt die Zeit, um mit mir<br />
hier durch die Stadt zu schlendern?", frage ich ihn. Er antwortet nur: "Alle Zeit, die ich weg vom<br />
Arbeitsplatz bin, ist eine gute Zeit!" Leider müssen wir die Suche nach Landkarten aufgeben, da viele<br />
Läden zur Mittagszeit geschlossen haben. Irgendwie bin ich froh, dass ich ihn los bin, da ich vielen<br />
Leuten hier einfach nicht allzu sehr traue. Doch zum Abschied schüttelt er mir noch die Hand und fragt<br />
mich nach meiner E-Mail Adresse. Jetzt sehe ich erst warum er die ganze Zeit seine Linke "Hand" in<br />
der Hosentasche hatte. Sie ist ein urtümliches Gerüst aus Metall, Schrauben, Drähten und Federn.<br />
Eine Art Prothese.<br />
Im Übrigen ist das Krankensystem hier scheinbar auch ein wenig ausgeflippt. Überall findet man<br />
riesige "Farmacias", in denen mit Medikamenten und Drogerieartikeln nur so um sich geschmissen<br />
wird. Dort wird mit Sprüchen, wie "Toma Aspirina" geworben. Ähnlich dem "Beber Coca Cola - Trink<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Coca Cola". Nimm Aspirin! Juchhu! Leute schieben ihre Verwandten im Rollstuhl mit den daran<br />
befestigten Blubberflaschen gegen Lungenembolie durch die Strassen. Kleine Ambulanzen werben<br />
mit Leuchtreklamen mit der Aufschrift "Abierto 24 horas!" und so weiter...<br />
Raúl habe ich übrigens mal gefragt, wie es denn hier so mit dem Wetter ist. Heute ist es ziemlich<br />
bewölkt und die Sonne kommt erst gegen Mittag langsam wieder zum Vorschein. Wie man es von der<br />
deutschen Küste gewohnt ist, hätte es in dieser Zeit hier doch mindestens einmal regnen müssen.<br />
"Regen? Ja den hatten wir - in den letzten 3 Jahren immerhin zweimal!"<br />
Er erwähnte auch, dass mir alle Leute nachblicken würden.<br />
-"Wieso? Sehe ich denn aus, wie ein Nordamerikaner?"<br />
-"Nun ja, vielleicht ein wenig". Die Nordamerikaner werden hier übrigens nicht Gringos sondern<br />
Yankees genannt. Und stolz erzählt er mir davon, wie kosmopolitisch Antofagasta doch sei. "Sind die<br />
Nordamerikaner denn nicht ein wenig unbeliebt?", harke ich nach. Nun ja, da muss er dann doch<br />
zugeben, dass viele sie doch nicht so wirklich mögen.<br />
Und abgesehen von ein paar Ausnahmen kam mir diese Stadt bisher auch recht komisch vor. Wenn<br />
ich auf der Straße jemanden nach dem Weg frage, dann muss ich schon standhaft darauf beharren,<br />
sonst wollen mir besonders die älteren Leute keine Antwort geben. Und während ich mit dem Fahrrad<br />
und Gepäck unterwegs war, wollten erst recht die wenigsten etwas mit mir zu tun haben. Das hat sich<br />
erst gebessert, nachdem ich den Fahrradhelm abgenommen habe - eigentlich eine recht unkluge<br />
Entscheidung bei diesem Verkehr. Aber damit haben mich die Leute wenigstens wieder als Menschen<br />
erkannt.<br />
Ganz schön arrogant finde ich auch die Haltung gegenüber meinen recht schlechten<br />
Spanischkenntnissen. Ich habe zwar in der Schule als Bester abgeschlossen und in Spanien hat man<br />
sich immer geduldig mit mir gezeigt, doch hier haben viele Leute einfach kein Verständnis dafür. Oft<br />
heißt es dann nur hinter meinem Rücken "Ach, der versteht doch sowieso nichts." Seltsam ist die<br />
Reaktion der Leute, wenn ich ihnen zu verstehen gebe, dass ich diesen Kommentar durchaus<br />
verstanden habe...<br />
Als ich am Abend des zweiten Tages die Wäsche von der Wäscherei abhole, fällt mein Blick auf den<br />
im Sonnenuntergang daliegenden Pazifik. Ich gehe ans Ufer und genieße die frische Luft und den<br />
weiten Ausblick über die Bucht von Antofagasta. Da spricht mich plötzlich eine weibliche Stimme von<br />
hinten an und fragt mich ob die Fotos bei diesem Licht denn überhaupt was werden können. Ich hoffe<br />
doch schon, antworte ich ihr. Sie heißt Christina, kommt aus Spanien und ist seit 5 Monaten hier in<br />
Chile unterwegs - mit einem erstaunlich kleinen Rucksack! Sie erzählt mir davon, dass sie gerade aus<br />
einer Kirche geschmissen wurde, weil sie dort schlafen wollte. Geld für eine Übernachtung hat sie<br />
kaum noch, da ihr vor einigen Tagen 350 Dólares geklaut wurden und sie erst für August einen Job in<br />
La Serena in Aussicht hat. Wir stimmen beide damit überein, dass die Leute hier wirklich ziemlich<br />
"seco", also trocken sind - wie ihre Umgebung. Von Spanischer bzw. südamerikanischer Herzlichkeit<br />
und Lebenslust haben wir bisher beide wenig erfahren. Ich denke eine Weile darüber nach und<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
schlage ihr dann vor, dass ich ihr eine Übernachtung in dem Hotel, wo auch ich untergebracht bin,<br />
spendieren kann. Im Grunde ist es ja nicht mein Geld - auch mir wurden schon hin -und wieder mal<br />
Übernachtungen von anderen Menschen spendiert. Warum also nicht?<br />
Später muss ich noch Proviant für die Wüstendurchquerung einkaufen. Sie ist mir dabei eine große<br />
Hilfe und zeigt mir, wo man am billigsten an welche Nahrungsmittel kommt und was man sonst noch<br />
so außer meinen gewohnten Produkten essen kann. Da wären Harina Tostada, geröstetes Mehl, das<br />
man als Müsli-Ersatz nehmen kann, Kakteenfrüchte und andere Nahrungsmittel, die ich nie zuvor<br />
gesehen habe. Sie ist ein wunderbarer Guide, den ich mir schon am ersten Tag hier gewünscht hätte.<br />
Über ihr Plappermaul unterhalten wir uns viel mit den Verkäufern auf dem Markt und hören viel von<br />
den interessanten Verkäufern, die oftmals aus Bolivien oder Peru kommen.<br />
Tag 9:<br />
Tag 10:<br />
Tag 11:<br />
Trucks, Geisterstädte, Geier<br />
...und viel, viel NICHTS<br />
Flughafen - Antofagasta ca. 30,00 km<br />
Antofagasta<br />
Antofagasta<br />
Am Morgen des dritten Tages mache ich mich dann auf in die Wüste. Noch nie bin ich mit meinem<br />
Rad durch eine Wüste gefahren und in der Hoffnung, dass meine Gabel die bevorstehenden zwei<br />
Etappen gut durchhält, packe ich mein Rad und stürze mich in den chaotischen Verkehr. Aus<br />
Antofagasta heraus geht es ziemlich steil bergauf. Jemand ruft mir "Ey, Rico!" hinterher. Ich bin froh,<br />
dass ich diese Stadt mit so vielen unfreundlichen Menschen endlich hinter habe. Allerdings sollte ich<br />
nicht alles verteufeln - ein paar nette Menschen habe ich hier immerhin getroffen. Durch ein trockenes<br />
Tal geht es auf einer mehrspurigen aber kaum befahrenen Straße steil bergauf. Sobald die Straße die<br />
Küstenkordillere durchstoßen hat, beginnt die richtige Wüste. Zuerst sehe ich den schmutzigen Salar<br />
de Carmen und noch ein paar Siedlungen aus baufälligen Behausungen. Eine Fabrik steht mitten im<br />
Nirgendwo und schleudert bei der Produktion von Zement so viel Staub um sich, dass die ganze<br />
Gegend in mehreren Kilometern Umkreis in Weiß gehüllt ist.<br />
Danach beginnt die richtige Leere. Die Strasse ist glücklicherweise bis nach Calama gut ausgebaut; in<br />
meinem TurisTel-Atlas stehen alle wichtigen Orte, an denen ich Trinkwasser nachkaufen kann. Und<br />
das sind auf den insgesamt 213 Kilometern bis Calama sage und schreibe drei Orte...<br />
Durch die Küstenkordillere<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Ich habe Rückenwind und verspüre keinen einzigen Lufthauch. Mein Thermometer steigt auf bis zu 40<br />
Grad. In der Sonne wohlbemerkt. Doch Schatten gibt es hier keinen! So weit das Auge reicht nur<br />
trostlose steinige Wüste. Die einzige Abwechslung bietet der Verkehr. Das sind fast ausschließlich<br />
Trucks, Reisebusse und ein paar Pickups, von denen die meisten freundlich winkend hupen. Sonst<br />
passiert nicht viel. Ich sehe zwei Geier, die sich an einem Hundekadaver laben. Ein Autofahrer wirft<br />
eine Klopapierrolle aus dem Fenster, die dann in hohem Bogen vor mir durch die Luft fliegt. Ob das<br />
als Lametta für mich gedacht ist? Und die Fahrer der riesigen amerikanischen Trucks sind auch nicht<br />
so ganz ohne. Irgendwo im Nirgendwo versuchen sich gleich vier Stück an der Zahl - ich weiß nicht<br />
wie - gegenseitig zu überholen und brausen von hinten an mich heran. Ein Hoch auf meinen<br />
Rückspiegel, so dass ich noch rechtzeitig auf den Straßenrand ausweichen kann!<br />
Einer der drei Orte, an denen ich Wasser kaufen kann, ist das 514 Seelen-Kaff Baquedano. Das sehe<br />
ich bereits gute 8 Kilometer vor meiner Ankunft. Es sieht so aus als wenn es nur wenige Kilometer<br />
entfernt wäre. Doch Pustekuchen! Die Kilometer werden mehr und mehr und der Ort kommt einfach<br />
nicht näher. Alles verkrampft sich und ich gehe schon dazu über die im Nirgendwo verschwindenden<br />
Strommasten zu zählen. Nach einer scheinbaren Ewigkeit erreiche ich das Dorf mit schmerzenden<br />
Gliedern und genieße erst einmal ein Eis. Mit Wasser versorgen muss ich mich noch nicht, da ich in<br />
Antofagasta vorsichtshalber 10 Liter gepackt habe. Danach geht es wieder in die Einöde.<br />
Die Tankstelle Carmen Alto ist der zweite von drei Orten, wo ich meinen Wassertank auffüllen kann.<br />
Hier kaufe ich 3 Liter Wasser für fast 3 Euro und fülle meinen Benzintank nach (Der Tankwart weiß<br />
gar nicht, was er mit meiner Brennstofflasche anfangen soll - im Endeffekt zahle ich für das Benzin<br />
deutlich weniger als für das Wasser.)<br />
Hier verlasse ich die Panamericana und fahre auf der Ruta 5 weiter Richtung Calama. Gegen 6 Uhr<br />
geht die Sonne unter und so langsam muss ich einen Platz zum Schlafen finden. Wirklich einladend<br />
sieht es hier nirgends aus. Doch die Sonne geht hier sehr schnell unter und vor der Dunkelheit muss<br />
ich einen Schlafplatz gefunden haben. In einer kleinen verlassenen Minenstadt namens Oficina Prat<br />
schlage ich mein Zelt auf. Es ist schon eine unheimliche Atmosphäre hier. Zwischen den Ruinen<br />
dieser Geisterstadt, die schon seit den 30er Jahren nicht mehr bewohnt wird, schlage ich mein Zelt<br />
auf. Mit dem Verschwinden der Sonne wird es schnell kälter und ich muss mir eine gefütterte Hose,<br />
Pullover und Jacke überziehen. Als Ausgleich bietet sich mir ein umso beeindruckender<br />
Sternenhimmel. Die Milchstraße ist ganz klar zu erkennen. Alles ist neu, ich kann keines der mir<br />
bekannten Sternzeichen wieder erkennen und überhaupt scheint es hier viel mehr Sterne zu geben.<br />
Ich sitze lange vorm Zelt und blicke einfach nur so nach oben.<br />
Doch den ganzen Tag über habe ich Probleme mit einem trockenen Hals gehabt, musste viel Husten<br />
und fühle mich nicht besonders gut. Das einzige, was ich noch von mir geben kann, ist ein heiseres<br />
Krächzen. Ausgerechnet jetzt gibt die Batterie meines Fieberthermometers ihren Geist auf. In einem<br />
letzten Energiestoß zeigt es mir noch eine Temperatur von 38,4 C° an. Zeit zum Schlafengehen...<br />
Geisterstadt<br />
Kurz nach 6 Uhr stehe ich auf. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, es ist gerade erst ein schmales<br />
leuchtendes Band am Horizont zu erkennen. Während des Frühstücks taucht die aufgehende Sonne<br />
die Umgebung in ein faszinierendes Licht und lässt die Ruinenstadt umso gespenstischer wirken.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Über eine kleine Holperpiste fahre ich wieder auf die Straße zurück. Zu allem Unglück hat der Wind<br />
über Nacht gedreht und kommt nun direkt von vorne. Gestern habe ich gar nicht bemerkt, wie kräftig<br />
der Wind hier in der Wüste ist und bin selbst längere Anstiege locker mit 20 km/h bergauf gefahren.<br />
Heute bekomme ich das totale Gegenteil zu spüren. Fast den ganzen Tag über liegt meine<br />
Geschwindigkeit zwischen 8 und 16 km/h. Solche Anstiege, die ich gestern locker "hinaufgeschoben"<br />
wurde, bemerke ich erst heute! Denn die Anstiege sieht man hier in der Weite der Wüste gar nicht!<br />
Auf scheinbar ebener Fläche geht es dann ständig bergauf und der Wind kann einem mit voller Kraft<br />
entgegensetzen.<br />
Bei einer der Ruinenstädte winkt mir ein kleiner Junge mit seinen Eltern fröhlich zu. Einige Zeit später<br />
überholen sie mich in ihrem klapprigen Chevrolet Pickup. Der Vater steigt aus und erzählt mir einiges,<br />
was für mich sehr unverständlich ist, da er leider eine sehr undeutliche Aussprache hat. Ich verstehe,<br />
dass er es in seiner Jugend einmal mit dem Fahrrad in 6 Stunden von Calama nach Antofagasta und<br />
umgekehrt in 9 Stunden geschafft hat - sicher als Rennradler. Davon kann ich heute nur träumen.<br />
Nach einer Weile bin ich bin ernsthaft am zweifeln, wie ich die 95 Kilometer heute bis nach Calama<br />
vor der Dunkelheit schaffen soll. Es geht einfach nicht vorwärts. Die Kommune Sierra Gorda sehe ich<br />
wie so vieles lange vor meiner Ankunft. Von hier aus wird es absolut keine Abwechslung mehr geben.<br />
65 Kilometer habe ich hinter Sierra Gorda noch zu fahren - nicht einmal Ruinen gibt es dort. Ein<br />
kleiner Junge auf seinem Mountainbike fragt mich, wo ich denn herkomme. Aus Antofagasta sage ich<br />
ihm. Nun ja, genauer aus Deutschland per Flugzeug, korrigiere ich mich. Dass ich mit dem Flugzeug<br />
nach Chile gekommen bin, findet er scheinbar viel cooler als dass ich mit dem Rad durch die Atacama<br />
fahre...<br />
Von Sierra Gorda aus sehe ich bereits einen Anstieg in der Ferne. Die Strasse verliert sich im<br />
Nirgendwo. Stunden später habe ich das "Nirgendwo" erreicht, das von Sierra Gorda aus für mich der<br />
Horizont war - über 20 Kilometer und unglaubliche Anstrengungen später. Scheiß Gegenwind! Nun<br />
wäre ich drauf und dran meinen Radlerstolz hinzuschmeißen und in den nächstbesten Wagen zu<br />
steigen, wo mir eine Mitfahrgelegenheit angeboten wird. Natürlich bietet sich eine solche Möglichkeit<br />
nie, wenn man sie wünscht. Die Langeweile auf dieser Strecke ist einfach unglaublich. Zwei Tage<br />
lang einer einzigen Asphaltstrasse folgen zu wollen - wie kann man nur so dumm sein??? Anfangs<br />
habe ich mir noch gesagt, dass ich alle 10 Kilometer einen Zwischenstopp einlegen werde. Im<br />
Endeffekt stoppe ich mindestens alle 5 Kilometer, um der Langeweile zu entgehen und dem<br />
schmerzenden Hintern (trotz neuer Radhose) eine Erholung zu gönnen.<br />
Wahnsinns Ausblick? Zum wahnsinnig werden, ja...<br />
Nach unendlichen Qualen bin ich endlich so weit oben, dass ich einen schönen Ausblick bis nach<br />
Calama und die dahinter liegenden schneebedeckten Vulkangiganten der westlichen Andenkordillere<br />
habe. Ich stoppe kurz, um ein Foto zu machen. Der Fahrer des klapprigen Chevrolets von heute<br />
Morgen kommt wieder an mir vorbei und sagt mir, dass es nun nur noch 32 Kilometer bis Calama<br />
seien. Und: Was viel wichtiger für mich ist. Es geht teilweise leicht bergab und ich habe nach einer<br />
Kurve endlich Rückenwind! Natürlich kommt Calama nicht so schnell näher wie es der Blick<br />
vortäuscht, doch das zählen der Kilometer und Meter auf dem Fahrradcomputer (fast die einzige<br />
Abwechslung für mich heute) verläuft schon wesentlich schneller als am Vormittag. Die<br />
Reklameschilder beginnen wieder und ich verwechsle eines von ihnen aus der Ferne mit dem eines<br />
- 24 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
französischen Leclerc-Supermarktes. Ich träume schon von leckerer französischer Schokolade, als<br />
sich das Schild letztendlich als eine Baumarktwerbung entpuppt...<br />
Dann endlich geht es über eine holprige Strasse in die Stadt. Das erste Hotel, das ich aufsuche, ist<br />
leider voll. Beim Casa de Huespedes finde ich ein Zimmer für 8.000 Pesos (etwa 10 Euro) pro Nacht.<br />
Ich kann mein Fahrrad mit ins Zimmer nehmen und komme in den Genuss einer versifften aber schön<br />
heißen Dusche. Heute bin ich fast den ganzen Tag mit Jacke gefahren - wegen des kühlen<br />
Gegenwindes und meinen Problemen mit Hals, Nase und schmerzender Lunge. Die Erschöpfung<br />
zeigt sich erst am Abend. Noch bevor ich mein Gepäck vom Rad genommen habe, werfe ich mich<br />
aufs Bett. Das war ein Fehler. Als ich mich eine halbe Stunde später dazu überwinde aufzustehen,<br />
werde ich vom Schüttelfrost gepackt. Erst nach der heißen Dusche - und nachdem ich mich in dicke<br />
Klamotten gepackt habe - geht es mir besser. Ich schaffe es noch zum Einkaufen und Abendessen zu<br />
gehen, ohne dass ich Probleme dabei habe. Doch beim Zubettgehen schlägt der Schüttelfrost wieder<br />
voll zu und ich verkrieche mich tief unter meiner Bettdecke und dem Winterschlafsack. Bei<br />
Bewegungen habe ich starke Schmerzen in den Venen der Gelenke. In der Nacht wache ich<br />
mehrmals auf, teils überhitzt und schwitzend, teils frierend. Ich verbrauche haufenweise<br />
Taschentücher und Huste viel. Ich überlege, ob ich eine Tablette gegen Fieber nehmen sollte - doch<br />
die würde wieder nur die Symptome unterdrücken und nicht den das eigentliche Problem beseitigen.<br />
So schlafe ich einfach soviel ich kann. Nach gut 12 Stunden Schlaf geht es mir schon viel besser. Die<br />
Beine sind zwar noch etwas weich und der Schnupfen sehr stark, aber ich kann mich schon wieder<br />
problemloser bewegen und vor dem Frühstück noch ein wenig einkaufen.<br />
Tag 12:<br />
Tag 13:<br />
Zähneputzen mit Arsen<br />
...oder von der größten Kupfermine der Welt<br />
Antofagasta - Ex-Oficina Prat ca. 127 km<br />
Ex-Oficina Prat - Calama 98,42 km<br />
Calama ist wieder einmal eine nicht besonders sehenswürdige Stadt. Alles was es hier gibt, ist die<br />
größte Tagebaumine der Welt und die meisten Menschen hier sind mehr oder weniger im Bergbau<br />
angestellt. Ich versuche verzweifelt so etwas wie einen Supermarkt zu finden, doch alles was ich<br />
finde, erinnert mehr an eine Lagerhalle. Interessant ist der Blick nach oben, wenn man an der Kasse<br />
steht. Quer an der Wand sind Spiegel angebracht. Durch die dazwischen liegenden Hohlräume lugen<br />
Gesichter heraus, die jeden Handgriff der Kassiererinnen und Kunden beobachten. Die Angst vor<br />
Diebstahl scheint hier keine Grenzen zu kennen...<br />
Dummerweise kümmere ich mich erst spät um die Gabel. Im einzigen Fahrradladen der Stadt solle ja<br />
angeblich eine vorhanden sein. Also mache ich mich auf den Weg dorthin und muss auch ihnen noch<br />
mal mein Problem von vorne erklären. Die Gabel, von der die Rede war - mit den Ösen - ist natürlich<br />
nicht vorhanden. Und die anderen im Angebot sind auch nicht wirklich zufrieden stellend. Und da es<br />
schon spät ist, sagt man mir, dass eine neue Gabel erst am nächsten Tag bestellt werden kann. Und<br />
dann müsse ich immer noch bis Donnerstag warten, weil sie erst aus Santiago per Luftpost bestellt<br />
werden muss. Am nächsten Tag muss ich dann noch mal mit dem Rad vorbeikommen, weil man noch<br />
einmal maßnehmen will.<br />
Am Abend sagt man mir im Hostal, dass ich sofort zum Radladen gehen soll - die hätten angerufen.<br />
Nun ja, die Gabel ist natürlich noch nicht bestellt. Aber dafür hat man noch irgendwo etwas gefunden,<br />
was eventuell passen könnte. Passen tut diese Gabel der Firma Oxford (hier gibt's scheinbar nur<br />
Oxford, Shimano und Bianchi) dann doch nicht. Und da mir das Warten um weitere 3 Tage einfach zu<br />
nervig wäre, machen sich die beiden Techniker in ihrer ölverschmierten Werkstatt über mein Fahrrad<br />
und die Gabel her. Nach dem Motto: Was nicht passt, wird passend gemacht! Den größten Teil ihrer<br />
Zeit widmen sie dabei zwar den Shows mit den leicht bekleideten Damen im chilenischen Fernsehen,<br />
doch irgendwie scheinen sie trotzdem voran zu kommen.<br />
Erst am folgenden Mittag komme ich dazu, mir das Ganze mal anzusehen. Da haben die beiden<br />
Jungs schon wieder etwas entdeckt, was sie in ihrer Arbeit aufhalten konnte (die leicht bekleideten<br />
Mädchen im chilenischen Fernsehen sind eben interessanter als meine Gabel). Der Vorbau und der<br />
- 25 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Konus waren 1 mm im Durchmesser zu breit, um sie mit der neuen Gabel in Einklang zu bringen.<br />
Arrrggg!!! Hier passt auch wirklich nichts zusammen!!! Ich frage mich, ob das in Deutschland genauso<br />
schlimm ist mit den Normen bei Fahrradgabeln. Also habe ich die beiden Jungs beauftragt doch<br />
einfach den Konus und den Vorbau etwas kleiner zu schleifen, so dass alles zusammenpasst. Denn<br />
im Flexen, Schweißen und Schleifen sind die beiden Meister. Die neue Gabel passt eigentlich nur in<br />
der Länge von Schaft bis Narbe - sonst gar nichts. Aber was soll's! Am Abend kann ich mein<br />
fahrbares Rad endlich in Empfang nehmen. Man will mir sogar für die alte Gabel noch Geld geben -<br />
hier wird nichts weggeschmissen.<br />
Und bezahlt habe ich (inklusive Trinkgeld) insgesamt 20.000 Pesos (ca. 25 EUR) - also zweitagelange<br />
Montage, die Verarbeitung und Gabel und Entfernung vom Schlag aus dem Vorderrad. Eigentlich ein<br />
ziemlich annehmbarer Preis würde ich behaupten.<br />
Jetzt habe ich eine ziemlich abenteuerliche Gabel: - Ösen oben wurden nachträglich eingeschweißt. -<br />
Das Schaftrohr war zu lang und musste abgeschnitten werden. - Die alten Bremshalterungen wurden<br />
abgeflext und neue an einer für die Hydraulikbremsen passenden Stelle angebracht. Die Bremsen<br />
sitzen jetzt trotzdem zu tief unten. Was soll's - sie funktionieren... - und viele, viele Kleinigkeiten<br />
mehr...<br />
Interessant ist, dass ich den Leuten im Laden erst einmal klar machen musste, was der Dynamo<br />
(Nabendynamo), was die Bremsen (Hydraulikbremsen) usw. sind. Sie waren hin und weg von der<br />
Technik, die ich an meinem Rad habe und hätten mir am liebsten das halbe Rad abgekauft.<br />
An der Touristeninformation treffe ich an meinem zweiten Tag in Calama Steffen, für mich der erste<br />
Deutsche in Südamerika. Er hat in Santiago einen Spanisch-Sprachkurs gemacht und reist jetzt "mal<br />
eben" ein paar Monate durch Südamerika. Es wird leider nichts aus einem Ausflug zum Dorf Chiu<br />
Chiu und wir begnügen uns mit dem Parque de Loa, wo eine Nachbildung des Dorfes steht. Von hier<br />
aus hat man einen tollen Blick auf die Kulisse der schneebedeckten 6000er, die allesamt noch fast<br />
100 Kilometer entfernt liegen. Der Park wird vom Rio Loa durchflossen; einem kleinen Rinnsal, dass<br />
als einziger "Fluss" weit und breit die Atacama durchquert und den Pazifik erreicht. Leider ist er hier<br />
schon ziemlich verschmutzt, unter anderem mit Arsen. Das Arsen kommt aus der nahe gelegenen<br />
Kupfermine namens Chuquicamata und geht bis ins Trinkwasser. In Calama gibt es einen Laden, in<br />
dem man nichts anderes als Wasser in Gallonen kaufen kann. Am Eingang wirbt er groß mit einer<br />
Leuchtreklame: "Agua sín Arsenico" - "Arsenfreies Wasser"...<br />
Am nächsten Tag treffen Steffen und ich uns früh am Morgen in der Straße, von wo aus die<br />
Sammeltaxis in die einige Kilometer entfernte "Chuqui" abfahren. Jemand fragt mich, wo ich<br />
herkomme. Deutschland? Da wäre er auch schon mal gewesen - mit dem Schiff. Ob ich Bremen und<br />
Rostock kennen würde? Er wäre aus San Salvador und möchte heute Morgen versuchen, einen Job<br />
in der Mine zu bekommen. Das kann man wirklich als ein international geprägtes Leben bezeichnen!<br />
Noch lange bevor wir Chuquicamata erreichen, können wir es aus der Ferne erkennen. Eine riesige<br />
Staubwolke steigt über der Siedlung empor und gigantische Berge von Abraum befinden sich überall.<br />
- 26 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Die Führung wird vom Betreiber "Codelco Chile" kostenlos organisiert, einem Unternehmen, was sich<br />
größtenteils in nordamerikanischer Hand befindet. Es gibt bei der Führung zwar eine englische<br />
Übersetzerin, doch wäre man ohne Spanischkenntnisse weiterhin ziemlich aufgeschmissen. Erst<br />
bekommen wir einen Film über die Mine zu sehen, in dem uns in wie in einem Werbefilmchen die<br />
tollen Errungenschaften der Mine vorgespielt werden und was man alles für die Umwelt täte... Danach<br />
geht es per Bus und zu Fuß zu den Industrieanlagen. Das Interessanteste ist die Verhüttung des<br />
Kupfers, was wir aus nächster Nähe betrachten dürfen. Es ist ziemlich heiß in der Fabrik. Mit meinem<br />
Schnupfen kann ich durch die Gasmaske nur schwer atmen und unsere Metallschuhe sehen aus wie<br />
aus einem Roman von Jules Verne. Mit riesigen Haken werden Behälter transportiert, in die dann grell<br />
leuchtend flüssiges Kupfer fließt was danach in Formen weiterverarbeitet wird.<br />
Der Blick in die Mine ist einfach umwerfend. Obwohl den ganzen Tag Fahrzeuge fahren, die die<br />
Straßen gegen den Staub mit Wasser besprühen, wimmelt es nur so von Staub. Wir können kaum bis<br />
auf den Grund sehen. Dort unten sind die haushohen Transporter nur noch kleine Punkte und ein<br />
Baukran sieht von hier oben aus wie ein Streichholz.<br />
Nach der Führung fahren Steffen und ich zurück nach Calama. Wir fahren mit einem Taxifahrer mit<br />
Sonnenbrille, Lederjacke, langen Haaren und Vollbart, der die ganze Zeit Hardrock hört. Er ist<br />
ebenfalls vor einiger Zeit zugewandert und sagt uns mit Nachdruck, dass wir soviel Spanisch, wie<br />
möglich sprechen sollten - Sonst lernten wir es nie! Welche Sprache er nun original einmal sprach,<br />
finden wir gar nicht mehr heraus.<br />
Tag 14:<br />
Tag 15:<br />
Tag 16:<br />
- 27 -<br />
Calama<br />
Calama<br />
Calama/Chuquicamata
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Von Steinen und einem Baum<br />
Am Morgen setze ich mich nach drei Tagen "Abstinenz" endlich wieder aufs Rad und mache mich auf<br />
den Weg in das etwa 100 Kilometer weit entfernte San Pedro de Atacama. Im Hostal muss ich nur für<br />
zwei Nächte bezahlen, obwohl ich vier Nächte hier war. Der Besitzer hat die Geschichte mit der Gabel<br />
die ganze Zeit mit Spannung verfolgt und hat wegen dieser komplizierten Geschichte wohl Mitleid mit<br />
mir gehabt.<br />
Einige Leute haben mich vorher gewarnt, dass ich bloß nicht vor 10.30 Uhr bis 11 Uhr losfahren solle.<br />
Da wehe der Wind immer in die falsche Richtung - und so ist es tatsächlich. Und punktgenau<br />
zwischen 10.30 Uhr und 11 Uhr Stunde bekomme ich abrupt Rückenwind. Die Straße nach San<br />
Pedro ist alles andere als einfach - aber allemal landschaftlich viel interessanter als die hinter mir<br />
liegende Strecke. Im Osten kann ich die ganze Zeit die schneebedeckten Gipfel der ersten<br />
Andenkordillere bestaunen und auch die Wüste hier ist nicht mehr so von Baggern und Autospuren<br />
durchfurcht, wie anderswo. Ab 3000 Metern gibt es sogar zarte kleine Gewächse, die die Landschaft<br />
in ein leichtes grün tauchen. Einige Kilometer vor dem 3360 Meter hohen Pass komme ich an einem<br />
einsamen Bäumchen vorbei, an dem ein eindeutiges Schild steht: "Give me Water please". Ein wenig<br />
Wasser habe ich über - für zukünftige Reiseradler - denn so ein einsames Bäumchen in der Wüste<br />
vermindert die Langeweile gehörig. Man glaubt es kaum, was ein so kleiner Baum ausmacht.<br />
Irgendwie frage ich mich beim Anblick dieser Wüste sogar, warum die Amerikaner überhaupt auf dem<br />
Mond gelandet sind. Hier auf der Erde gibt es doch Stellen, die genauso aussehen.<br />
Die Anfahrt zum Pass ist eine lange schnurgerade Strasse, deren Verlauf ich immer schon Stunden<br />
vorm Erreichen des Horizontes sehen kann. So ist die Fahrt wieder gar nicht so einfach - mit 1300<br />
Höhenmetern auf 100 Kilometern. Noch nie war ich über 2600 Metern - heute geht es gleich auf 3360<br />
hinauf. Ohne Abzusteigen schaffe ich den Anstieg bis nach oben, bemerke aber schon erste<br />
Probleme mit der Höhenluft. Die Trinkflasche kann ich nicht lange am Mund halten. Zu stark ist der<br />
Drang, genug von dem dünner werdenden Sauerstoff einzuatmen. Ich bekomme oft schleimige<br />
Hustenanfälle - was sicher ein Zusammenspiel aus meiner Erkältung und der Höhe ist. Die Erkältung<br />
habe ich bis jetzt leider nicht vollkommen auskurieren können.<br />
Irgendwann komme ich endlich am (nicht markierten) Pass an. Erst zögerlich, dann immer steiler geht<br />
es bergab. Von hier oben bietet sich ein toller Ausblick auf das fast tausend Meter tief unter mir<br />
liegende Valle de la Luna und San Pedro. Doch selten fahre ich schneller als 30 km/h, da ich meiner<br />
neuen Gabel noch nicht ganz traue. Ungern möchte ich riskieren, dass mir die angeschweißten<br />
Bremshalterungen bei überhöhter Geschwindigkeit plötzlich um die Ohren fliegen oder ich durch<br />
Gabelbruch einen Sprung über eine Klippe mache. Mit heißen Felgen komme ich schließlich unten<br />
an.<br />
- 28 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Ach, ich geb's auf! Man sieht ja auf dem Foto sowieso nicht, dass es wirklich so steil ist...<br />
Doch nach dem Spaß der Abfahrt folgt wieder die Arbeit. Wenn mir jetzt irgendeiner der<br />
verantwortlichen Straßenbauingeneure über den Weg laufen würde - ich würde ihn mit meinem<br />
vollbepackten Rad sofort über den Haufen rollen!!!<br />
Wie kann man nur eine Strasse so steil bergab gehen lassen nur um danach noch mal einen steilen<br />
Anstieg dranzusetzen?!? Keuchend quäle ich mich auch über diesen Bergkamm, werde danach aber<br />
mit einem atemberaubenden Ausblick auf das in der Dämmerung daliegende Tal der Toten und den<br />
umliegenden Bergen belohnt. Die Straße schlängelt sich durch gespenstisch wirkende<br />
Felsformationen, bis sie endlich in San Pedro angelangt und der Asphalt endet.<br />
San Pedro ist ein Fall für sich. Eine Oase - mitten in der Atacama-Wüste gelegen - voll von Touristen,<br />
deren Andrang sich außerhalb der Hauptsaison allerdings noch in einem erträglichen Rahmen hält. In<br />
dem Dörfchen ohne asphaltierte Straßen finden sich Menschen aus vielen verschiedenen Nationen.<br />
Bei der Einfahrt sehe ich ein paar Leute auf einem Hügel sitzen, die still dort den Anblick der Berge in<br />
der untergehenden Sonne genießen. Die ersten Menschen, die mir über den Weg laufen, sind<br />
eindeutig Touristen: Ein Pärchen mittleren Alters mit Kamera in den Händen. Natürlich werde ich von<br />
den beiden bestaunt - ernte aber gleich ein freundliches "Hola" und kein schweigendes Gaffen. Zu<br />
viele verschiedene Menschen kommen hier wohl zusammen, als dass ich noch irgendeine extreme<br />
Ausnahme darstellen könnte.<br />
Ich finde das bisher beste Residencial bzw. Hostal, das ich bisher hier in Südamerika erleben durfte.<br />
Für nur 3000 Pesos pro Nacht (ca. 4 EUR). Warme Dusche und Küchenbenutzung inklusive. Erst<br />
nach einer ausgiebigen Dusche sehe ich das Hinweisschild, dass man sich hier in einer der<br />
- 29 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
trockensten Wüsten der Welt befindet und deswegen doch bitte nur ganz kurz duschen möge. Und<br />
dabei ist das nach einem harten Tag soooo schwierig... Außerdem ist es hier abends verdammt kalt<br />
und man ist kaum aus einer warmen Dusche herauszubekommen. Momentan habe ich lange Hose +<br />
lange Unterhose, T-Shirt und dicke Fleecejacke übergezogen und draußen friere ich immer noch.<br />
In der Küche passiert mir ein kleines Malheur. Während ich alles zum Kochen zusammentrage, macht<br />
es sich eine fette Katze an meinen heute Morgen geschmierten Brötchen schmackhaft. Am liebsten<br />
würde ich dieses verflohte Mistvieh in hohem Bogen aus der Küche treten - wenn ich nicht wüsste,<br />
dass da in ihrem Fell bestimmt 1000 Flöhe und Krankheiten lauern würden. Und sie macht auch keine<br />
Anstalten sich von meinen Brötchen zu lösen. Verwirrt frage ich in der Rezeption nach, ob die Katze<br />
von hier ist. "Katze? Welche Katze?", fragt man mich nur verwirrt und springt sofort auf.<br />
Als Entschädigung für die verlorenen Brötchen (ich habe mich eigentlich gar nicht beschwert),<br />
bekomme ich kurze Zeit später eine Maggi-Tütensuppe geschenkt...<br />
Tag 17:<br />
San Pedro de Atacama<br />
Calama - San Pedro de Atacama ca. 100km<br />
Gleich an meinem ersten Tag in San Pedro laufe ich zwei Deutschen über den Weg, die auch mit dem<br />
Rad unterwegs sind. Zusammen in einer Gruppe mit drei Spaniern. Natürlich haben wir eine Menge<br />
Informationen auszutauschen. Ich spiele immer noch mit dem Gedanken von hier aus direkt auf das<br />
Altiplano nach Bolivien zu fahren. Eine Strecke, auf der es zwei Wochen lang kaum Wasser und<br />
schon gar keine Stadt geben wird. Natürlich ist es mir bei dem Gedanken an eine solche Strecke<br />
schon mehr als mulmig zumute, da ich so etwas Extremes noch nie gemacht habe. Die beiden setzen<br />
noch eins drauf und erzählen mir von einem deutschen Reiseradler, der erst vor kurzem dort oben<br />
umgekommen ist. Irgendwann fand man ihn und niemand konnte sagen, ob es die Höhenkrankheit<br />
oder ein Auto war, was ihn umgebracht hat. Nicht einmal die beiden wollen diese Strecke fahren,<br />
obwohl sie schon so einige Kilometer in Südamerika hinter sich gebracht haben. Das motiviert mich<br />
wenig. Doch mit ihnen zusammen reisen könnte ich kaum. Sie haben sehr, sehr viel Zeit und fahren<br />
dementsprechend langsam und außerdem besteht die Gruppe schon aus 5 Leuten, womit das<br />
erträgliche Maß eigentlich schon längst überschritten ist.<br />
Ich unternehme noch eine kleine Tour in die Wüste und in den nördlich gelegenen Cañon, wo es<br />
Ruinen einer alten Inkasiedlung gibt. Ein Hund schließt sich mir an und folgt mir quietschvergnügt<br />
über einige Kilometer. Auf den holperigen Pisten ist er ständig schneller als ich und wartet an jeder<br />
Kurve ungeduldig auf mich.<br />
San Pedro de Atacama<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Am nächsten Tag treffe ich wieder auf die beiden deutschen Reiseradler und einen Österreicher, der<br />
hier wohnt, und heute mal zum Spaß auf den rund 4500 Meter hohen Hito Cajones radeln will. Er<br />
kann mir einige Tipps zur bevorstehenden Etappe geben und hat auch viel besseres Kartenmaterial<br />
als ich.<br />
Morgen früh soll es losgehen. Ich versuche noch möglichst viele Dinge zu organisieren und<br />
verabschiede mich telefonisch für eine längere Zeit von meinen Eltern. Gegen Abend fahre ich zum<br />
Valle de la Luna, welches ich mir vor der Abreise unbedingt noch einmal ansehen möchte...<br />
Lincanabur<br />
...Über eine Wellblechpiste geht es auf gerader Strecke durch die Wüste bis die Szenerie hügeliger<br />
wird und ein Schild mich schließlich im Valle de la Luna - dem Tal des Mondes - willkommen heißt. Zu<br />
meiner Rechten sehe ich einen Cañon, der verlockende Qualitäten für Radler aufweist: Ein<br />
versteinertes Flussbett, auf dem es sich wunderbar fahren lässt. Ich kann nicht widerstehen und fahre<br />
in den Cañon. Zwischen schroffen und farbenreichen Felswänden hindurch schlängele ich mich mit<br />
dem Rad durch den Cañon, bis alldem durch tiefen Sand ein Ende gesetzt wird.<br />
Ich fahre wieder zurück zur Straße und folge ihr weiter in das Valle de la Luna. Die Szenerie im<br />
Sonnenuntergang kann sicher locker mit der des Grand Canyon verglichen werden. An einer riesigen<br />
Sanddüne vorbei geht es weiter auf ein holperiges Salzplateau, dessen Boden überall verwinkelte<br />
Löcher aufweist.<br />
Valle de la Luna<br />
Mit beginnendem Sonnenuntergang steige ich auf die Düne, von der man einen fantastischen<br />
Ausblick auf die Szenerie hat. Gegen Sonnenuntergang wird es plötzlich voll und am Fuße der Düne<br />
finden sich einige Tourenwagen und Jeeps ein. Während ich mühevoll durch den Sand nach oben<br />
stapfe, spricht mich ein gutaussehendes Mädchen auf spanisch an. Sie fragt, ob ich auch mit dem<br />
Rad da wäre. Ich bejahe. Nachdem sie erfahren hat, dass ich Deutscher bin, spricht sie mich in<br />
- 31 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
gebrochenem Deutsch an, dessen Akzent ich zuerst absolut nicht einstufen kann. Ob ich etwas<br />
dagegen hätte, wenn wir uns zusammen auf der Düne den Mondaufgang ansehen würden? Nein,<br />
natürlich nicht, wieso auch? Trotzdem bin ich ziemlich misstrauisch, dass sie mir so direkt diese Frage<br />
stellt. Ich schiebe es dann aber doch mehr darauf, dass die Formulierung mit sprachlichen Problemen<br />
zu tun hatte.<br />
Sie holt noch ihr geliehenes Mountainbike von der Straße näher an die Düne heran und kommt dann<br />
wieder herauf. Von hier oben bietet sich ein noch viel beeindruckender Ausblick auf das Valle de la<br />
Luna, den Salar de Atacama, die Wüste und die große Andenkordillere. Kurz nachdem die Sonne<br />
verschwunden ist, geht der Vollmond über den Bergspitzen der Anden auf und taucht alles in ein<br />
scharfkantiges blaues Licht. Wir sitzen hier oben noch eine ganze Weile und unterhalten uns auf<br />
Spanisch über Gott und die Welt. Sie heißt Laurence und kommt aus Strassbourg. Momentan arbeitet<br />
sie im Rahmen ihres Studiums für Wasserwirtschaft in einem Umweltamt in Antofagasta und<br />
beschäftigt sich dabei besonders mit dem Salar de Atacama. Es ist ihr erstes Wochenende nach ihrer<br />
Anreise und da sie sich sowieso mit dem Salar de Atacama beschäftigt, ist sie mal kurzfristig für drei<br />
Tage nach San Pedro gefahren. Kurioserweise finden wir heraus, dass wir mit den gleichen Flügen<br />
am gleichen Tag aus Frankfurt und Santiago in Antofagasta angekommen sind...<br />
Tag 18:<br />
Tag 19:<br />
In Unterhose bei -20°C<br />
San Pedro de Atacama<br />
San Pedro de Atacama zusammen 53,62 km<br />
Laurence wollte am folgenden Tag zu den Geysiren von El Tatio fahren. Ich entscheide mich spontan<br />
dazu mit ihr an dieser Tour teilzunehmen. Ich komme nach dem langen Aufenthalt im Valle de la Luna<br />
sowieso nicht mehr dazu, noch die nötigen Vorbereitungen für die Abreise in das Hochland zu treffen.<br />
Der Haken an der Sache: Wir müssen um 3 Uhr aufstehen. Um 4 Uhr fährt unser Kleinbus zum<br />
Geysirfeld auf 4300 Metern. Um die gleiche Uhrzeit brechen viele andere Tourenbusse und Jeeps<br />
zum alltäglichen Schauspiel auf. Die karge Landschaft wird nur durch das schwache Mondlicht und<br />
die vielen Scheinwerfer beleuchtet. Der Weg zeichnet sich an der Kette der zahlreichen Jeeps ab, die<br />
auf und ab über die Piste holpern. Man fragt sich, wie ein normaler Mercedes -Kleintransporter diese<br />
alltäglichen Torturen durchsteht. Immer wieder geht es durch teils gefrorene Furten und über große<br />
Steine. Wo die Straße zu kaputt gefahren ist, nimmt unser Fahrer einfach das sandige Nichts neben<br />
der Piste als Abkürzung.<br />
Noch vor Sonnenaufgang kommen wir am Geysirfeld El Tatio an. Schwefeliger Geruch nach faulen<br />
Eiern steigt uns in die Nase. Doch das hindert uns nicht daran nahe an die stinkenden blubbernden<br />
Löcher heranzutreten. Es ist nämlich so kalt... verdammt!... Ich kann mich nicht erinnern jemals in<br />
meinem Leben so sehr gefroren zu haben!<br />
Die Ausdauer von Laurence ist beeindruckend. Ihr ist zwar offensichtlich auch kalt, doch lässt sie es<br />
sich nicht nehmen quer durch das halbe Geysirfeld zu laufen und einen Haufen Fotos zu machen.<br />
Nervig an einer solchen Tour ist, dass man sich immer an den Zeitplan des Reiseführers halten muss.<br />
Meistens kommen wir ein paar Minuten zu spät zum Treffpunkt und erhalten von ihm gleich einen<br />
demonstrativ tadelnden Blick auf die Uhr. Es ist uns ein Rätsel, wie genau es die Chilenen plötzlich<br />
mit der Zeit nehmen können. Unser Frühstück besteht aus Thermoskannenkaffe, einem Sandwich<br />
und auf Geysiren gekochten Eiern.<br />
Danach geht es weiter zu den heißen Quellen. Laurence hat schon an alles gedacht, hat den Bikini<br />
schon im Voraus angezogen und hüpft bei extremen Minusgraden in das 30°C warme Wasser. Das<br />
kann ich bei der eisigen Kälte draußen nicht mit ansehen und gehe in Unterhose in das wohlig warme<br />
Wasser. Folgend gibt es leider ein klitzekleines Problem: Natürlich den Reiseführer! Er nimmt es mit<br />
der Zeit der Abfahrt natürlich wieder ganz genau und nach einer Weile müssen wir uns schon mental<br />
darauf vorbereiten wieder aus dem Wasser steigen zu müssen. Wir sehen schon die ersten Leute, die<br />
einer nach dem anderen unglaublich zitternd aus dem Wasser steigen, sich fix abtrocknen und ihre<br />
Klamotten in Rekordgeschwindigkeit anziehen. Uns ergeht es kaum anders. Ich leihe mir schnell ein<br />
Handtuch von einem Chilenen und steige nach dem qualvollen Abtrocknen schlotternd in meine<br />
Klamotten.<br />
- 32 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Nach dem Bad geht es wieder zurück nach San Pedro. Nun sehen wir endlich was von der<br />
Landschaft. Bevor wir über den Paso del Diabolo - den Teufelspass - wieder nach San Pedro<br />
herabfahren sehen wir noch die fantastische Szenerie des Hochlandes mit den zierlichen Vicunyas<br />
und anderen Tierarten.<br />
Laurence hat wieder eine Idee. Und das, wo normalerweise immer von mir die verrückten Ideen<br />
kommen! Sie plädiert dafür, dass wir noch an den 30 Kilometern von San Pedro entfernten Baños de<br />
Puritama aussteigen können um dort die Thermalbäder zu genießen. Das mit der Rückfahrt wird sich<br />
dann schon irgendwie regeln. Ich bin dabei. Dieses Thermalbad ist echt wunderbar. Nach dem<br />
Abstieg in einen Cañon trifft man auf eine grüne Oase, die von einem absolut klarem 30°C warmen<br />
Bach durchflossen wird. Zwischen kleinen Wasserfällen kann man der Länge nach durch die Teiche<br />
schwimmen. Wir bleiben Stunden und Laurence bekommt ohne Probleme eine Rückfahrtmöglichkeit<br />
organisiert. Die fragt kurzerhand einen Santiaguino, der hier ebenfalls auf Urlaub ist und mit ihm<br />
können wir in seinem kleinen Renault zurück nach San Pedro fahren.<br />
- 33 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Während ich in San Pedro alles nötige für morgen und die folgenden Tage organisiere, verleihe ich<br />
mein Fahrrad an Laurence, die ein wenig damit durch die Umgebung fährt. Ich treffe (schon wieder!)<br />
auf die deutschen Reiseradler. Sie sagen mir, dass sie mit dem Rad über den nördlicher gelegenen<br />
Pass über Ollagüe fahren wollen, während ihre spanischen Kollegen einen Jeep nach Uyuni nehmen<br />
wollen. Es ist schon recht dunkel und ein Fahrrad mit flimmerndem Licht (was auf einen<br />
Nabendynamo hinweist) kommt an uns vorbei. Eine von ihnen sagt: "Das sieht ja aus wie Dein Rad."<br />
Ups! Ist es auch! Laurence sieht uns, kommt auf uns zu, und sagt uns in klarem Deutsch: "Hier ist das<br />
Fahrrad". Die beiden können es nicht fassen, dass ich mein Rad einfach so verleihe. Ich eigentlich<br />
auch nicht...<br />
Tag 20:<br />
Blutiger Anstieg<br />
San Pedro de Atacama / Geiseres del Tatio<br />
Am Morgen mache ich noch in aller Ruhe ein paar zusätzliche Einkäufe. Ich habe einen kleinen Laden<br />
gefunden, in dem ich tatsächlich alles finde, was ich für das Outdoorleben an Nahrung brauche. Der<br />
Verkäufer duzt mich schon und freut sich mich wieder im Laden zu sehen. Insgesamt muss ich<br />
mindestens die nächsten 6 Tage von meinem Proviant zehren können, was eine beträchtliche<br />
Einkaufliste ergibt:<br />
- 3 Packungen Spaghetti à 500g<br />
- 3 Rollen Schokokekse<br />
- 3 Fertigsuppen<br />
- einige Mandarinen<br />
- Möhren<br />
- Kakteenfrüche<br />
- Tomaten<br />
- Paprika<br />
- Zucker in kleinen Portionen<br />
- kleine Tüte Salz<br />
- Tee<br />
- einige Tütchen Milchpulver<br />
- Käse<br />
- Brot<br />
- Klopapier<br />
- Taschentücher<br />
- Müsli<br />
- Fruchtbrausen für Wasser<br />
Und nach alldem fragt er mich noch allen Ernstes "¿Algo más?" - Darfs noch etwas mehr sein? Mir<br />
reicht es erst einmal. Ich habe an die 20 Kilo Nahrung und etwa 13 Liter Trinkwasser dabei. Mein auf<br />
dem Lowrider liegender Wassersack ist bis zum bersten gefüllt und die 2 und 1,50 Liter-Flaschen<br />
hängen bis zum Rand aufgefüllt im Rahmendreieck. Hoffentlich bricht mir bei dieser Belastung keine<br />
Speiche.<br />
- 34 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Ich darf heute nur etwa 1000 Höhenmeter schaffen. Wenn ich mehr mache, könnte ich Probleme mit<br />
der Höhenkrankheit Soroche bekommen, die bekanntlich schon Radler in der Wildnis hat umbringen<br />
können. Also fahre ich erst zur Mittagszeit los. Kurz hinter San Pedro muss ich durch den chilenischen<br />
Zoll. Die Grenzen zu Bolivien und Argentinien sind zwar noch weit entfernt, doch dazwischen gibt es<br />
nichts weiteres mehr. Man lässt sich nur ungern bei der Mittagspause und dem Kartenspielen stören<br />
und schnell habe ich meinen Ausreisestempel im Pass.<br />
Auf der gut ausgebauten Straße nach Argentinien fahre ich dem Paso Jama entgegen. Einige<br />
Kilometer hinter dem Flugplatz von San Pedro beginnt der Anstieg. Aus der Ferne sah all dies nicht<br />
besonders aus. In den Tagen zuvor habe ich schon mal die Straße betrachtet, die ohne Serpentinen<br />
eine fast ebene Fläche auf das Hochplateau hinaufgeht. Eben ist diese Fläche auch - wenn man mal<br />
von den 16% Steigung absieht, die man auf ihr ständig hat!<br />
Die letzte Abwechslung bietet ein Minenfeld, was auf die Nähe zur Grenze hindeutet. Danach geht es<br />
nur noch bergauf, bergauf, bergauf. Erst komme ich locker im ersten Gang vorwärts, dann wird auch<br />
dies schwieriger und ich muss das Rad Tritt um Tritt nach oben stemmen.<br />
Mit Beginn der Dämmerung habe ich 1142 Höhenmeter geschafft und befinde mich auf einer Höhe<br />
von 3546 Metern. Noch immer kann ich San Pedro sehen. Der Eindruck von Entfernungen täuscht<br />
hier unglaublich. Mein heutiges Tagesziel habe ich die letzten Tage schon aus San Pedro sehen<br />
können! Ich baue mein Zelt hinter einem kleinen Erdhügel neben der Straße auf. Ganz aus dem<br />
Sichtfeld der Trucker bin ich damit nicht. Fröhlich hupend und winkend fahren einige Trucker aus<br />
Paraguay und Argentinien an mir vorbei.<br />
Mit steigender Höhe bekomme ich immer mehr Probleme mit meiner Gesundheit. Ich habe zwar noch<br />
keine Anzeichen von Soroche bemerken können, doch huste ich ziemlich viel und habe weiterhin<br />
einen trockenen Hals. Beim Schlucken spüre ich wie sich Kruste im Hals löst und ich schmecke Blut.<br />
Beim Schnäuzen finden sich im roten Taschentuch blutige Hautstückchen, die ich auch hin -und<br />
wieder aushuste. Dieser Zustand wird sich in den nächsten Tagen nicht bessern, doch werde ich mich<br />
mit der Zeit daran gewöhnen.<br />
- 35 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Bei der Weiterfahrt am nächsten Morgen kommen mir plötzlich zwei Radreisende entgegen. Auf<br />
einem Tandem! Ich hätte fast nicht gedacht, dass es die wirklich gibt. Jeep-Touristen in San Pedro<br />
haben mir schon von den beiden berichtet und sie staunen nicht schlecht, als ich ihnen erzähle, dass<br />
ich schon von ihnen gehört habe. Die beiden heißen Thomas und Manuela und kommen aus der<br />
Schweiz. Sie erzählen mir einiges von der Strecke, die sich hinter sich gelassen haben. Sie sind fast<br />
genau den Weg gefahren, den ich mir vorgenommen habe. Demnach erwartet mich ein windiges,<br />
eisiges Hochland mit unglaublich schlechten Pisten. Manuela fragt mich erstaunt, ob mir denn nicht<br />
kalt ist. Während die beiden dick eingepackt auf ihrem Rad sitzen, bin ich noch in kurzer Radlerhose<br />
und Trikot unterwegs. Thomas fragt mich, wie warm es denn so um die Mittagszeit dort unten in San<br />
Pedro sei. Ich schätze, dass es 20 Grad sind und sofort zeichnet sich auf den Gesichtern der beiden<br />
große Erleichterung ab. "Wir haben die letzten Woche NUR gefroren!".<br />
Da kann mich ja was erwarten...<br />
Nach dem Abschied von Manuela und Thomas wird es tatsächlich merklich kälter. Je mehr ich mich in<br />
einem qualvollen Anstieg mit dünner werdender Luft dem 4520 Meter hohen Pass nähere, desto<br />
kälter wird es. Am Pass liegen noch große Schneereste vom ersten Schneefall dieses Winters. Ich<br />
hoffe, dass der zweite nicht kommen wird, wenn ich hier oben auf dem Altiplano bin!<br />
Schilder weisen mich darauf hin, dass es geradeaus nach Argentinien weitergeht. Ich muss links nach<br />
Hito Cajones. Auf dem Schild wird nicht mit einem Wort erwähnt, dass es dort nach Bolivien geht. Zu<br />
unbedeutend scheint dieses Land zu sein. Hier beginnt das große Abenteuer. Zum letzten Mal für<br />
lange Zeit sehe ich eine Asphaltstraße und eine Ausschilderung. Mit diesem Luxus ist es für die<br />
nächsten Wochen vorbei. Über die teilweise schneebedeckte Piste nähere ich mich dem<br />
bolivianischen Grenzposten, der einsam und verlassen im Nirgendwo steht...<br />
Tag 21:<br />
Tag 22:<br />
San Pedro de Atacama - 3546 metros sobre el mar 28,85 km<br />
3546 metros sobre el mar - Laguna Verde (4255m) 21,81 km<br />
- 36 -
¡Hola amigo!<br />
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Prolog...<br />
Bolivien ist eine andere Welt. Weit versteckt hinter den 6000ern der ersten Andenkordillere treffe ich<br />
auf ein vegetationsloses Hochland. Asphaltstraßen gibt es keine mehr. Noch vor der Einreise lese ich<br />
in meinem Südamerika-Radreiseführer: "Niemand hat bis jetzt dementiert, dass Bolivien die mit<br />
Abstand schlechtesten Straßen in ganz Südamerika hat." Sage und schreibe 5 Prozent der<br />
Fernstraßen sind asphaltiert und der Rest der "Straßen" hat in den meisten Fällen mehr die Qualität<br />
eines Alpenwanderweges als die eines Feldweges. Doch gerade diese Ursprünglichkeit ist es, was<br />
mich so reizt. Ich werde länger in diesem wunderschönen Land verbringen als es eigentlich geplant<br />
war. Und selbst mit einem Jahr Zeit würde ich mich nur schwer zufrieden geben um dieses so<br />
wahnsinnig vielfältige Land komplett bereisen zu können.<br />
Alleine die Anzahl der vielen Landschaftsformen beeindruckt. Da wären der Altiplano mit seinen<br />
Lamas mit bunten Bömmelchen am Ohr, schwarzhaarige Indígenas, auf deren Märkten von<br />
Apfelsinen bis Zahnpasta alles gekauft werden kann und die wunderbaren Salzseen. Die fast<br />
baumlose Pampa mit ihren Gauchos (Cowboys) und den Flüssen, die eine solche Anzahl an<br />
Raubtieren beinhalten, dass es schon bedrückend wirkt. Der Dschungel mit den geheimen Koka-<br />
Plantagen, oftmals sind die Dörfer dort nur per Flugzeug oder Boot zu erreichen. Und zwischen<br />
alldem befinden sich die Yungas - die steil abfallenden Osthänge der Anden, die fast jede Vegetation<br />
des Landes beinhalten.<br />
Aber es wäre zuviel die ganzen Schönheiten und Eigenarten Boliviens hier an einem Stück<br />
aufzuzählen. Es geht ja noch weiter im Text...<br />
Der Grenzbeamte begibt sich nur widerwillig aus seinem grauen Häuschen. Frierend steckt der Soldat<br />
in seiner dicken grünen Jacke und winkt mich in das Haus hinein. Offensichtlich bin ich eine Störung<br />
in seinem Tagesablauf und er hätte die Zeit wohl viel lieber vorm wärmenden Feuer unter einer dicken<br />
Decke verbracht. Und gerade das ist es wohl auch, warum die Grenzabfertigung schnell erledigt ist.<br />
Während er in meinem Reisepass herumblättert bedeutet er mir einen kleinen Einreisezettel<br />
auszufüllen. Danach ist der Stempel schnell gesetzt und ich kann ohne weitere Fragen einreisen.<br />
Doch wo reise ich eigentlich ein? Vor mir sehe ich nur schneebedeckte Berge und drumherum karges<br />
Ödland. Nach einigen Kilometern spaltet sich die Straße und ich treffe auf einen provisorischen<br />
Neubau der Nationalparkverwaltung. Man winkt mich freundlich in das Gebäude herein. In einem<br />
großen hohen Raum steht ein verlassen wirkender Tisch. 4 Bolivianer sitzen drumherum und<br />
genießen die relative Wärme des Raumes. Nachdem ich 30 Bolivianos (ca. 4 Euro) Eintritt für den<br />
Nationalpark gezahlt habe, weisen sie mir noch freundlich den Weg zum Refugio der Laguna Verde.<br />
Schon aus der Ferne sehe ich eine beige Ansammlung von Gebäuden und werde innerhalb kürzester<br />
Zeit durch Hundegebell "begrüßt". Doch abgesehen von den Hunden ist es hier sehr friedlich. Ein<br />
kleiner Knirps läuft in farbigen Klamotten und einer großen Mütze auf dem Kopf durch die Gegend<br />
und jedes Mal, wenn er mich sieht, ruft er mir stolz "Hola amigo" entgegen. Es ist echt rührend, wie<br />
schnell man hier in Bolivien Freunde findet. Doch mit der Zeit werde ich bemerken, dass mich hier<br />
vom kleinen Kind bis zum Dieb jeder mit "Hallo, Freund!" begrüßen wird...<br />
- 37 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Ich bin heute der einzige Übernachtende in Refugio und bekomme einen ersten Eindruck von der<br />
bolivianischen Spartanität. Die Toiletten befinden sich draußen in einem kleinen Gebäude. Fließend<br />
Wasser gibt es nicht und für die Spülung hat man eine mit Wasser befüllte Regentonne und einen<br />
Eimer zur Verfügung. Problemlos darf ich auf dem Kohleofen meinen Benzinkocher benutzen. Kohle<br />
gibt es sowieso keine. Am Abend setzt sich noch eine hier wohnende Frau mit ihrem kleinen Jungen<br />
zu mir und bringt mir ein Stück Kuchen mit. Wir unterhalten uns in den Abend hinein und ich werde<br />
das Gefühl nicht los, dass diese so einfach lebenden Menschen viel freundlicher sind als die so<br />
modernen Chilenen...<br />
Die Bettwäsche ist natürlich nicht gewaschen, doch sie wärmt sehr gut, so dass ich trotz fehlender<br />
Heizung gut geschlafen habe. Während mich der Druck meiner Blase nach draußen treibt, schneidet<br />
mir die Kälte ins Gesicht. Die vor mir liegende grüne Lagune befindet sich unter einer über Nacht<br />
gewachsenen Eisschicht und mit den Toiletten ist es nicht anders...<br />
Zwischen der Laguna Verde (der grünen Lagune) und der Laguna Blanca (der weißen Lagune)<br />
hindurch fahre ich auf salzigen Wegen gen Norden. Zur morgendlichen Zeit tauchen so einige<br />
Tourenjeeps auf der sonst so verlassenen Strecke auf. Einer von ihnen hält plötzlich neben mir. Der<br />
Fahrer sagt mir, dass er 5 Liter Wasser dabeihabe und fragt mich für wen die wohl seien. "Für mich",<br />
antworte ich erfreut. Er sagt mir, dass er dass Wasser bei den Adobes abstellen wird und düst davon.<br />
Kurze Zeit später hält wieder eines dieser staubschleudernden Ungeheuer vor mir. Dieses Mal<br />
werden alle Türen aufgerissen und begeistert springen Leute heraus und laufen auf mich zu. Verdutzt<br />
bemerke ich erst nach einer Weile, dass es sich um die drei radfahrenden Spanier handelt, die in San<br />
Pedro mit den Deutschen unterwegs waren. Niemand aus der Gruppe wollte diese Strecke per Rad<br />
wagen. Während die beiden Deutschen über den nördlich gelegenen Pass bei Ollagüe fahren, legen<br />
die drei anderen die Strecke mit dem Jeep zurück. Ihre Räder sind auf dem Dach des Jeeps<br />
festgeschnallt. Sie begrüßen mich überschwänglich, fragen, ob ich noch etwas benötige und ob es mir<br />
gut ginge. Ich kann ihnen ihr schlechtes Gewissen und den Neid in ihren Augen ansehen.<br />
Andererseits bin ich auch neidisch auf ihre so einfache Fortbewegungsmethode. Die Straße wird<br />
nämlich immer schlechter.<br />
- 38 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Ich mache eine ganz neue Erfahrung. Wenn ich bis jetzt immer von so genannten "Wellblechpisten"<br />
gelesen habe, habe ich mir darunter ernsthaft aus Wellblech erbaute Straßen vorgestellt. Warum<br />
irgendjemand Straßen aus Wellblech bauen sollte, habe ich allerdings nie verstanden. Und heute<br />
verstehe ich erst, was mit dieser Form von "Wellblech" wirklich gemeint ist! Da die sandigen<br />
Schotterstraßen hier recht stark befahren sind, bildet sich durch die von den Fahrzeugen<br />
hervorgerufene Erosion im Laufe der Jahre ein Wellblechmuster. Dadurch bildet sich eine steinharte<br />
quer zur Fahrtrichtung verlaufende Wellblechform auf der Straße. Was das bedeutet, kann sich jeder<br />
selbst ausmalen. Es ist exakt so, als wenn man versuchen würde mit dem Rad auf einem<br />
Wellblechdach zu fahren! Und dieses gemeine Wellblech gibt es auch noch in unterschiedlichen<br />
Ausprägungen. Mal sind es nur kleine Wellen in der Straße, mal sind es Wellen mit je 10cm<br />
Höhenunterschied und 20cm Abstand voneinander. Damit wird das fahren zu reinsten Horror. Nach<br />
einem 4689 Meter hohen Pass geht es leicht bergab, doch davon spüre ich wenig. Es dauert lange,<br />
bis ich mich damit abfinden kann, nicht bergab fahren zu können. Inzwischen kann von vorwärts<br />
Hoppeln eher die Rede sein als von Fahren. Und so hopple ich Hubbel für Hubbel, Meter für Meter<br />
langsam vorwärts. Und das über mehrere Kilometer. Ausweichen kann ich nicht. Die vermeintlich<br />
feste Ödnis neben der Straße entpuppt sich beim Versuch sie zu befahren als gemeinste feine<br />
Vulkanasche, in der kein Vorwärtskommen möglich ist.<br />
Es ist zum Mäusemelken! Nach dem Motto: Entweder ertrage das Wellblech oder gehe im Sand ein.<br />
Teilweise halten meine Nerven diese Hoppelei nicht mehr aus. Ich trete fest in die Pedale und jage<br />
mein bockendes Rad geradedewegs über das Wellblech. Doch dadurch werden die Stöße kaum<br />
abgemildert und schon nach kurzer Zeit bringt mich die dünne Luft außer Atem. Hinzu kommt, dass<br />
sich dabei mein Hinterrad löst und mich fast während der Fahrt verlässt.<br />
Mit einem schmerzenden Rücken komme ich endlich an meinem Tagesziel an: Den Aguas Termales.<br />
Direkt neben den Thermalquellen befinden sich ein paar Adobeziegel und glücklich finde ich meine 5<br />
Liter Wasser hinter einem Ziegelhaufen.<br />
Ich baue mein Zelt neben der Straße auf und genieße den Blick auf die heißen Quellen und die<br />
dahinter liegende Lagune. Während ich mein Essen zubereite, umschleicht mich ein kleiner Fuchs mit<br />
gierigem Blick. Kurz darauf kommen zwei Bolivianer auf einem Motorrad von Norden her. Stolz zeigen<br />
sie mir die Marken auf ihren Jacken und geben damit zu erkennen, dass sie von der<br />
Nationalparkverwaltung sind. Sie haben einen Stützpunkt eineinhalb Kilometer nördlich von hier und<br />
täglich, nachdem die ganzen Touristen weg sind, kommen sie hier vorbei um den Müll einzusammeln.<br />
Freudig weist mich einer von ihnen auf den kleinen Fuchs hin. "Foto? Foto?". Nach dem Einsammeln<br />
einiger Plastiktüten setzen sie sich wieder auf ihr Motorrad und machen sich aus dem Staub.<br />
Meine Gesundheit ist wieder ganz schön mitgenommen. Abgesehen von meinen verkrusteten<br />
Atemwegen habe ich Kopfschmerzen und fühle mich ziemlich ermattet. Höchste Zeit Schlafen zu<br />
gehen und eine Paracetamol zu nehmen. Hier in der Wildnis möchte ich ungern liegen bleiben...<br />
- 39 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Ein schrecklicher Morgen. Nein, es ist nicht wegen der -20°C kalten Nacht und der durchgefrorenen 2<br />
Literflasche neben meinem Schlafsack. Es ist viel schlimmer: Ich werde durch einen amerikanischen<br />
Pop-Song schrecklichster Ausprägung geweckt. Frierend stecke ich meinen Kopf aus dem<br />
eisüberdeckten Vorzelt und wundere mich nicht schlecht, als ich da plötzlich 10 Jeeps mit allerlei<br />
Touristen drumherum neben meinem Zelt erblicke. Doch der Spuk ist bald vorbei. Während ich mein<br />
Frühstück aufwärme, rufen die Guides wieder zum Aufbruch. Schlotternd begeben sich die Badenden<br />
wieder aus den heißen Quellen in die kalte Luft, hüpfen in ihre Jeeps und rasen davon. Alles, was sie<br />
zurücklassen, sind ein paar Mülltüten und eine Köchin.<br />
Ich frage die Köchin, ob hier heute noch Autos nach Norden vorbeikommen werden. Nach den<br />
gestrigen Strapazen fühle ich mich einfach nicht in der Lage die 20 Kilometer von 4315 Metern auf<br />
einen 4822 Meter hohen Pass zu fahren. Ich und mein Rad sind für diese extremen Straßen einfach<br />
nicht geschaffen. Und genau aus diesem Grund suche ich eine Mitfahrtmöglichkeit bis hoch zum<br />
Pass. Die Köchin sagt mir, dass sie auf einen nach Norden fahrenden Jeep warte. Vielleicht könne ich<br />
da mitfahren.<br />
Ich habe Glück. Problemlos schnallt man mein Rad und Gepäck aufs Autodach und ab geht's. Im<br />
Wagen sitzt ein lustiges Grüppchen aus Amerikanern und Holländern. Eine Amerikanerin verkündet<br />
stolz, dass sie ein deutsches Wort kann: "Schnell". Und die Holländer sitzen die ganze Zeit mit einem<br />
fröhlichen Gesichtsausruck Kokablätter kauend auf dem Rücksitz.<br />
Bei den Geysiren auf 4800 Metern lasse ich mich absetzen. Ich frage den Fahrer, wieviel er haben<br />
möchte. Hmm, "50 Bolivianos?" fragt er zurückhaltend. "Und das sind in Dólares?" frage ich ihn. "Och,<br />
so mehr oder weniger 10 Dólares." Ich gebe sie ihm und erfahre erst später, dass der<br />
Umrechnungskurs bei 8 Bolivianos für einen Dollar liegt...<br />
- 40 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Ich werfe noch einen kurzen Blick auf die Geysire und fahre auf der mäßigen Piste weiter. An einigen<br />
Stellen ist sie derart von Wellblech oder Schnee bedeckt, dass sich die Jeeps und Trucks neue<br />
Routen geschaffen haben. So stehe ich zeitweise vor einem Netz aus verschiedenen Wegen und<br />
habe die Qual der Wahl. Vor der Laguna Colorada kommt endlich ein Gefälle und es geht recht<br />
schnell bergab. Die beiden Schweizer haben mir dieses Stück Weg begeistert als "Wie Asphalt!"<br />
beschrieben, da dieses Stück der Straße von einer nahe gelegenen Minengesellschaft unterhalten<br />
wird. Ich habe Mitleid mit den Hintern der beiden. Was müssen die schon ausgehalten haben, bevor<br />
man diese Strecke als "Wie Asphalt" beschreiben kann?<br />
Und für mich grenzt es immer noch an ein Wunder, dass mein Rad so gut durchhält.<br />
An der Laguna Colorada wird die Straße wieder unglaublich schlecht. Ich holpere wieder Stück für<br />
Stück vorwärts und ohne Pausen brauche ich für die 17 Kilometer 2 Stunden. Oftmals versinke ich im<br />
Sand, der an einigen querenden Bachläufen auch noch tief schlammig wird.<br />
An der Laguna Colorada treffe ich wieder auf ein Refugio. Ich teile mir ein Mehrbettzimmer mit einer<br />
Gruppe aus Belgiern, Franzosen und zwei Israelis, mit denen ich mich noch lange unterhalte. Von<br />
ihnen erfahre ich, dass sie die meisten jungen Leute in Israel nach ihren 3 Jahren Militärdienst auf<br />
Reise begeben und nach 11 Monaten wieder zurückkehren. Dann müssen sie nämlich wieder für<br />
einen Monat Militärdienst antreten - genauso wie in jedem der folgenden Jahre...<br />
Die Übernachtung kostet mich nur 20 Bolivianos (ca. 2,50 EUR) inklusive eines mehrgängigen<br />
Abendessens mit heißem Tee. So kann man leben - selbst als Radreisender auf dem Altiplano...<br />
Tag<br />
22:<br />
Tag<br />
23:<br />
Tag<br />
24:<br />
3546 metros sobre el mar - Laguna Verde (4255m) 21,81 km<br />
Laguna Verde (4255m) - 4689m - Aguas Termales (4315m) -Tacho defekt-<br />
Aguas Termales (4315m) - 4822m - Laguna Colorada (4254m) 34,57 km<br />
- 41 -
Tanz im Sand<br />
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Exkurs: Eine Bevölkerung für sich...<br />
Mit geduldigem Blick sitzt sie da. Zum Schutz vor Kälte hat sie eine warme Decke<br />
über ihre Beine geworfen. Ihre wachen Augen stehen im Kontrast zu ihrem tief<br />
von Falten durchfurchten und wettergegerbtem Gesicht. Vor sich hat sie ein<br />
Häufchen Kokablätter auf dem Boden liegen, dass sie in kleinen Tütchen zum<br />
Kauf anbietet. Sie gehört zu der sehr großen Gruppe der Marktverkäufer.<br />
Menschen, die mit ihrem Verdienst nur sparsam überleben können.<br />
Die Bolivianische Gesellschaft ist einzigartig. Im Gegensatz zu den Einwohnern<br />
der anderen amerikanischen Länder sind die meisten der Einwohner Boliviens<br />
indianischer Abstammung. Nachkommen der großen Inkareiche, deren zähe<br />
Einwohner oftmals erfolgreich gegen die spanischen Conquistadores Widerstand<br />
leisten konnten. Ihre Abgeschiedenheit und Härte hat sie durch die Ausrottung<br />
durch die europäischen Eroberer bewahrt, die an den südamerikanischen Küsten<br />
und besonders in Nordamerika nahezu jede Präsenz indianischer Kultur<br />
gnadenlos vernichtet haben. So sind sagenhafte 92% der Bolivianer indianischer<br />
Abstammung, 65% davon sogar reine Nachkommen. Zum Vergleich: In den USA<br />
sind dies nur 0,7% ! In vielen Landesteilen werden immer noch die kehlig und hart<br />
klingenden Inkasprachen Quechua und Aymara gesprochen - Spanisch gilt für<br />
viele Menschen immer noch als Zweitsprache.<br />
Somit hat sich Bolivien nur wenig vom "Westen" beeinflussen lassen. Viele<br />
Gebräuche sind für uns unverständlich, wie z.B. das einmauern von<br />
glücksbringenden Lamaföten in die eigenen vier Wände. Die Menschen wurden<br />
im Laufe der Jahrhunderte zwar christianisiert, doch gibt es nur geringen Einfluss<br />
aus Rom und die Religion stellt eine Mischung aus altem Geisterglauben, dem<br />
Glauben an Pachamama (Mutter Erde) und dem katholischen Glauben dar.<br />
Ein beliebtes Fotomotiv der Touristen sind die Frauen in ihren breiten Kleidern<br />
und ihren runden Hütchen auf dem Kopf. Immer noch wird diese Kleidung als die<br />
ursprünglich indianische Kleidung missverstanden, doch alles ist viel<br />
komplizierter. Die heutige "traditionelle" Kleidung der Frauen wurde den Indígenas<br />
einst von den spanischen Conquistadores aufgezwungen, um ihnen ein weiteres<br />
Stück ihrer eigenen Kultur zu nehmen. Sie entspricht der Kleidung einer<br />
spanischen Bäuerin des 16. und 17. Jahrhunderts aus den Provinzen Sevilla und<br />
Extremadura. Auf dem Land tragen sogar die heranwachsenden Mädchen schon<br />
diese Kleidung. Sie haben alle lange schwarze Haare, die oftmals zu Zöpfen<br />
geflechtet sind. Die Jungen und Männer haben fast allesamt eine "Pottfrisur". Von<br />
der "internationalen" MTV-Kultur ist hier praktisch nichts zu spüren...<br />
Tief eingemollt liege ich unter vielen Filzdecken, als um 5 Uhr in der Dunkelheit die Reisegruppe<br />
aufbricht. Ich bemerke, dass ich wieder eine total verstopfte Nase habe. Beim Schnäuzen ins<br />
Taschentuch spüre ich eine warme Flüssigkeit, die auf meine Hand läuft und sich nicht aufhalten<br />
lässt. Ich bin total verwirrt und kann überhaupt nicht verstehen, warum mir mein Schnupfen plötzlich<br />
wie ich Bächen aus meiner Nase läuft. In der Dunkelheit kann ich nichts sehen und erst, als ich<br />
endlich meine Taschenlampe gefunden habe, klärt sich der Fall. Meine Hand, die ich unter diese<br />
Nase gehalten habe, ist blutüberlaufen und das Taschentuch ist inzwischen auch dunkelrot und trieft<br />
nur so vor Blut. Hastig hole ich weitere Taschentücher aus der Packung und halte sie unter die Nase<br />
bis der Spuk vorbei ist. Ich besinne mich wieder und frage mich, wie das plötzlich kommt. Ich habe<br />
noch nie Nasenbluten gehabt. Erschöpft schlafe ich wieder ein.<br />
- 42 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Laguna Colorada<br />
Um 8 Uhr stehe ich auf. Die Temperatur liegt noch unterm Gefrierpunkt, doch ich fühle mich wieder<br />
besser. Mein Kopfkissen hat rote Flecken und beim Blick in den Spiegel erschrecke ich. Ich sehe mit<br />
meinem blutverschmierten Gesicht aus wie aus einem Horrorfilm. Das verkrustete Blut ist mit dem<br />
eiskalten Wasser nur sehr schwer abzubekommen.<br />
Ich wärme mir ein wenig Müsli auf und frage die Verkäuferin im dem kleinen Laden, wie der weitere<br />
Weg zurück zur Hauptstraße ist. "Eine gute Straße, nur ein klein bisschen Sand" antwortet sie mir<br />
stolz.<br />
Eine Stunde später würde ich am liebsten zu ihr zurückkehren und sie selbst auf meinem schwer<br />
bepackten Rad über das "bisschen Sand" jagen! An den wenigsten Stellen kann ich fahren und das<br />
auch nur schlecht. Der Weg ist nicht breiter als einen halben Meter und führt durch feinsten Sand.<br />
Doch als Entschädigung gibt es einen tollen Ausblick auf die Tierwelt in und um die Laguna Colorada.<br />
In der Laguna stehen zahlreiche Flamingos und in der Ferne sieht man große Salzansammlungen, die<br />
aussehen wie Eisberge. Die Lamas können es gar nicht sein lassen mich mit angehobenen Köpfen zu<br />
begaffen. Hin -und wieder durchquere ich ganze Herden und fühle mich schon ein wenig eingeengt<br />
zwischen ihnen. Es sind lustig dreinblickende Tiere, die immer ein "Lächeln" auf den Lippen zu haben<br />
scheinen. Allerdings möchte ich mich darauf gar nicht so verlassen, denn irgendwie beobachten sie<br />
mich doch ziemlich misstrauisch.<br />
Der Weg will gar kein Ende nehmen und mutiert auf einigen hundert Metern sogar zu einem<br />
schlammigen und vereisten Bach, in dessen Bett kein Fahren möglich ist. Ich suche mir einen neuen<br />
Weg durch die von Lamaködeln und kleinen Grasbüscheln übersäte Landschaft. Mit kaum<br />
nennenswerten Steigungen und ohne Gegenwind brauche ich für die 11 Kilometer bis zur<br />
Hauptstraße ganze 4 Stunden!!!<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Nach einem 4556 Meter hohen Pass komme ich auf der akzeptablen Straße mit kräftigem<br />
Rückenwind unglaublich schnell (Höchstgeschwindigkeit 28km/h) voran. Doch dann kommt wieder<br />
kilometerlang Sand. Einige Trucks brettern an mir vorbei und lassen mich minutenlang im<br />
aufgewirbelten Staub stehen. Verzweifelt schiebe ich das Rad vorwärts. Ich kann mein Pech einfach<br />
nicht fassen. Wütend trete ich mit meinen Füßen in den tiefen Sand und wirble dabei große<br />
Staubwolken auf. Ich möchte alles kurz und klein schlagen doch beim sinnlosen Treten in den Sand<br />
passiert nichts als dass sich meine Wut in Staub auflöst.<br />
Nach Sonnenuntergang erreiche ich endlich mein Tagesziel: Das Campamento de Campina. Ein<br />
Arbeiterlager, in dem Saltineros, die das Salz aus dem nahe gelegenen Salar abbauen, leben. Hier<br />
soll man angeblich übernachten können. Aus den Kaminen der kleinen Baracken steigt dicker Rauch<br />
auf und auf einem staubigen Platz spielen die Männer mit Begeisterung Fußball. Mit großen Augen<br />
werde ich angestarrt. Bei meinem ersten Versuch habe ich kein Glück. Die beiden Männer, die ich<br />
frage, blicken mich nur ratlos an und wissen keine Übernachtungsmöglichkeit. Das will ich ihnen nicht<br />
abnehmen. Ich stehe zwei Minuten vor ihnen und blicke sie ratlos an. "Sind Sie ganz sicher?" harke<br />
ich nach. Er bedeutet mir, dass ich zum Chéfe in sein Büro gehen soll.<br />
Der macht gerade Lohnabrechnungen und lässt sich scheinbar ungern von mir stören. Er kann mir nur<br />
mit dem Wortspiel "Wir sind doch hier kein Campamento" antworten und die Männer in der Runde<br />
beginnen zu lachen. Sehr witzig! Ich lasse ihn meine Ratlosigkeit spüren und nach einer Weile ringt er<br />
sich endlich zu einer Entscheidung durch.<br />
Ich darf im Essraum übernachten, aber morgen um 7 muss ich mich wieder auf den Weg machen, da<br />
die Arbeiter dann zum Frühstück kommen. Ich nehme mein Rad mit in den Essraum und breite meine<br />
Sachen auf dem kalten Betonboden aus. Innerlich macht es mich nach diesem harten Tag sehr<br />
wütend, dass ich nur begafft werde, aber scheinbar niemand mit mir reden will. Es dauert eine ganze<br />
Weile, bis einige Arbeiter die Barriere zu mir brechen. Der erste ist ein junger Mann, der mich erstaunt<br />
zu meinem rauschenden Benzinkocher befragt. Nach dem Abendessen zeige ich einigen meine<br />
Flugkarte von Bolivien - das Beste, was zu dieser Region zu bekommen ist. Mit großen Augen beugen<br />
sie sich über die Karte und versuchen ihre viel zu kleinen Dörfer darauf zu finden. Es sind ja dort nicht<br />
einmal das Campamento oder die hierhin führende Straße verzeichnet. Doch auch wenn die Dörfer<br />
verzeichnet wären; die Männer sehen das erste Mal eine Karte von ihrer Gegend und können zum<br />
größten Teil sowieso nicht Lesen und Schreiben.<br />
Nach Einbruch der Dunkelheit wird der Generator angeschaltet und der Essraum füllt sich mit<br />
Arbeitern. Das hat einen ganz simplen Grund: Im Essraum steht der Fernseher! Nach einer Weile<br />
kommt ein Jeep in das Lager und alle laufen wie die kleinen Kinder zu ihm hin. Nach dem Motto:<br />
"Was hat er uns denn heute schönes mitgebracht?". Und ich verstehe die Aufregung. Der Fernseher<br />
hat nämlich keinen Empfang und der Jeep hat ein Video mitgebracht! Ich bin selbst schon gespannt,<br />
was für ein Film das bloß sein mag und freue mich schon auf die Raubkopie eines Hollywoodfilms.<br />
Nun, es sind harte im Salz arbeitende Männer. Vielleicht sehen sie auch einen Porno an, was ich<br />
ihnen auch nicht verdenken könnte. Doch was dann kommt haut mich wirklich aus dem Schuhen:<br />
Eine stundenlange Aufnahme des Volkstanz-Wettbewerbs in La Paz! Inklusive schrecklicher Musik<br />
und allem Drum und Dran. Die Männer sitzen gebannt am Bildschirm und starren auf die relativ leicht<br />
- 44 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
bekleideten Frauen in ihren Kostümen. Immer wieder kommen Pfiffe und begeisterte Ausrufe. Nun<br />
ja... jedem sein Geschmack...<br />
Was folgt, ist ein Mexikanischer Liebesfilm in pastellfarbener Bildqualität. Es geht um eine junge Frau,<br />
die einen amerikanischen Piloten betreut, der nahe ihrem Haus im Dschungel abgestürzt ist. Dabei<br />
geschehen ihr eine Menge Missgeschicke. Er macht ihr mit englischem Akzent weiß, dass er Medizin<br />
zu seiner Mutter fliegen wollte und bittet sie darum, das Päckchen Medizin zu seiner Mutter in den<br />
USA zu bringen. Natürlich ist in dem Päckchen keine Medizin und der Rest des Films strotzt auch nur<br />
so vor Klischees. An der Grenze werden die Frau und andere Flüchtlinge von einer amerikanischen<br />
Patrouille gnadenlos mit einem Maschinengewehr beschossen. Natürlich fließt kein Blut. Doch eines<br />
ist klar: Die Nordamerikaner sind böse! Als sie den Übergang endlich geschafft hat, nimmt sie ein<br />
kleinwüchsiger Amerikaner mit, der von ihr aber nur "Liebe" haben will. Ein amerikanischer<br />
Indianerhäuptling rettet sie und entführt sie in die Wüste zu seiner Familie, wo er sie zu einer richtigen<br />
Indianerin machen will.<br />
Dann wird der Generator abgeschaltet...<br />
Ich hoffe, dass die Bolivianer ein besseres Bild von uns Europäern haben.<br />
Nase zu und durch...<br />
Am Morgen platzt mir fast die Blase. Ich muss unbedingt eine Toilette finden. Dumm nur, dass hier<br />
niemand meine Frage nach einer Toilette versteht. Verzweifelt frage ich mehrere Leute nach einem<br />
"servicio" und alle sehen mich nur verdutzt an. Manchmal bringen mich die Unterschiede zwischen<br />
spanischem Spanisch und lateinamerikanischem Spanisch echt zur Verzweiflung. Irgendwann finde<br />
ich dann doch noch eine Toilette - ein 200 Meter vom Camp entfernt liegendes Erdloch mit einem<br />
Dach drüber...<br />
Ich spreche mit einem LKW-Fahrer und frage ihn nach dem Zustand der folgenden Straße. "Die ist<br />
sehr gut, und auch ohne Sand" antwortet er mir. Na dann möchte ich mal wissen, was das für ein<br />
komisches Zeugs ist, worin meine Reifen im Laufe des Tages immer wieder stecken bleiben und sich<br />
durchdrehen.<br />
Vorbei am Salzsee geht es wieder auf einen Pass, dieses Mal 4566 Meter hoch. Im Anstieg gibt es<br />
tatsächlich nur wenig Sand und auch kaum Wellblech. Dafür zeichnet sich die Piste dadurch aus,<br />
dass sie kilometerlang über spitzes Geröll verläuft. Unten muss ich einen größeren Bach furten und<br />
werde wieder von Lamas und dieses Mal auch von Eseln angestarrt. Zwei aberwitzige Karnickel (?)<br />
hoppeln eine Weile vor mir her und beobachten mich. Nach dem zweiten Pass kommt ein großer<br />
Wechsel in die Landschaft. Das erste Mal kann ich über den 500 Meter tiefer liegenden eigentlichen<br />
Altiplano blicken. In mehreren Hundert Kilometern Entfernung kann ich schon den Vulkan Tunupa<br />
erkennen. Und - so seltsam das auch klingen mag - das erste Mal in Südamerika sehe ich natürlich<br />
gewachsene Büsche, die ganze Landstriche bewachsen. Die karge Einöde des oberen Altiplano und<br />
der Atacama-Wüste beginnt sich zu lichten. Das erste Mal rieche ich etwas: Einen seltsamen intensiv<br />
würzigen Duft, den ich nur schwer definieren kann und im Nachhinein nur noch mit Südamerika in<br />
Verbindung bringen kann.<br />
- 45 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Die Straße zeichnet sich wieder durch unglaublich spitze Steine aus. nach der Abfahrt quäle ich mich<br />
nur noch über sehr grobes Geröll. Ich bin verwundert, dass meine Reifen die Schläge der spitzen<br />
Steine so ohne weiteres wegstecken.<br />
Gut geschüttelt komme ich im Dorf Villamar an, was zugleich auch das erste Dorf ist, auf das ich in<br />
Bolivien treffe. Eine Indígena bringt mich zu ihrem kleinen Hostal und ich bekomme ein Zimmer für<br />
mich alleine. Doch meine Hoffnungen auf eine warme Dusche macht sie zunichte. Eine Dusche gäbe<br />
es zwar, aber die wäre momentan defekt - und die Frage nach dem warmen Wasser sollte ja wohl ein<br />
Witz sein... Also versuche ich mich provisorisch mit meinem 10-Liter Wassersack und eiskaltem<br />
Bachwasser zu duschen.<br />
Der Hund hier verliebt sich total in mich und hüpft begeistert um mich herum, während ich das Essen<br />
auf meinem Benzinkocher zubereite. Etwas verdutzt sieht er den großen Stichflammen nach, die aus<br />
meinem Kocher kommen. Hmm, das Benzin, was man mir hier aus der Tonne gegeben hat, war wohl<br />
doch nicht so allererste Wahl. Und der Hund scheint der Meinung zu sein, dass in meinem Süppchen<br />
noch eine wichtige Zutat fehlt. Kurz darauf kommt er mit einem kompletten Ziegenbein im Maul wieder<br />
und legt es mir mit erwartungsvollem Blick vor die Füße. Na dann: Guten Appetit!<br />
- 46 -<br />
Villa Mar<br />
Kaum verlasse ich am Morgen das Zimmer, schon liegt mir der Hund wieder zu Füßen und winselt<br />
mich an. Auch als ich mir geröstetes Mehl mit Milchpulver aufwärme, tänzelt er quietschfidel um mich<br />
herum und blickt mir zum Abschied mit traurigem Blick nach. Der erste und einzige bolivianische<br />
Hund, der mich als Radfahrer nicht jagen will...
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Am Dorfausgang treffe ich auf eine tiefe und schlammig vereiste Furt, die ich mich nicht zu<br />
durchqueren wage. Ein paar Kinder weisen mich darauf hin, dass es hundert Meter weiter eine Brücke<br />
gäbe - oder genauer: Einen über den Bach gelegte Felsplatte.<br />
Hinterm Dorf beginnt wieder Ödnis. Die großen Pässe liegen hinter mir. Was nun folgt, ist ein gerade<br />
100 Meter hoher Anstieg auf 36 Kilometern. Zu meiner Linken liegen schroffe Felsformationen. Der<br />
Rest ist eine einzige Einöde, deren Horizont im Lichtflimmern verschwindet. Und ich habe mein<br />
geliebtes Wellblech wieder, was mir für nahezu die ganzen 36 Kilometer erhalten bleibt. Alles was ich<br />
heute sehe, sind zwei Jeeps, ein Motorrad und etwas ganz Ungewöhnliches: Nach etwa der halben<br />
Tagesetappe von 50 Kilometern kommt mir ein schwarz gebrannter alter Mann entgegen und winkt<br />
mich fröhlich zu sich heran. Er freut sich ganz offensichtlich jemand ähnlich verrücktes wie ihn in der<br />
Einöde zu finden. Aber zu Fuß! In dem Alter! Das ist nun wirklich verrückt! Vor allem kann ich mir gar<br />
nicht erklären, wie er zu Fuß ohne einen Rucksack hier hingekommen sein könnte. Mit zahnlosem<br />
Lächeln spricht er mich in kaum verständlichem Spanisch an. Schlechte Straße, gutes Fahrrad, bla<br />
bla bla...<br />
Einer der zwei Jeeps, die ich heute sehe, hält kurz vor mir, so dass mich die Insassen beim Futtern<br />
fotografieren können. Toll! Sascha's Freilichtzoo mit echtem abgemagerten Radreisenden!<br />
Bolivianischer Highway<br />
Vorm Pass komme ich noch an schön geschliffenen orangenen Felstürmen vorbei und dann geht es<br />
bergab. Die Straße ist mit äußerst feinem weißen Sand bedeckt und führt durch ein ausgetrocknetes<br />
Flussbett. Ich schlittere nur so dem Tal entgegen. Zu allem Überfluss verliere ich meine Fleecejacke<br />
und muss wieder 2 Kilometer zurückfahren bis ich sie gefunden habe.<br />
Vor Alota beginnen tolle von Radspuren geformte Radwege, die mich über zahlreiche Felsbrücken<br />
und Furten über die vielen Bäche hier führen. Es gibt hier unglaublich viele Lamas, die sich in ihrer<br />
Masse bis zum Horizont erstrecken. Bei der Einfahrt in das Dorf treffe ich wieder auf freche Hunde<br />
und nach kurzer Zeit schließt sich ihnen eine Meute von Kindern an. Sie sehen meinen Helm und<br />
wollen unbedingt seine Festigkeit mit einem großen Stock prüfen. Doch mit ihnen verhält es sich<br />
kaum anders als mit den Hunden. Sobald man anhält, ist aller Mut verflogen und man verkrümelt sich<br />
hinter der nächsten Ecke.<br />
Ich finde ein Hostal, in dem auch zwei Jeep-Gruppen übernachten. Am Abend unterhalte ich mich<br />
ganz nett mit einer Chinesin aus Hong Kong, die mir brasilianische Nüsse schenkt, und zwei<br />
Deutschen aus Unna. Sie heißen Christian und Melanie und blicken mehr oder weniger neidisch auf<br />
mein Rad. Das ist das, was sie hier vermissen, meinen sie. Naja, Ansichtssache. Wir unterhalten uns<br />
noch lange und verabreden uns für ein Treffen in Deutschland. Und während ich lobend über mein<br />
Fahrrad spreche, bemerke ich erst, dass es tatsächlich einen Platten hat! Den ersten auf dieser<br />
Reise.<br />
- 47 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Dorfversammlung in Alota<br />
In Alota gönne ich mir erst mal einen Ruhetag. Doch ganz so ruhig wird es nicht. Die meiste Zeit des<br />
Tages verbringe ich damit neuen Proviant zu kaufen und ein Telefongespräch nach Deutschland zu<br />
führen.<br />
Das mit dem Telefon ist gar nicht so leicht. Alota ist das erste Dorf, in dem es wieder Telefon gibt. Und<br />
davon gibt es hier sage und schreibe eines! Am Dorfrand steht ein hoch umzäuntes Haus der<br />
Telefongesellschaft Entel mit einer großen Satellitenschüssel davor. Ich muss schon einiges an Kraft<br />
aufwenden, um das quietschende Eingangstor zu öffnen doch an der Eingangstür ist dann Endstation.<br />
Nach langem Warten und vielem Klopfen muss ich einsehen, dass hier niemand ist. Ich suche<br />
jemanden, den ich fragen kann, doch die große staubige Durchgangsstraße ist vollkommen leer. Ich<br />
suche und treffe in einer Gasse auf eine Frau, die mir sagt, dass ich den Telefonmenschen bei der<br />
Dorfversammlung finden würde. "Und wann ist die Dorfversammlung zu Ende?", frage ich sie. "Och,<br />
das kann noch eine Weile dauern." Es ist bereits zwei Uhr mittags, was heißt, dass es in Deutschland<br />
schon 8 Uhr abends ist. Ich habe meiner Mutter vor 8 Tagen versprochen, dass ich in einer Woche<br />
wieder anrufe. Also gehe ich zur Dorfversammlung, die auf dem Platz vor dem Gemeindehaus unter<br />
freiem Himmel stattfindet. Die Leute sehen mich - den "Gringo" - mit großen Augen an, während ich<br />
mich zum Telefonmenschen durchfrage. Ausgerechnet er ist einer der vier Vorsitzenden und hat<br />
natürlich keine Zeit für mich. Er schickt seine Frau mit mir los, die mir die Tür zum Telefonzentrum<br />
öffnet. In einem kahlen Raum hängt ein einsames Telefon an der Wand. Ich versuche mich nach<br />
Deutschland durchzuwählen, bekomme aber nur undefinierbare Töne aus dem Hörer zur Antwort.<br />
Meine Frage nach Internet ist natürlich komplett sinnlos - sie weiß ja nicht einmal, was das ist.<br />
Am Abend mache ich einen erneuten Versuch. Der Besitzer meines Hostals fährt mit seinem<br />
klapperigen Rad voraus und treibt den Telefonmenschen wieder auf. Nach einigem Hin -und Her<br />
erfahre ich, dass ich zum Telefonieren auch eine Telefonkarte benötige! Er fragt extra noch bei der<br />
Auskunft nach, wie lange ich mit einer Karte für 1,50 Euro nach Deutschland telefonieren könne und<br />
sagt mir danach, dass ich mich beeilen solle: Eine Minute! In Deutschland ist es schon 1 Uhr nachts.<br />
In quälend schlechter Qualität komme ich nach Deutschland durch, gebe meinem Vater eine kurze<br />
Positionsangabe und die Telefonnummer des Telefons hier. Dann ist das Gespräch auch schon zu<br />
Ende. Nach einer Weile schaffen es meine Eltern endlich durchzukommen und wir können ein etwas<br />
längeres Gespräch führen. Doch das gestaltet sich gar nicht so einfach. Sie verstehen mich kaum und<br />
die Antworten kommen immer mindestens um 3 Sekunden versetzt, so dass wir fast die ganze Zeit<br />
nur mit "Was? Wie? Wo?" durcheinander plappern. Die drei anderen Bolivianer im Raum sehen mich<br />
belustigt an, während ich verzweifelt immer wieder den Namen ihres Dorfes nenne...<br />
Ich gehe noch ein wenig einkaufen, um meinen Proviant aufzufrischen. Man kann in die kleinen Läden<br />
nicht so einfach hereingehen und muss erst kräftig an die Tür klopfen, bis geöffnet wird. Milch gibt es<br />
nicht, doch dafür ergattere ich eine 800-Gramm-Dose Milchpulver, die für den Rest meiner Reise eine<br />
halbe Gepäcktasche füllen wird...<br />
- 48 -
Tag<br />
25:<br />
Tag<br />
26:<br />
Tag<br />
27:<br />
Tag<br />
28:<br />
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Laguna Colorada (4254m) - 4556m - Campamento Capina (4405m) -Tacho defekt-<br />
Campamento Capina (4405m) - 4566m - Villa Mar (3950m) -Tacho defekt-<br />
Villa Mar (3950m) - 4068m - Alota (3793m) 48,81 km<br />
Alota (Ruhetag)<br />
Soldaten und der Wilde Westen Boliviens<br />
Exkurs: Ex-Kolonie als Binnenstaat<br />
Bei einem Blick auf die Weltkarte mag einem eine weitere Eigenart Boliviens auffallen: Alle<br />
südamerikanischen Staaten haben Zugang zum Meer, nur Bolivien und Paraguay nicht. Umso<br />
verwirrender mag es erscheinen, dass Bolivien einst vom Meer aus als die spanische Kolonie mit<br />
dem Namen "Alto Perú" gegründet wurde. Wie kann es also sein, dass sich die Fläche von Bolivien<br />
sich fern vom Meer auf einer Tibet ähnlichen abgelegenen Hochebene und dazu einem Teil des von<br />
Pampa und Urwald bedeckten Amazonastieflandes erstreckt?<br />
Der Grund ist in der Geschichte Boliviens zu finden. Zuerst sollte man wissen, dass Bolivien alles<br />
andere als eine langweilige Vergangenheit hat. Seit der Abhängigkeit im Jahr 1825 gab es gut 200 (!)<br />
gewaltsame Machtwechsel in Bolivien, bei denen auch bekannte Persönlichkeiten wie Che Guevara<br />
ihre Hände im Spiel hatten. Einsamer Weltrekord. Eine solch chaotische Geschichte bringt natürlich<br />
weitere traurige Rekorde mit sich, wie zum Beispiel eine Höchstinflation von 24.000 Prozent (!) im<br />
Jahre 1985 und viele für das Land gefährliche Kriege.<br />
Territorium gewonnen hat Bolivien in keinem dieser Kriege, dafür aber eine Menge desselbigen<br />
eingebüßt. So ist heute nur noch ein geringer Teil der ursprünglichen Größe Boliviens erhalten. Die<br />
größten Landverluste gingen mit folgenden Kriegen einher: Der erste große Verlust beginnt mit dem<br />
Guerra del Pacífico (Salpeterkrieg), wobei Bolivien schon 1883 mit der Provinz Antofagasta seinen<br />
Zugang zum Meer verliert. Einen Verlust, den die Bolivianer den Chilenen bis heute nicht verziehen<br />
haben. Später verliert Bolivien im Jahre 1903 das große Urwaldgebiet Arce an Brasilien. 1932-1935<br />
führt es den Chacokrieg mit Paraguay und verliert das fruchtbare Chacogebiet. Von der einst<br />
ansehnlichen Marine dümpeln heute nur noch Reste auf dem Titikakasee auf über 3800 Metern<br />
Höhe. Zur ehemaligen Provinz Antofagasta führt heute nur eine einzige asphaltierte Straße. Daneben<br />
existiert noch eine Bahnlinie, doch die Züge verkehren nur noch 1x wöchentlich von Uyuni zum in der<br />
chilenischen Atacama-Wüste gelegenen Calama.<br />
Das so abgeschiedene Bolivien wird gerade dadurch für den Tourismus wohl umso interessanter,<br />
doch der Wirtschaft hilft das nur wenig. Die Wirtschaft ist nur schwach und kann aufgrund der<br />
geringen Infrastruktur und Anbindung an den Weltmarkt nur sehr schlecht wachsen. Trotzdem finden<br />
nordamerikanische und europäische Konsumgüter von Snickers über Nivea bis Nestle ihren Weg in<br />
das so abgeschiedene Land und verhindern den Aufbau einer eigenen Konsumgüter-Industrie.<br />
Selbst die vielen Rohstoffe und sogar der Fund von Öl konnten der Wirtschaft bis jetzt nur wenig auf<br />
die Sprünge helfen. Zu schwach ist das Land, als dass es durch eigene Kraft Pipelines und<br />
Asphaltstraßen durch seine schroffen und unwirtlichen Landschaften ziehen könnte.<br />
- 49 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Beim Aufbruch fragt mich der Hostal-Besitzer, ob ich denn die Richtung für meine Weiterfahrt wüsste.<br />
Überzeugt zeige ich in die entgegengesetzte Richtung, als die, aus der ich gekommen bin. "Wo willst<br />
Du denn da hin? In die Wüste?"<br />
Wie gut, dass er mir am Ortausgang den versteckten Radweg zeigt, an den ich mich halten muss. Ich<br />
folge einem ausgetrockneten Bachlauf, der sich mit Eis und Wasser füllt, desto weiter ich in das Tal<br />
vordringe. Zwischen hoch aufragenden Steilwänden befindet sich eine grüne Oase mit vielen Lamas<br />
und Mulis. Die Landschaft ist wieder grob und beeindruckt zugleich durch ihre Schönheit. Ich sehe<br />
heute nur einen Jeep und zwei einheimische Radfahrer.<br />
In einem steilen Anstieg geht es auf einen 4200 Meter hohen Pass, von wo ich einen tollen Ausblick<br />
auf die vielen Lamas im Tal habe; sie zeichnen sich auf einer großen grünen Fläche nur noch als<br />
unzählige schwarz-weiße Punkte ab. Auf der anderen Seite ist die Landschaft schon wieder um<br />
einiges karger. Nur um den kleinen Bach herum scheren sich ein paar Lamas an niedrigen<br />
Steinhäusern. Der Weg wird wieder sandig und kurz vor San Augustin geht es wieder los. Sand! Ohne<br />
Ende und so tief, dass ich wieder vor machtloser Wut in die Erde trete. Doch in San Augustín sehe ich<br />
das erste Mal befestige Wege in Bolivien. Wenn sie auch nur aus groben Steinen sind, so ist es<br />
immerhin schon etwas.<br />
Ich frage mich zu einem Hostal durch, welches von außen nicht als solches zu erkennen ist. Ein Mann<br />
mittleren Alters öffnet mir die große Stahltür. Bei meiner Frage nach einer Dusche, sieht er mich nur<br />
mitleidig an und sagt mir, dass die natürlich defekt ist. Ein anderes Hostal gäbe es zwar, doch dort<br />
gäbe es keine Duschen. Also bleibe ich hier.<br />
Das Hostal ist ein einzelnes Zimmer in einem Privathaushalt, in dem sich ein paar klapprige<br />
Etagenbetten befinden. Ich bin der Einzige hier. Im Laufe des Abends lerne ich den Rest der Familie<br />
kennen: Die beiden Eltern, die Tochter und einen kleinen Jungen sowie zwei Hunde, wovon einer<br />
noch ein kleiner tollpatschiger Welpe ist. Der Welpe und der kleine Junge sehen mir ganz fasziniert<br />
beim Kochen zu und nach dem Essen darf ich die Waschschüssel der Mutter zum Spülen benutzen.<br />
Der kleine Innenhof bietet einen interessanten Einblick in die Familienkultur. Er dient einerseits als<br />
Flur, andererseits als Schuttabladeplatz, Wohnzimmer, Trockenplatz für das magere Fleisch<br />
geschlachteter Tiere sowie ihrer Reste.<br />
Bei eintreten Dunkelheit wird der Generator angeschaltet und ich kann mein Handy wieder aufladen.<br />
Eine surreale Situation mein Handy an einem Generatoren hunderte Kilometer von der nächsten<br />
Sendeantenne entfernt aufzuladen. Man will mir kaum glauben, dass das kleine Teil ein Telefon sein<br />
soll. Nein, ich hänge nicht so sehr an dem Teil, dass ich ständig dessen liebliche Piepstöne hören<br />
müsste. Ich brauche es allerdings als Wecker; die inzwischen wichtigste Funktion, die ich an diesem<br />
Gerät entdeckt habe.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
San Augustín<br />
Mit frischem Proviant mache ich mich auf den Weg. Das Frischeste, was zu bekommen ist, sind ein<br />
paar Äpfel, abgelaufene Schokolade und eine Packung dünner Spaghetti.<br />
Heute fährt der Bus nach Uyuni ab, der größten Stadt in dieser riesigen Provinz, und das ganze Dorf<br />
ist auf den Beinen. Diese Provinz ist in etwa so groß wie Schleswig-Holstein und Uyuni ist kaum so<br />
groß, wie die Gemeinde Tornesch bei Hamburg.<br />
Ich fahre über den letzten Pass vor dem großen Salar de Tunupa, der auch unter dem Namen Salar<br />
de Uyuni bekannt ist: Der größte Salzsee der Erde. Hinter dem Pass spaltet sich der Weg und ein<br />
Wegweiser sorgt für ein wenig Verwirrung. Mein Tagesziel für heute ist Colcha "K". Der Wegweiser<br />
verweist allerdings auf Calcha "K". Wie gut, dass ich bereits vorher von dieser Falle gelesen habe und<br />
links herum den richtigen Weg nehme. Der Weg wird wieder sehr sandig und ich fluche und schiebe<br />
viel. Seltsam. In diesem Moment kommt alle Wut über unmögliche Patienten, mit denen ich im<br />
Zivildienst zu tun hatte, hoch und ich fluche noch mehr und trete erfolglos in den weichen Sand. Ich<br />
scheine verrückt zu werden, doch hoffentlich nur für den Moment...<br />
Wild West: Julaca<br />
- 51 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Dann wird der Untergrund plötzlich härter und am Horizont sind Anzeichen menschlicher Bebauung<br />
auszumachen. Über eine Salzverkrustete und steinige Ebene nähere ich mich langsam diesem<br />
Horizont. Ich treffe auf ein fast vollkommen verlassenes Dorf, dass jedem Wild-West-Klischee gerecht<br />
werden könnte. Durch das Dorf ziehen sich auf langen Geraden staubige Straßen und in der Mitte gibt<br />
es eine verlassene Bahnlinie mit einsam dastehenden Waggons. Im Augenwinkel sehe ein Kind durch<br />
die Häuser huschen und höre zwei Hunde bellen. Jetzt würde nur noch der obligatorische<br />
Dornenstrauch, der vom Wind durch die Straßen gefegt wird, fehlen.<br />
An einem Friedhof vorbei gelange ich auf einen schmutzigen Salzsee und komme wunderbar auf der<br />
Salzkruste voran. Doch lange Zeit kann ich nur meinem Tacho entnehmen, dass ich mich bewege, am<br />
Horizont tut sich gar nichts. Immerhin funktioniert der Tacho für eine Weile, was auch nur selten der<br />
Fall ist. Nach dieser erholsamen Fahrt beginnt ab dem Ufer des Salzsees wieder der Kampf mit dem<br />
Sand. Wieder fluche und schiebe ich mein Rad vorwärts. In der Ferne kann ich Touristenjeeps<br />
erkennen, die mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Salar de Tunupa fahren und lange Staubwolken<br />
hinter sich lassen.<br />
Colcha "K"?<br />
Ich nähere mich Colcha "K" und wundere mich nicht schlecht über das militärische Tarnfarben-Outfit<br />
des Dörfchens. Als ich näher komme, wirkt alles immer weniger dörflich. Zuerst kristallisieren sich<br />
Aussichtstürme heraus, dann Baracken und zuletzt sehe ich Soldaten mit Schnellschussgewehren.<br />
Die Piste endet vorm Kasernen-Eingang und verdutzt bleibe ich stehen. Ein junger Soldat rennt<br />
diensteifrig mit seinem Maschinengewehr zum Eingang und entfernt für mich die Sperrkette zum<br />
Eingang. Ich sehe mich selbst schon in einer Fernsehkomödie und frage den Soldaten nach einem<br />
Hostal. "Hostal?" Keine Antwort. Erst als sich zwei Offiziere meiner annehmen, darf ich in ganzen<br />
Sätzen sprechen. Von allerhöchster Priorität ist für die beiden natürlich erst einmal aus welchem Land<br />
ich denn komme. Mit Deutschland liegt man in Bolivien zum Glück meistens gut und hier scheint das<br />
nicht anders zu sein. Wie gut, das ich nicht aus den USA komme, oder einen englischen Akzent habe.<br />
Die beiden stellen mir noch ein paar weitere Fragen und beantworten mir erst dann meine Frage. Das<br />
Dorf ist hinter der Kaserne und ich muss nur durch sie durchfahren. Wieder kann ich mich nur schwer<br />
zusammenreißen meinen Fotoapparat in der Tasche zu lassen. Ich liebe militärische Motive, traue<br />
mich aber nicht Fotos zu machen. Zu groß wäre das Risiko, dass man mir alle belichteten Filme<br />
abnehmen will. Während ich so durch das Lager fahre, sehe ich unter anderem sehr interessante<br />
Wandparolen mit patriotischen Gemälden. Da ist von der gefährlichen Grenze zu Chile, dem Schutz<br />
des Vaterlandes und der einst verlorenen Provinz Antofagasta die Rede, die man immer noch als<br />
einen Teil Boliviens betrachtet...<br />
Im Dorf ist gerade schulfrei und eine große Gruppe Kinder läuft hinter mir her und füllt die ganze<br />
Straße, als ich anhalte. Von ihnen bekomme ich mehr als genug Hilfe bei der Suche nach einem<br />
Hostal. Natürlich wollen alle mein Fahrrad und ganz besonders meinen Helm anfassen. Der Helm ist<br />
überhaupt das Unglaublichste und Interessanteste für die Bolivianer - ob groß oder klein - und er wird<br />
noch über viele belustigte bolivianische Köpfe wandern. Ein Junge wird losgeschickt, um die<br />
Herbergsmutter aufzutreiben. Natürlich dauert das seine Zeit und die Kinder haben genug Zeit Fragen<br />
zu stellen und alles anzufassen. Was eine Kamera ist, wissen sie allerdings sehr genau und sie tun<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
alles dafür, bloß nicht vor meine Linse zu geraten. Also drehe ich den Spieß um, denn durch die<br />
Kamera blicken und auf den Auslöser drücken will jeder einmal. Freudig richten sie sie auf ihre<br />
Freunde, die sich kichernd vor ihr zu verstecken versuchen.<br />
Am Abend gehe ich noch ein wenig zum "Shopping". Ich muss noch etwas Benzin kaufen und werde<br />
in einem Privathaushalt fündig. Der Besitzer erzählt mir stolz, dass er hier im Krankenhaus arbeitet.<br />
Im nächsten Moment steckt er sich den Benzinschlauch in den Mund, um das Benzin anzusaugen<br />
und danach die Hälfte wieder auszuspucken. Hmm, dass Benzin eine medizinische Wirkung hat, ist<br />
mir jedenfalls neu.<br />
Auf dem Dorfplatz treffe ich nur zwei alte Mütterchen, die ihre spärlichen Waren dort anbieten. Ich<br />
brauche noch etwas Proviant für die Tage auf dem Salzsee und erstehe dabei haufenweise Bonbons,<br />
abgelaufenen Jogurt in Tüten und sonstige Kleinigkeiten. Mit dem Wasser ist es schon schwieriger.<br />
Ich muss der Verkäuferin erst fünf Mal bestätigen, dass ich 10 Liter Wasser haben möchte, also 5<br />
Flaschen. Damit habe ich fast ihren ganzen Stand aufgekauft. Ich kaufe noch ein paar weitere<br />
Kleinigkeiten bei ihrer Kollegin und verschwörerisch fragt diese mich, was ich denn für das Wasser<br />
bezahlt habe. Kaum zu glauben. Da sitzen die beiden tagein tagaus nebeneinander, hüten aber ihre<br />
Preise wie Staatsgeheimnisse...<br />
Außerdem entdecke ich eine ungeahnte Liebe zur Marmelade in mir. An einem kleinen Laden an<br />
einer Straßenecke kaufe ich noch ein paar Brötchen und die Verkäuferin fragt mich, ob ich auch<br />
"Mermelada" haben möchte. Marmelade? So was gibt es hier?<br />
Von nun an erwische ich mich tagelang immer wieder dabei, wie ich gierig pappige Brötchen mit der<br />
leckeren Marmelade darauf herunterschlinge. Marmelade am Morgen, Marmelade am Mittag,<br />
Marmelade am Abend, Marmelade immer und zwischendurch... Sie erscheint mir als die größte<br />
Delikatesse, die es gibt. Und das, obwohl ich zu Hause eigentlich gar keine Marmelade mag. Wie<br />
verwöhnt man doch sein kann...<br />
Zwei Helden im Kampf gegen das Chilenische Unheil<br />
Am nächsten Morgen sitzen die Kinder wieder in der Schule, nur einer ist ausgebüchst und versucht<br />
mir unauffällig zu folgen.<br />
Ich wundere mich nicht schlecht, als mir mehr und mehr Soldaten entgegenkommen. Sie pressen sich<br />
in die Nischen und an Hauswände und rücken langsam in das Dorf vor. Scheinbar eine Übung an der<br />
sich keiner der Dorfbewohner stört. Mich packt wieder das Fotofieber. Als ich an ihnen vorbei bin,<br />
möchte ich unauffällig von hinten ein Foto machen. Die Angst im Nacken ziehe ich die Kamera aus<br />
der Tasche und schon erblicken mich zwei Soldaten mit meiner Kamera in der Hand. Oje... mist...<br />
Aber nein: Von militärischer Geheimhaltung und Fotografierverbot wollen die gar nichts wissen! In<br />
heldenhafter Pose stellen sie sich mit ihren Maschinengewehren vor die Kamera und lassen sich mit<br />
einem vom einen zum anderen Ohr reichenden Lächeln fotografieren...<br />
- 53 -
Tag 29:<br />
Tag 30:<br />
Kurs 354° - Der stille Ozean<br />
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Alota (3793m) - 4207m - San Augustín (3818m) 32,53 km<br />
San Augustín (3818m) - 3888m - Colcha K (3753m) -Tacho defekt-<br />
Hinter Colcha K sind es noch 22 Kilometer auf sandiger Piste bis zum Ufer des Salar de Tunupa.<br />
Schon lange fiebere ich diesem Abenteuer entgegen: Meiner Fahrt über den größten Salzsee der<br />
Erde.<br />
Noch bevor ich das Ufer erreiche, bläst mir kalter Wind ins Gesicht. Ich nehme Abkürzungen durch<br />
matschige Salzbuchten und erreiche gegen Mittag endlich die Zufahrt zum Salar. Der Salar ist den<br />
ganzen Sommer über von Wasser bedeckt, dessen letzte Reste die Wintersonne erst vor einem<br />
Monat verdunstet hat. So kommt es, dass das Ufer noch ziemlich matschig ist und ich den<br />
Zufahrtsdamm auf den Salzsee nehmen muss. Kurioserweise sehe ich hier das erste Mal Asphalt,<br />
allerdings hat der ziemlich unter den jährlichen Überschwemmungen gelitten und ist nur so mit<br />
Schlaglöchern übersät. Nach drei Kilometern kann ich den Damm verlassen.<br />
Hier ist das Salz fest wie Beton und so eben, wie ich es nie auf einer Straße in Bolivien hatte. Ich kann<br />
meine Faszination über diese Landschaft kaum in Worte fassen. Nach einiger Zeit breitet sich um<br />
mich herum überall das weiße Salz bis zum Horizont aus. Ich bin kein großer Fan von Sonnenbrillen,<br />
doch ohne die wäre ich hier verloren. Die unzähligen Salzkristalle spiegeln das Licht der Sonne so<br />
stark, dass ich ohne Sonnenbrille keine Konturen mehr erkennen kann. Obwohl ich wegen der Kälte in<br />
dicken Winterklamotten unterwegs bin, muss ich jeden Fleck nackter Haut regelmäßig mit<br />
Sonnenschutzcreme Lichtschutzfaktor 40 einreiben, um mir auf der langen Fahrt über den Salar keine<br />
Verbrennungen zuzuziehen. Selbst mit der Sonnencreme wird die Haut an den Händen mit der Zeit<br />
ledrig.<br />
Ich kann mich gar nicht genug begeistern an der Leichtigkeit des Vorwärtskommens und der<br />
unglaublichen Atmosphäre hier. Der Wind hat sich inzwischen gelegt und ich höre nur noch das leise<br />
Surren meiner Reifen auf dem Salz. Immer wieder blicke ich über den leeren Horizont und kann in der<br />
Ferne kleine Hügel ausmachen, die in Wirklichkeit mehrere tausend Meter hoch sind.<br />
Schon 40 Kilometer vor der Ankunft kann ich die Isla Inkawasi als kleinen Punkt am Horizont<br />
ausmachen. Diese kleine Insel, mitten auf dem Salzsee, soll mein Tagesziel sein. Außer dem<br />
Kompass und der Sonne habe ich keine weiteren Hilfsmittel. Der Fahrradcomputer lief in den<br />
vergangenen Tagen sehr unzuverlässig. Mal funktionierte er, dann mal wieder nicht. Ausgerechnet<br />
heute hat er sich mal wieder dazu entschieden seinen Geist aufzugeben und so muss ich die<br />
gefahrenen Kilometer mit meiner Uhr und Winkelberechnung zu den Bergkuppen schätzen. Im<br />
Grunde muss ich mich immer nur einen Kurs von 354° zur Insel halten.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Nach etwa drei Stunden Fahrt wird die Insel langsam größer. Aus der Ferne wirkt sie mit ihren vielen<br />
Kakteen wie ein gigantischer im Salzsee liegender Igel. Ich bekomme wieder "Land" unter die Räder<br />
und befinde mich prompt wieder unter Menschen.<br />
Auf der Insel gibt es eine kleine Herberge, die von Alfredo und seiner Frau betrieben wird. Die<br />
Touristen der Jeep-Touren dürfen hier nicht übernachten und da heute keine weiteren<br />
Individualtouristen hier sind, bin ich der einzige Gast. Gegen Abend fährt auch der letzte Jeep zurück<br />
in Richtung Festland und nun sind nur noch ich und einige Einheimische auf der Insel. Ich bin absolut<br />
begeistert von meiner Unterkunft. Sie ist aus festem Stein und löchrigem Kakteenholz mitten in den<br />
Fels gebaut. Alfredo bringt mir sofort das Gästebuch herein und fragt woher ich denn komme.<br />
"Deutschland? Komisch, da kommen fast alle Radreisenden her", antwortet er mir lachend. Ich falle<br />
fast vom Glauben ab, als ich die vielen Einträge im Gästebuch lese. Der letzte Radreisende (übrigens<br />
ein Japaner) war erst vor zwei Tagen da und ich entdecke so einige bekannte Gesichter und Namen.<br />
Eine Lektüre für Tage! Da ist zum Beispiel der "Lemlem"-Peter, dessen faszinierender Bericht über<br />
den Salar mich schon vor einem Jahr einfach nicht losgelassen hat. Wie ich später erfahre, ist er auf<br />
seiner Welttour inzwischen in Bangkok angekommen. Dann sind da noch ein älterer Hamburger, der<br />
auch erst vor kurzem hier war, und zwei Gesichter, die mir verdammt bekannt vorkommen...<br />
Dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen, als ich ihren Beitrag lese: "Sasa: Turnschuhe gehören<br />
an die Füße oder hinten aufs Gepäck. Genieß die Reise."<br />
Ich glaube es nicht! Da sitze ich hier auf dieser Insel und finde im Gästebuch eine Nachricht für mich!<br />
Sie stammt von Walli und Steffen, zwei deutschen Reiseradlern, die ich durch das Internet kennen<br />
gelernt habe. Aus einem Treffen ist leider nichts geworden, da vor einer Woche noch zuviel Schnee<br />
zwischen uns lag. Nur müssen die beiden mich dann vor der ganzen Reiseradler-Gesellschaft auf<br />
dem Salzsee lächerlich machen?<br />
Aus dem Gästebuch der Isla Inkawasi:<br />
13 Tage dauerte die Reise von Hito Cajon bis zur Kactusinsel. Ich habe viele (10) Tourenradler<br />
angetroffen, aber nur 2 davon hatten ihre Räder dabei! Warum?<br />
War es zu kalt? (-15° Celsius bei den Geysirs) War es der schreckliche Wind? (7km in 4 Stunden<br />
am Paso Sico) War die Straße zu hügelig? (Mein Rücken schreit nach Asphaltstrassen) War es<br />
das Wetter? (Gestern Regen und heute etwas Schnee)<br />
Trotz allem die bisher schönsten Kilometer in Amerika (CA, USA, MEX, GUAT, HOND, EL SAL,<br />
NIC, C-RICA, PAN, PERU, CHILE, ARG und PARAG)<br />
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2.Juli 2002
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
In der Dämmerung steige ich über scharfkantiges Vulkangestein und durch meterhohe Kakteen auf<br />
den Gipfel der Insel. Um mich herum bietet sich ein grandioser Ausblick auf dieses weiße Meer, das in<br />
der untergehenden Sonne in den verschiedensten Farbtönen schimmert. Im Salz sind die Spuren der<br />
Jeeps zu erkennen, die sich in lang gezogenen Linien im Osten, Westen und Norden verlieren. Die<br />
Spur, die sich im Osten im dunklen Horizont verliert, werde ich morgen befahren.<br />
Weit im Norden ist der heilige 5820 Meter hohe Vulkan Tunupa zu erkennen. Er ist der Ursprung des<br />
Tunupa-Mythos, der eine Art Christus der Aymara darstellt. Langsam versinkt die Sonne hinter den<br />
etwa 4500 Meter hohen Hügeln im Osten - dort, wo Chile liegt. Ich sitze noch eine weile hier oben und<br />
genieße den Anblick des Sternenhimmels. Der Helle Streifen der Sonnendämmerung verschwindet<br />
langsam am Horizont und mehr und mehr Sterne zeigen sich. Die Milchstraße ist klar zu erkennen<br />
und zieht sich von einem Horizont zum anderen. Wieder bin ich erstaunt, wie viele dicht beieinander<br />
liegende Sterne man hier erkennen kann. Noch nie habe ich einen solchen Sternenhimmel gesehen.<br />
Im Licht der Sterne suche ich mir meinen Weg zurück zur Herberge. In der Küche des Restaurants<br />
kaufe ich noch etwas Brot. Die Angestellten sitzen in gemütlicher Runde vor ihrem wärmenden Ofen<br />
und fragen, ob ich mich zu ihnen gesellen möchte. Auch Alfredo fragt mich, ob ich mich zu seiner Frau<br />
und ihm setzen möchte, doch ich lehne ab. Heute Abend möchte ich diese unheimliche Stille hier<br />
draußen genießen, diesen Frieden dieser Insel, den es sonst nirgends in dieser Form zu geben<br />
scheint. Nach einer Weile ziehe ich mich in mein Zimmer zurück. Im Kerzenlicht lese ich noch ein<br />
wenig im Gästebuch und genieße den Ausblick auf die still in der Dunkelheit liegende Fläche des<br />
Salzsees.<br />
Ich schlafe schön aus und genieße am Morgen den Blick auf den wieder blendend hell daliegenden<br />
Salar. Schon haben sich die ersten Touristen eingefunden, doch von Hektik kann nicht die Rede sein.<br />
Alfredos Frau bereitet mir ein tolles Frühstück, obwohl es ihr an diesem Morgen gar nicht so gut geht.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Zumindest lässt sie mich immer wieder wissen, wie schlimm ihre Kopfschmerzen seien. Da ich noch<br />
genug Medikamente dabeihabe, drücke ich ihr eine Paracetamol in die Hand. Sie scheint darauf<br />
geradezu spekuliert zu haben und wird schnell wieder gesprächig. Wie toll die deutschen<br />
Medikamente doch seien, sagt sie mir und ob ich nicht noch ein paar Tabletten mehr hätte. Aha! So<br />
läuft der Hase also...<br />
Ich will es nicht übertreiben und drücke ihr anstatt der gewünschte sechs lieber nur zwei weitere<br />
Tabletten in die Hand. "So was gibt es hier in Bolivien nicht" sagt sie mir mit freudigem Blick auf die<br />
Tabletten.<br />
Alfredo fragt mich, ob ich auch einen Eintrag in das Gästebuch gemacht habe. Na klar habe ich das!<br />
Ich habe sogar alle E-Mail-Adressen der letzten Jahre herausgeschrieben und sie in einer Liste<br />
zusammengefasst. Vielleicht werde ich dem ein oder anderen Reiseradler mal zu schreiben und ihn<br />
nach seinen Erfahrungen auf dem Salar fragen. Einige Leute im Gästebuch haben durchaus<br />
interessante Möglichkeiten der Anreise entdeckt. Alfredos Frau erzählt mir davon, dass erst<br />
vorgestern ein paar verrückte Spanier zu Fuß hierher gekommen wären. Drei Tage hätten sie vom<br />
Festland aus gebraucht! Der Höhepunkt waren eine Politiker-Delegation mit einem Helikopter und ein<br />
paar "Gringos" in einem Heißluftballon. Außerdem kämen auch hin -und wieder Touristen mit einer<br />
kleinen Propellermaschine, die von Cochabamba kommend, auf dem Salar landet. Diese verrückten<br />
Touristen würden für den Flug 300 US$ pro Nase bezahlen, sagt sie mir ungläubig. Und schon<br />
schwenkt sie auf ein anderes Thema um und fragt mich, ob ich von dem Salzhotel gehört habe. Da<br />
würden sie von den Touristen 50 US$ für die Nacht verlangen, während sie auf ihrer Insel nicht einmal<br />
5 US$ inklusive Abendessen und Frühstück nimmt.<br />
Ich verlasse die Insel in Richtung des Salzhotels auf Kurs 106°. Zuerst begleitet mich eine Weile lang<br />
der Sohn von Alfredo seinem Hund und Fahrrad. Es muss ein seltsames Leben hier sein. Während<br />
ich mich mit Sonnenbrille, Sonnencreme und einem High-Tech-Rad vor dem hellen Salar schütze und<br />
diese Tour als eine große Herausforderung im Leben betrachte, radelt er quietschfidel einmal um die<br />
Insel, als wenn es das normalste im Leben wäre.<br />
Langsam wird die Insel immer kleiner und verschwindet schließlich ganz hinterm Horizont. Ich befinde<br />
mich wieder auf der weiten weißen Fläche. Heute muss ich mich weniger nach dem Kompass richten,<br />
da ich einer recht gut erkennbaren Spur folgen kann. Ich muss mich immer wieder vor den<br />
gefährlichen "Ochos" im Salz in Acht nehmen. Diese so genannten "Augen" sind Löcher im Salz, die<br />
bis zu einem halben Meter breit sind und sehr tief sein können. In ihnen blubbert klares Wasser aus<br />
gespenstisch anmutenden Höhensystemen, die sich in der Dunkelheit verlieren. Das Wasser stammt<br />
überwiegend aus dem Río Huajala, der noch vorm Salar im schlammigen Erdreich versickert und hier<br />
auf dem Salar in einigen Abschnitten wieder durch die Salzkruste nach oben sickert. Um die Ojos<br />
herum, ist das Salz teilweise matschig wie am Ufer. Für schwere Fahrzeuge besteht angeblich<br />
Einsackgefahr. Ich hoffe, dass man mein Fahrrad nicht als schweres Fahrzeug betrachtet, denn ich<br />
hätte nur sehr wenig Lust in einer bis zu 7 Meter dicken Salzschicht zu versinken.<br />
Einstmals gehörte der Salar übrigens zu dem riesigen Binnenmeer Lago Minchíns, das vor<br />
Jahrmillionen austrocknete und viele Salzseen sowie den Lago Titikaka zurückgelassen hat.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Immer wieder fahren in langsamer Geschwindigkeit Touristenjeeps mit laufenden Kameras an mir<br />
vorbei oder halten gar, damit man Fotos von mir machen kann...<br />
Ich trinke viel und lege zu jeder vollen Stunde eine Pause von 10-15 Minuten ein. So komme ich<br />
bequem voran und gegen Mittag erblicke ich langsam das Hotel de Sal, was ich eineinhalb Stunden<br />
später erreiche. Es sind keine Touristen hier, doch vor dem Hotel sitzt eine bolivianische Familie. Sie<br />
fragen mich, ob ich hier übernachten möchte und bieten mir einen Sonderpreis von nur 10 US$ pro<br />
Nacht an. Das Salzhotel wäre sicher ganz interessant, doch ich möchte unbedingt auch mal eine<br />
Nacht auf dem Salar zelten. Ich entferne mich noch ein wenig vom Hotel und der Fahrspur und<br />
schlage mein Zelt etwa einen Kilometer entfernt davon auf.<br />
Wie gut, dass ich mir von der Insel einen Stein mitgenommen habe. Ohne den hätte ich keinen<br />
einzigen Hering in das Salz bekommen, das hart wie Eis ist. Es reicht einen Hering nur 1-2cm in das<br />
Salz zu schlagen, dann sitzt er bombenfest. Immerhin erfordert es einige Ausdauer und danach<br />
schmerzt meine Hand von den vielen Schlägen.<br />
Die Sonne nähert sich langsam dem Horizont. Wieder kommen die tollsten Farbtönungen zum<br />
Vorschein und die Salzausblühungen bilden aus dem Salar im flach einfallenden Licht ein Netz<br />
unzähliger Waben. Ich koche Spaghetti und salze sie reichlich. Zum Spaghetti kochen ist es hier<br />
perfekt und an Salz werde ich so schnell keinen Mangel leiden...<br />
Wieder bildet sich ein eindrucksvoller Sternenhimmel über mir und am Ufer sind die schwachen<br />
Lichter des nur 13 Kilometer entfernten Colchani zu erkennen. immer wieder sehe ich Lichtpunkte<br />
über den Salar gleiten. Es sind kleine Trucks, die den Salar als gute Straße benutzen. Meine größte<br />
Befürchtung ist, dass einer von ihnen in der Dunkelheit über mein Zelt fahren könnte, doch so weit<br />
kommt es zum Glück nicht. Außerdem wäre das bei solch geringem Verkehr und einer großen<br />
"Straßenbreite" wie der des Salar schon ziemliches Unglück.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Ich bin früh schlafen gegangen. Ausgerechnet um 5 Uhr morgens halte ich dem Druck meiner Blase<br />
nicht mehr aus und ich muss nach draußen! Ich mache mir nicht die Mühe mich anzuziehen und gehe<br />
bei -20°C in Unterhose aus dem Zelt. Ich möchte nur schnell meine Blase entleeren. Ich denke schon,<br />
dass ich hier festfrieren werde, bis sich meine Blase nach endlos langer Zeit entleert hat. Im Osten ist<br />
schon das helle Band der um 7 Uhr aufgehenden Sonne zu erkennen. Ich verkrieche mich schnell<br />
wieder im 6°C warmen Zelt und schlafe noch bis 9 Uhr weiter.<br />
Nach einem kurzen Frühstück schwinge ich mich wieder auf mein Fahrrad und fahre die letzten<br />
Kilometer bis zum Ufer nach Colchani. Colchani lebt fast nur vom Salzabbau und überall am Ufer<br />
haben die Saltiñeros große Salzhaufen aufgeschüttet. Durch die hohe Beanspruchung ist das Salz<br />
hier ziemlich dreckig und langsam geht es in feste Erde über. Ich bin wieder auf dem "Festland" und<br />
habe das Abenteuer Salzsee hinter mir.<br />
Den touristischen Einfluss hier bekomme ich sofort zu spüren. Ein kleiner Junge kommt auf mich zu<br />
und ruft: "Eh, Gringo! Gib mir Caramelbonbons." Ich habe nur gesunde Fruchtbonbons, was er mit<br />
einer unzufriedenen Grimasse quittiert.<br />
Neben und auf dem Bahndamm geht es auf einem mäßigen Weg nach Uyuni. Meine Annäherung an<br />
die Stadt verläuft scheinbar proportional zur Vervielfachung des herumliegenden Mülls: Die ganze<br />
Stadt ist von einem Ring aus Müll umgeben. Im den kleinen Dörfern im Südwesten Boliviens habe ich<br />
bis jetzt nie Müll herumliegen sehen.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Ich weiß nicht, was ich mir von dieser Stadt versprochen habe, aber meinen Erwartungen von einer<br />
"Stadt" wird sie nur wenig gerecht. Alles wirkt immer noch sehr dörflich. Um nicht von den Leuten total<br />
verdutzt angesehen zu werden, was sowieso schon der Fall ist, nehme ich lieber den Helm ab und<br />
fahre über breite staubige Straßen ins Zentrum. Verkehr gibt es praktisch keinen. Nur selten sieht<br />
man ein Auto und wenn, dann ist es meist ein Touristenjeep, ein Bus oder ein Camión (kleiner LKW).<br />
Die Straße gehört mir.<br />
Ich möchte wenig Zeit hier verbringen. Zuviel Zeit habe für die schlechten Pisten im Süden Boliviens<br />
verbraucht und ich möchte unbedingt noch etwas vom Dschungel und dem Tiefland Boliviens sehen.<br />
Von daher habe ich mich entschlossen von hier nach La Paz einen Bus zu nehmen.<br />
Der Besitzer des Hostals an der Bushaltestelle kommt auf mich zu und spricht mich freundlich an. Ich<br />
könne mein Rad für 2 Bolivianos (ca. 25ct) bis heute Abend bei ihm abstellen, er würde drauf<br />
aufpassen. Außerdem fährt er heute Abend auch nach La Paz und hilft mir beim Kauf eines<br />
Bustickets. Danach bekomme ich in seiner Küche einen wundervollen Bananen-Shake für nur 2<br />
Bolivianos. Ich genieße nach langer Zeit mal wieder die Annehmlichkeiten einer "Stadt", gehe essen,<br />
ins Internet-Café und verschicke Postkarten, die ich schon vor zwei Wochen in Chile geschrieben<br />
habe, aber auf dem Weg hierher nirgends abschicken konnte. Außerdem lasse ich den Stempel in<br />
meinen Reisepass auf 90 Tage verlängern. Dafür brauche ich vier Kopien und wie es der "Zufall" zu<br />
will ist gleich neben der Migración ein Copyshop. Für 4 Kopien will man 80 haben. Ziemlich teuer,<br />
denke ich mir. Aber ich habe mich schon damit abgefunden, dass man mich hier übers Ohr hauen<br />
wird, wenn schon die Aufenthaltsverlängerung nichts kostet. Der Verkäufer sieht mich ziemlich<br />
verdutzt an, als ich ihm 100 Bolivianos (12,50 EUR) in die Hand drücke: "Geht es nicht auch etwas<br />
kleiner?" fragt er verklemmt. "Wieso, die wollten doch 80 Bolivianos haben, oder?" antworte ich<br />
gereizt. Der Verkäufer kommt ins Lachen und klärt mich auf, dass er nur 80 Centavos haben wollte.<br />
10 Cent!<br />
Gegen 20 Uhr geht es mit einiger Hektik in den vorm Hostal stehenden Bus. Mein Rad und das<br />
Gepäck bekommen sogar ein eigenes Gepäckfach und ich muss keinen Aufschlag bezahlen. Zur<br />
Vorsicht - denn ich habe schon viel Schlimmes über Diebstahl in den bolivianischen Bussen gelesen -<br />
schließe ich mein Rad im Gepäckraum fest.<br />
Der Bus ist gar nicht so kalt, wie es alle Leute behauptet haben. Dafür gibt es gar keinen Platz, denn<br />
die Passagiere "kuscheln" dicht gedrängt aneinander. Neben mir sitzt eine Frau mit Kleinkind, das im<br />
Schlaf immer wieder auf mich rutscht und im Gang links von mir sitzt ein Jugendlicher, der ganz<br />
fasziniert von meiner Ausrüstung ist. Ganz besonders toll findet er meine LED-Stirnlampe und kann<br />
es gar nicht glauben, dass die mit einem Satz Batterien 2 Wochen lang brennen soll. Als<br />
Gegenleistung leiht er mir seinen Discman, der die Schlaglöcher, durch die der Bus fährt, besser<br />
verkraftet als meiner. Und wiederum als Gegenleistung stelle ich meine Kopfhörer, Batterien und CDs<br />
zur Verfügung. Denn der Junge ist zwar ganz stolz auf seinen Discman, hat allerdings weder CDs,<br />
Batterien oder Kopfhörer. Jetzt müsse er sich nur die noch Kopfhörer zulegen, sagt er mir fröhlich.<br />
Unser Musikgenuss wird allerdings durch den halsbrecherischen Fahrstil des Busfahrers und die<br />
schlechte Fahrbahn getrübt. Und um das alles noch zu toppen, lässt er den ganzen Abend über seine<br />
plärrenden bolivianischen Songs über den Buslautsprecher laufen. Zum Schlafen komme ich<br />
jedenfalls nicht...<br />
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Tag 31:<br />
Tag 32:<br />
Tag 33:<br />
Die Friedliche? - La Paz<br />
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Colcha K - Isla Inkawasi -Tacho defekt-<br />
Isla Inkawasi - Salar cerca Hotel de Sal -Tacho defekt-<br />
Salar cerca Hotel de Sal - Uyuni - Autobús a La Paz... -Tacho defekt-<br />
Der Bus kommt um 4 Uhr morgens in Oruro an. Ich kann meinen Discman in der Hektik des<br />
Umsteigens nirgends finden. Er muss bei dem vielen Geholpere zwischen meinen Füßen irgendwo<br />
anders hin weggerutscht sein und bei dem Gedränge ist kein Durchblick zu bekommen. Ich vergesse<br />
den Discman und versuche hektisch den Bus nach La Paz zu finden. Dabei muss ich zwischendurch<br />
bei einer Wegelagerin noch 1,50 Bs andrücken, die ich für diese zeitraubende Angelegenheit am<br />
liebsten erschlagen hätte! Nach einigem Hin -und Her klappt es dann doch alles und ich sitze neben<br />
einem Engländer im bequemen Bus nach La Paz. Ich kann nur wenig schlafen.<br />
Nach Sonnenaufgang kommen wir schließlich in El Alto an. Eine hektische Vorstadt umgibt uns und<br />
mir wird es schon ganz mulmig zumute bei dem Gedanken, in dieser riesigen Vorstadt auszusteigen.<br />
Doch ich will es so. Ich will mir nicht die mühsam erfahrenen Höhenmeter vom Bus rauben lassen und<br />
möchte mit dem Rad von El Alto in das Tief im Tal gelegene La Paz fahren. El Alto ist die Armenstadt<br />
Boliviens. Sage und schreibe 80% seiner Einwohner sind arbeitslos oder arbeiten in der<br />
Schattenwirtschaft, überall gibt es Märkte und überall versuchen Ambulatorios - fliegende Händler -<br />
ihre spärliche Ware an den Mann oder die Frau zu bringen. Diese so gennante Oberstadt Boliviens ist<br />
der Kälte des 4100 Meter hohen Altiplano schutzlos ausgeliefert und den meisten Ausländern<br />
eigentlich nur durch eines bekannt: Den höchsten internationalen Flughafen der Welt. Der El Alto<br />
International Airport, Hauptflughafen der "de Facto-Hauptstadt" La Paz, an dem die meisten Touristen<br />
in Bolivien einreisen. (eigentlich ist Sucre die Hauptstadt Boliviens, doch alle wichtigen Ministerien und<br />
der Präsidentensitz befinden sich in La Paz).<br />
El Alto hat keine Busstation. Der Bus hält einfach am Straßenrand und lässt mich aussteigen.<br />
Unvorbereitet finde ich mich im dichten Gewühl einer Großstadt wieder. Auf der Straße rasen<br />
Unmengen alter Taxis, japanischer Kleinbusse und klappernder LKWs an mir vorbei, während ich<br />
mein Rad aus dem Gepäckraum hole. Überall hört man Menschen lauthals um Kunden rufen und<br />
ständig hupen die Autos im Konzert. Und das schon so früh am Morgen! Die quirlige Atmosphäre ist<br />
faszinierend und Angst einflößend zugleich. Mein Busfahrer springt gleich mit ein in den hektischen<br />
Rhythmus. Er ruft mir aus dem Fenster zu, dass er keine Zeit mehr habe und jetzt weiterfahren werde.<br />
Arschloch! Am liebsten würde ich diesem "...!" an die Gurgel springen. Selbst lassen einen die<br />
Busfahrer immer gerne lange warten aber wenn sie dann selbst mal warten müssen, ist jeder Spaß<br />
vorbei. In der ganzen Hektik vergesse ich sogar meine Taschen aus der Gepäckablage über meinem<br />
Sitz mitzunehmen und der freundliche Engländer reicht sie mir schnell nach. Irgendwie klappt dann<br />
doch noch alles und nach einigen Minuten habe unter den skeptischen Blicken der um mich herum<br />
Stehenden mein Rad bepackt. Ich frage eine Frau noch nach der Richtung und schon geht es hinab in<br />
den Talkessel von La Paz.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
An der Mautstelle der Autopista fällt der Altiplano ganz unvermittelt in das tiefe Tal von La Paz ab. In<br />
der Talsenke zu meiner Rechten stehen winzig erscheinende Wolkenkratzer und je höher die Häuser<br />
liegen, desto ärmlicher sind sie. An den Steilhängen ziehen sich bis hoch zum Altiplano die Slums<br />
hinauf, doch die bestehen hier nicht nur aus Blech und Holz - dafür wäre es hier viel zu kalt. In<br />
beachtlicher Gemeinschaftsarbeit haben es auch die Ärmsten der Ärmsten geschafft, sich feste<br />
Häuser aus Lehmziegeln zu bauen.<br />
Vor der Mautstelle treffe ich tatsächlich auf drei einheimische Radler, die sogar recht sportlich<br />
angezogen sind. Ich frage sie, welches denn der beste Weg runter in Tal wäre und einstimmig<br />
antworten sie mir "La Autopista!" - Die Autobahn. Also rase ich einfach durch die Mautstelle durch und<br />
fahre kurz danach am Schild "No Bicicletas" vorbei. Daran scheint sich hier sowieso niemand zu<br />
stören. Der Seitenstreifen bietet sich geradezu als Radweg an und es gibt sogar einige Jogger, die ihn<br />
für ihr morgendliches Training benutzen. Beeindruckend, was für Leistungen diese Leute in dieser<br />
dünnen Luft erbringen können.<br />
Ich fahre hier auf dem besten Asphalt, den ich je in Bolivien gesehen habe, doch immer noch muss<br />
ich auf "Unebenheiten" wie am Straßenrand wartende Pendler und fehlende Gullydeckel achten. Die<br />
Aussicht auf das 500 Meter unter mir liegende Zentrum raubt mir die Konzentration.<br />
Nach der langen Abfahrt und wahrlich atemberaubenden Anstiegen in den Gassen der Altstadt<br />
erreiche ich das Hotel Rosario. Hier sagt man mir nur in perfektem Englisch, dass alles belegt sei und<br />
ich doch bitte mein Rad aus der Eingangshalle bewegen möchte. Das mache ich zu seinem Missfallen<br />
allerdings erst, nachdem ich im Reiseführer nach einer Alternative nachgesehen habe. Nach einigem<br />
Hin -und Her finde ich dann das Hotel El Viajero, muss dort aber alles Gepäck in den 1. Stock tragen.<br />
Wie gut, dass mich der Rezeptionist fragt, ob ich mir mein Zimmer vorher ansehen möchte, das<br />
vorgesehene Zimmer sieht nämlich wie in einem Stundenhotel aus: Rosarote Wände mit nackten<br />
Comicfiguren, ein verdunkeltes Fenster und Brandflecken in der Bettdecke. Wie gemütlich! Da<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
bezahle ich lieber 50 anstatt 40 Bolivianos und nehme ein viel schöneres Zimmer mit eigenem Bad,<br />
das auch nicht so sehr nach Stundenhotel aussieht. Das Hotel ist sowieso ziemlich komisch. Die<br />
Besitzer sind Israelis und die meisten Hinweise an den Wänden sind nur auf Hebräisch verfasst.<br />
Schalom in La Paz!<br />
Später erfahre ich, dass viele Israelis aufgrund ihrer ziemlich unbeliebten Art in einigen Unterkünften<br />
in Bolivien nicht mehr geduldet werden. Im Gegenzug reisen viele von ihnen nur noch mit<br />
Reiseführern herum, die billiges und israelisches Essen sowie billige und israelische Unterkünfte<br />
beinhalten. Es bleibt jedem selbst überlassen, zu beurteilen, ob das die Völkerverständigung fördert...<br />
Die Völkerverständigung ist mir jedenfalls erst mal egal und ich genieße die erste richtige Dusche<br />
nach zwei Wochen!!! Danach frühstücke ich im israelischen Restaurant nebenan. Seltsam, dass<br />
einige Dinge auf der hebräischen Speisekarte billiger sind, als auf der englischen. Ich kann leider kein<br />
Hebräisch und so bezahle ich horrende 21 Bolivianos (2,50 EUR) für ein Frühstück mit Fruchtmüsli<br />
und einen Cappuccino. Fast so teuer wie zu Hause.<br />
Danach mache ich mich auf den Weg zum Mercado Negro, den ich heute zweimal besuchen werde.<br />
Das "Negro" im Mercado empfinde ich eigentlich als Enttäuschung: Es gibt kaum Kopien von<br />
Markenklamotten, keine frechen T-Shirts wie in Asien und meistens nur Kopien von jahrealter<br />
Software und Filmen. Dafür macht das Einkaufen von Lebensmitteln umso mehr Spaß. Ich lasse mich<br />
über mir neue Gerichte beraten und feilsche immer wieder um den Preis. Der Markt ist riesig und<br />
erstreckt sich durch unzählige Gassen. Von Taschentüchern, über Zahnbürsten, Cornflakes (leider<br />
immer noch kein Müsli), Lamakäse, Klamotten und Computern kann man hier alles kaufen. Ich<br />
verlaufe mich und finde nur schwer wieder heraus. Immerhin finde ich einen schönen neuen Discman<br />
für 29 US$. Nun ja, auf dem Discman steht zwar Sony, doch auf hartnäckige Nachfrage hin erfahre<br />
ich, dass es sich nur um "Sony-Technik" handelt.<br />
Am Abend ist mein Kopf so voll von den vielen neuen Eindrücken, dass ich sie nur schwer verarbeiten<br />
kann. Geschafft lasse ich mich ins Bett fallen.<br />
Gestern Morgen erst bin ich auf dem ruhiger Salar de Uyuni aufgestanden und schon heute finde ich<br />
mich in dieser quirligen Großstadt wieder. Krasse Gegensätze.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Die Bremsklötze meiner Hydraulikbremsen sind so langsam am Ende und ausgerechnet für diese<br />
einzigartigen Teile habe ich keinen Ersatz mitgenommen. Meine Eltern haben mir Ersatz an die<br />
Deutsche Botschaft in La Paz geschickt und so lasse ich mich am nächsten Morgen von einem<br />
Taxifahrer dorthin bringen. Ich sage ihm, dass ich zur Deutschen Botschaft möchte und er fragt nur<br />
"Avenida Arce, ¿no ve?". Das ist richtig und ich bejahe. Doch dann will er mich vor der streng<br />
bewachten US-Amerikanischen Botschaft absetzen und kann gar nicht verstehen, dass ich dort nicht<br />
aussteigen will. "Señor, das ist die amerikanische Botschaft", weise ich ihn mit einem Fingerzeig auf<br />
die gestreifte Flagge hin, "Ich wollte zur Deutschen". "Ach? Da besteht ein Unterschied?" fragt er mich<br />
verdutzt. Nach dem Motto: Alle 'Gringos' sind US -Amerikaner. Grummel.<br />
In der Deutschen Botschaft frage ich schüchtern auf Spanisch: "Kann ich Deutsch sprechen?"<br />
"Ja, sprechen Sie Deutsch, bitte!", bekomme ich in hochdeutschem Beamtenton zur Antwort. Eine<br />
seltsame Atmosphäre hier. Neben mir sitzen eine Nonne und ein Bolivianer, die offensichtlich auf<br />
einen Termin warten, der Beamte sitzt hinter einer dicken Glasscheibe. Post ist für mich leider keine<br />
angekommen, also müssen es meine Bremsen noch länger ohne Ersatz durchhalten.<br />
Danach geht es zum Oficina del Guía Boliviana de Transporte y Turismo, die laut meinem Reiseführer<br />
alle Fahr -und Flugpläne des Landes verfügbar haben sollen. Die angegebene Adresse ist eines<br />
dieser gläsernen Bürohochhäuser, von denen es hier im Botschaftenviertel viele gibt. Ein gut<br />
gekleideter Portier in der Eingangshalle fragt mich nach meinem Ziel. Ich habe keine Ahnung, was ich<br />
ihm sagen soll und halte ihm einfach meinen Reiseführer unter die Nase. Er weiß sofort, wo ich hin<br />
muss. Man bringt mich mit dem Aufzug ein Stück nach oben und hinter einer nüchternen Tür mit der<br />
Aufschrift "4-C" befindet sich tatsächlich das besagte Büro. Ich werde an eine nette Dame<br />
weitergeleitet. Mit ihr möchte ich Bootsverbindungen zwischen Guanay und Rurrenabaque ausfindig<br />
machen, wofür sie scheinbar in ganz La Paz herumtelefoniert, leider ohne Erfolg. Eigentlich habe ich<br />
das Gefühl hier zu stören, da es alles ganz und gar nicht wie eine Touristeninformation, sondern eher<br />
wie ein nüchternes stinknormales Firmenbüro aussieht. Doch die Dame sieht das offensichtlich ganz<br />
anders und schenkt mir noch als "Entschuldigung" für ihre vergeblichen Mühen noch das<br />
Branchenbuch mit den Fahrplänen. Dann möchte sie noch wissen, woher ich überhaupt von dieser<br />
Adresse erfahren habe und ich zeige ihr die entsprechende Passage im Reiseführer. Sie freut sich<br />
sehr, dass ihr Büro in einem deutschen Reiseführer genannt wird und schreibt sich gleich die E-Mail<br />
Adresse des Autoren auf.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Blick auf den Illimani<br />
In La Paz bin ich auch das erste Mal wieder an die weltweite Kommunikation angebunden. Zum Teil<br />
zumindest...<br />
Kaum dass ich die Stadt erreicht habe, heißt mich auf meinem Handy eine englische Kurzmitteilung<br />
von Entel Bolivia in Bolivien willkommen. Ich befinde mich nun in der "glücklichen" Lage, für<br />
spottbillige 3,50 Euro pro Minute mobil nach Hause telefonieren zu können! Um dem auszuweichen,<br />
versuche ich es mit dem Telefon im Hostal. Beim dritten Versuch kann ich endlich meine Eltern am<br />
anderen Ende der Leitung hören - sie aber mich nicht. Der freundliche Herr an der Rezeption nimmt<br />
ein Messer zur Hand und stochert grob in der Technik des Telefons herum. Danach läuft es<br />
seltsamerweise auch nicht besser...<br />
Am einfachsten ist es immer noch von einem der zahlreichen Telefonzentren aus nach Hause zu<br />
telefonieren und sich dort zurückrufen zu lassen. Doch die Qualität ist hier kaum besser als am<br />
Satellitentelefon vor ein paar Tagen - wenn man überhaupt durchkommt. Man versteht sich kaum<br />
untereinander und ich verständige mich mit meinen Eltern darauf, dass wir uns die nächsten Wochen<br />
nur noch über Internet schreiben. Denn davon gibt es besonders hier in La Paz viele Möglichkeiten.<br />
Ab 4 Bs (50ct) pro Stunde kommt man schon ins Internet.<br />
Ich erledige noch viele weitere organisatorische Dinge, wie zum Beispiel die Suche nach vernünftigen<br />
Landkarten: Die einzig guten Landkarten von Bolivien soll es beim "Instituto Geográfico Militar" geben.<br />
Wieder komme ich mir ein wenig fehl am Platze vor, als sich herausstellt, dass das Instituto eine<br />
Kaserne ist. Am Eingang muss ich meinen Pass abgeben. Ein Offizier ruft "Numero!" und aus einer<br />
Reihe von bereitstehenden Soldaten wird ein "MP" für mich abgestellt, der mich zu Fuß zum Instituto<br />
eskortieren soll. Doch irgendwas macht er falsch. Der Offizier brüllt ihn an, "wie er denn nur so<br />
dämlich sein könne" und ein neuer Soldat wird für mich abgestellt. Als wir aus Sichtweite des Offiziers<br />
sind, versuche ich mit ihm ins Gespräch zu kommen, doch er zeigt sich ziemlich wortkarg. Die armen<br />
- 65 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Kerle scheinen ziemlichen Respekt vor ihren Vorgesetzten zu haben und scheinbar ist es ihnen auch<br />
verboten mit mir zu sprechen.<br />
Am Eingang zum Instituto wimmelt uns ein weiterer Offizier ab. Das Instituto sei heute geschlossen,<br />
ich soll morgen wiederkommen. Da wäre es angeblich den ganzen Tag lang geöffnet. Gut, ich will die<br />
über die Karten gebeugten Befehlshaber nicht bei ihrer "Kriegsplanung" stören...<br />
Tag 34:<br />
Tag 35:<br />
El Alto - La Paz -Tacho defekt-<br />
"Ruhe"tag in La Paz<br />
Lage im Spätwinter 2003 (von Ann Porges):<br />
Steine fliegen in die Fensterscheiben der Fahrzeuge, Erdwälle blockieren die Weiterfahrt. Es gibt<br />
Tote und Verletzte. Beinahe täglich ziehen Menschen durch die Straßen und knallen ihren Frust mit<br />
Feuerwerkskörpern in die Luft. Die Campesinos sind sauer. Sehr sauer sogar. Sie wollen nicht, dass<br />
die Regierung eine Gaspipeline bis an die chilenische Küste baut. Gerade nicht die Chilenen, denn<br />
an sie verlor Bolivien im Salpeterkrieg seinen einzigen Zugang zum Meer und das hat der stolze<br />
Bolivianer bis heute nicht vergessen. Immer gewalttätiger werden die Auseinandersetzungen<br />
zwischen der Polizei und den streikenden Campesinos, immer brutaler die Attacken auf jene, welche<br />
versuchen die blockierten Verkehrsadern zu nutzen. Täglich räumen Hundertschaften von Armee und<br />
Polizei die wichtigsten Zugangsstrassen von La Paz, täglich tragen die Campesinos ihre Wut in Form<br />
von neuen schweren Felsbrocken auf die Straße. Groß sind die Steine, so groß wie der Ärger und<br />
der Frust und schon lange geht es nicht mehr ums Gas allein. Zuviel gibt es zu sagen über die nach<br />
wie vor miserablen Lebensbedingungen auf dem Land, über die weit aufgesperrte Schere zwischen<br />
Arm und Reich, über die leeren Versprechungen der Politiker, die Korruption, den Ausverkauf des<br />
Landes an zahlungskräftige Unternehmen aus dem Ausland .... und die Ermordung eines wichtigen<br />
Führers der Indigenabewegung vergangene Woche. Viel Arbeit bleibt liegen in diesen Tagen: der<br />
vom Gemüseverkauf lebende alte Mann bekommt seine Tomaten nicht los, Lehrer stehen vor leeren<br />
Klassen, Busse warten auf grünes Licht, Touristen auf einen Ausweg aus der Sackgasse ......... nur<br />
die Polizei hat alle Hände voll zu tun. Schwerbewaffnet begleitet sie Touristenbusse durch die<br />
Krisenregionen, räumt die Straßen oder ermahnt mit vorgestreckter Waffe zum Dialog. Die Schuld für<br />
die Entfachung dieses "Krieges" schieben sich die Regierung und die Organisationen der<br />
Campesinos gegenseitig in die Schuhe. Das Abendprogramm im Fernsehen ist gefüllt.<br />
Die Lage hat sich bis in den Oktober weiter zugespitzt. Ann und Mario Porges, ebenfals zwei<br />
Radreisende, saßen während dieser Zeit in La Paz fest und haben sehr packende Berichte darüber<br />
geschrieben. Mit ihrer freundlichen Genehmigung veröffentliche ich hier ein paar Auszüge aus Ihren<br />
Runmails:<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
"La Paz" (26. Sep 2003):<br />
Steine fliegen in die Fensterscheiben der Fahrzeuge, Erdwälle blockieren die Weiterfahrt. Es gibt<br />
Tote und Verletzte. Beinahe täglich ziehen Menschen durch die Stassen und knallen ihren Frust mit<br />
Feuerwerkskörpern in die Luft. Die Campesinos sind sauer. Sehr sauer sogar. Sie wollen nicht, dass<br />
die Regierung eine Gaspipeline bis an die chilenische Küste baut. Gerade nicht die Chilenen, denn<br />
an sie verlor Bolivien im Salpeterkrieg seinen einzigen Zugang zum Meer und das hat der stolze<br />
Bolivianer bis heute nicht vergessen. Immer gewalttätiger werden die Auseinandersetzungen<br />
zwischen der Polizei und den streikenden Campesinos, immer brutaler die Attacken auf jene, welche<br />
versuchen die blockierten Verkehrsadern zu nutzen. Täglich räumen Hundertschaften von Armee und<br />
Polizei die wichtigsten Zugangsstrassen von La Paz, täglich tragen die Campesinos ihre Wut in Form<br />
von neuen schweren Felsbrocken auf die Strasse. Gross sind die Steine, so gross wie der Ärger und<br />
der Frust und schon lange geht es nicht mehr ums Gas allein. Zuviel gibt es zu sagen über die nach<br />
wie vor miserablen Lebensbedingungen auf dem Land, über die weit aufgesperrte Schere zwischen<br />
Arm und Reich, über die leeren Versprechungen der Politiker, die Korruption, den Ausverkauf des<br />
Landes an zahlungskräftige Unternehmen aus dem Ausland .... und die Ermordung eines wichtigen<br />
Führers der Indigenabewegung vergangene Woche.<br />
Viel Arbeit bleibt liegen in diesen Tagen: der vom Gemüseverkauf lebende alte Mann bekommt seine<br />
Tomaten nicht los, Lehrer stehen vor leeren Klassen, Busse warten auf grünes Licht, Touristen auf<br />
einen Ausweg aus der Sackgasse ......... nur die Polizei hat alle Hände voll zu tun. Schwerbewaffnet<br />
begleitet sie Touristenbusse durch die Krisenregionen, räumt die Strassen oder ermahnt mit<br />
vorgestreckter Waffe zum Dialog.<br />
Die Schuld für die Entfachung dieses "Krieges" schieben sich die Regierung und die Organisationen<br />
der Campesinos gegenseitig in die Schuhe. Das Abendprogramm im Fernsehn ist gefüllt.<br />
Wir erleben den Grossteil der Auseinandersetzungen glücklicherweise unbeteiligt vorm Fernseher.<br />
Nur einmal bei einer Demonstration im Zentrum zog Mario die Wut der Indigenafrauen auf sich. Der<br />
Versuch ein Foto zu machen wurde mit bedrohlichen Ausrufen und Steinwürfen bestraft.<br />
"Gringo saca una foto" - "hey achtung da ist ein Ausländer der Fotos macht" - mit diesen Ausrufen<br />
werden wir immer wieder vertrieben. Und sind es nicht die gleichen Frauen, die wenig später rufen<br />
"Señora compra algo". Jetzt bin ich keine Gringa mehr, sondern eine Señora, die doch bitte bitte<br />
etwas kaufen soll.<br />
"Aufbruch" (22. Okt 2003)<br />
Noch immer in La Paz<br />
..... und wieder werden wir geweckt von einem unaufhörlichen Hupkonzert und den schrillen Rufen<br />
der "Taxijungen". Die Frauen öffenen ihre Stände. Menschen eilen wie ein grosses Ameisenvolk<br />
durch die steilen Gassen. Der Verkehr staut sich. Geräusche und Gerüche in mittlerweile vertrauter<br />
Mixtur wehen uns um die Nase. Ein ganz normaler Tag beginnt in La Paz. .... und doch ist nichts<br />
mehr von dieser Normalität selbstverständlich.<br />
Vor drei Wochen reagiert die Gewerkschaft mit Demonstrationen und Blockaden auf ein Erdgas -<br />
projekt der Regierung. Zu extrem ungünstigen Konditionen sollte mittels einer fünf Milliarden Dollar<br />
schweren Pipline, Gas durch den unliebsamen Nachbarn Chile in die USA und Mexiko exportiert<br />
werden. Gerade einmal 18 Prozent der Gewinne wären dabei Bolivien, dem ärmsten Land<br />
Südamerikas zugefallen, der Rest dem transnationale Betreiberkonsortium Pacific LNG. (mehr als die<br />
Hälfte der Bevölkerung lebt in Armut, 37 Prozent unter der Armutsgrenze, 60 Prozent gehören zu<br />
einer indianischen Bevölkerungsgruppe, Rassismus und Diskriminierung sind offensichtlich Teil und<br />
Stütze dieser Gesellschaft).<br />
Bald schliessen sich die parlamentarische Opposition, die Bauern- und Indianderbewegungen an, um<br />
sich mit Generalstreik, Strassenblockaden und Massenprotesten dem Ausverkauf ihres Landes<br />
entgegenzustellen. Die Campesinos wehren sich mit dem was sie haben. Sie blockieren mit den<br />
Steinen ihrer Felder die Lebensadern der Metropole La Paz. Mehrere Tage gibt es weder einen<br />
Eingang noch einen Ausweg. Die Zufahrtsstrassen sind gesperrt, das öffentliche Leben steht still.<br />
Schulen bleiben geschlossen, Geschäfte verriegelt, es gibt keinerlei Transportmöglichkeit, kaum<br />
jemand wagt sich auf die Strasse.<br />
Viel zu spät, als schliesslich auch massive Polizeieinsätze die Proteste nicht mehr beenden können,<br />
lenkt der Präsident Gonzalo Sanchez de Lozada ein und vertagt die "Gasfrage" auf Ende des Jahres.<br />
Doch die Wut der Menschen lässt sich nicht mehr bremsen. Zu Tausenden strömen sie in langen<br />
Protestmärschen auf La Paz zu. Sie fordern den Rücktritt Lozadas und ein Ende der neoliberalen<br />
Politik, welche ihnen nochmehr soziale Ungerechtigkeit und Armut gebracht habe. Als Antwort<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
verhängt der Präsident des Kriegsrecht. Fortan liefern sich Demonstranten und Polizei in den leeren<br />
Strassen von La Paz und insbesondere in der Vorstadt El Alto schwere Schlachten. Während die<br />
Scharfschützen ihre Waffen gezielt auf die Menge richten, wehren sich die Demonstranten mit<br />
Steinen und Stöcken. Viele sind mit "Kind und Kegel" unterwegs. An jenem Wochenende gibt es 26<br />
Tote ... über 70 werden es bis zum vorläufigen Ende der Auseinandersetzungen sein. Die Fahnen<br />
stehen auf Halbmast. Schwarze Plastiktüten bilden den Trauerflor.<br />
In diesen Tagen warnt auch das Auswärtige Amt vor Reisen nach Bolivien. Der internationale<br />
Flughafen hat längst seinen Betrieb eingestellt. Die Deutsche Botschaft beginnt mit der Evakuierung<br />
ihrer Staatsbürger (600 Dollar bis Lima). Wir richten uns auf eine längere Wartezeit ein. Den<br />
Bolivianern gleich, stürmen wir die wenigen geöffneten Läden um uns zum doppelten Preis mit<br />
Lebensmitteln einzudecken. Für Gas und Brot bilden sich lange Schlangen. Nachrichtenagenturen<br />
berichten von einer kritischen Versorgungslage. Selbst in Spitzenhotels würden Lebensmittel und<br />
Medikamente knapp .... die Ärmsten!!!! Bei dieser Panik, an der wir uns mitschuldig machen, ist<br />
Knappheit vorprogrammiert. Doch die Reseven der kleinen Händler scheinen unerschöpflich. Nach<br />
dem Bruch eines Wasserkanals füllen wir auch alle Wasserbehälter und wagen uns für ein paar Tage<br />
nicht aus dem Haus. Unterdessen gehen die Proteste in radikalisierter Form weiter. Wir verfolgen das<br />
Geschehen aus sicher Fernseh-position.<br />
Nur mit militärischer Gewalt und der Rückendeckung des zur Demokratie (!) mahnenden<br />
amerikanischen Aussenministeriums konnte sich der Präsident im Amt halten. Doch nach dem<br />
Rückzug eines Koalitionspartners und mehrer Minister weicht Lozada schliesslich dem Druck der<br />
Strasse und tritt zurück. Ein Aufatmen geht durch tausend Kehlen. Lozada setzt sich nach Florida ab.<br />
Noch am selben Abend wird der vormalige Vize und Parteilose Carlos Mesa als Präsident vereidigt.<br />
Er wird es nicht einfach haben.<br />
Die Normalität kehrt zurück. Auf leisen Sohlen, verhalten erst doch dann mit erstaunlicher<br />
Geschwindigkeit füllen sich die Lebensadern und das Herz von La Paz beginnt wieder zu schlagen.<br />
Zwischen Krieg und Frieden, zwischen Normalität und Ausnahmezustand liegen nur wenige Stunden.<br />
Der Mensch ist anpassungsfähig. Sichtlich erleichtert ist die Menge, doch gefeiert wird nur verhalten.<br />
Zu viele mussten sterben, zu tief sitzt der Schreck und zu gross ist das Misstrauen. Heute erinnern<br />
nur noch die glasübersäten Strassen, zerstörte Brücken, bemalte Häuserwände und vereinzelte<br />
Barrikadensteine an die Unruhen und Schrecken der vergangen Tage.<br />
Doch einmal mehr wagt Bolivien, wagen die Landbauern, die Lehrer, Arbeiter, Studenten und die<br />
indianische Bevölkerung die Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen, während der<br />
neoliberale Geier sie mit scharfen Augen überwacht und sie hämisch grinsend unbemerkt in seinen<br />
Krallen hält.<br />
Uns bleibt der Luxus, weggehen zu können. Ein unverschämtes Privileg - wie uns in diesen Tagen<br />
besonders bewusst wird. Wir werden die Entspannung der Lage nutzen, um für ein paar Wochen ins<br />
warme Tiefland zu fahren. Mal sehen wieviel uns der Regen noch erlaubt.<br />
Oh ja, es wird ein schwerer Abschied nach langer Zeit unter Vertrautheit und Freunden und nahe<br />
einem Schicksal, dass - wenngleich es nicht unseres ist - doch für immer Spuren in unseren Herzen<br />
hinterlässt. Ein Trost bleibt vorerst .... wir wollen wiederkommen .... irgendwann.<br />
Und dann, ja dann ist es endlich soweit: Ende November bekommen wir unseren ersten Besuch.<br />
in friedlicher Absicht und danke an alle besorgten Anfrager, mario und ann<br />
PS: Keine aktuellen Bilder da wir uns wohlweisslich nicht in den Brennpunkten herumgetrieben<br />
haben.<br />
Wer Fragen an Ann und Mario hat, sendet einfach eine E-Mail an:<br />
(Anmerkung von Sascha: Adresse muss abgedippt werden, ich habe sie zum Schutz vor Spam-Mails in eine Bild-Datei gepackt)<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Chacaltaya - Mystik, Hochprozentiges und Kokablätter<br />
Einkaufen in Bolivien (von Ann Porges):<br />
Ade du schöne Zeit riesiger anonymer Supermärkte mit dem immergleichen Warenangebot. Jetzt<br />
heißt es von Laden zu Lädchen laufen und Preise verhandeln. Gehen wir zur Käsefrau von gestern<br />
sitzt da plötzlich jemand und verkauft Gläser mit Gelee in allen Farben. Na halt nicht, holen wir uns<br />
halt ein paar Tomaten. Wir laufen zum anderen Ende der Stadt. 3 Peso das Kilo matschige Tomaten,<br />
am nächsten Stand 2 Peso. Nur zufällig wissen wir den normalen Preis. Geben Sie sie uns für 1,50?<br />
Ein unauffälliges Nicken unterm Stohhut und wir müssen zusehen, dass auch ein paar essbare<br />
Exemplare in unsere Tüte wandern. Ach und Toilettenpapier....wieder rennen wir durch die ganze<br />
Stadt zu den Ständen mit Hygieneartikeln. Hier wissen wir den wahren Preis nicht und so bleibt das<br />
mulmige Gefühl den Touristenpreis gezahlt zu haben. Am Ende des Marathons ist auch der Tag<br />
zuende... und was haben wir geschafft? Mal eben eingekauft!<br />
Ich muss nach der langen Zeit der Einsamkeit einfach mal wieder unter Leute kommen und von daher<br />
habe ich gestern einen Tagesausflug zum Chacaltaya gebucht. Der Chacaltaya ist ein fast 5500 Meter<br />
hoher Berg ganz in der Nähe von La Paz, an dem eine Straße bis auf die gigantische Höhe von 5100<br />
Metern hochführt.<br />
Um 8 Uhr holt mich der Reiseleiter Fernando ab. Ich bin der Letzte, der zur Gruppe dazustößt.<br />
Während sich unser japanischer Kleinbus aus dem Talkessel von La Paz nach oben quält, stellen wir<br />
uns gegenseitig vor. Neben mir sitzt David, ein 28jähriger Engländer und der Rest der Gruppe besteht<br />
aus vier lustigen Brasilianern, mit denen wir uns in einem Mix aus Englisch und Spanisch unterhalten.<br />
Fernando beeindruckt mich von Anfang an. Er ist offensichtlich Bolivianer indianischer Abstammung,<br />
ist aber um einiges gebildeter als die meisten seiner Landsleute. Er spricht fließend Englisch,<br />
Portugiesisch, Spanisch und Aymára und hat sogar eine E-Mail-Adresse bei GMX! Das ist nun<br />
wirklich sehr multikulturell für einen Bolivianer!<br />
Wir machen noch einen kurzen Zwischenstopp in El Alto, um Verpflegung zu kaufen. "Verpflegung"<br />
besteht angesichts dieser Tour aus einer großen Menge an Coca-Cola, Cocablättern und aus einem<br />
Fläschchen hochdestilierten Alkohols. Alle diese Dinge sollen laut Fernando gegen Probleme mit der<br />
Höhenluft helfen. Bei den Cocablättern (dem Ursprungsrohstoff von Kokain) kann ich ihm das ja noch<br />
glauben, aber bei dem Alkohol habe ich da noch so meine Bedenken. Bisher stand noch in den<br />
meisten Büchern, dass man sich vor großem Höhenanstieg auf keinen Fall betrinken sollte.<br />
Hmm, das scheint im Übrigen auch ein seltsames Phänomen auf dieser Reise zu sein. Tatsächlich<br />
war ich vor jedem großen Höhenanstieg in diesem Urlaub immer am Vorabend zumindest<br />
beschwippst - zuletzt in San Pedro vor dem Anstieg auf das Altiplano. Bis jetzt hat es mir nicht<br />
geschadet. Und nachdem ich eine Weile lang auf den bitteren Kokablättern herumgekaut habe,<br />
entscheide ich mich lieber für den Alkohol. Der Brennt zwar wie Feuer in der Kehle und zieht sich in<br />
einem heißen Band bis zum Magen herunter, doch dafür ist wenigstens der bittere Geschmack der<br />
Cocablätter verschwunden.<br />
Außerdem hebt er die Laune...<br />
Über abenteuerliche Serpentinen fahren wir hoch zum Chacaltaya. Unser Fahrer fegt in hoher<br />
Geschwindigkeit so haarscharf an den Klippen vorbei, dass David sich schon mit zitternder Stimme an<br />
ihn wendet: "It wouldn't be a problem if you drive a little bit slower?!"<br />
Ein Teil der Straße ist voll von bunt gekleideten Familien. Doch was zuerst wie ein Straßenfest<br />
aussieht, entpuppt sich bei näherer Ansicht als eine Baustelle. Mit den bloßen Händen sind ganze<br />
- 69 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Familien vom kleinen Steppke bis zur Mama und dem Papa dabei die Straße auszubessern. Trotz<br />
ihrer harten Arbeit winken uns die Kinder fröhlich zu. Es ist doch ein wenig seltsam. In La Paz wurde<br />
diese Tour von so vielen Organisationen angeboten und wir sind heute die einzigen Touristen hier.<br />
Früher muss hier einmal mehr los gewesen sein. Am Refugio befand sich noch bis vor einem Jahr das<br />
höchstgelegene Skigebiet der Welt auf einer Höhe von 5000 bis 5400 Metern. Doch durch die<br />
Schneeschmelze und den Klimawandel in den letzten Jahren ist nur noch so wenig vom Schnee<br />
vorhanden, dass an Skifahren nicht mehr zu denken ist. Im ehemals wohl gut gefüllten Refugio mit der<br />
Gaststätte ist nur wenig los und wir werden von einem bolivianischen Pärchen mit Coca-Tee bewirtet.<br />
Hier oben muss sich auch bis vor einem Jahr die wohl weltweit höchstgelegene Schenke für Erdinger<br />
Weißbier befunden haben. Von der Wand lächelt uns das Bild einer vollbusigen bayerischen Kellnerin<br />
an und man fühlt sich fast schon wieder "heimisch".<br />
"Pah!", sagt Douglas aus Brasilien beim Anblick des Plakates. Dieses Oktoberfest in München wäre<br />
doch gar nichts! Das einzig wahre Oktoberfest gäbe es bei ihm in Blumenau in Brasilien. Begeistert<br />
erzählt er von dem dortigen Fest, auf dem die Leute viele Tage lang an nichts anderes als an<br />
"Drinking, Tancing and Fucking" denken würden.<br />
- 70 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Wir haben erst einmal andere Gedanken: Und zwar, wie wir bei dieser dünnen Luft die letzten Meter<br />
bis zum Gipfel bewältigen. Zwei der Brasilianer kämpfen schon beim Aussteigen aus dem Wagen mit<br />
der Höhenluft und kommen nicht mit auf den Gipfel. David und ich nehmen den längeren Weg über<br />
die ehemalige Gipfelstation des Skiliftes und genießen den Ausblick. Besonders vom 3594 Meter<br />
hoch gelegenen Chacaltaya ist er einfach umwerfend. Im Westen fallen die Anden steil in dichte<br />
Wolken herab, darunter muss das Amazonastiefland liegen. Im Norden liegt der mit über 6000 Metern<br />
gigantisch aufragende Huyana Potosí unter einer dichten Schicht von Eis und Schnee. Im Westen<br />
lässt sich schemenhaft der Titikakasee erkennen, wir haben heute leider "nur" eine Sichtweite von ca.<br />
100 Kilometern, und im Süden schließlich liegt tief im Talkessel verborgen La Paz. Daneben El Alto,<br />
das sich um den großen internationalen Flughafen herum aufbaut.<br />
Fernando zeigt und das Gipfelritual der Indígenas. Er legt Cocablätter unter einen Stein und kramt<br />
danach den hochdestillierten Alkohol heraus. Ein paar Tropfen träufelt er auf die Erde zu Ehren von<br />
Pachamama (Mutter Erde) und einen Hauch schickt er zum Mond (ob sich der Mond darüber freut,<br />
ständig, mit einer solchen Fahne angepustet zu werden?). Als letztes nimmt er einen flachen Stein<br />
und legt ihn auf das Gebilde, welches die Brücke zwischen den Provinzen El Alto und La Paz<br />
symbolisiert. Danach wiederholen wir das Ritual jeder für sich.<br />
Der Berg ist der Treffpunkt der "tres tierras". Die "3 Erden" treffen mit ihren verschiedenen<br />
Eigenschaften hier oben auf dem Gipfel zusammen und bilden einen Teil der Inka-Kultur.<br />
Beim Abstieg überfliegt uns ein Adler. Fernando blickt aufmerksam nach oben und lässt uns wissen,<br />
dass dieser immer die Kokablätter aufsammelt, nachdem Menschen dort oben gewesen sind. Es hatte<br />
mich auch schon gewundert, dass der ganze Gipfel nicht inzwischen von Kokablättern bedeckt ist.<br />
Fernando gibt mir den Tipp, dass man wunderbar Kokablätter im Schlafsack eingewickelt nach<br />
Deutschland importieren könne. Das würden die Röntgengeräte am Flughafen angeblich nicht<br />
wahrnehmen können...<br />
Nachdem wir auf dem Chacaltaya waren, schließen wir noch einen Ausflug zum Valle de la Luna an.<br />
Das Valle de la Luna liegt ganz im Westen La Paz'. Dort, wo wegen der geringen Höhe von 3000<br />
Metern sogar wieder Bäume wachsen und wo die High Society wohnt. Fernando zeigt uns das<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
pompöse Haus des reichsten Mannes Boliviens: Des Produzenten von Paceña, dem meistverkauften<br />
Bier in Bolivien.<br />
Im Valle de La Luna schleust uns Fernando durch einen Seiteneingang, so dass wir keinen Eintritt<br />
bezahlen müssen. Die von Wind und Wasser geschaffenen Formationen im Sandstein sind<br />
beeindruckend, kommen meiner Meinung nach aber nicht an die des Valle de la Luna in San Pedro<br />
heran. David, Telma aus Brasilien und ich entfernen uns ein wenig von den ausgetretenen<br />
Touristenpfaden und machen eine lustige Entdeckung: Ein großer Teil des hinteren Valle de la Luna<br />
beherbergt eine Schweinekolonie. Die Borstenviecher leben hier eingesperrt in Senken und<br />
Höhensystemen und sobald sie mich am Rand entdecken, blicken sie mit einem fröhlichen Grunzen<br />
nach oben und ihre Augen leuchten. Ich habe leider nichts zu Essen...<br />
Am Nachmittag ist die Tour zu Ende. Ich möchte heute noch einmal beim Instituto Geografico Militar<br />
mein Glück versuchen - dieses Mal mit David, der sich auch Landkarten kaufen will. Heute ist die<br />
Kontrolle weniger streng. Ich muss nur meinen Pass vorzeigen und David wird einfach so<br />
durchgewunken. Wieder stellt man einen Soldaten zur Eskorte ab und dieses Mal kommen wir<br />
tatsächlich bis in das Instituto Geografico Militar. Ein gut gekleideter Herr fragt uns freundlich nach<br />
unseren Wünschen und wir blättern mit ihm eine Reihe von Kartenlisten durch. Von einigen Karten<br />
gibt es nur Originale, von anderen wiederum nur Kopien. Ausgerechnet die für mich wichtigsten<br />
Gebiete, wie zum Beispiel das Amazonastiefland um Rurrenabaque herum - unterliegen militärischer<br />
Geheimhaltung und wir dürfen darüber keine Karten sehen oder kaufen. Vermutlich wegen der Coca-<br />
Plantagen. Wenigstens bekomme ich von der direkten Umgebung um Rurrenabaque eine kleine Karte<br />
und eine große für das Gebiet von La Paz bis zum Lago Titikaka.<br />
Wir beide finden es schade, dass man hier nicht fotografieren darf. Doch als wir aus der Kaserne<br />
heraus sind, zeigt mir David stolz auf seiner Digitalkamera das Foto einer dreckigen Toilette.<br />
Immerhin hat er ein Foto aus der Kaserne...<br />
Wir verabschieden und voneinander, da wir beide noch viel zu erledigen haben und uns dabei nur<br />
gegenseitig auf die Füße treten würden. Heute Morgen hatte ich Melanie und Christian aus Alota<br />
wieder getroffen und mich für 6 Uhr heute Abend mit ihnen verabredet. Ich schaffe es gerade noch<br />
zum Treffpunkt. Wir gehen zusammen etwas essen und erzählen uns über die Ereignisse der<br />
vergangenen Tage. In den letzten beiden Tagen haben die beiden versucht mit einer organisierten<br />
Tour den Huyana Potosí zu erreichen. Doch Melanie hatte große Probleme mit der Höhenluft und<br />
Christian musste sich immer wieder übergeben, so dass sie letztendlich gegen den Willen ihres<br />
Führers umgekehrt sind. Ich stelle mir das nicht gerade einfach vor, dort oben in dem tiefen Schnee<br />
auf einen so wahnsinnig hohen Gipfel zu steigen.<br />
Die beiden wollen morgen mit geliehenen Rädern die Yungas, die angeblich gefährlichste Straße der<br />
Welt, hinunterfahren. Genau das möchte ich auch und so buchen wir zusammen diese Tour. Der<br />
Vorteil für mich dabei ist, dass ich nicht erst noch auf den 4650 Meter hohen Abra la Cumbre<br />
herauffahren muss und, dass ich wegen des bereits vorhandenen Fahrrades einen geringeren Preis<br />
aushandeln kann. Die beiden bezahlen ca. 40 $US pro Person, während ich mit Frühstück und<br />
Transport samt meinem Gepäck nur 7 US$ für die gleiche Tour bezahlen muss.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Am Abend muss ich das im ganzen Hotelzimmer verteilte Gepäck wieder für die Abreise vorbereiten.<br />
Das ist eigentlich immer die größte Tortur von allen...<br />
Absturz in die Yungas<br />
Tag 36:<br />
La Paz / Chacaltaya<br />
Aus dem BikeBuch Lateinamerika:<br />
"Naß, feucht und neblig - so zeigen sich die dichten und gespenstisch anmutenden Berg -und<br />
Nebelwälder der Yungas an den fast vertikal abfallenden Hängen der Anden im Nordosten. Obwohl<br />
das rheumaverdächtig klingt, herrscht in den tief eingeschnittenen fruchtbaren Tälern der Zuflüsse<br />
des Río Bení und des Río Mamoré zwischen 750m und 1500m Höhe ein relativ verträgliches Klima.<br />
Die Yungas mit ihren Flechten, Moosen, Farnen, Orchideen und Epiphyten entsprechen oft eher<br />
unserer Dschungelvorstellung als die Wälder des Amazonastieflandes.<br />
Dies ist die wichtigste Coca-Anbauregion des Landes. Was einen Besuch der Yungas schwierig<br />
macht, sind die fehlende Infrastruktur und desolate Straßenverhältnisse."<br />
Es wird ein langer Tag heute. Um 6.30 Uhr stehe ich auf, packe mühsam den Rest meiner Sachen,<br />
um um 7.45 Uhr im Büro des Tourenorganisators zu sein. Melanie und Christian sind schon da und<br />
frühstücken. Dafür, dass das Frühstück nur 2 $US extra gekostet hat, ist es schön reichhaltig. Rührei,<br />
Milch (mit Kaffee und Zucker), leckere Brötchen mit Käse, eine Apfelsine und ein großer frisch<br />
gepresster Fruchtsaft.<br />
Danach versuchen wir mit einigen Problemen mein Rad auf den Tourenwagen zu wuchten. Der<br />
Fahrradständer ist natürlich nur für 26-Zoll-Fahrräder ausgelegt, doch was ein richtiger Bolivianer ist,<br />
kann auch mein Rad darauf befestigen. Danach geht es zum Abra La Cumbre. Vor dem Pass gibt es<br />
eine Drogenkontrolle der Polizei, um die herum viele Marktstände aufgebaut sind. Die Spezialität hier<br />
scheinen frisch gebratene Hühnchen mit einer Tomate im Hintern zu sein. Da fragt man sich nur, was<br />
die eigentliche Todesursache der armen Tierchen war...<br />
Oben am Pass angekommen ziehen wir uns warm an. 3000 Meter Höhenunterschied erwarten uns!<br />
Noch frieren wir, packen uns in Mütze, Schal, Handschuhe, lange Hose und dicke Jacke ein. Am<br />
Ende des Tages werden wir nur in T-Shirt und kurzer Hose stecken. Doch alles der Reihe nach...<br />
Kaum, dass man um die erste Kurve fährt, eröffnet sich einem ein wahnsinniger Ausblick. Zwischen<br />
immer gigantischer werdenden Bergen geht an der Seitenwand eines großen Tales bergab. Ich stehe<br />
eine Weile an einer Klippe und lasse die Aussicht auf mich wirken. Nach und nach überholt mich der<br />
Rest der Gruppe von 8 Leuten. Alle scheinen dem Geschwindigkeitsrausch verfallen zu sein und ich<br />
mache mir ernsthafte Sorgen um die Gesundheit der anderen. Noch ist die Straße asphaltiert, doch<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
der Asphalt ist glatt und würde beim Ausrutschen kaum Halt bieten; Leitplanken gibt es natürlich nicht.<br />
Teilweise fahren sie so schnell, dass es mich nicht wundern würde, wenn am Ende des Tages die<br />
Hälfte der Gruppe als "Kollateralschaden" eine Klippe heruntergeplumst wäre. Vielleicht bin ich auch<br />
etwas hochnäsig da ich schon so viele Kilometer hier in Bolivien auf dem Rad zurückgelegt habe,<br />
aber irgendwie meine ich die Kräfte in meinem Fahrrad doch wirklich besser einschätzen zu können,<br />
wenn ich mir das so ansehe.<br />
So wäre ich schnell der Letzte in der Truppe, wenn da nicht zwischendurch ein paar Anstiege wären,<br />
an denen ich die anderen mühelos überhole. Einige fangen schon zu quengeln an - sie wären am<br />
liebsten den ganzen Tag bergab gefahren - wie es der Werbeprospekt verspricht. Ein französisches<br />
Pärchen setzt sich sogar wieder in den Wagen, bis die Anstiege vorbei sind. Tolle Sportsfreunde! So<br />
langsam bin ich an mir am zweifeln, was mich geritten hat, an einer solchen organisierten Tour<br />
teilzunehmen. Nun gut, es hat auch seine Vorteile. Schließlich kann ich mein Gepäck in unserem<br />
Begleitwagen lassen, während die Straße immer gefährlicher wird und ich bekomme Verpflegung<br />
gestellt. Das war zwar eigentlich nicht so abgemacht aber unsere beiden Reiseleiter scheinen nichts<br />
davon zu wissen. Da sage ich nicht Nein...<br />
Noch einmal geht es durch eine Drogenkontrolle der Armee und kurz danach beginnt der<br />
spektakulärste Teil der Yungas.<br />
Wo der Asphalt endet, stehen wir an einer Klippe und blicken in diesige Wolken hinunter. Die Tiefe<br />
der Schlucht können wir nur erahnen. Die Yunga-Straße wurde übrigens ursprünglich von den Inkas<br />
gebaut, um ihrem Reich eine Verbindung in das Amazonas-Tiefland zu geben. Und auch heute noch<br />
ist sie die einzige Straße, die La Paz mit dem Tiefland verbindet, somit herrscht in diesem Nadelöhr<br />
natürlich eine Menge Verkehr.<br />
Auf einer Piste, die ursprünglich für den Warentransport mit Lamas konzipiert war, brettern nun<br />
Lastwagen und Busse in halsbrecherischem Tempo auf und ab. Um wenigstens ein wenig "Ordnung"<br />
in diesen Verkehr zu bringen, hat man beschlossen, die herabfahrenden Fahrzeuge links fahren zu<br />
lassen - am Klippenrand - und bergauf fahrender Verkehr hat Vorrang. An vollkommen<br />
unübersichtlichen Stellen fungieren Menschen als Ampeln. Sie halten ein mit Plane bespanntes Holz<br />
nach oben, das auf der einen Seite grün, auf der anderen Seite rot ist. Sobald man Rot auf seiner<br />
Seite hat, sollte man schnell die nächste Ausweichstelle erreicht haben oder sich mit dem Fahrrad an<br />
die rechte Felswand schmiegen, da in Kürze ein LKW oder ein Bus die Straße hochgebrettert kommt.<br />
Es wirkt wie ein Wunder, dass die Straße - die sich so eng in die Steilwand schmiegt - nicht unter dem<br />
vielen Verkehr längst in die Tiefe gestürzt ist, doch genau dieses Schicksal hat schon viele Busse und<br />
LKWs ereilt, aber auch scheinbar ein paar Radfahrer. An einigen Stellen hat man noch Platz gefunden<br />
Kreuze aufzustellen, wovon es so einige gibt. Auf diesen Kreuzen sieht man oft Namen von<br />
Deutschen, Neuseeländern, Schweizern, Niederländern und Engländern, die hier im Laufe der Jahre<br />
in die Tiefe gestürzt sind. Manchmal wage ich einen Blick in die Tiefe, doch dort unten lassen sich<br />
keine Wracks erkennen. Man sieht nur dichten Urwald, der sicher alle Spuren eines Unfalls schnell<br />
überwuchert hat.<br />
Urwald! Nach den öden Wochen in der Atacama und auf dem Altiplano sehe ich endlich einmal wieder<br />
dichte Wälder. Farne bedecken die feuchten Steilwände und überall krallen sich die Bäume und<br />
Büsche mit ihren kräftigen Wurzeln fest.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Doch auf die Dauer wird die Straße zu einer Tortur für mich. Die anderen kommen mit ihren<br />
gefederten Mountainbikes viel schneller voran, während ich den meisten Steinbrocken ausweichen<br />
muss und trotzdem wie ein Karnickel über die Straße hüpfe. Durch die starke Vibration löst sich einer<br />
meiner Flaschenhalter und immer wieder muss ich Schrauben an meinem Rad festziehen. Kaum<br />
habe ich es dann geschafft, bis zu meiner pausierenden Gruppe vorzustoßen, fahren die auch schon<br />
wieder los. Das sollte mich ja nicht sonderlich stören, wenn da nicht der zweite Reiseleiter wäre, der<br />
mir ständig dicht auf den Fersen ist und meinen Aufpasser spielt. Als er mir dann zum wiederholten<br />
Male bei einer Fotopause hintenrein fährt, bin ich kurz davor ihn wütend anzuschreien und würde ihn<br />
am liebsten die Klippe runterschubsen!<br />
Ich habe die Schnauze voll! Nie wieder werde ich an einer organisierten Radtour teilnehmen. Nie!<br />
Es geht noch eine Weile weiter bergab. In der Ferne kann ich schon mein Tagesziel Coroico auf<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
gleicher Höhe erkennen. Doch es geht immer weiter bergab. Die Straße wird immer staubiger und wir<br />
kommen durch die ersten Bananenplantagen. Nachdem wir noch ein paar Bäche durchquert haben,<br />
kommen wir endlich in Yolosa an.<br />
Hier ist die organisierte Tour zu Ende. Ich bin unheimlich glücklich, endlich wieder das Gepäck auf<br />
mein Rad schnallen zu können und die Fahrt alleine und endlich wieder bergauf fortsetzen zu können.<br />
Nachdem ich sagenhafte 3000 Höhenmeter bergab geholpert bin, habe ich dicke Blasen an den<br />
Händen und möchte endlich wieder bergauf fahren können. Dieser Wunsch wird mir erfüllt. Bis<br />
Coroico habe ich 500 Höhenmeter zu erklimmen.<br />
Ich verabschiede mich von Christian und Melanie. Die beiden werden in zwei Tagen zurück nach<br />
Deutschland fliegen und sind so freundlich mir meine bisher belichteten Filme mit nach Deutschland<br />
zu nehmen.<br />
Lesen macht gläubig?<br />
Auf einer gepflasterten Straße geht es 7 Kilometer bergauf nach Coroico. Ich fühle ich mich ein wenig<br />
wie Superman, da ich nach den Wochen auf dem Altiplano dünnere Luft gewohnt bin und hier in der<br />
dicken Luft keine Atemprobleme mehr habe. Selbst den verkrusteten Hals spüre ich kaum noch, und<br />
das obwohl ich gerade erst hier unten angekommen bin. Trotzdem nähere ich mich dem Dorf nur<br />
schleichend und als ich die Plaza erreiche, ist die Dämmerung bereits hereingebrochen. Sofort<br />
kommen zwei Leute auf mich zu; nach den ganzen Strapazen bin ich kaum noch fähig irgendetwas<br />
aufzunehmen. Einer von ihnen läuft winkend hinter mir her und ruft "Hello!" um auf sich aufmerksam<br />
zu machen, der andere ist ein Schlepper für ein Hotel. Es ist kaum zu glauben! Der grauhaarige<br />
Mann, der hinter mit hergelaufen ist, ist ein Reiseradler aus Hamburg!!! Wir verabreden uns für heute<br />
Abend und ich wende mich wieder dem Schlepper zu.<br />
Er habe da ein nettes kleines Hotel, sagt er mir. Für nur 40 Bs (5 Euro) die Nacht könne ich dort<br />
inklusive Frühstück übernachten. Gutgläubig gehe ich auf das Angebot ein. Als ich vor dem<br />
beschriebenen Hotel stehe, bin ich doch etwas verdutzt. Das ist tatsächlich die Nobelhütte, die ich<br />
schon beim Aufstieg gesehen habe und als unbezahlbar eingestuft habe. Ich frage ein gut gekleidetes<br />
Pärchen, das vom Hotel kommt, ob das denn wirklich so billig sei. Die verstehen die Frage nicht,<br />
sagen mir aber, wo die Rezeption sei. Ok, an der Rezeption kommt dann der Hammer: Die nette<br />
Dame lässt mich wissen, dass mich die Übernachtung 80 Bs ohne Frühstück kostet. Ich hätte kaum<br />
noch die Kraft zu einem anderen Hotel zu gehen, tue aber so als ob:<br />
"Der Mann dort oben hat mir aber gesagt, dass ich es für 40 Bolivianos MIT Frühstück bekommen<br />
könnte." sage ich ihr.<br />
Ihre Antwort ist für mich total unerwartet: "Ok, das ist dann ein spezieller Preis. Aber nur, weil Dir das<br />
der Chico dort oben gesagt hat, entiendes? Aber nicht weitersagen!"<br />
So langsam liebe ich diese Schlepperkultur hier in Bolivien und das Feilschen um die Preise!<br />
Besonders, da das sogar selbst in guten Hotels zu funktionieren scheint.<br />
Beim Anblick meines Zimmers kippe ich dann fast aus meinen verschwitzten Latschen. Ich habe<br />
frische Bettwäsche und ein eigenes Bad mit gewaschenem Handtuch, BD (naja), Badewanne UND<br />
einer Rolle Klopapier!!! Ich bin total perplex!<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Am Abend besuche ich Hans aus Hamburg in seinem Hotel, obwohl mir mein Körper sagt, dass ich<br />
unbedingt schlafen gehen sollte. Kraftlos quäle ich mich die vielen Treppenstufen nach oben zu<br />
seinem Hotel. Hans freut sich über meinen Besuch und wir sitzen bis Mitternacht auf der Terrasse mit<br />
tollem Ausblick auf die in der Dunkelheit liegenden Yungas. Hans erzählt mir, dass er schon seit<br />
Feuerland mit dem Fahrrad unterwegs ist. Und das in seinem stattlichen Alter von 63 Jahren! Gleich<br />
nachdem er Rentner geworden ist, hat er sich auf den Weg gemacht seinen lange gehegten Traum zu<br />
erfüllen, gegen den Willen seiner Frau, was wohl das Beachtlichste an der ganzen Sache ist. Er ist im<br />
Januar losgefahren und möchte es bis zum Dezember nach Venezuela geschafft haben.<br />
Als ich zurück zu meinem Hotel gehe, stehe ich dort vor verschlossenen Türen! So ein Mist! Lange<br />
stehe ich am Eingang und drücke auf die Klingel, ohne dass irgendeine Reaktion folgt. Ich klettere<br />
über Mauern und schleiche mich um das ganze Hotel, um einen Eingang zu finden. Es ist unfassbar!<br />
Selbst die Hintertüren sind von innen mit dicken Kettenschlössern gesichert! Ich benutze meine<br />
Kamera als Taschenlampe und schleiche wie ein Dieb durch das ganze Gebäude. Die einzigen<br />
geöffneten Türen führen mich in zwei modrig riechende Schlafkammern für das Personal, wo ich<br />
allerdings niemanden antreffe. Ich finde eine morsche Leiter und denke schon daran so in das Hotel<br />
zu kommen. In einem nahe gelegenen Häuschen brennt noch Licht. Entnervt klettere ich über dessen<br />
Mauer und klopfe an die Tür. Ich habe Glück, dass der Hausmeister hier wohnt. Verdutzt öffnet er die<br />
Tür und fragt mich was denn los sei. Aus dem Inneren des Hauses kommt eine müde Frauenstimme:<br />
"¿Quien es?". "Nur ein Gringo." antwortet er ihr. Na, vielen Dank auch!<br />
Ich erkläre ihm die Lage und nachdem er sich selbst davon überzeugt hat, dass der Nachtportier nicht<br />
öffnen will, holt er den Kellner, der auch in der Nähe wohnt. Der wiederum weckt durch ein Fenster die<br />
Chefin und die wiederum weckt den schlafenden Nachtportier. Nach einer Weile öffnet dieser mir mit<br />
Kissenfalten im Gesicht die Tür. Wenn ich nicht selbst total müde wäre, hätte ich ihn als unfähiges<br />
"sonstwas" beschimpft. Ich bin zu nichts mehr zu gebrauchen und falle ohne vorher die Zähne zu<br />
putzen ins Bett.<br />
Ausblick vom Hotel<br />
An den folgenden beiden Tagen liege ich fast nur im Bett. Ich habe mir eine üble Magen-Darm-<br />
Infektion zugezogen, fühle mich kraftlos und habe das Gefühl Glasscherben scheißen zu müssen.<br />
Während der Hausmeister meine ständig fließende Dusche repariert, liege ich nur im Bett und kann<br />
ihm keines Blickes würdigen. Ich schaffe es nur mit schweren Beinen bis zum Frühstückstisch und<br />
verziehe mich gleich danach wieder ins Bett. Am ersten Tag quäle ich mich schwitzend bis zu Hans'<br />
Hotel. Wir gehen mit einer deutschen Motorradgruppe in dem gegenüberliegenden Restaurant essen,<br />
welches von einem Deutschen geführt wird. Ich bekomme nur einen Kamillentee und ein halbes Bier<br />
herunter und muss mich danach fast übergeben, als die Anderen die Nudelgerichte serviert<br />
bekommen. Lieber gehe ich wieder zurück ins Hotel. Hans hat sich dazu entschieden noch einen Tag<br />
länger mit der Abreise zu warten. Wir haben sowieso das gleiche Ziel und können zusammen<br />
weiterfahren.<br />
Am nächsten Tag geht es schon etwas besser mit dem Laufen und ich schaffe es vorm Hotel mein<br />
Fahrrad mit dem Gartenschlauch zu waschen. Dabei spricht mich eine Engländerin an, ob wir uns<br />
nicht kennen würden. Ich kann ihr Gesicht zuerst nicht einordnen, dann fällt es mir wie Schuppen von<br />
den Augen. Ich kenne sie aus San Pedro in Chile! Es ist echt verwunderlich, wie oft ich auf dieser<br />
Reise noch Menschen wieder treffen werde, die ich eigentlich von ganz woanders kenne.<br />
- 77 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Am Abend gehe ich wieder mit Hans und den Motorbikern essen und ich schaffe es fast eine ganze<br />
Portion Käsespätzle zu verdrücken. Wir unterhalten uns lange über das Malaria-Risiko in der Gegend<br />
und kommen zu dem Schluss, dass eine Prophylaxe ziemlich sinnlos ist. Besonders, da sie in den<br />
meisten Fällen sowieso nicht wirkt und die tödliche Malaria Tropica in dieser Region nicht existiert. Ich<br />
habe mir in La Paz das einzig verfügbare Prophylaxemittel namens "Retens" gekauft und es hier in<br />
Coroico wieder abgesetzt, seitdem sind meine Probleme mit dem Durchfall weniger schlimm. Ich<br />
denke, dass die Tabletten zum Teil mit für meine Gesundheitsprobleme in den letzten beiden Tagen<br />
verantwortlich waren.<br />
Für morgen traue ich es mir wieder zu mit dem Rad weiterzureisen.<br />
Tag 37:<br />
Tag 38:<br />
Tag 39:<br />
El Gran Casco<br />
Ein Fahrradhelm auf Reisen<br />
La Paz (3819m) - Abra La Cumbre (4725m) - Yolosa<br />
(1470m) - Coroico (1983m)<br />
Krank in Coroico<br />
Krank in Coroico<br />
- 78 -<br />
-Tacho<br />
defekt-<br />
Nachts in Bolivien: (von Ann Porges)<br />
In der Nacht liegen wir eingemumelt in unsere Schlafsäcke, fassungslos unter einer niegesehenen<br />
Sternenwelt. Als wäre gerade hier Geburts- und Zufluchtsort aller Sternenwesen und als dürften nur<br />
hier alle zur gleichen Zeit glänzen, bedecken sie den Himmel von Horizont zu Horizont. Und endlich<br />
zeigt sich auch der grosse Wagen mal in seiner vollen Ausstattung und grüsst uns, seine Ladung<br />
ausschüttend, von der anderen Halbkugel. Nachts ist es eng im Zelt, denn wir haben aus Erfahrung<br />
gelernt und teilen uns nun den Platz mit allen Wasser- und Essensvorräten. Trotzdem gefrieren die<br />
Flaschen neben uns, während wir froh über unsere doppelte Schlafsackausführung nur frösteln.<br />
Mein Rad wurde - ebenso wie ich - im Laufe der Reise bereits ziemlich in Mitleidenschaft gezogen.<br />
Der Hausmeister im Hotel meinte, dass er meinen abgebrochenen Flaschenhalter schweißen kann -<br />
obwohl er aus Aluminium ist. Heute Morgen gibt er ihn mir ziemlich malträtiert wieder. Er hat es doch<br />
nicht hinbekommen, obwohl er mit so viel Motivation an die Sache herangegangen ist. Ich<br />
improvisiere mit Klebeband. Meinen in diesem Land fast lebenswichtigen Rückspiegel bekomme ich<br />
leider nicht repariert, er bricht mir immer wieder ab.<br />
Ich bin noch ein wenig schwach auf den Beinen, traue mir aber trotzdem eine Tagesetappe zu. Hans<br />
möchte spätestens heute weiterfahren, er hat schon eine Woche hier in Coroico verbracht und möchte<br />
die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, mit einem "Leidensgenossen" weiterzuradeln, so lange wir es<br />
eben miteinander aushalten. Doch erst einmal muss ich mein Fahrrad einen unglaublich steilen Weg<br />
bis zum Treffpunkt hochschieben. Ein alter Mann kommt mir zur Hilfe und schiebt mein Rad von<br />
hinten mit unglaublicher Kraft vorwärts.<br />
Nachdem Hans und ich uns endlich gefunden haben, folgen wir einer holprigen Straße, die in keiner<br />
Karte verzeichnet ist, hinab ins Tal des Río Coroico. Wir werden den ganzen Tag lang flussabwärts<br />
folgen, flussabwärts heißt aber noch lange nicht, dass die Straße auch abwärts geht. Die meiste Zeit<br />
sind wir mit langen und kraftzehrenden Anstiegen beschäftigt, die uns immer wieder mit einem tollen<br />
Ausblick auf das tief in die Berglandschaft geschnittene Tal ermöglichen. Immer wieder kommen wir<br />
durch kleine Dörfer, in denen man Bananen der nahe gelegenen Plantagen zum Spottpreis kaufen<br />
kann. Genauer gesagt ist die Währung des Bolivianos gar nicht klein genug um Bananen kaufen zu<br />
können. Kaum haben wir einen Boliviano (12 ct) ausgegeben, will man uns nicht mit weniger als 6<br />
Bananen gehen lassen!<br />
Da ich mich doch etwas geschwächt fühle, gehen wir es gemütlich an. Immer wieder essen wir<br />
zwischendurch Bananen, versorgen uns mit extrem süßen Erfrischungsgetränken (Wasser in<br />
Flaschen gibt es nicht) und essen für umgerechnet 90ct ein mehrgängiges Mittagsmenü an einem der<br />
kleinen "Restaurants" am Straßenrand. Die Landschaft stellt einen großen Unterschied zu der des<br />
Altiplano dar. Sie ist von dichten Wäldern und Plantagen bewachsen und alle paar Kilometer treffen<br />
wir auf kleine Hütten oder gar Dörfer, in denen Menschen wohnen.
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Hans (und Sascha) im Glück<br />
Immer wieder ziehen staubschleudernde Lastwagen an uns vorbei und bei einem von ihnen glaube<br />
ich meinen Augen nicht zu trauen. Gerade als er an mir vorbeifährt, löst sich ein Teil seiner Plane und<br />
es fallen zwei Kartons heraus. Damit nicht genug, die Kartons sind jeweils mit 50 Mais -<br />
Erdnussriegeln der Marke "Turrón y Maní" prall gefüllt! Wir fühlen uns fast wie im Schlaraffenland und<br />
greifen eifrig zu, bis jeder von uns eine halbe Tasche mit den Riegeln gefüllt hat. Wie gut, dass wir<br />
den Rest zurückgelassen haben, denn schon nach drei Tagen können wir die Riegel nicht mehr<br />
sehen und verschenken sie.<br />
An einer anderen Stelle wundere ich mich, was das nur für Drahtseile sind, die da über die Straße<br />
gespannt sind. Wir halten an und sehen uns diese Teile mal genauer an. Unglaublich! Es sind<br />
Seilbahnen! Naja, nicht direkt in dem Sinne, was man in den Alpen darunter versteht. Es sind einfach<br />
über die Schlucht gespannte dicke Drahtseile, wobei alte Autoreifen als "Gondeln" fungieren, in denen<br />
sich die Menschen an das Seil hängen und sich damit über die Schlucht gleiten lassen. Am Berghang<br />
auf der anderen Seite der Schlucht sind kleine von Plantagen umgebene Hütten zu erkennen, die sich<br />
nur über diesen abenteuerlichen Weg erreichen lassen. Ich verzichte gerne auf einen Selbstversuch.<br />
Die direkt unter dem Stahlseil gelegenen Gräber schrecken mich doch irgendwie ab...<br />
- 79 -<br />
Seilbahnen<br />
Meistens ist Hans schneller als ich. In einem der kleinen Dörfer sehe ich kleine Kinder hinter ihm her<br />
rennen, als sie versuchen nach seinen Sachen zu greifen. Sie wundern sich nicht schlecht, als da<br />
plötzlich noch ein zweiter bepackter Radfahrer auftaucht, der direkt auf sie zuhält. Mit vor<br />
Verwunderung weit geöffneten Augen springen sie zur Seite.<br />
Es wird schon dunkel, wir sind noch lange nicht an unserem Tagesziel, und eine Möglichkeit zum<br />
Campen gibt es in dem dichten Gestrüpp kaum. Wir tragen uns schon mit dem Gedanken, kurz vor<br />
Dunkelheit einen Lastwagen oder Jeep anzuhalten, der uns mit nach Caranavi - unserem Tagesziel -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
nehmen könnte. Der Zufall will es, dass wir einen Lastwagenfahrer wiedertreffen, mit dem Hans heute<br />
Morgen schon ins Gespräch gekommen ist. Er hält gerade ein Gewehr aus dem Fenster und schießt<br />
auf am Fluss lebende Tiere. Und ohne dass wir die Frage gestellt hätten, wendet er sich uns zu und<br />
fragt uns, ob wir nicht mitfahren möchten. Klar wollen wir!<br />
Mit dem LKW durch die Nord-Yungas<br />
Er hat seine halbe Familie dabei, die mit ihm zum im Dschungel gelegenen Riberalta fahren möchte.<br />
Mit Hilfe seiner drei Neffen wuchten wir unsere schweren Räder auf die Ladefläche und gesellen uns<br />
zu ihnen. Der LKW ist halbvoll mit Zementsäcken gefüllt, was es uns ermöglicht, gemütlich auf ihnen<br />
zu stehen und die ganze Fahrt über den luftigen Ausblick über das Führerhaus hinweg zu genießen.<br />
Wir unterhalten uns viel mit den drei Neffen und es ist eine genauso lustige wie nervenzerreißende<br />
Fahrt. Wieder führt die Straße an extremen Steilhängen entlang und immer wieder muss der Fahrer<br />
entgegenkommenden LKWs ausweichen. Einmal haben wir gar das Gefühl, dass unser linkes<br />
Vorderrad über dem Abhang steht. Hans, der links steht, bekommt plötzlich ein weißes Gesicht und<br />
krallt sich am LKW fest. Ich würde am liebsten gleich rechts rausspingen, um nicht mit LKW (und<br />
meinem Fahrrad!) in die Tiefe gerissen zu werden.<br />
Die drei Jungs finden das sehr lustig und können gar nicht verstehen, dass wir solche Angsthasen<br />
sind. So was macht ihr Fahrer doch jeden Tag!<br />
Kurz nach Sonnenuntergang erreichen wir Caranavi und laden gemeinsam unser Gepäck und die<br />
Räder ab. Der freundliche Fahrer lehnt ein Trinkgeld ab und verabschiedet sich mit seiner Familie von<br />
uns.<br />
Es ist immer wieder erstaunlich, auf was für quirlige Städte man doch immer wieder trifft, obwohl diese<br />
nur über extrem schlechte Pisten zu erreichen sind. Kaum, dass wir in dass wir in Caranavi<br />
angekommen sind, schlagen wir uns wieder durch dichten Verkehr. Hans möchte sehr gerne eine<br />
Unterkunft mit warmer Dusche haben. Doch Tourismus gibt es hier praktisch keinen und so ist es<br />
ziemlich schwierig eine Unterkunft zu finden, die unseren Kriterien entspricht. Ein freundlicher Herr<br />
führt uns zu einem Residencial, was gegen Aufpreis von 4 Bs (50ct) eine tröpfelnde lauwarme Dusche<br />
anbietet.<br />
Auch die Suche nach einem guten Restaurant gestaltet sich ziemlich schwierig. Hans möchte<br />
unbedingt eine Cerveca trinken und ich - noch schlimmer! - möchte etwas ohne Fleisch. Letztendlich<br />
müssen wir uns beide geschlagen geben. Wir geben uns beide mit dem Standart -Menü mit Coca-<br />
Cola, Suppe sowie Reis, zähem Fleisch und gebratenen Bananen zufrieden. Was anderes gibt es hier<br />
nicht.<br />
- 80 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Konnte ich am Abend noch behaupten, dass es meinem Darm besser geht und die Cola gut für<br />
Durchfluss gesorgt hat, sieht das am nächsten Tag wieder ganz anders aus. Immer wieder muss ich<br />
mich während der Fahrt ins Gebüsch verziehen und dünge dabei zahlreiche Bananenplantagen.<br />
Wieder habe ich das Gefühl Glasscherben abzuführen. Die Immodium-Tabletten wirken kaum und ich<br />
weiß gar nicht mehr, auf welcher Arschbacke ich beim Fahren noch sitzen soll. Dazu können wir es<br />
gar nicht glauben, wie sehr die Piste - obwohl flussabwärts führend - immer wieder bergauf geht. Ich<br />
habe nur wenig Kraft und fühle mich ausgelaugt. Entsprechend sieht es auch mit meiner Motivation<br />
aus. Natürlich tut es mir Leid für Hans, der sonst ohne mich wahrscheinlich schon viel weiter<br />
gekommen wäre. Während der stechenden Mittagshitze machen wir erst einmal Pause in einem Dorf<br />
und warten auf eine Mitfahrtsmöglichkeit bis nach Guanay, leider ausgerechnet heute ohne Erfolg.<br />
Wir versuchen unser Glück erneut in einer Kurve, wo ein paar Jungs am Straßenrand sitzen. Ich weiß<br />
im Nachhinein nur noch, dass sie dumme Kommentare abgelassen haben; mir war in diesem Moment<br />
so ziemlich alles egal. Außerdem ließen sie mich wissen, dass ich mich wegen der Tiere lieber nicht<br />
auf den Boden setzen sollte und schon kurze Zeit später huscht hinter mir eine Schlange vorbei. Naja,<br />
wenigstens sind wir noch auf keinen der Jaguare getroffen, die es hier auch geben soll.<br />
Es beginnt zu dämmern und wir müssen weiter und wenigstens noch versuchen einen Schlafplatz zu<br />
finden. Nach einer Weile sehen wir auf der anderen Flussseite einen Fußballblatz. Der perfekte Ort<br />
zum aufschlagen unserer Zelte in dem dichten Wald. Ich versuche eine Möglichkeit zum Übersetzen<br />
zu finden und sehe mich in der Nähe einer unbewohnten Hütte um. Der Fluss ist zu tief und reißend,<br />
als dass wir ihn durchqueren könnten und eine Brücke gibt es scheinbar auch nicht. Doch ein<br />
Stückchen weiter Flussabwärts treffen wir dann auf eine Fährstation. Mit einem Langboot nimmt man<br />
uns mit auf die andere Flussseite und die Leute helfen uns tatkräftig unsere Räder ein -und<br />
auszuladen. Im Indígena-Dorf am anderen Ufer sind wir die Attraktion schlechthin. Hier gibt es weder<br />
eine Straße noch Fahrräder und wir schlagen uns auf einem schmalen Fußweg zum Sportplatz durch.<br />
Der Platzwart ist ein dicker Mann, der seine Hütte direkt neben dem Platz hat und aufgrund seiner<br />
extrem hohen Position hier so was wie der Dorfvorsitzende ist. Wir bauen unsere Zelte direkt neben<br />
zwei grasenden Pferden auf. Ich frage den Platzwart, wo man sich denn hier waschen kann. "Na am<br />
Fluss drüben" antwortet er mir verdutzt. Und obwohl der Fluss schon die Abwässer so einiger Dörfer<br />
und einer ganzen Stadt mit sich führt, ist das Wasser extrem klar und es reicht zumindest für eine<br />
wohltuende Katzenwäsche durch mein verschwitztes Gesicht.<br />
- 81 -
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Als wir dann am Abend unsere Kocher anschmeißen, kommt das ganze Dorf zum Sportplatz um zu<br />
staunen. Unsere Anwesenheit hat sich inzwischen herumgesprochen und wir sind umzingelt von<br />
Menschen, die uns beobachten, bis wir die letzte Spaghetti verdrückt haben. Waren unsere Zelte für<br />
die Leute schon sehr interessant, so schlägt mein Kocher alle Rekorde. Ein laut rauschender und mit<br />
Autobenzin funktionierender Kocher! So was gibt's doch gar nicht!<br />
Einen Vorteil hat der ganze Aufruhr: Ich bekomme, so lange die Leute um mich herumstehen, nicht<br />
einen einzigen Mückenstich ab! Schon seit Tagen nerven uns kleine fliegende Flöhe, die unsere<br />
Beine inzwischen stark zerbissen haben. Hans' Unterschenkel hat es besonders getroffen. Sie sind<br />
durch und durch und roten Blutpunkten der Bisswunden bedeckt.<br />
Als wir fertig mit dem Essen sind, legt sich die Aufregung endlich und Hans und ich können noch eine<br />
Weile dasitzen und uns unterhalten. Nach einer Weile kommen zwei ältere Jungs an und beginnen<br />
uns nach dem Woher und Wohin und allem Möglichen zu befragen. Ich biete einem von ihnen meinen<br />
noch halbvollen Topf mit Spaghetti an. Er probiert zwei Bissen... mit Salz und Öl zubereitete<br />
Spaghetti?! Die solle ich lieber den Hunden geben!, sagt er mir. Doch nicht mal die wollen sie essen.<br />
Was haben die denn alle?<br />
Am Morgen stehen wir um 7 Uhr auf und frühstücken - jeder von uns unter aufmerksamer<br />
Beobachtung von ein paar Dörflern. Endlich sehe ich eine Gelegenheit meine viel zu klein geratene<br />
Marsupilami-Mütze los zu werden. Ich habe die Mütze als Teil eines "Südamerika Survival Packages"<br />
bekommen: Meinem Abschlussgeschenk zum Zivildienst im Krankenhaus. Neben<br />
Verbandsmaterialien und anderen Dingen befand sich darin auch diese Mütze, die ich eigentlich nur<br />
zum Verschenken mitgenommen habe.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Ich halte sie also in die Luft und rufe zu den Kindern, wer denn so eine schöne Mütze haben will.<br />
Sofort stürzen alle auf mich los. Am schnellsten ist allerdings eine dicke Mutter, die ganz stolz die<br />
Mütze in Empfang nimmt und sie ihrem kleinen Töchterchen aufsetzt. Danach geht die Mütze einmal<br />
in der Runde über alle Köpfe der Anwesenden und alle lachen dabei und finden das unheimlich lustig.<br />
Hmpf! Da schenkt man schon einmal etwas und erntet so einen Blick!<br />
Wir lassen uns wieder vom Einbaum über den Fluss schippern. Einen Motor hat das Boot nicht, unser<br />
"Gondolieri" bringt das Boot mit den harten Stößen eines langen Holzstockes über den Fluss. Jetzt<br />
fehlt nur noch, dass er zu singen anfängt...<br />
Wieder haben wir den ganzen Tag mit großen Anstiegen zu kämpfen, die heute noch heftiger als<br />
gestern sind. Wir frischen am ersten Dorf unsere Wasservorräte mit Zuckerwasser auf (ich sehne<br />
mich nach klarem Wasser!) und radeln weiter durch die beeindruckende Landschaft. Das erste Mal<br />
treffen wir auf dicke behaarte Spinnen und größere Schlangen, von denen uns die ein -oder andere<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
einen gehörigen Schrecken einjagt. Und ebenfalls das erste Mal bekomme ich während der Fahrt<br />
einen platten Reifen. Doch bevor ich den Reifen reparieren kann, bemerke ich, dass mir das<br />
Immodium auch heute Morgen herzlich wenig genützt hat und entledige mich im nächsten Busch<br />
meines gesamten "Frühstücks". Die Hitze wird immer unerträglicher und gerade während der<br />
Mittagszeit haben wir mit den heftigsten Steigungen zu kämpfen. Als eine dieser Steigungen dann<br />
auch noch in eine steile Serpentine übergeht, reicht es! Hans sitzt schon dort und wartet. Ich<br />
schmeiße mein Rad entnervt in den Staub und setze mich neben ihn in den Schatten. Wir essen ein<br />
wenig von dem Käse, den ich gestern - zwischen vielen Fliegen - auf dem Markt von Caranavi<br />
entdeckt habe und nehmen dazu alte pappige Brötchen - unseren letzten Proviant. Jetzt ist es schon<br />
3 Uhr und wir haben gerade einmal 20 von 50 Kilometern geschafft!<br />
Entnervt machen wir uns wieder auf den Weg. Weiter oben kann ich nur noch schieben und lege<br />
meinen schwitzenden Kopf auf die heiße Lenkertasche, die jeden Stoß der Straße auf meinen Kopf<br />
überträgt. Mir ist alles egal. Das letzte Stück hilft mir Hans beim Schieben und mit vereinten Kräften<br />
geht es nach oben. Allerdings steht es mit meinen Kräften und der Motivation wirklich nicht zum<br />
Besten und ich bin wirklich froh, dass ich hier mit Hans unterwegs bin, der sich auch sehr geduldig mit<br />
mir zeigt und immer wieder hilft.<br />
Nach dem Pass geht es endlich wieder bergab und wir können uns an ein paar Hütten wieder mit<br />
kühlem Zuckerwasser versorgen. Wohl fühle ich mich damit nicht, da ich durch meinen Durchfall<br />
inzwischen ein großes Verlangen nach Salz habe. Allerdings sind unsere Trinkwasservorräte schon<br />
lange vor den Hütten zur Neige gegangen und wir sind froh überhaupt noch etwas zu bekommen. Ein<br />
Mann sagt Hans, dass es nach Guanay nicht mehr weit sei: "Mit dem Auto nur eine Stunde". Ich weiß<br />
inzwischen, dass Bolivianer die Streckenangabe - wenn überhaupt - nur einigermaßen zuverlässig in<br />
(Auto-)Fahrzeit angeben können. Dieser wirft einen prüfenden Blick auf unsere Räder und kommt<br />
offenbar zu dem Schluss - wie so viele andere - dass wir mit diesen modernen Rädern sicher in<br />
eineinhalb oder zwei Stunden dort sein müssen. Natürlich alles auf flacher Strecke, sagt er noch. Ich<br />
bin einfach nur angenervt, werfe ihn einem giftigen Blick zu und frage ihn, wie er sich das denn<br />
vorstellt, wenn wir bis jetzt gerade einmal 20 Kilometer geschafft haben.<br />
Schweigen.<br />
Beeindruckende Tierwelt<br />
Es geht lange Zeit leicht bergauf.<br />
Wenigstens haben die Käsebrötchen gewirkt und ich musste sie bis jetzt nicht gleich wieder<br />
ausscheißen. Gemeinsam kommen wir zügig voran und am Ende des Anstieges überrascht Hans<br />
mich mit dem Hinweis, dass wir schon 36 Kilometer geschafft haben.<br />
Es ist zwar schon halb 5 und beginnt zu dämmern, doch damit einher geht auch eine erfrischende<br />
Brise. Das, und die Motivation von Hans lassen in mir ungeahnte Reserven emporkommen und in der<br />
Dunkelheit erreichen wir im schwachen Licht meines Scheinwerfers tatsächlich Guanay!<br />
Die Hunde am Dorfeingang sind über mein beleuchtetes Rad ziemlich irritiert und nur wenige wagen<br />
sich mich anzugreifen. Vielleicht solle ich demnächst nur noch mit Licht fahren...<br />
Wir kehren im gemütlichen Residencial Rizy ein und bezahlen für ein Zimmer mit eigenem Bad<br />
gerade einmal 50 Bs (ca. 6 EUR) für uns beide.<br />
Am Abend gehen wir noch essen und bemerken, dass wir hier wieder ein Stück weiter fernab des<br />
Tourismus sind. In den Restaurants gibt es nur Suppe und dazu Reis mit gegrillten Fleisch und Reis.<br />
Die umherstreunenden Hunde freuen sich über ein wenig mageres Fleisch, dass Hans und ich ihnen<br />
gerne abgeben. Irgendwie hat dieser Ort mit seinen bettelnden Kindern und leicht bekleideten<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Mädchen auf seine eigene Art ein ganz besonders "Flair"; doch das werden wir in den nächsten<br />
Tagen noch genauer kennen lernen. Morgen wollen wir mit dem Boot über den Río Kaka weiter nach<br />
Rurrenabaque.<br />
Tag 40:<br />
Tag 41:<br />
Tag 42:<br />
Gold und dreckige Dólares<br />
3 Tage in einem Goldgräbernest<br />
Coroico - Caranavi -Tacho defekt-<br />
Caranavi - "Flussdorf" -Tacho defekt-<br />
"Flussdorf" - Guanay -Tacho defekt-<br />
Aus dem Lonely Planet Bolivia:<br />
(habe ich leider erst Wochen später gelesen)<br />
"Guanay-Boat - Alternatively, you may be able to organize a canoe along the Río Beni to or from<br />
Rurrenabaque. While this mode of transport was quite popular only a few years ago, boat operators'<br />
demands for unreasonable prices and the practice of filling canoes to dangerous levels with cargo<br />
and nonpaying passangers have just about destroyed the option. Canoes comfortably hold 10<br />
people and their luggage, and initial asking prices for the trip to Rurrenabaque will be around<br />
US$250. However, that price may or may not get you to Rurrenabaque, and there's little chance<br />
you'll arrive without all sorts of goods and passengers. If that doesn't bother you, then don't complain<br />
that you haven't been warned! In this respect, Guanay seems happy to pass up an opportunity to<br />
create a potentially lucrative economic base by promoting relatively unobtrusive tourism."<br />
Tag 1: Der Wahnsinn beginnt.<br />
Wir haben Probleme ein Restaurant zu finden, in dem es auch zum Frühstück mal was anderes als<br />
Reis, Kartoffeln und Fleisch (würg!) gibt - ein fast unmögliches Unterfangen.<br />
Dann beginnt die Odyssee mit der Suche nach einem Boot: Schon gestern hat uns der Apotheker<br />
neben unserem Residencial einen ersten Schlag in den Bauch versetzt. Wir können gerne mit seinem<br />
Boot fahren, sagt er uns; aber nur für 300 US$! Überzeugt davon, dass diese Preisvorstellung<br />
vollkommen unrealistisch ist, machen wir uns auf den Weg zum Bootsanleger und informieren uns<br />
dort über Fahrtmöglichkeiten nach Rurrenabaque, was im Slang der Leute hier im Übrigen einfach nur<br />
"Rurre" oder "Suse" genannt wird.<br />
Nummer 1 sagt uns, dass es morgen nur den "Expresso" gäbe - für 300 US$! Nein danke! Und alle<br />
sagen sie uns, dass gestern erst ein Boot gefahren sei. Toll! Was bringt uns das jetzt?!?<br />
Nummer 2 sagt dann, dass am Donnerstag (oder war's Freitag?) ein Boot fahren soll. Na, immerhin!<br />
Nummer 3 ist der Punto Entel, die Telefonzentrale. "Nein, das Boot fahre erst am Sonntag; für 30 US$<br />
pro Nase", sagt man uns dort. Das ist uns dann doch ein wenig zu spät. Wir haben gerade erst<br />
Dienstagmorgen.<br />
Nummer 4 ist ein Bootsfahrer, der gerade mit einer Ladung Einheimischer von Flussabwärts (also aus<br />
der richtigen Richtung) angekommen ist. Auch er sagt uns, dass er uns für 300 US$ als "Expresso"<br />
fahren würde. Das ist uns viel zu teuer! Wir würden 30 US$ pro Nase bezahlen! Dann können wir uns<br />
ja ein Floß bauen, scherzt er, sagt es und zieht sich zum Geldscheine zählen in sein Boot zurück.<br />
Das ist doch total verrückt! Diese hochnäsigen Idioten sind vom Boden der realen Welt scheinbar total<br />
abgehoben! Mich regt diese Arroganz wahnsinnig auf. Nur weil alle paar Wochen tatsächlich mal eine<br />
US-amerikanische Touristengruppe vorbeikommt und tatsächlich dumm genug ist, diesen Preis zu<br />
bezahlen, meinen die Bootsleute sich das bei jedem Touristen erlauben zu können. Leider gibt es hier<br />
im Gebirge keinen Flugplatz - für den gleichen Preis könnte man sich gleich ein Flugzeug chartern!<br />
Eine direkte Straßenverbindung nach "Rurre" gibt es von hier nicht.<br />
Am Abend machen Hans und ich noch einen Rundgang durch alle Unterkünfte der Stadt und fragen<br />
überall nach "Extranjeros", den Ausländern. Wir hoffen uns mit anderen Touristen<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
zusammenschließen, um den Preis für den jeden Einzelnen zu senken. Wir können es nicht glauben:<br />
Im ganzen Dorf finden wir nicht einen einzigen "Gringo"!<br />
- 86 -<br />
Guanay<br />
Tag 2: Heute soll es mit dem Bus nach Rurre gehen, allerdings müssen wir dafür erst einmal zurück<br />
nach Caranavi kommen. Die ganze Strecke der vorletzten beiden Tage wäre umsonst.<br />
Doch Hans gibt sich noch nicht geschlagen und meint, dass wir es ja noch einmal am Bootsanleger<br />
versuchen könnten.<br />
Doch im Punto Entel gibt es immer noch nichts Neues.<br />
Gestern haben wir im Residencial am Bootsanleger einen Jungen von der lokalen Fußballmannschaft<br />
getroffen, der uns sagte, dass ein Boot am Freitag mit seiner Mannschaft zu einem Spiel nach Rurre<br />
aufbrechen würde. Er und seine Mutter sind total verwirrt darüber, dass man uns gesagt hat, dass erst<br />
am Samstag ein Boot fahren soll. Also fragen wir noch einmal im Punto Entel nach und unter<br />
Zähneknirschen sagt man uns, dass auch dann ein Boot fahren würde. Noch zähneknirschender<br />
bejaht man meine energische Anfrage, ob wir mit diesem Boot fahren können. Es würde morgens um<br />
7 Uhr losfahren. Ich habe alles andere als ein gutes Gefühl dabei aber Hans möchte es versuchen.<br />
Ich nur sehr ungern, da mir dadurch - falls alles klappt - nur zwei weitere Tage meiner Reise verloren<br />
gehen würden. Letztendlich entscheide ich mich aber auch dafür.<br />
Hans hat eine Computerschule gefunden, in der er seinen letzten Bericht für Globetrotter zu Ende<br />
schreiben kann. Ich verbringe den Tag damit, erneut mein Rückrad zu flicken (2 Löcher) und mit dem<br />
Rad zum Benzin "einkaufen" zu fahren. Der Tankwart fragt mich ein wenig verdutzt, was ich denn mit<br />
dem halben Liter Benzin an meinem Rad wolle. "Naja, damit ich schneller fahren kann!" antworte ich<br />
ihm todernst. "Achso, hätte ich ja eigentlich wissen müssen." erwidert er bestürzt und macht sich ans<br />
Füllen der Flasche.<br />
Am Mittag schlendere ich mit Hans ein wenig durch das Dorf, um überhaupt etwas von der Umgebung<br />
zu sehen während wir hier "absitzen". Überall finden sich Schilder wie "Compra de Oro" (Ankauf von<br />
Gold) oder "Compra de Dólares" (Ankauf von Dollars) an den Hauswänden und es lungern nicht<br />
wenige zwielichtige Gestalten in den Straßen herum. Zum "Ausgleich", könnte man sagen, sind die<br />
jungen Frauen erstaunlich freizügig gekleidet und bei genauerem Hinsehen scheint es nicht wenige<br />
anstößige Etablissements zu geben. Wir passieren über die Hängebrücke über den verschmutzten<br />
"Goldfluss" und sehen uns das Dorf von einer Anhöhe aus an. Von hier sieht es so friedlich aus.<br />
Wenn man einmal davon absieht, dass immer wieder Menschen mit voll beladenen Schubkarren auf<br />
die Hängebrücke kommen, ihren gesamten Müll in den Fluss kippen und scheinbar guten Gewissens<br />
wieder zurück ins Dorf gehen.<br />
Naja, eben ein richtiges bolivianisches Goldgräbernest das dem legendären Wilden Westen wohl nur<br />
in der Optik um ein wenig nachsteht.
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Der verdammte Bootsanleger<br />
Tag 3: Der Tag des Wartens.<br />
Hans geht wieder in die Computerschule, um dort seinen Bericht weitertippen zu können, und ich<br />
mache mich auf die Suche nach den Goldsuchern in den Bergen. Das ist nicht sonderlich schwierig,<br />
da ich mit meinem Rad einfach nur dem schmutzigen Fluss folgen muss. Es geht durch schöne<br />
Urwaldlandschaft immer wieder auf und ab und ich kann vom Glück reden das heute ein wenig Wind<br />
herrscht und der Himmel beinahe komplett bedeckt ist und trotzdem fließt mir der Schweiß in Strömen<br />
über den Körper. Ein Jeep kommt mir entgegen und der Fahrer fragt mich neugierig nach meinem<br />
Ziel. Bis zu den Minen wären's nur noch 10 Minuten, sagt er mir freudig...<br />
20 Minuten später stehe ich an einer Weggabelung. Rechts geht es steil bergab und links geht der<br />
Weg auf gleicher Höhe weiter in die Berge. Wieder kommt ein Jeep vorbei und der Fahrer fragt mich,<br />
ob ich die Minen oder lieber mehr Selva sehen möchte. "Minen!" antworte ich kurz. Ok, dann müsse<br />
ich rechts runter, sagt er mir und quält seinen Jeep selbst den Abhang hinunter. Es ist so extrem Steil,<br />
dass meine Reifen blockieren und kaum noch Halt finden.<br />
Unten treffe ich den Fahrer bei ein paar Holzhütten wieder und er zeigt mir den Fußweg zu den<br />
Minen. Nach ein paar Metern stehe ich vorm Eingang einer Mine, an der quirliges (allerdings mehr<br />
gesellschaftliches als arbeitsames) Treiben herrscht. Die Mineros sind überraschend lustige und<br />
aufgeschlossene Menschen, wahren aber trotzdem eine gewisse Distanz zu mir. Der Jeepfahrer fragt<br />
mich, ob ich mir nicht mal die Mine von Innen ansehen wolle. "Ist das möglich?" frage ich erstaunt. "Ja<br />
klar, kein Problem!" antwortet er mir und schon bekomme ich eine kiloschwere Batterie um die Taille<br />
gehängt und einen kleinen Helm mit einer schwachen Funzel auf den Kopf gesetzt.<br />
La Mina del Oro<br />
Durch Holzbalken ist nur der Eingang abgesichert, danach wird es abenteuerlich. Mein "Amigo" läuft<br />
barfuß voraus und gebückt laufen wir durch knöcheltiefes Wasser. Es stinkt nach Exkrementen und<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
umso tiefer wir in die Mine vordringen, desto unerträglicher wird die Hitze. Am Vortrieb arbeitet eine<br />
Gruppe von etwa 10 Mineros und selbst deren T-Shirts kleben vor Schweiß am Körper. Es ist das<br />
erste Mal, dass ich Bolivianer schwitzen sehe, nach meinem Empfinden sind es hier drinnen fast 50<br />
Grad. Mein Kamera-Objektiv beschlägt sofort und ich kann es immer noch nicht glauben, was ich hier<br />
überhaupt mache. Man sagt mir, dass ich bis zum vordersten Mann durchkriechen soll, um auch alles<br />
ganz genau zu sehen und er zeigt mir die Goldspuren im Fels. Ich sitze neben ihm in dem keinen<br />
ganzen Meter hohen Gang und mache Fotos von der Gruppe. Sie finden es alle ganz toll und wollen,<br />
dass ich immer mehr Fotos mache. Das Tollste für sie daran ist natürlich der Blitz, der in dieser<br />
ewigen Dunkelheit für kurze Zeit alles erhellt. Ihre fröhlichen Gemüter scheinen sich dem Licht<br />
anzupassen. Ich finde es unglaublich, dass man bei einer so harten Arbeit noch so fröhlich sein kann;<br />
es gibt hier keine Maschinen! Der Fels wird mit Meißel und Hammer geschlagen und eine<br />
Frischluftzufuhr gibt es ebenfalls nicht. Ich bin froh, dass ich auf dem Altiplano gelernt habe, mit wenig<br />
Sauerstoff auszukommen. Neben dem stickigen Kohlendioxid scheint hier nicht viel zu existieren.<br />
Auf dem Rückweg zeigt mir mein Amigo noch einen weiteren Vortrieb mit Arbeitern, den wir nur nach<br />
viel Kletterei erreichen. Außerdem zeigt er mir einen stillgelegten Schacht, in dem es keinerlei<br />
Sauerstoff gibt und sogar er mir vom Betreten abrät.<br />
Nach diesem aufregenden Erlebnis bin ich froh wieder aus der Mine herauszukommen und genieße<br />
die draußen herrschende "Frische" von 30°C. Die Frauen sehen sich das Schauspiel vom Gringo, der<br />
vor Schweiß triefend aus der Mine kommt, belustigt an. Sie scheinen es kaum glauben so können,<br />
dass ich ohne auch nur einen Handschlag gemacht zu haben, so sehr schwitzen kann.<br />
Ich erfahre von meinem Amigo, dass er sich stolz Presidente de la Cooperativa nennt. Wunderbar,<br />
dann habe ich sogar mal den Präsidenten kennen gelernt! Er darf sich offensichtlich nur so nennen,<br />
da er als fast einziger hier Lesen und Schreiben kann. Er möchte unbedingt ein paar Abzüge der<br />
Fotos haben und schreibt mir als Adresse eine hochkomplizierte Wegbeschreibung auf ein Stück<br />
Papier. Mal sehen, ob die Post das finden wird...<br />
Bevor ich mich verabschiede, bekomme ich noch ein wunderbares Essen für 5 Bs (60ct). Es ist das<br />
Übliche: Reis mit Fleisch und Kartoffeln, aber um einiges besser zubereitet als der lieblose Fraß unten<br />
im Guanay. Die Köchin der Cooperativa freut sich über mein Kompliment und ich würde gerne zum<br />
Essen wiederkommen.<br />
Während ich auf dem Rückweg bin, setze ich mich für eine Weile an einen schönen Aussichtspunkt<br />
an der Piste. Ich genieße den Ausblick auf die Selva und den schlammigen Fluss und lasse mit ein<br />
wenig Musik meine Gedanken gleiten. Plötzlich tippt mir jemand auf die Schuler: Es ist ein Minero auf<br />
dem Heimweg von der Arbeit. Er zeigt mir seine zitternden Hände, die er gar nicht mehr bewegen<br />
kann. Dieses Problem hätte er jeden Tag nach der Arbeit, erklärt er mir, und mich wundert's nicht.<br />
Dann endlich kommt er auf den Punkt und fragt mich, ob ich nicht ein wenig Medizin dagegen hätte.<br />
Nun, ich würde dem armen Kerl wirklich gerne helfen, doch erst jetzt fällt mir ein, dass ich nicht einmal<br />
Gelenksalbe in meiner "Farmacia" habe. Ich verneine bedauernd und er macht sich mit geknicktem<br />
Kopf wieder auf den Weg.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Mineros auf dem Weg zur Arbeit<br />
Gegen Abend gehe ich mit Hans noch einmal zum Bootsanleger, um uns die Abfahrtszeit bestätigen<br />
zu lassen. Der schmierige Typ versichert uns, dass er morgen fährt. Er muss allerdings heute Abend<br />
um 9 noch mit der Fußballmannschaft über die Abfahrtszeit sprechen und will dann auch um 9 Uhr bei<br />
uns vorbeikommen, um Bescheid zu geben. Wir werden ihn heute Abend nicht mehr sehen...<br />
Hans und ich kochen uns wieder eine leckere Mahlzeit im Patio des Residencial und während wir so<br />
mit dicken Bäuchen faul in unseren Stühlen sitzen, kommt ein junger Mann mit Brille und langen<br />
Haaren vorbei. Mit blonden Haaren!<br />
Er stellt sich als Donat (nicht Donut!) aus Dresden vor und beginnt über den Abend ein ganz lustiges<br />
Gespräch mit uns. Ich kann es kaum glauben! Am Tag vor unserer Abreise treffen wir den ersten<br />
Touri hier! Er ist mit seiner Frau unterwegs und zu allem Glück wollen sie beide morgen auch nach<br />
Rurre - am besten per Boot. Sie sind mit zwei Führern von Sorata aus durch die Anden gewandert,<br />
haben aber beim Buchen der Tour "vergessen", auch die Rückfahrt mit den beiden Führern zu<br />
buchen! Also sind sie einfach per Jeep und Pickup weiter ins Amazonastiefland gefahren und heute<br />
nach einer überaus abenteuerlichen Fahrt hier gelandet. Wir werden am morgen auf jeden Fall erst<br />
einmal alle zusammen weiterreisen.<br />
Ich zermartere mir weiterhin darüber den Kopf, mit welcher Ausrede uns der Bootsmann morgen noch<br />
abwimmeln kann oder 300 US$ von uns verlangen könnte, denn bekanntlich trifft ja nie das zu, womit<br />
man vorher gerechnet hat.........<br />
Tag 43:<br />
Tag 44:<br />
Tag 45:<br />
Guanay -Tacho defekt-<br />
Guanay -Tacho defekt-<br />
Guanay / Minas de Oro -Tacho defekt-<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Wie geht es weiter?<br />
An dieser Stelle ist der erste Teil des Reiseberichtes leider zu Ende. Willst Du wissen, wie es<br />
weitergeht?<br />
Dann trage Dich im Newsletter ein. Du bekommst dann eine E-Mail, wenn der nächste Teil<br />
online ist.<br />
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Ausrüstungsliste<br />
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Das Fahrrad:<br />
Marke Winora Dakar mit einigen An- und Umbauten<br />
? Gabel ist während der Reise gebrochen und wurde<br />
durch eine improvisierte 28-Zoll-Gabel (eigentlich 26<br />
Zoll), Marke Oxford (Chile), ersetzt<br />
? Bremsen: Magura HS33. Reparaturkit hatte ich dabei,<br />
wurde aber nie gebraucht.<br />
? Dynamo: Nabendynamo von Shimano. Selten<br />
gebraucht, hat aber gute Dienste geleistet.<br />
? Gepäckträger: Tubus Cargo. Unglaublich robust,<br />
LanChile hat es trotzdem geschafft, ihm einen Schlag<br />
zu verpassen.<br />
? Lowrider: Cordo aus Holland, mit Auflage. Hat alles<br />
gut mitgemacht, leider ist der Lack sehr empfindlich.<br />
? Flaschenhalter: Minoura aus Japan. Sehr teuer, aber<br />
auf "trockenen" Strecken unverzichtbar. Einer von<br />
beiden ist mit auf den schlechten Straßen abgebrochen und kann (da Alu) kaum noch<br />
geschweißt werden.<br />
? Schaltung: SRAM 3.0 Unglaublich robust. Das einzige Teil, was außer dem Rahmen und<br />
Licht die 5 Lebensjahre meines Rades bisher überstanden hat!<br />
? Lichtanlage: Vorne Retro Halogen Plus, hinten Toplight Diode mit Nachleuchter.<br />
? Reifen: Schwalbe Cross. Kaum Probleme, selbst auf allerschlechtesten Pisten gut<br />
gelaufen. Für Sandpisten ist die 28er-Version leider zu schmal.<br />
? Schloss: Abus Manhattan. Hat evtl. einen Diebstahl verhindert.<br />
Taschen:<br />
? hinten: Ortlieb Classic Backroller mit dem alten robusten<br />
Quicklock-System. Sehr zuverlässig.<br />
? vorne: Ortlieb Classic Frontroller. Nichts hinzuzufügen.<br />
? Lenkertasche: Vaude. Halte ich persönlich für besser, als die von<br />
Ortlieb, da unglaublich robust. Allerdings ist die Kartenhülle an<br />
einer Naht eingerissen.<br />
? hinten Auflage: X-Plorer von Ortlieb. Eigentlich von Ortlieb als<br />
Rucksack gedacht, war er auch wunderbar als "Rack-Pack" zu<br />
verwenden. Schafft Platz für Zelt und eine dicke Isomatte. Dazu<br />
kann man ihn noch wunderbar für längere Touren zu Fuß und als<br />
Essenssack in Thermalbädern benutzen (aber besser keine<br />
Schokolade einfüllen... :o)<br />
? Wassersack: 10l Wassersack von Ortlieb. Hat durchweg seinen<br />
Zweck erfüllt und dank ihm hatte ich meistens mehr Wasser dabei,<br />
als ich zum Trinken, Zähneputzen und Kochen brauchte. Leider ist<br />
er leicht undicht, was sich in geringfügig feuchten Nähten äußert.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Camping:<br />
? Zelt: Vaude Ultralight. 2-Mann-Zelt, das schon seit über 3 Jahren<br />
genügend Platz und Komfort für mich und beim Gepäck bietet. Vor<br />
der Reise musste ich allerdings neue Gummibänder einnähen und<br />
es hält immer noch sehr gut.<br />
? Zeltunterlage: Faserplane von Hagebaumarkt. Unverzichtbar.<br />
War auf dem Altiplano ein sehr guter Schutz gegen den steinigen<br />
Untergrund. Während der Flüge konnte ich sie verwenden, um<br />
Taschen oder Fahrrad einzupacken, wenn benötigt.<br />
? Isomatte: 2cm Evazote von Globetrotter. Bietet genügend<br />
Komfort und schützt durch die Dicke vor Kälte. Im Gegensatz zu<br />
selbstaufblasenden Matten nicht defektanfällig, dafür allerdings ein<br />
recht großes Packmaß.<br />
? Schlafsack: Ajungilak Winter 2000. Mit diesem Schlafsack lassen<br />
sich bei trockener Luft und einem Seideninlett von Cocoon bequem<br />
-20°C überstehen. Für extrem warme Gebiete wird man dann das<br />
Seideninlett bevorzugen.<br />
? Kocher: MSR Dragonfly. Sehr gut für entlegene Gegenden, da man Benzin und Diesel praktisch<br />
überall auf der Welt bekommt. Man kann auch andere Brennstoffe benutzen. Allerdings ist der Kocher<br />
im Betrieb mit Benzin oder Diesel extrem laut und taugt nur wenig zum heimlichen Kochen auf dem<br />
Hotelzimmer. Inzwischen gibt es leisere Alternativen und im Grunde reicht ein Kocher, der nur Benzin<br />
und Diesel unterstützt, vollkommen aus. Sehr vorteilhaft am Dragonfly ist die Aufbewahrung des<br />
Treibstoffs in einer Flasche, die direkt am Fahrrad befestigt werden kann. So spart man Packplatz und<br />
vermeidet den Benzingestank in den Taschen.<br />
Fotografie:<br />
? Kamera: Canon EOS 300. Ich verwende die Kamera schon seit<br />
fast 3 Jahren. Extrem robust, da sie schon unglaublich vielen<br />
Schlägen in einer ungepolsterten Lenkertasche ausgesetzt war<br />
und immer noch gute Ergebnisse liefert. Nach längerem Gebrauch<br />
in Wüstengegenden klemmt das Sigma-Objektiv leider ein wenig<br />
(wahrscheinlich extrem kleine Sandpartikel) und sie hat schon<br />
Filme in die falsche Richtung aufgespult. Davon abgesehen für den<br />
Preis eine sehr gute Kamera, die ich auf bei vielen Studenten<br />
gesehen habe.<br />
? Filter: POL-Filter von Hama. Für blaueren Himmel und kräftigere<br />
Konturen.<br />
? Fernauslöser: von Canon, gut für Langzeitbelichtungen<br />
(verloren).<br />
? Stativ: Mini-Stativ von Hama mit biegbaren Beinchen. Sehr klein<br />
und gut zu transportieren (verloren).<br />
? Filme: Dieses Thema ist fast schon wieder eine Glaubensfrage. Ich schwöre auf Kodak EliteChrome.<br />
Die geben extrem gute Farben und Konturen. Allerdings habe ich mit Fujifilm auch schon gute<br />
Ergebnisse erzielt (auf dieser Reise stammen nur die Fotos Frankfurt-Santiago von einem Fujifilm 400)<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Medikamente: Hinweis: Ich bin in keinem Bereich der Medizin<br />
ausgebildet. Untenstehendes ist nur die Widergabe meiner<br />
Erfahrungen und das Ergebnis zahlreicher Gespräche mit<br />
anderen Leuten und langen Recherchen. Ich kann keinerlei<br />
Garantie auf die Richtigkeit dieser Angaben geben und<br />
Empfehle bei Anwendung die vorherige Rücksprache mit<br />
einem Arzt!<br />
? Kopfschmerzen/Schmerzen: Paracetamol von Ratiopharm wirkt<br />
angeblich besser gegen Kopfschmerzen als Aspirin. Ich war sehr<br />
zufrieden damit und in Bolivien hätte man es mir am liebsten aus<br />
den Händen gerissen.<br />
? Verband: Handelsübliche Mullbinde (nicht benutzt).<br />
? Durchfall: Das allseits bekannte Immodium. Um die Benutzung<br />
dieses Medikamentes kommt man bei einer mehrmonatigen Reise<br />
kaum herum. Allerdings wirkt es nicht bei jeder Art von Durchfall<br />
und stopft nur den Darm anstatt die Ursache zu beheben. Sehr<br />
hilfreich zur Behebung von Durchfall ist das Probioticum Omniflora N.<br />
? Wunder Hintern: Kaufmann's Haut-und Kinder-Creme habe ich besonders in den ersten zwei Wochen<br />
viel benutzt.<br />
? Offene Wunden: Cosmopor Steril 10x6cm. Sehr praktisch auf begrenzt großen Wunden, sozusagen<br />
ein großes Pflaster. Steri Strip zum Schließen von klaffenden Wunden. Hilft, da sehr starke Klebkraft.<br />
Ersetzt Klammern oder eine Naht, allerdings nicht auf Dauer zu empfehlen. (nicht benutzt)<br />
? Schere: "Schwesternschere". Nicht billig, aber das ultimative Werkzeug schlechthin...<br />
? Schürfwunden: Jod-Salbe von Ratiopharm wirkt gegen Wundinfektion der Haut, besonders in<br />
tropischen Gebieten zu empfehlen.<br />
? Fieber: ASS 500 Hexal. Habe ich nie benutzt, von daher kann ich dazu leider nichts sagen.<br />
? Schürfwunden: Jod-Salbe von Ratiopharm wirkt gegen Wundinfektion der Haut, besonders in<br />
tropischen Gebieten zu empfehlen.<br />
? Wunddesinfektion: Octenisept für Wunddesinfektion. Es gibt extra kleine Flaschen, die sich auch für<br />
eine Radreise eignen und Wunddesinfektion ist fern jeder Arztpraxis immer unverzichtbar.<br />
? Insekten im Ohr, Stacheln und andere Gemeinheiten: Pinzette!!!<br />
? Kälte: Rettungsdecke. Folie mit einer goldenen und einer silbernen Seite. (nicht benutzt)<br />
? Muskelkrämpfe: Magnesium-Tabletten aus dem Supermarkt oder der Farmacia. (oft benutzt)<br />
? Höhenkrankheit und Impfungen: Siehe Tipps und Informationen.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Tipps und Informationen<br />
über Nord-Chile, Bolivien, Perú und Venezuela<br />
Denkst Du selbst über eine Reise nach Bolivien, Chile, Perú oder Venezuela nach?<br />
Dann stellen sich Dir sicherlich eine ganze Menge Fragen, auf viele davon gibt es in den gängigen<br />
Reiseführern leider keine Antworten. Diese Zeilen hier sollen eine Ergänzung zu bereits vorhandenen<br />
Reiseführern und Informationsquellen im Internet darstellen. Auf Dinge, wie "die beste Reisezeit", die<br />
sich ständig ändernden Einreisebestimmungen und ähnliches werde ich von daher gar nicht oder, nur<br />
beiläufig, eingehen.<br />
Vor einer Reise in eines der genannten Länder empfehle ich folgende Informationsquellen:<br />
? Die letzte Ausgabe des entsprechenden "Reise Know-How" oder "Lonely Planet".<br />
? Für Informationen über Einreisebestimmungen und mehr "offizielles" die Webseite des Auswärtigen<br />
Amtes Allerdings steht es um die Sicherheitslage selten wirklich so schlimm, wie dort angegeben. Die<br />
besten Informationen stammen immer noch von Leuten, die gerade dort waren.<br />
? Indymendia kann man als Ersatz für die wirklich spärliche Berichtserstattung sehen, die unsere<br />
Medien über das "unwichtige" Südamerika bieten.<br />
Fliegen, Busfahrten, Fahrradtransport<br />
Ich hatte einen recht komplizierten Flug, wodurch meine Reise allerdings auch um einiges<br />
interessanter geworden ist. Wenn man im Reisebüro hartnäckig nachfragt, kann man sogar einen so<br />
genannten Doppelgabelflug bekommen. Meine Flüge kosteten 1260 Euro (Hin -und Rückfl ug)<br />
verliefen folgendermaßen:<br />
Hinflug:<br />
Frankfurt - Santiago de Chile<br />
Santiago de Chile - Antofagasta (Nord-Chile)<br />
Rückflug:<br />
Lima (Perú) - Caracas (zwei Wochen Aufenthalt)<br />
Caracas - Frankfurt<br />
Frankfurt - Hamburg<br />
Wer mehr über den Fahrradtransport bei den verschiedenen Airlines wissen will, wirft am besten<br />
einen Blick auf die Seite von Jan Cramer.<br />
Inlandsflüge:<br />
Rurrenabaque - La Paz (Bolivien)<br />
Mérida - Caracas<br />
Inlandsflüge sind in Südamerika eine gute Alternative zu Bus und Bahn. Bahnen sind in der Regel<br />
nicht verfügbar und Busse haben, besonders auf den extrem schlechten Pisten in Bolivien, sehr<br />
lange Fahrzeiten. Ich habe für den Flug von Rurrenabaque nach La Paz gerne 50 Dollar bezahlt<br />
anstatt nur 3 Dollar für den Bus. Der Flug dauerte 1 Stunde, der Bus braucht etwa 24 Stunden auf<br />
höllenhaft schlechten Pisten mit wenigen Pinkelpausen.<br />
Wer seine Inlandsfüge schon vor der Reise buchen will, sollte das im Fall Bolivien und Perú gar nicht<br />
erst versuchen. Die meisten inländischen Fluggesellschaften haben keine elektronische<br />
Reservierung. Oft funktioniert noch alles mit Papier und Bleistift. Es gibt viele Reisebüros, die billig<br />
Flüge anbieten. Außerdem sind viele Fluggesellschaften, wie die militärische TAM in Bolivien,<br />
praktisch auf Rucksacktouristen angewiesen und auch in der Hauptsaison kann in oft noch 1-3 Tage<br />
vorher ein Ticket gekauft werden. In Perú sieht das allerdings wieder anders aus. In der Hauptsaison<br />
sollte man besonders auf der beliebten Strecke Cusco-Lima mindestens eine Woche vorher das<br />
Ticket kaufen.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
In Chile gibt es praktisch nur die LanChile und die ist nicht gerade billig, kann dafür aber auch in<br />
Deutschland im Internet und in Reisebüros gebucht werden.<br />
In Venezuela kann ich Avior empfehlen. Die haben eine sehr komfortable Internet-Buchung, dafür<br />
aber teils extrem kleine Flugzeuge, in denen man eventuell kein Fahrrad transportieren kann<br />
(abenteuerlich!). Außerdem gibt es dort noch eine Menge anderer kleiner Fluggesellschaften. Die<br />
Strecke zum Salto Angel wird sogar noch von altertümlichen DC-3's bedient, wie sie in Deutschland<br />
das letzte Mal während der Berliner Luftbrücke aktiv waren...<br />
Busse:<br />
Bolivien: Das Fahrrad kommt überall mit, egal wie viel Gepäck man hat. Manchmal will der Busfahrer<br />
einen Extrapreis für das Fahrrad haben, darauf muss man sich allerdings nur äußerst selten<br />
einlassen. Gemessen an den horrenden Gepäckmengen, die die Einheimischen mitnehmen, nimmt<br />
sich ein bepacktes Fahrrad geradezu klein aus...<br />
Transportiert wird es entweder im Gepäckraum (Festschließen nicht vergessen!) oder auf dem Dach.<br />
Perú: Hier läuft alles schon etwas geregelter ab und manchmal kommt man um einen Extrapreis für<br />
das Rad nicht herum. Dafür gibt es vor Diebstahl geschützte Busterminals und Gepäckkarten. Bei der<br />
starken Konkurrenz auf einigen Strecken lohnt ein Preis- und Service(!)-Vergleich im Busterminal.<br />
Venezuela: Teilweise klimatisierte Busse! Allerdings habe ich hier nur einmal mein Fahrrad<br />
transportieren wollen, wobei es mir auch noch verweigert wurde. Die überall fahrenden Pickups sind<br />
eine Alternative, erfordern aber ein starkes Verhandeln mit dem Fahrer.<br />
Fotografieren<br />
Salar de Uyuni: Salzseen - besonders der gleißend helle Salar de Uyuni - sind eine Klasse für sich.<br />
Klar möchte man dieses einmalig grelle Licht auf seinen Fotos festhalten. Ein ganz banaler aber<br />
extrem wichtiger Tipp: Auf dem Salar solle man den Film um ein bis zwei Stufen länger belichten<br />
lassen, als der Belichtungsmesser der Kamera angibt. Nur dann werden die Dias auch wirklich so<br />
gleißend hell, wie sie sein sollten. Jetzt fehlt nur noch ein Diaprojektor mit der entsprechenden<br />
Lichtstärke...<br />
Menschen: Besonders in Bolivien und Perú lassen sich die Indígena-Frauen nur ungern<br />
fotografieren. Aber wie bei allem gilt: Ausnahmen bestätigen die Regel! Und wenn man freundlich<br />
fragt, erntet man nur selten ein Nein. Marktszenen lassen sich am besten mit einem Teleobjektiv<br />
festhalten.<br />
Und bei den hübschen Frauen auf venezuelanischen Stränden sollte sowieso jeder das Risiko selbst<br />
abschätzen...<br />
Verbote: Fotografieren auf Flughäfen und Militäranlagen ist möglich, man sollte sich dabei nur nicht<br />
erwischen lassen...<br />
Filmmaterial: Meine Lieblingsfilme - die Kodak Elitechrome (Dia) waren in La Paz (Bolivien) sehr gut<br />
zu bekommen. Sogar zu einem nur geringfügig höheren Preis als in Deutschland! Allerdings musste<br />
ich für die benötigte Menge von 15 (nicht abgelaufenen!) Filmen schon einige Fotoläden abklappern.<br />
In Perú bekommt man fast nur die gängigen Negativfilme zum Knipsen. Diafilme habe ich meines<br />
Wissens dort nicht gesehen. In Venezuela sieht es noch schlimmer aus. Diafilme scheinen dort gar<br />
nicht bekannt zu sein.<br />
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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
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Sprachen<br />
Spanisch, Spanisch, Spanisch!!! Wer glaubt, sich auf seine Englischkenntnisse verlassen zu<br />
können, wird es höchstens in Venezuela noch zu etwas bringen können. Außerdem gibt es in fast<br />
jedem Land mindestens einen eigenen Dialekt und viele Wörter und Redewendungen werden dem<br />
"Ibero-Spanisch" sprechenden zuerst unbekannt vorkommen. Doch keine Angst; so schlimm ist es<br />
nicht! Hier eine kleine Hilfe zu den wichtigsten Unterschieden (Ibero-Spanisch = Latino-Spanisch):<br />
aquí (hier) = acá<br />
allí (dort) = allá<br />
tienda (kleines Geschäft) = local<br />
¿verdad? (stimmt's?) = ¿no ve?<br />
perdón/lo siento (Entschuldigung) = disculpame<br />
vale (im Sinne von ok soweit oder gut) = listo<br />
coche (Auto) = autocarro<br />
adiós = Chao<br />
das Wichtigste!: servicio (Toilette) = baño<br />
...und noch ein paar mehr.<br />
Es ist nicht immer Vorteilhaft, wenn man das "C", wie in "Barcelona", lispelt. Dann wird man eventuell<br />
als Spanier "erkannt" und diese sind im Gegensatz zu den restlichen Europäern nicht immer beliebt.<br />
So wird zum Beispiel das "Z" bei "La Paz" wie eine sanfte Mischung zwischen "S" und "ß"<br />
ausgesprochen.<br />
Und wer den schwierigsten Buchstaben des spanischen Alphabets (wie ich) nie lernen wird; für den<br />
habe ich eine positive Nachricht: Das rrrrollenede "R" ist nicht so wichtig wie in Spanien - zumindest<br />
nicht in Chile, Bolivien und Perú. Dort wird es verhältnismäßig weich ausgesprochen.<br />
(Nord-)Chile: Die Menschen sind gebildet, was aber noch lange nicht heißt, dass sie auch Englisch<br />
können. Der Dialekt ist gewöhnungsbedürftig, da die Chilenen - wie sie selbst sagen - das "S"<br />
"aufessen". So wird aus einem ganz einfachen "más o menos" schnell ein "ma o meno".<br />
Gewöhnungsbedürftig... Angeblich ist der Dialekt dem der Kanarischen Inseln sehr ähnlich und wird<br />
selbst von Spaniern des Öfteren verwechselt.<br />
Bolivien: Die Bolivianer haben eine extrem klare Aussprache des Spanischen, was das Land<br />
geradezu für einen Sprachurlaub prädestiniert! Allerdings mag das auch daran liegen, dass Spanisch<br />
für viele nur als Zweitsprache, während sie in erster Linie ihre inkaischen Muttersprachen Aymará<br />
und Quechua sprechen. Man kann die Landbevölkerung damit erfreuen, sie in ein paar Worten dieser<br />
beiden Sprachen anzusprechen, sollte dies allerdings in den Slums der Städte nicht unbedingt<br />
machen. Die in den Slums lebenden ehemaligen Bauern sprechen demonstrativ Spanisch, da sie<br />
Städter sein wollen und nicht durch das "ländliche" Aymará oder Quechua als "primitive" Bauern<br />
abgestempelt werden wollen.<br />
Der Präsident warb dafür, dass auch die Nachfahren der spanischsprachigen Kolonialisten Aymará<br />
und Quechua lernen sollten, da dies zur Kultur des Landes gehöre. Das war einmal: Er wurde dieses<br />
Jahr (2003) gewaltsam abgesetzt.<br />
Perú: Hier herrscht fast die gleiche Situation, wie in Bolivien. Die Menschen sprechen ein wenig mehr<br />
Dialekt, alles ist aber noch ziemlich gut zu verstehen.<br />
Venezuela: Trotz aller tropischen Hitze sträuben sich hier erst einmal die Nackenhaare! Meine zwei<br />
Wochen in Venezuela haben kaum ausgereicht, um mich an den extrem schnell prasselnden Dialekt<br />
der Venezuelaner zu gewöhnen. Das karibische "Feeling" aus dem nahen Jamaica scheint sich auch<br />
hier bemerkbar zu machen. Die extrem bunt gemischte Bevölkerung hat Venezuela seine ganz<br />
eigene Aussprache verpasst, die wiederum von Region zu Region unterschiedlich ist. Während man<br />
die Leute in Mérida noch recht gut versteht, hat sich an der Küste der Slang von Nachfahren der<br />
afrikanischen Sklaven durchgesetzt. Interessant...
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Das liebe Geld...<br />
In Spanien hießen sie Pesetas, in Chile heißen sie Pesos, in Bolivien Bolivianos oder auch Pesos, in<br />
Perú Sol oder Nuevo Sol und in Venezuela Bolivares. Und überall dazwischen immer wieder<br />
"Dólares". Und da soll noch einer durchblicken?!?<br />
Chile: Die erste Reaktion eines eingereisten Deutschen. Ganz schön billig hier!<br />
Die erste Reaktion eines aus Bolivien eingereisten Deutschen: Ist das teuer hier!<br />
Was man nun als teuer und was man als billig wahrnimmt; ist irgendwie auch Gefühlssache. Doch<br />
Tatsache ist, dass in Chile trotz der langen Versorgungswege immer noch vieles billiger als in<br />
Deutschland ist. Übernachtungen bekommt man ab 10 Euro, manchmal auch erheblich darunter,<br />
manchmal aber auch mit 100 Dollar pro Nacht erheblich darüber. Das hängt ganz von den eigenen<br />
Ansprüchen an Komfort ab.<br />
Bolivien: Eiserne Regel: Finger weg von "West"-Produkten und man lebt billig wie nie! Bolivien ist<br />
eines der ärmsten Länder der Welt und dementsprechend billig sind Lebensunterhaltung und<br />
Übernachtungen. Solange man sich einheimisch ernährt, ist man außerhalb der Touristenzentren mit<br />
einem Euro für ein komplettes Menü dabei! In den Touristenzentren werden schon einmal<br />
Wucherpreise von 4 Euro für ein Menü verlangt! In den Garküchen auf den Märkten geht es noch<br />
billiger zu, allerdings kommt taucht hier ständig das ewige Problem mit dem Wechselgeld auf.<br />
Bankautomaten geben das Geld gerne nur in 50er und 100er Scheinen aus. Möchte man mit einem<br />
50er (6 Euro) bezahlen, reißt das Mütterchen am Straßenrand die Augen weit auf und muss sich erst<br />
einmal eine viertel Stunde lang auf die Suche nach Wechselgeld begeben. Und dabei wollte man<br />
doch nur ein paar Erdnüsse kaufen! Der Preis für Bananen und die typischen pappigen Brötchen ist<br />
so niedrig, dass man pro kleinster Geldeinheit von einem Boliviano (ca. 12,5 ct) schon mehrere<br />
kaufen muss.<br />
Bei Touristenorganisationen dagegen wird meistens mit "Dólares" bezahlt, ob nun cash oder<br />
hochmodern per Kreditkarte. Doch eines sollte man sich immer vor Augen halten: Die Geldscheine!<br />
Nicht jeder Geldschein wird akzeptiert, da auch nicht jeder ein Original ist. Grundsätzlich müssen<br />
Geldscheine glatte Ränder haben und dürfen nicht eingerissen sein. Doch offensichtlich gibt es<br />
nichts, was sich nicht auch mit Tesa kleben ließe. Zum Glück wurde mir nur einmal vorgeworfen mit<br />
einer Fälschung bezahlen zu wollen. Ich habe den "beschuldigten" Geldschein dann durch die Hände<br />
mehrerer Leute gehen lassen, von denen mir jede Person etwas anderes geantwortet hat. Am besten<br />
ist es natürlich, wenn sich das Plagiat nicht vom Original unterscheiden lässt...<br />
Perú: Auch hier ändert sich nur wenig im Vergleich zu Bolivien. Mal abgesehen davon, dass vieles<br />
etwas teurer ist. Hemmungslos zugeschlagen wird in Touristenhochburgen wie Cusco. Man darf zum<br />
Beispiel nicht den Regionalzug (3 Euro) nach Machupicchu nehmen und wird gezwungen auf den<br />
Touristenzug umzusteigen (50 Euro!). Ganz zu schweigen von den horrenden Gebühren für die<br />
Begehung des Inkatrails (ca. 200 Euro).<br />
Venezuela: Hier wird es kompliziert! Zu kompliziert! Der Devisenhandel war 2003 dermaßen<br />
durcheinander, dass ich im Reisebericht noch genauer darauf eingehen werde. Im nächsten Jahr<br />
sieht es vielleicht schon wieder ganz anders aus. Zu den Kosten ist zu sagen: Womit ich in Bolivien<br />
wochenlang leben konnte, das ist hier innerhalb weniger Tage ausgegeben. Das Preisniveau ist fast<br />
so hoch, wie in Deutschland. Schade!<br />
Doch einen Trost gibt es wenigstens für die Autofahrer. Wenn die Tankanzeige in Venezuela auf 30<br />
Litern steht, hätte man in Deutschland für den gleichen Preis (1,10 Euro) gerade erst 1 (!) Liter im<br />
Tank!
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Telefonieren nach Hause...<br />
Telefongesellschaften werden privatisiert, Internet-Cafés sprießen überall aus dem Boden... Alles<br />
geht so schnell, dass die Reiseführer bei der sich schnell verändernden Lage kaum hinterher<br />
kommen. Hier ein kleiner Überblick über die Lage 2003:<br />
Chile: Internet-Cafés gibt es genügend, besonders in den Städten und in touristischen Orten. Ich<br />
kann mich nicht mehr genau an die Preise erinnern, aber sie waren nie ausgefallen hoch.<br />
Hin -und wieder trifft man auch auf ein Telefoncenter der Entel. Das Telefonnetz ist in der Regel so<br />
gut, dass man in bester Qualität - als wäre es gleich von nebenan - nach Hause telefonieren kann.<br />
Auch der Handy-Empfang ist an den Hauptverkehrsadern fast lückenlos.<br />
Bolivien: Hier taugt das Handy nur noch als Wecker. Es sei denn, man möchte von La Paz zu<br />
horrenden Preisen nach Hause telefonieren. Seltsam ist, dass auch in den kleineren Städten<br />
Einheimische mit dem Handy herumlaufen. Mir konnte niemand erklären, warum ich mit demselben<br />
Netz nur in La Paz Empfang hatte.<br />
Es gibt dünn besiedelte Landesteile, in denen man nur sehr selten auf ein Telefon trifft. Man kann<br />
mehrere hundert Kilometer fahren, ohne eine Kontaktmöglichkeit nach Hause zu haben - obwohl es<br />
Dörfer gibt. Entlegene Dörfer haben manchmal eine kleine Telefonzentrale (das einzige Telefon im<br />
Dorf mit einer 3 Meter messenden Satellitenschüssel daran). Von dort aus kann man in schlechter<br />
Qualität und Zeitverzögerungen in der Sprachübertragung nach Hause telefonieren. Wenn man denn<br />
mal bis Deutschland durchkommt! Selbst der Aufbau innerbolivianischer Gespräche gestaltet sich<br />
nicht immer einfach und die Leute haben sich daran gewöhnt. Sogar von La Paz kommt man nur<br />
selten ohne Probleme durch.<br />
Der beste Kontaktweg nach Hause ist in Bolivien das Internet. Man findet Interneträume in allen<br />
Städten und touristischen Ortschaften. Abhängig davon, wo man gerade ist, kann der Preis stark<br />
variieren. Von 0,50 Euro (in La Paz) bis 3 Euro die Stunde (in Coroico mit Satellitenanschluss) ist<br />
alles möglich.<br />
Perú: Internet-Cafés sind teilweise noch billiger als in Bolivien. Inzwischen soll sogar schon damit<br />
begonnen worden sein, in kleinen Dörfern "Internet-Zellen" aufzubauen.<br />
Wie in Bolivien gibt es auch hier recht viele Telefonzentren von verschiedenen Anbietern mit<br />
verschiedenen Preisen. Wenn man ein größeres Angebot hat, lohnt sich ein Vergleich.<br />
Venezuela: Von den auch hier recht zahlreichen Telefonzentren kann problemlos nach Hause<br />
telefoniert werden. Das Ganze läuft dann meistens über eine Rechnung ab, die man nach dem<br />
Gespräch vorgelegt bekommt.<br />
Internet-Cafés sind schon eine ganze Ecke teurer als in Bolivien und Perú, in den touristischen Orten<br />
kann der Preis auch schon mal ins Unverschämte gehen. Verhältnismäßig billig surfen kann man in<br />
Universitäts-Städten wie Mérida und Caracas.<br />
Der Handy-Anschluss nach Hause funktioniert meines Wissens nur mit einem Vertrag von T-D1, da<br />
sonst niemand ein Abkommen mit der venezuelanischen Telefongesellschaft hat.<br />
Orientierung und Kartenmaterial<br />
Als ich vor der Reise in einem großen Hamburger Kartenladen nach Material für Südamerika gefragt<br />
habe, konnte der Verkäufer nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen: "Das ist ja fast so<br />
schlimm wie Afrika!"<br />
Nun gut: Als allgemeine Regel könnte man gelten lassen: Bis auf wenige Ausnahmen darf man sich<br />
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in Südamerika (ganz besonders in Bolivien) nicht auf Karten verlassen. Da gibt es Straßen, wo nie<br />
welche waren, Fähren, wo Brücken sind - selbst Teile der Panamericana fehlen auf manchen Karten!<br />
Chile: Für Chile gibt es nichts Besseres als den Turistel Autoatlas, den es in drei verschiedenen<br />
Teilen zu kaufen gibt: Den Guia del Norte, den Guia del Centro und den Guia del Sur. Neben<br />
unglaublich vielen detaillierten Informationen über die verschiedenen Landesteile gibt es auf den<br />
letzten Seiten des Atlas - praktisch als Nebenprodukt - die wohl besten flächendeckenden Karten für<br />
Chile. Man bekommt den Atlas in Buchläden und evtl. auch an einigen Tankstellen.<br />
Bolivien: Es gibt das Gerücht, dass "westliches" Kartenmaterial über Bolivien besser sein soll, als<br />
das Kartenmaterial aus Bolivien selbst. Pustekuchen! Die einzig einigermaßen vernünftigen Karten,<br />
die man in Europa erhalten kann, sind die TPC und ONC-Flugkarten. Diese geben ziemlich genaue<br />
Höhenangaben in Fuß an. An den eingezeichneten (und meistens nicht existenten) Straßen sollte<br />
man sich dagegen nicht orientieren.<br />
Gutes, aber leider veraltetes Kartenmaterial, bekommt man beim Instituto Geográfico Militar - also<br />
beim Militär (siehe Beispiel oben). Leider findet man dieses Institut nur in den größeren Städten.<br />
Das beste Kartenmaterial für Radfahrer (leider nicht flächendeckend) sind die handgezeichneten (!)<br />
Karten von Iris und Tore aus Holland. Man findet sie kostenlos auf ihrer Homepage:<br />
www.irisentoreopreis.nl<br />
Perú: Auch hier kann man Militärkarten kaufen. Allerdings sind die Karten von ITM, im Gegensatz zu<br />
der grottenschlechten ITM-Karte für Bolivien, hier recht gut zu gebrauchen.<br />
Venezuela: Auch hier habe ich nur eine ITM -Karte benutzt, die dazu einen verhältnismäßig guten<br />
Stadtplan von Caracas enthält. Allerdings kann ich hier leider keine Angaben über die Richtigkeit<br />
dieser Karte in dünn besiedelten Regionen machen.<br />
Weitere Informationen...<br />
Impfungen: www.fit-for-travel.de/<br />
www.gesundes-reisen.de/<br />
Wetter: www.wetteronline.de<br />
Reiseberichte:<br />
Reiseführer:<br />
Aktuelle Wechselkurse: www.oanda.com<br />
Flugplanung:<br />
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www.betzgi.ch<br />
www.travelfan.net/<br />
www.8ung.at/dani-on-tour/<br />
www.schultheiss-web.de/<br />
www.globetrotter.de/de/aktuell/windisch.php?<br />
www.geocities.com/marionhetzelt/<br />
www.lemlem.de/<br />
www.thomasdaniel.de/<br />
Reise Know-How Peru Bolivien<br />
Reise Know-How Chile<br />
Reise Know-How Lateinamerika BikeBuch<br />
www.opodo.de<br />
www.flug.de<br />
www.klickfly.de
<strong>Übersichtskarten</strong>:<br />
FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
Deutschland<br />
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Südamerika Übersicht<br />
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Bolivien/Chile<br />
Legende:<br />
rot = per Fahrrad<br />
rot gepunktet = per Bus oder Jeep<br />
rot gestrichelt = per Flugzeug<br />
blau = per Boot<br />
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Weiteres sehr gutes Kartenmaterial über Bolivien findet mal auf den Seiten von<br />
Tore und Iris: http://www.irisentoreopreis.nl/<br />
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