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UngesUnd: Wenn Gesunde blaumachen und KranKe zur arbeit Gehen

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Fokus<br />

4<br />

<strong>UngesUnd</strong>:<br />

<strong>Wenn</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>e</strong><br />

<strong>blaumachen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>KranKe</strong> <strong>zur</strong><br />

<strong>arbeit</strong> <strong>Gehen</strong><br />

Von Vera Sohmer. Sich krank schreiben lassen, obwohl man<br />

gar nicht krank ist – Absentismus schadet Unternehmen. Doch<br />

auch das Gegenteil – mit einer Krankheit am Arbeitsplatz erscheinen<br />

– richtet grossen Schaden an. Dabei gibt es wirksame<br />

Mittel dagegen. Eines davon: Den Ursachen auf den Gr<strong>und</strong> gehen,<br />

es dabei aber nicht belassen.<br />

Hat der Kollege aus der Buchhaltung wirklich Grippe? Die Kollegin<br />

vom Empfang tatsächlich einen Hexenschuss? Oder haben<br />

beide einfach mal wieder keine Lust, <strong>arbeit</strong>en zu gehen?<br />

Melden sich Mit<strong>arbeit</strong>ende krank, bleibt oft schleierhaft, warum.<br />

Kann sein, dass sie sich eine Infektion eingefangen oder<br />

das Kreuz verrenkt haben. Manchmal aber bleiben sie aus anderen<br />

Gründen zu Hause. Vielleicht kommen sie mit dem<br />

Chef, der Chefin nicht klar. Vielleicht erscheint ihnen ihre Arbeit<br />

sinnlos. Vielleicht kapitulieren sie angesichts dessen,<br />

was ihnen der neue Job alles abverlangt. Vielleicht erdrücken<br />

sie aber auch private Sorgen wie Scheidung oder Schulden.<br />

Bei «Fehlzeiten ohne Krankenstand» spricht man in der Arbeitspsychologie<br />

von Absentismus.<br />

Warnsignal Krankheit. Vergangenes Jahr fehlten Angestellte<br />

im Schnitt sechseinhalb Tage am Arbeitsplatz. Dies, weil sie<br />

wirklich krank waren oder einen Unfall hatten. Doch auch hier<br />

lohne es sich, genauer hinzuschauen, sagt die Zürcher Psychologin<br />

<strong>und</strong> Burnout-Expertin Beate Schulze. Denn wenn jemand<br />

wegen ges<strong>und</strong>heitlicher Beschwerden längere Zeit ausfällt,<br />

kann auch dies ein Warnsignal sein. Untersuchungen bei Bandscheiben-Patienten<br />

hätten gezeigt: Wie gut diese wieder ins<br />

Berufsleben eingegliedert werden können, hängt stark davon<br />

ab, wie zufrieden sie vor dem Bandscheibenvorfall am Arbeitsplatz<br />

waren. Weniger ins Gewicht fällt, wie schwer die Erkrankung<br />

war oder ob die Operation kompliziert verlief. Eine alarmierende<br />

Erkenntnis, auch deshalb, weil bekannt ist: Je länger<br />

jemand ausfällt, desto schwieriger wird der Wiedereinstieg.<br />

Wertschätzung als Gegenmittel. Diverse Untersuchungen zeigen,<br />

dass für die Hälfte der Absenzen negativer Stress verantwortlich<br />

ist. Deshalb sind auch Fehlzeiten immer häufiger durch<br />

psychische Erkrankungen bedingt. Und immer öfter geben<br />

Ärzte Burnout als Gr<strong>und</strong> für eine Krankschreibung an. Dies,<br />

obwohl es sich dabei offiziell um keine medizinische Diagnose<br />

handelt. Eine ganze Reihe von Faktoren kann im Beruf<br />

Stress auslösen. Beispielsweise sind Arbeitsprozesse heute<br />

oft derart komplex, dass der Einzelne gar nicht mehr nachvollziehen<br />

kann, was er oder sie eigentlich zum Erfolg beigetragen<br />

Untersuchungen<br />

zeigen, dass für die<br />

Hälfte der Absenzen<br />

negativer Stress<br />

verantwortlich ist.<br />

Deshalb sind<br />

Fehlzeiten immer<br />

häufiger durch<br />

psychische Erkrankungen<br />

bedingt.<br />

hat. «Dies kann die Arbeitsmotivation kräftig untergraben»,<br />

sagt Beate Schulze. Das Gefühl, die eigene Leistung werde<br />

nicht mehr wertgeschätzt, stehe beim Stresserleben deshalb<br />

häufig im Vordergr<strong>und</strong>. Eine umsichtige Unternehmensführung<br />

kann Fehlzeiten reduzieren, darüber sind sich Arbeitspsychologen<br />

einig. Oberster Gr<strong>und</strong>satz dabei: Mit<strong>arbeit</strong>ende brauchen<br />

Wertschätzung. Darüber hinaus Herausforderungen, aber auch<br />

Kontrolle über ihre Arbeit. Beschäftige müssen sich zudem<br />

mit ihren Aufgaben <strong>und</strong> ihrer Firma identifizieren <strong>und</strong> Entscheidungen<br />

nachvollziehen können. Und ebenfalls wichtig<br />

ist Unterstützung durch Vorgesetzte, etwa dann, wenn harte<br />

Zeiten anstehen <strong>und</strong> alle mehr Arbeit stemmen müssen. Eine<br />

Studie in einem amerikanischen Krankenhauskonzern hat gezeigt:<br />

Erfahren Mit<strong>arbeit</strong>ende diese moralische Stütze bei hoher<br />

Belastung, gehen Arbeitsunzufriedenheit <strong>und</strong> Burnout-<br />

Fälle um gut zwei Drittel <strong>zur</strong>ück.<br />

Sorge <strong>zur</strong> Belegschaft tragen. Absenzen- oder Ges<strong>und</strong>heitsmanagement<br />

ist demnach mehr als der Themen-Dreiklang<br />

«Ernährung, Bewegung, Entspannung», sagt Beate Schulze.<br />

Letzten Endes geht es darum, eine Unternehmenskultur zu<br />

etablieren, in der Sorge <strong>zur</strong> Belegschaft getragen wird. Und<br />

dies funktioniert am besten, wenn Führungskräfte geschlossen<br />

hinter Programmen <strong>zur</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung oder Stressprävention<br />

stehen <strong>und</strong> dafür sorgen, dass alles in die Praxis<br />

umgesetzt wird. Dies nicht aus Nächstenliebe, sondern weil<br />

es sich rechnen kann, wie das Projekt «Swing» der Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />

Schweiz gezeigt hat. In den acht Grossbetrieben<br />

konnten die Absenzen pro Mit<strong>arbeit</strong>enden <strong>und</strong> Jahr um<br />

bis zu 2,6 Tage reduziert werden. Der finanzielle Nutzen pro<br />

Mit<strong>arbeit</strong>enden wurde im Durchschnitt auf 195 Franken jährlich<br />

beziffert – weil Beschäftigte weniger fehlten <strong>und</strong> ihre<br />

Produktivität steigern konnten. Pro investierten Franken für<br />

gut verankertes, professionell aufgezogenes Ges<strong>und</strong>heitsmanagement<br />

kann ein Unternehmen im Schnitt mit drei Franken<br />

rechnen, die retour kommen, heisst es bei der Suva. Nur die<br />

Fehlzeiten zu analysieren reicht aber nicht, warnt Ges<strong>und</strong>heitscoach<br />

Katharina Walser (siehe Interview auf der nächsten<br />

Seite). Denn noch schädlicher <strong>und</strong> teurer ist es, wenn sich<br />

Mit<strong>arbeit</strong>ende <strong>zur</strong> Arbeit schleppen, obwohl sie krank sind<br />

oder Kummer haben. Denn so bringen sie keine Leistung <strong>und</strong><br />

machen mehr Fehler. Präsentismus wird dieses Phänomen<br />

genannt. Sinnvoll sei deshalb, beide Probleme miteinander<br />

anzugehen. Denn die Ursachen sind häufig die gleichen.<br />

Vera sohmer <strong>arbeit</strong>et als freie Journalistin <strong>und</strong> schreibt unter anderem für die<br />

Handelszeitung, den Beobachter <strong>und</strong> die NZZ.<br />

5


Fokus<br />

«Es braucht VorgEsEtztE,<br />

diE mErkEn,<br />

wEnn Etwas nicht stimmt»<br />

Führungskräfte müssen ihre Fürsorgepflicht besser wahrnehmen, sagt Katharina<br />

Walser, Präsidentin des Schweizerischen Verbands für betriebliche<br />

Ges<strong>und</strong>heitsförderung.<br />

Katharina Walser, sind sich Schweizer Firmenvorsitzende <strong>und</strong> Personalverantwortliche<br />

des Präsentismus-Problems bewusst?<br />

Katharina Walser: Nein. Oder nur am Rande.<br />

Warum? Zum einen haben Personalverantwortliche oft Wichtigeres <strong>und</strong><br />

Dringenderes zu tun – oder sie denken zumindest, dass andere Personalfragen<br />

Priorität haben. Zum anderen ist es die Angst, sich dem Thema<br />

zu stellen, denn die Konsequenz wäre: Das Problem erkennen, ist nicht<br />

genug. Wir müssten auch etwas dagegen tun. Weil viele aber nicht wissen,<br />

was, schauen sie lieber weg.<br />

Konzentrieren sich Personalverantwortliche lieber auf Fehlzeiten? Ja, wenn<br />

überhaupt, ist eher Absentismus ein Thema, aber in vielen Firmen fehlen<br />

auch dagegen Konzepte. Dabei ist Absenzen-Management ein guter<br />

Ansatz für beide Probleme. Wer systematisch die Gründe für hohe Fehlzeiten<br />

durchleuchtet, wird automatisch auch aufs Präsentismus-Problem<br />

stossen.<br />

Was sind wirksame Mittel gegen Absentismus <strong>und</strong> Präsentismus? Es braucht<br />

ein ges<strong>und</strong>es Arbeitsklima, gute <strong>und</strong> faire Arbeitsbedingungen. Und Vorgesetzte,<br />

die ihre Fürsorgepflicht wahrnehmen, die ihre Leute kennen<br />

<strong>und</strong> merken, wenn mit ihnen etwas nicht stimmt – <strong>und</strong> sich dann auch<br />

darum kümmern. Damit meine ich nicht, Händchen halten <strong>und</strong> trösten.<br />

Sondern? Anhaltende Leistungseinbussen können ein Zeichen dafür sein,<br />

dass jemand mit Kummer zu kämpfen hat. Guten Vorgesetzten fällt das<br />

auf, <strong>und</strong> sie sprechen die Mit<strong>arbeit</strong>enden umgehend darauf an.<br />

Das setzt voraus, dass Chef <strong>und</strong> Chefin wissen, welche Leistung die jeweiligen<br />

Mit<strong>arbeit</strong>enden normalerweise bringen. Richtig, auch daran krankt es.<br />

Zudem wird die klare Aussprache gescheut. Ich erlebe in Firmen oft, dass<br />

Leistungsschwankungen oder permanenter Leistungsrückgang nicht thematisiert<br />

werden, aus Furcht vor unangenehmen Diskussionen. Reagiert<br />

wird erst, wenn es gar nicht mehr geht – oft überreagiert, indem man sich<br />

vom Mit<strong>arbeit</strong>enden trennt.<br />

Warum trauen sich viele Beschäftigte nicht, ihren Vorgesetzten zu sagen,<br />

dass sie Probleme haben? Sie sind unsicher, wissen nicht, was passiert,<br />

wenn sie sich offenbaren. Viele fürchten, dass sie als wenig belastbar<br />

eingestuft werden. Es fehlt die Vertrauensbasis.<br />

6<br />

Anhaltende Leistungseinbussen<br />

können<br />

ein Zeichen dafür sein,<br />

dass jemand mit<br />

kummer zu kämpfen<br />

hat. Gute Vorgesetzte<br />

sprechen ihre Mit<strong>arbeit</strong>enden<br />

darauf an.<br />

7


Fokus<br />

zuKünftiGe <strong>arbeit</strong>sWelt: flexibler,<br />

älter <strong>und</strong> unterschiedlicher –<br />

aber auch Gesünder?<br />

Von Peter meier. Unbestritten ist, dass wirtschaftlich erfolgreiches Handeln jetzt <strong>und</strong> in der Zukunft «ges<strong>und</strong>heit» in einem umfassenden<br />

Verständnis integrieren muss. Wie werden sich jedoch die Veränderungen in der Arbeitswelt auf die ges<strong>und</strong>heit der Beschäftigten<br />

auswirken, <strong>und</strong> welche Rolle spielt ges<strong>und</strong>heit für die zukünftige Arbeitswelt?<br />

Privatsache Ges<strong>und</strong>heit. Ges<strong>und</strong>heit gilt in Unternehmen vielfach<br />

als Privatsache der Mit<strong>arbeit</strong>enden – abgesehen von Arbeitsunfällen<br />

<strong>und</strong> Berufskrankheiten, für die betriebliche wie<br />

überbetriebliche Zuständigkeiten definiert sind. Während die<br />

krankmachende Wirkung von körperlichen Arbeitsbelastungen<br />

oder chemisch-toxischen Umgebungseinflüssen anerkannt ist,<br />

wird der Zusammenhang zwischen psychosozialen Arbeitsbedingungen<br />

<strong>und</strong> Krankheit oft als nicht relevant erachtet.<br />

Betrachtet man das Krankheits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsgeschehen<br />

in der Arbeitswelt, so fällt zweierlei auf: Zum einen sind die<br />

Arbeitsunfallzahlen rückläufig – ein Erfolg des betrieblichen<br />

Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzes <strong>und</strong> Ausdruck der Tatsache,<br />

dass die betriebliche Prävention von Arbeitsunfällen <strong>und</strong> Berufskrankheiten<br />

in vielen Unternehmen in die Managementroutinen<br />

integriert wurde. Auf der anderen Seite gibt es nach<br />

wie vor in vielen Bereichen der Arbeitswelt körperliche Belastungen,<br />

die zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Muskel-Skelett-<br />

Erkrankungen sowie Ermüdungs- <strong>und</strong> Erschöpfungserscheinungen<br />

beitragen. Daneben nehmen psychosoziale Belastungen<br />

deutlich zu, die ebenfalls stark mit den genannten ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

Problemen zusammenhängen <strong>und</strong> sich zusätzlich<br />

auch auf Entstehung <strong>und</strong> Verlauf psychischer Erkrankungen<br />

auswirken.<br />

Handlungsspielräume. Psychosoziale Belastungen in der Arbeitswelt<br />

ergeben sich aus der Arbeitsorganisation, der Arbeitstätigkeit<br />

selbst <strong>und</strong> den sozialen Beziehungen. Als zentraler<br />

Faktor gilt die Einschränkung von Handlungsspielräumen<br />

<strong>und</strong> Kontrollmöglichkeiten: Immer dann, wenn Beschäftigte<br />

ihre Einfluss-, Entscheidungs- <strong>und</strong> Bewältigungsmöglichkeiten<br />

eingeschränkt oder bedroht sehen, kommt es zu intensiven<br />

Stressreaktionen. Solche Einschränkungen können sich<br />

dabei auf unterschiedliche Aspekte der Arbeitsorganisation<br />

beziehen, angefangen bei Aufgabeninhalten, den erwarteten<br />

Ergebnissen, der Zeit- <strong>und</strong> Schrittfolgeplanung, dem wahrgenommenen<br />

Verhältnis von Engagement <strong>und</strong> Belohnung<br />

(durch Lohn/Gehalt, Anerkennung <strong>und</strong> Aufstiegschancen) bis<br />

hin zu weiteren Erschwernissen oder Überforderung bei der<br />

Ausführung der Arbeitstätigkeit. Eine ges<strong>und</strong>heitsgerechte<br />

Gestaltung der Arbeitswelt erfordert daher eine Gestaltung<br />

möglichst vollständiger Arbeitstätigkeiten, die selbstständi-<br />

8<br />

ge Zielsetzung, Planung, Durchführung <strong>und</strong> Ergebnisrückmeldung<br />

beinhalten.<br />

Strukturwandel. Neben den materiellen Rohstoffen <strong>und</strong> finanziellen<br />

Ressourcen werden Information <strong>und</strong> Wissen immer wichtiger<br />

für den Wertschöpfungsprozess. Dieser Strukturwandel<br />

drückt sich zahlenmässig in einem kontinuierlichen Rückgang<br />

der traditionellen Produktions<strong>arbeit</strong> <strong>und</strong> einer ebenso kontinuierlichen<br />

Zunahme des Dienstleistungssektors aus. Der<br />

technologische, ökonomische <strong>und</strong> soziale Wandel verändert<br />

die Anforderungen für Unternehmen, Beschäftigte <strong>und</strong> deren<br />

Familien. Dazu gehören einmal die Intensivierung der Arbeitsprozesse<br />

insgesamt – verb<strong>und</strong>en mit zunehmenden psychischen<br />

Anforderungen – sowie in der Tendenz eine stärkere<br />

Gewichtung komplexer, höherwertiger Tätigkeiten, wobei auf<br />

der anderen Seite gerade in bestimmten Dienstleistungssektoren<br />

auch neue Arbeitsplätze für gering qualifizierte Beschäftigte<br />

entstehen. Hinzu kommt die Individualisierung der<br />

Arbeitsprozesse infolge der starken Ausrichtung an den spezifischen<br />

K<strong>und</strong>enwünschen <strong>und</strong> der Ausbreitung des Dienstleistungssektors.<br />

Flexibilisierung – Chance oder Risiko? Was folgt, ist die Flexibilisierung<br />

der Arbeitskraftressourcen – angefangen bei Arbeitszeit<br />

<strong>und</strong> Arbeitsort, über neue Beschäftigungsformen<br />

(Leih<strong>arbeit</strong>, Teilzeit<strong>arbeit</strong>, befristete Beschäftigung) <strong>und</strong> Einkommensregelungen<br />

(geringfügige Beschäftigung) bis hin zu<br />

neuen Verfahren der Arbeits- <strong>und</strong> Aufgabengestaltung, die<br />

unterschiedliche Qualifikationen erfordern. Normalbeschäftigungsverhältnisse<br />

– geprägt durch unbefristete Vollzeitbeschäftigung,<br />

häufig als alleinige Einkommensquelle von Familien<br />

– nehmen allmählich ab, <strong>und</strong> es entwickeln sich neue<br />

Beschäftigungsformen. Starre Unternehmensstrukturen lösen<br />

sich auf, es entstehen virtuelle Unternehmen: temporäre Netzwerke<br />

unabhängiger Firmen, die eine Aufgabenstellung gemeinsam<br />

be<strong>arbeit</strong>en. Inwieweit eine flexibilisierte Arbeitswelt<br />

mehr Chancen als Risiken bietet, hängt neben den betrieblichen<br />

Gestaltungslösungen vor allem von den sich ebenfalls ändernden<br />

Rahmenbedingungen der sozialen Sicherungssysteme ab.<br />

Zu den Folgen auf Seiten der Beschäftigten gehört zum einen,<br />

dass der Wechsel des Arbeitsplatzes <strong>und</strong> auch das (entlas-<br />

sungsbedingte) Verlassen eines Unternehmens sich immer<br />

mehr <strong>zur</strong> normalen Erfahrung entwickeln. Berufliche Positionen<br />

<strong>und</strong> Statusvorteile, Qualifikationen <strong>und</strong> Aufgaben werden<br />

zu relativen Grössen, die sich im Laufe des individuellen<br />

Erwerbslebens ständig ändern können. Dem entspricht die<br />

Entwicklung hin zu sogenannten «Patchwork-Biografien». Die<br />

neuen Technologien lösen zudem die Bindung von Arbeit an<br />

Zeit <strong>und</strong> Ort auf, damit wird ein erheblicher Teil der Arbeit<br />

grenzenlos, Arbeit <strong>und</strong> Freizeit gehen mehr <strong>und</strong> mehr ineinander<br />

über. Schliesslich wird der demografische Wandel mit<br />

einem steigenden Anteil älterer Personen <strong>und</strong> Erwerbstätiger<br />

die Arbeitsmarktstruktur <strong>und</strong> die Zusammensetzung der Belegschaften<br />

nachhaltig verändern. Dabei zeigt sich schon jetzt,<br />

dass die Arbeitsmarktchancen wesentlich vom erreichten Bildungsniveau<br />

abhängen.<br />

Wie können die Menschen all diese Veränderungen in dieser<br />

neuen (Arbeits-)Welt meistern? Die Perspektive der Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />

<strong>und</strong> Prävention hilft, Antworten auf diese Frage zu<br />

geben <strong>und</strong> Eckpunkte für Gestaltungslösungen in der betrieblichen<br />

Praxis zu definieren. Zu den wichtigsten Ressourcen<br />

für die Zukunftsbewältigung gehören Bildung <strong>und</strong> funktionierende<br />

<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Netzwerke, Familien <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>eskreise.<br />

Auch Unternehmen können einen sehr wichtigen Beitrag leisten,<br />

indem die Gestaltung ges<strong>und</strong>er Unternehmenskulturen<br />

als normale Managementaufgabe anerkannt <strong>und</strong> gelebt wird.<br />

dr. Peter Meier, Amt für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit, Arbeitsbedingungen, Zürich<br />

starre unternehmensstrukturen<br />

lösen sich<br />

auf <strong>und</strong> es entstehen<br />

virtuelle unternehmen:<br />

temporäre Netzwerke<br />

unabhängiger Firmen,<br />

die eine Aufgabenstellung<br />

gemeinsam<br />

be<strong>arbeit</strong>en.<br />

9


Fokus – INterVIew<br />

«das leben Kann<br />

beKanntlich auch<br />

zum tode führen»<br />

Zwischen Botox <strong>und</strong> Bierbauch: Was bedeutet «Ges<strong>und</strong>heit» in der heutigen<br />

Gesellschaft? Machen wir im Bereich Ges<strong>und</strong>heitsvorsorge genug, zu<br />

wenig, zu viel? Arzt Marco Caimi über ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> unges<strong>und</strong>e Vorsorge.<br />

Marco Caimi, in welchen Lebensbereichen lohnt es sich aus Ihrer<br />

Sicht besonders, gut vorzusorgen? <strong>Wenn</strong> man das einen Arzt<br />

fragt, kann er nur mit «im Bereich der Ges<strong>und</strong>heitsvorsorge»<br />

antworten... Allerdings kann das Leben bekanntlich auch zum<br />

Tode führen. Deshalb ist es wichtig, im Bereich Ges<strong>und</strong>heit richtig<br />

zu investieren. Pflegen wir unser Herz-Kreislauf-System<br />

<strong>und</strong> unsere Skelettmuskeln <strong>und</strong> Knochen gut, ist dies nicht<br />

nur die halbe, sondern schon fast die ganze Miete. Die anderen<br />

Organe ziehen dann gewissermassen mit. Zahnärzte würden<br />

noch unsere Beisserchen anführen – finde ich okay!<br />

Sorgen wir genügend vor – oder sorgen wir uns zu sehr? Ich zitiere<br />

gerne Erich Kästner: «Wird’s besser? Wird’s schlimmer?<br />

/ Fragt man alljährlich / Seien wir ehrlich: / Leben ist lebensgefährlich.»<br />

In der Tat gibt es immer mehr Hypochonder, die<br />

am liebsten wöchentlich alles untersucht hätten. Aber: Wer<br />

viel misst, misst auch viel Mist. Trotzdem sind gezielte <strong>und</strong><br />

individuelle Vorsorgeuntersuchungen durchaus sinnvoll. Deshalb<br />

beginnt bei uns jeder Check-up mit einem 30-minütigen<br />

Vorgespräch: Was ist die medizinische Geschichte <strong>und</strong> Gegenwart<br />

der K<strong>und</strong>en? Die familiäre Geschichte? Und: Was<br />

wollen sie wissen, was interessiert sie? Dann erst machen wir<br />

einen Untersuchungsvorschlag.<br />

Lebt unsere Gesellschaft in einem Ges<strong>und</strong>heits- bzw. Jugendlichkeitswahn?<br />

Wer würde nicht gerne ewig jung bleiben oder<br />

zumindest jugendlich aussehen? Von einem Jugendlichkeitswahn<br />

würde ich aber nicht sprechen, auch wenn plastische<br />

Schönheitsoperationen <strong>und</strong> Botox-Injektionen zunehmen.<br />

Gemessen an der Gesamtbevölkerung ist dies aber ein noch<br />

immer verschwindend kleiner Teil. In Sachen Ges<strong>und</strong>heit klafft<br />

die Schere immer weiter auseinander: Es gibt einen kleinen<br />

Teil der Gesellschaft, der beinahe schon wahnmässig elektronische<br />

Geräte vernichtet, die Handy-Antennen sprengen möchte,<br />

nur noch in Reformhäusern linksdrehendes Wasser kauft<br />

<strong>und</strong> vollmondangesätes Vollkornbrot isst; <strong>und</strong> einen anderen<br />

Teil, der im Stil «nach mir die Sintflut» lebt. Richtig ausgewogen<br />

leben leider noch zu wenige: körperbewusst <strong>und</strong> lustbetont!<br />

Ein hedonistisches, aber ges<strong>und</strong>es Prinzip – für Körper,<br />

Seele <strong>und</strong> Geist!<br />

<strong>Gehen</strong> Männer <strong>und</strong> Frauen Ges<strong>und</strong>heitsvorsorge unterschiedlich<br />

an? Da fällt die Antwort einfach aus: Männer gar nicht <strong>und</strong><br />

Frauen zunehmend (aber: keine Regel ohne Ausnahme, natürlich).<br />

Männer sind immer noch Indianer, die kennen keinen<br />

Schmerz <strong>und</strong> wenn doch: Wurzel zwischen die Zähne <strong>und</strong> zum<br />

Arzt erst mit dem Arm unter dem Kopf – oder dem Tumordarm<br />

im Aktenkoffer, nachdem das Stuhlgang-App auf dem Smartphone<br />

den sieben<strong>und</strong>dreissigsten Tag am Stück wegen einer<br />

Unregelmässigkeit geblinkt hat. Frauen sind viel besorgter,<br />

gehen fünfmal häufiger zum Arzt, auch <strong>zur</strong> Vorsorge. <strong>Wenn</strong> es<br />

allerdings um die praktische, präventive Umsetzung geht,<br />

bleibt es bei vermeintlich ausgewogener Ernährung, Supersoftpilates,<br />

Wellness-Wochenende oder Beautyfarm. Beim Wort<br />

«Training» erfolgt meist kollektives Naserümpfen. Schweisstreibendes<br />

ist auch des holden Weibes Sache nicht!<br />

Was bedeutet denn «vorbeugen <strong>und</strong> vorsorgen» aus ges<strong>und</strong>heitlicher,<br />

medizinischer Sicht? Eine Vorsorge im Sinne einer<br />

finanziellen Altersvorsorge mit einem mehr oder weniger<br />

garantierten Return on Investment gibt es in der Medizin natürlich<br />

nicht. Nach 20 Jahren stellen wir fest, dass wir uns<br />

durchaus auf eigene Wahrnehmungen, Gefühle <strong>und</strong> Intuition<br />

verlassen können. Dazu braucht es aber den Respekt vor dem<br />

eigenen Körper <strong>und</strong> dessen Pflege mittels regelmässiger Aktivität.<br />

Der Couch-Potato, der intuitiv meint, jeden Tag zehn Biere<br />

trinken zu müssen, wird ges<strong>und</strong>heitlich mit grosser Wahrscheinlichkeit<br />

Schiffbruch erleiden.<br />

Welches ist in unserer Gesellschaft der kapitalste Fehler, wenn<br />

es ums Thema Ges<strong>und</strong>heitsvorsorge geht? Der grösste Fehler<br />

liegt in einer falschen Ges<strong>und</strong>heitskommunikation. Wir Ärzte<br />

drohen immer, verbieten, schneiden Fett weg (also auf dem<br />

Teller), reduzieren Kalorien – eine reine Drohmedizin, von der<br />

niemand mehr was hören will. Ich kann jemandem das Laufen<br />

schmackhaft machen, indem ich ihm sage, dass er damit<br />

vielleicht den Herzinfarkt verhindert. Oder aber ich erzähle<br />

ihm vom Sonnenuntergang, den er beim Laufen sieht, wenn er<br />

vom Stazer Wald nach St. Moritz runterläuft <strong>und</strong> sich auf das<br />

Abendessen freut – oder dass er (oder sie) besseren Sex hat,<br />

weil Laufen die Durchblutung auch im Unterleib fördert.<br />

Was ist für Sie ges<strong>und</strong>er Menschenverstand in Sachen Work-<br />

Life-Balance? Die Regeln der Natur, des Lebens zu respektieren.<br />

Das bedeutet Oszillation: Spannung – Entspannung, schlafen<br />

– wach sein, Flut <strong>und</strong> Ebbe, Aktivität – Ruhe. Viel <strong>arbeit</strong>en<br />

ist absolut okay, aber es braucht (nebst den Ferien) ganz kleine<br />

tägliche oder grössere Relaxationsinseln, wie zum Beispiel<br />

Long-Weekends. Diese Auszeiten laden die Batterien.<br />

Keiner ist 365 Tage pro Jahr in Form <strong>und</strong> erreichbar. Grosse<br />

Teile der <strong>arbeit</strong>enden Bevölkerung glauben aber, dass dies<br />

möglich ist. Welch ein Trugschluss!<br />

Wie viel können wir uns Ges<strong>und</strong>heit künftig noch kosten lassen<br />

– privat wie von Staates wegen? Bei der Ges<strong>und</strong>heit müssen<br />

wir viel mehr an die Eigenverantwortung appellieren. Es kann<br />

nicht sein, dass der Patient zum Ges<strong>und</strong>heitskonsument wird.<br />

Schulen <strong>und</strong> Betriebe können Mit<strong>arbeit</strong>ende schulen – eben<br />

lustbetont <strong>und</strong> nicht drohend-überwachend. Das kostet wenig<br />

<strong>und</strong> wenn dafür kein Budget vorhanden ist: mal bei den<br />

Pensionskassen nachfragen. Verhindert man beispielsweise<br />

einen vorzeitigen Ausfall eines 45-jährigen Familienvaters mit<br />

zwei schulpflichtigen Kindern, kann man mit diesem Betrag<br />

H<strong>und</strong>erte von Mit<strong>arbeit</strong>enden schulen.<br />

Welche Sorge plagt Sie persönlich am meisten? <strong>Wenn</strong> ich ehrlich<br />

bin: der Tod. Ich halte es mit Woody Allen, der gefragt wurde,<br />

was er vom Tod halte <strong>und</strong> darauf antwortete: «Ich bin ganz<br />

dagegen.» Ich versuche zu geniessen, trinke<br />

gerne Rotwein <strong>und</strong> Bier, trainiere fast täglich<br />

mindestens eine halbe St<strong>und</strong>e Ausdauer<br />

oder Kraft <strong>und</strong> schaue, genug<br />

Sex zu haben. Für den Geist lese ich<br />

enorm viel <strong>und</strong> gerne. Und dann ist da<br />

das Prinzip Hoffnung, dadurch möglichst<br />

lange unversehrt zu bleiben.<br />

dr. med. Marco Caimi, 1962, ist selbstständiger Arzt<br />

für Rehabilitation <strong>und</strong> Gendermedizin, Management-<br />

Trainer für innerbetriebliche Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />

<strong>und</strong> Autor diverser Fachseller sowie eines Blogs auf www.aequilibris.ch.<br />

10<br />

10 11


Fokus<br />

rückeNschMerZeN<br />

uNd dIe FoLGeN AM ArbeItspLAtZ<br />

Von Sabine Brenner. Auch im jungen Alter ist man nicht davor<br />

gefeit, unerwartet für längere Zeit <strong>arbeit</strong>sunfähig zu werden. Zwei<br />

Beispiele, die den Arbeitgebenden zu ges<strong>und</strong>heitsfördernden<br />

Massnahmen veranlassten.<br />

Bandscheibenvorfall. Marion, damals 34 Jahre alt, wollte eines<br />

Morgens aufstehen, da zwackte es heftig in ihrem Rücken.<br />

Unter extremen Schmerzen leidend blieb sie zu Hause, doch<br />

es wurde so schlimm, dass sie einen Notarzt rufen musste:<br />

Sie konnte sich überhaupt nicht mehr bewegen. Zuerst hiess<br />

es, der Ischiasnerv sei eingeklemmt. Nach einer weiteren<br />

ärztlichen Konsultation wurde aber klar, dass Marion einen<br />

Bandscheibenvorfall hatte. Keine Spritze konnte ihre Schmerzen<br />

lindern, auch nach zwei Wochen in Behandlung war keine<br />

merkliche Verbesserung eingetreten. Das Gefühl, dass es<br />

nicht wirklich besser wird, belastete Marion sehr. Erst als der<br />

Chiropraktiker ihren Wirbel wieder an der richtigen Stelle einrenkte,<br />

ging es ihr bedeutend besser. Es folgten mehrere<br />

Physiotherapiest<strong>und</strong>en. Nach einem Monat Krankschreibung<br />

konnte die Wiedereingliederung geplant werden. Marion begann<br />

in der ersten Woche mit einem 50-Prozent-Pensum, mit<br />

jeder weiteren Woche konnte das Arbeitspensum um zehn<br />

�<br />

Aus rechtlichen Gründen sind Arbeitgebende seit dem<br />

1. Januar 1984 verpflichtet, eine unfallversicherung für<br />

ihre Mit<strong>arbeit</strong>enden abzuschliessen.<br />

die obligatorische unfallversicherung übernimmt in der regel<br />

die kosten, wenn einem/einer Mit<strong>arbeit</strong>enden etwas auf<br />

dem Arbeitsweg zustösst. Als Arbeitsweg gilt der kürzeste<br />

weg zwischen dem wohnort <strong>und</strong> dem Arbeitsort. das b<strong>und</strong>esgericht<br />

drückt hier allerdings ein Auge zu, kleinere<br />

besorgungen können auf dem Arbeitsweg erledigt werden,<br />

solange die Verzögerung nicht länger als eine st<strong>und</strong>e dauert.<br />

Nach einem unfall muss die Lohnfortzahlung von den<br />

Arbeitgebenden weiterhin für eine bestimmte Zeit entrichtet<br />

werden. die dauer dieser Lohnfortzahlungspflicht ist im<br />

obligationenrecht unter Artikel 324a geregelt. sie richtet sich<br />

damit nach den in der praxis entwickelten basler, berner <strong>und</strong><br />

Zürcher skalen.<br />

Prozent erhört werden, bis sie schliesslich wieder voll <strong>arbeit</strong>sfähig<br />

war. Zu Beginn der Eingliederungsphase <strong>arbeit</strong>ete Marion<br />

meist vormittags <strong>und</strong> musste sich dann gleich nach der<br />

Arbeit wieder hinlegen. Heute spürt Marion den Bandscheibenvorfall<br />

fast nicht mehr. Ihrem Rücken zuliebe geht sie nun<br />

ein- bis zweimal pro Woche ins Fitnesscenter <strong>und</strong> schaut für<br />

die allgemeine Ges<strong>und</strong>heit auf eine ausgewogene, ges<strong>und</strong>e<br />

Ernährung.<br />

Schleudertrauma. Zur selben Zeit wurde Marions Arbeitskollegin,<br />

die 30-jährige Tina, welche im gleichen Team <strong>arbeit</strong>ete,<br />

auf dem Arbeitsweg in einen Autounfall verwickelt. Die Folge<br />

war die sofortige Arbeitsunfähigkeit für den nächsten Monat.<br />

Nicht selten erleiden die Beteiligten eines Auffahrunfalles<br />

ein Schleudertrauma, so auch Tina: Ihre Wirbelsäule wurde<br />

durch den Aufprall verschoben. Die ersten zwei Monate konnte<br />

Tina überhaupt nicht ins Büro kommen, danach <strong>arbeit</strong>ete sie<br />

zwischen 20 <strong>und</strong> 90 Prozent. Mehrmals pro Woche waren Besuche<br />

bei der Physiotherapeutin <strong>und</strong> dem Osteopathen nötig.<br />

Ein halbes Jahr nach ihrem Schleudertrauma konnte Tina<br />

schliesslich wieder zu 100 Prozent <strong>arbeit</strong>en. Auch zwei Jahre<br />

nach dem Unfall kommen die Rückenschmerzen nach einem<br />

langen Arbeitstag <strong>zur</strong>ück. Eine Methode, um diesen Schmerz<br />

zu hemmen, ist für Tina das Tragen von speziellen Schuhen,<br />

welche eine r<strong>und</strong>e Sohle haben <strong>und</strong> somit beim Abrollen der<br />

Füsse helfen <strong>und</strong> so den Rücken entlasten.<br />

Stehpulte. In diesen Monaten fehlten dem Team zeitweise<br />

200 Prozente an Arbeitskraft, die anfallende Arbeit wurde unter<br />

den verbliebenen Arbeitskollegen <strong>und</strong> -kolleginnen aufgeteilt.<br />

Glücklicherweise herrschte gerade eine etwas weniger<br />

hektische Zeit im Büro, so dass die Mehr<strong>arbeit</strong> erträglicher<br />

war. Dank wöchentlicher Job-Rotation konnten sich die Mit<strong>arbeit</strong>enden<br />

gegenseitig ersetzen <strong>und</strong> durch die prozentualen<br />

Eingliederungsmassnahmen der Verletzten konnte der Arbeitsanfall<br />

einigermassen gut gemeistert werden. Doch der Arbeitgeber<br />

handelte: Die Ereignisse veranlassten den Vorgesetzten<br />

<strong>zur</strong> Anschaffung verstellbarer Stehpulte – was dem ganzen<br />

Team zugute kam, denn alle Mit<strong>arbeit</strong>enden verfügen nun<br />

über einen Stehtisch. Zusätzlich gibt es spezielle Matten, auf<br />

denen man in Socken steht, damit der Rücken möglichst entlastet<br />

wird. Seit dieser ergonomischen Veränderung im Büroalltag<br />

gibt es bisher keine ähnlichen Vorkommnisse mehr.<br />

erste schritte nach einer<br />

schWeren erKranKunG<br />

Von Jasmin lioliou. Als ganzheitlicher Kranken- <strong>und</strong> Unfallversicherer<br />

hilft swica den Versicherten nach einer Krankheit oder einem Unfall,<br />

wieder Tritt im Alltag zu fassen. so konnte der 15-jährige Alex*<br />

dank der Hilfe einer Care Managerin trotz schwerer Krankheit eine<br />

KV-Lehre absolvieren.<br />

Eine schwere Krankheit kann das Leben<br />

eines Menschen erschüttern. Besonders<br />

dann ist es beruhigend zu wissen,<br />

dass die Krankenversicherung die<br />

Kosten für die medizinische Behandlung,<br />

die Therapie sowie für die Rehabilitation<br />

übernimmt. Wie gut der<br />

Heilungsprozess voranschreitet, ist<br />

meist ungewiss, weshalb gerade die<br />

Zeit nach dem Krankenhausaufenthalt<br />

für den Betroffenen <strong>und</strong> seine<br />

Angehörigen eine Herausforderung ist.<br />

Krankheit mit ungewisser Prognose.<br />

So erging es auch der Familie R* <strong>und</strong><br />

ihrem 15-jährigen Sohn Alex*. Alex<br />

litt unter einer autoimmun bedingten,<br />

entzündlichen Erkrankung des zentralen<br />

Nervensystems: Als er eines<br />

Morgens erwachte, waren seine Beine<br />

gelähmt. Er musste das <strong>Gehen</strong> wieder<br />

mühsam erlernen. Diese Krankheit ist<br />

sehr selten <strong>und</strong> noch wenig erforscht,<br />

vor allem deren Langzeitverlauf. Sie<br />

tritt in Schüben auf oder verläuft<br />

chronisch. Alex erkrankte gerade in<br />

einer schwierigen Lebensphase, nämlich<br />

direkt vor der Lehrstellensuche.<br />

Sein Vater rief Swica an <strong>und</strong> sagte, sein<br />

Sohn sei im Rollstuhl <strong>und</strong> brauche<br />

dringend eine Therapie, damit er wieder<br />

gehen lerne. Eine Swica Care Managerin<br />

prüfte mit den behandelnden Ärzten<br />

verschiedene neurologische Rehabilitationskliniken<br />

für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche.<br />

Da Alex ein längerer Aufenthalt<br />

bevorstand, musste der Schulunterricht<br />

gewährleistet sein. Im Rehabilitationszentrum<br />

in Affoltern am Albis,<br />

der einzigen Einrichtung in der<br />

Schweiz, die diese Möglichkeit bietet,<br />

waren die Wartezeiten bis zum Eintritt<br />

zu lange. Deshalb ermöglichte Swica<br />

Alex einen Aufenthalt in einem neurologischen<br />

Rehabilitationszentrum für<br />

Jugendliche in Süddeutschland.<br />

Mit gemeinsamen Kräften. Alex verbrachte<br />

drei Monate in der Klinik <strong>und</strong> machte<br />

gute Fortschritte. Er lernte fleissig,<br />

denn er wollte keinesfalls die zweite<br />

Sek<strong>und</strong>arklasse wiederholen. Bald<br />

drängte er auf eine frühzeitige Entlassung<br />

aus der Klinik: Er wolle sofort mit<br />

der Lehrstellensuche beginnen. Unklar<br />

war, ob er fit genug für eine ambulante<br />

Therapie wäre. Er war zwar etwas beweglicher,<br />

aber ohne Gehhilfe konnte<br />

er sich noch nicht fortbewegen. Auch<br />

musste er bei den alltäglichen Verrichtungen<br />

unterstützt werden. Die Care<br />

Managerin klärte mit den Ärzten ab,<br />

wie Alex die Klinik trotzdem frühzeitig<br />

verlassen <strong>und</strong> die Therapie ambulant<br />

weiterführen könnte. Dabei kam die<br />

Mutter Alex zu Hilfe: Sie reduzierte ihr<br />

Arbeitspensum vorübergehend, damit<br />

sie ihrem Sohn beistehen konnte.<br />

Alex benötigte Hilfsmittel <strong>zur</strong> Bewältigung<br />

des Alltags <strong>und</strong> musste mit einem<br />

Taxi <strong>zur</strong> Physiotherapie <strong>und</strong> <strong>zur</strong> Schule<br />

gebracht werden. Dafür konnte die<br />

Familie nicht finanziell aufkommen. Sie<br />

musste einen Antrag bei der Invalidenversicherung<br />

stellen. Da der Vater von<br />

Alex fremdsprachig ist, half ihm die<br />

Care Managerin mit den Formalitäten.<br />

Es war für Alex eine sehr anstrengende<br />

Zeit, denn er musste Physiotherapie<br />

<strong>und</strong> Schule unter einen Hut bringen.<br />

Doch sein ges<strong>und</strong>heitlicher Zustand<br />

verbesserte sich <strong>und</strong> er konnte im<br />

Alltag allmählich wieder Fuss fassen.<br />

Seine Familie, die Care Managerin <strong>und</strong><br />

auch seine Schulkollegen <strong>und</strong> -kolleginnen<br />

unterstützten ihn, wo sie<br />

konnten. Es war selbstverständlich,<br />

dass ihm seine Kollegen in der Schule<br />

halfen, die Treppe hoch zu kommen.<br />

nach Praktikum Beginn mit der Lehre.<br />

Aufgr<strong>und</strong> des ungewissen Heilungsverlaufs<br />

war es Alex trotz seiner guten<br />

schulischen Leistungen nicht möglich,<br />

sofort eine Lehre zu beginnen. Er<br />

startete deshalb zuerst mit einem<br />

Praktikum, bevor er eine Lehrstelle bei<br />

der Stadtverwaltung seines Wohnkantons<br />

erhielt. Heute ist er ges<strong>und</strong>heitlich<br />

stabil. Er sei zuversichtlich,<br />

im nächsten Jahr seine Lehre erfolgreich<br />

abschliessen zu können, sagt er.<br />

*Namen von der Redaktion geändert<br />

Jasmin Lioliou, Redaktorin Unternehmenskommunikation,<br />

SWICA Ges<strong>und</strong>heitsorganisation, Winterthur<br />

12 13<br />

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MIt MIkropAuseN<br />

GeGeN dAuerstress<br />

Von Claude Weill. Untersuchungen zeigen: Wer seine Arbeit immer<br />

wieder einmal für ein paar Sek<strong>und</strong>en unterbricht, tut sich Gutes.<br />

Mikropausen helfen dem Organismus, sich zu regenerieren. Wer<br />

regelmässig Mikropausen macht, kommt besser über einen strengen<br />

Arbeitstag <strong>und</strong> ist am Abend weniger ausgelaugt.<br />

Gemäss einer Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft<br />

(SECO) von 2010 fühlen sich r<strong>und</strong> ein Drittel der Erwerbstätigen<br />

in der Schweiz häufig oder sehr häufig gestresst. Dies sind<br />

dreissig (!) Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Viele Erwerbstätige<br />

<strong>arbeit</strong>en heute unter starkem Zeitdruck <strong>und</strong> können<br />

während der Arbeit nicht mehr richtig abschalten. Pausen<br />

sind aber notwendig, damit sich der <strong>arbeit</strong>ende Mensch<br />

wenigstens immer wieder so weit regenerieren kann, um in den<br />

nächsten St<strong>und</strong>en konzentriert <strong>und</strong> fehlerfrei weiterzu<strong>arbeit</strong>en.<br />

Kleine Pausen mit grosser Wirkung. Wissenschaftliche Studien<br />

belegen seit langem die wohltuende Wirkung von Kurz- <strong>und</strong><br />

Kürzestpausen auf den menschlichen Organismus. Eine geringere<br />

Fehlerzahl <strong>und</strong> positive Auswirkungen von Mikropausen<br />

auf das psychische Befinden stellten Forscher in den 90er-<br />

Jahren des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts fest. Schon ein paar Jahre zuvor<br />

belegten Laborstudien, dass regelmässige Mikropausen<br />

die Arbeitsleistung erhöhen. Spätere Studien bestätigten<br />

diesen Bef<strong>und</strong>. Etliche Studien belegen zudem, dass regelmässige<br />

kurze Pausen Beschwerden der oberen Extremitäten,<br />

Augen <strong>und</strong> Nacken <strong>zur</strong>ückgehen lassen. Auch aus der beruflichen<br />

Weiterbildung weiss man inzwischen, dass Mikropausen<br />

im Unterricht von Nutzen sind. Sie helfen gegen Konzentrationsschwächen<br />

<strong>und</strong> Abgelenktsein, lösen Denkblockaden <strong>und</strong><br />

tragen dazu bei, eine entspannte <strong>und</strong> angenehme Lernatmosphäre<br />

zu schaffen.<br />

Pausieren Sie! Als Mikropausen eignen sich Übungen <strong>zur</strong> Atemregulierung,<br />

<strong>zur</strong> Augenentspannung, Dehn- <strong>und</strong> Lockerungsübungen,<br />

Muskelentspannungsübungen, Übungen aus der<br />

Edu-Kinestetik oder mentale Entspannungstechniken wie Autogenes<br />

Training oder Yoga-Übungen. Wichtiger als die «richtige»<br />

Technik ist, dass man sich bewusst eine Pause gönnt,<br />

wenn man erschöpft oder gestresst ist. Also: Sie schliessen<br />

die Augen <strong>und</strong> atmen dreimal tief aus, bevor Sie zum Telefon<br />

greifen. Sie dehnen <strong>und</strong> strecken sich für zehn Sek<strong>und</strong>en genüsslich<br />

in Ihrem Bürosessel. Sie lösen Ihren Blick vom Bildschirm,<br />

legen die Handflächen auf Ihre Augen <strong>und</strong> schauen mit<br />

offenen Augen ins wohltuende Dunkel. Dadurch können sich<br />

die Augen von der Anstrengung am Bildschirm erholen. Oder<br />

Sie legen mindestens drei Meter auf dem Weg zum Drucker im<br />

Zeitlupentempo <strong>zur</strong>ück! Mit solchen Mikropausen schaffen Sie<br />

sich kleine Autonomie-Inseln, wo Sie für einen Moment aus<br />

dem reissenden Arbeitsfluss aussteigen können. Das tönt<br />

vielleicht nach wenig, verschafft Ihnen aber – wenn Sie solche<br />

Mikropausen wiederholt einlegen – die entscheidenden<br />

Erholungsmöglichkeiten, damit Sie am Abend weniger ausgelaugt<br />

nach Hause gehen.<br />

seminar-hinweis: Abendseminar «Mikropausen – Leistungsfähigkeit<br />

steigern» mit Claude Weill.<br />

datum: Donnerstag, 4. Oktober 2012, 18.00 –21.00 Uhr.<br />

Kosten: Kosten: KV-Mitglieder CHF 90.–, Nichtmitglieder CHF 140.–<br />

Weitere informationen: www.kvz.ch<br />

Claude Weill, 62, <strong>arbeit</strong>et als Erwachsenenbildner in Zürich. Er bietet Stressbewältigungs-<br />

<strong>und</strong> Entschleunigungs-Workshops für Unternehmen, Organisationen<br />

<strong>und</strong> Schulen an. Kontakt: www.weillbalance.ch<br />

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Fokus

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