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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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NEUE PUNITIVITÄT IN DER JUGENDKRIMINALPOLITIK? 19<br />

zwar immer wieder für ausländerkritische Strategien herangezogen. Jedoch haben<br />

insoweit sogar die meisten Medien bis auf wenige Boulevardblätter verstanden, dass<br />

diese Täter nicht wegen ihrer Ausländereigenschaft oder ihres Migrationshintergrundes<br />

straffällig werden, sondern weil ihre soziale Integration in unsere Gesellschaft<br />

mangels geeigneter <strong>vor</strong>schulischer, schulischer und beruflicher Ausbildung oder adäquater<br />

Freizeitgestaltung nicht gelungen ist.<br />

Für die Gruppe der Intensivtäter gilt generell, dass die weitere Entwicklung selbst<br />

bei solchen Tätern nicht sicher prognostizierbar ist, da mindestens die Hälfte auf<br />

Grund bisher nicht abschließend geklärter protektiver Faktoren letztlich doch im Laufe<br />

des 3. Lebensjahrzehnts die kriminelle Karriere abbricht. Mit Recht betont deshalb der<br />

2. Periodische Sicherheitsbericht, dass in solchen Fällen frühzeitige, zielgerichtete<br />

Prävention Vorrang hat, die sich auf bekannte Risikofaktoren beziehungsweise die<br />

Aktivierung von protektiven Mechanismen und die Förderung von Resilienzfaktoren<br />

richten sollen. 25 <strong>Das</strong> ist der wichtigste Grund, weshalb aus kriminologischer Sicht<br />

nachträgliche Sicherungsverwahrung bei Jugendlichen und primäre Sicherungsverwahrung<br />

bei Heranwachsenden abzulehnen ist.<br />

Primär ist hier zwar die Jugendhilfe betroffen, aber bald nach Vollendung des<br />

14. Lebensjahres landen solche Täter, wenn sie auch Gewalttaten begehen, unweigerlich<br />

in ganz jungem Alter in Untersuchungshaft und in Jugendstrafanstalten, ohne dort<br />

geeignete Behandlungsangebote <strong>vor</strong>zufinden. Heimaufenthalte und intensive sozialpädagogische<br />

Einzelbetreuung im Ausland sind oft schon erfolglos <strong>vor</strong>angegangen.<br />

Obwohl das Problem quantitativ nicht so groß ist, wie oft behauptet wird, muss<br />

darauf hingewiesen werden, dass es sich hierbei oft um psychisch auffällige und persönlichkeitsgestörte<br />

junge Menschen handelt, die im Niemandsland zwischen Jugendhilfe<br />

und Jugendpsychiatrie stehen. Der Arbeitskreis 17 des Freiburger Jugendgerichtstages<br />

hat die psychiatrisch behandlungsbedürftigen Jugendlichen in Deutschland<br />

allgemein auf 5 % geschätzt, bei den Intensivtätern sind es sicher mehr. Sie bedürfen –<br />

an Stelle der bisher üblichen Untersuchungshaft – einer intensiven therapeutischen<br />

Intervention von 3- bis 6-monatiger Dauer in einer geschlossenen Clearingzentrale,<br />

wie sie derzeit in München <strong>vor</strong>bereitet wird. Davon gibt es aber bisher in Deutschland<br />

zu wenig. Sie sollten sich durch die Intensität der Diagnostik und der sozialtpädagogischen<br />

Betreuung klar von den geschlossenen Heimen früherer Zeiten unterscheiden.<br />

Franz Streng hat beim Juristentag 2002 in Berlin eine solche pädagogische Intensivbetreuung<br />

in offener oder geschlossener Form sogar als Ersatz für die Heimerziehung<br />

nach § 12 JGG <strong>vor</strong>geschlagen, und eine große Mehrheit hat sich ihm angeschlossen.<br />

H. Punitivere Einstellungen in der Bevölkerung<br />

Eine Kriminalpolitik gegen deutliche Mehrheitsmeinungen in der Bevölkerung ist auf<br />

Dauer in einer demokratischen Gesellschaft nicht möglich. Besorgniserregend ist es<br />

deshalb in unserem Zusammenhang, dass die punitiven Einstellungen der Bevölkerung<br />

in den letzten 15 Jahren deutlich zugenommen haben. Dies ergibt sich zum Beispiel<br />

aus dem „International Crime and Victimization Survey (ICVS)“ an Hand von Straf-<br />

25 2. PSB 2006, 402 ff., 404.

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