Vortrag von Staatsrat Wolfgang Schmidt ... - SPD Europa
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<strong>Vortrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Staatsrat</strong> <strong>Wolfgang</strong> <strong>Schmidt</strong><br />
„Erfahrungsbericht: Hamburger Erwartungen an die<br />
Kohäsionspolitik nach 2013“ am 24. April 2012<br />
Ich freue mich sehr, heute Nachmittag über die Hamburger<br />
Erfahrungen in der laufenden Förderperiode und vor allem<br />
unsere Erwartungen an die zukünftige Kohäsionspolitik<br />
berichten zu können. Ich bin mir sicher, dass unsere<br />
gemeinsamen Berichte ein gutes Bild <strong>von</strong> der doch recht<br />
unterschiedlichen Fördermittellandschaft ergeben werden.<br />
Lassen Sie mich daher gleich mit einer Besonderheit Hamburgs<br />
beginnen: Mit 91 Mio. Euro aus dem ESF und lediglich 35 Mio.<br />
Euro aus dem EFRE empfängt Hamburg <strong>von</strong> allen deutschen<br />
Ländern die wenigsten Mittel aus der Strukturförderung. Diese<br />
nackten Zahlen führen schnell zu der Vermutung, ESF und<br />
EFRE wären für das vergleichsweise wohlhabende und<br />
wirtschaftlich prosperierende Hamburg bedeutungslos.<br />
Aber diese Annahme trifft nicht zu.<br />
Die Förderung <strong>von</strong> insbesondere beschäftigungspolitischen<br />
Maßnahmen durch den ESF hat in Hamburg schon lange – seit<br />
1992 – einen festen Platz als Ergänzung der landespolitischen<br />
Maßnahmen für Beschäftigung und Wachstum. Seit Beginn der<br />
aktuellen Förderperiode im Jahre 2007 wurden in Hamburg<br />
bereits 191 Projekte vom ESF gefördert, darunter das Projekt<br />
1
„Zentrale Anlaufstelle Anerkennung“, das qualifizierten<br />
Einwanderern helfen soll, sich im deutschen<br />
Anerkennungsverfahren zurechtzufinden. Ein anderes Beispiel<br />
ist die „Ausbildungsagentur GOAL“: Sie unterstützt<br />
Jugendliche und junge Menschen bei der Wahl der richtigen<br />
Berufsausbildung und bei dem Finden des passenden<br />
Ausbildungsplatzes. Diese Projekte sind und bleiben wichtig,<br />
denn auch in Hamburg gibt es Menschen, die trotz<br />
vergleichbarer Fähigkeiten schlechtere Chancen als andere<br />
haben, eine gute Arbeit zu finden: Menschen mit ausländischen<br />
Wurzeln, Jugendliche, ältere Menschen und – insbesondere<br />
was Führungspositionen angeht – auch Frauen.<br />
Demgegenüber hat Hamburg mit dem EFRE erst seit der<br />
Förderperiode 2000 bis 2006 Erfahrungen gesammelt – und<br />
das auf den Stadtteil St. Pauli begrenzt in einem beinahe zu<br />
vernachlässigenden Umfang <strong>von</strong> etwa sechs Mio. Euro. Aber<br />
diese Zeit der Randexistenz des EFRE ist vorbei, nicht nur, weil<br />
uns mittlerweile mehr Geld zur Verfügung steht:<br />
Eines der wesentlichen Ziele des Senats ist die Konsolidierung<br />
unseres Haushalts. Die im Grundgesetz verankerte<br />
Schuldenbremse, aber auch der derzeit im Hinblick auf seine<br />
Folgen für die deutschen Länder diskutierte Fiskalpakt erfordern<br />
nachhaltige und einschneidende Sparanstrengungen.<br />
Gleichzeitig werden wir unsere zentralen Wahlversprechen<br />
einlösen, also den Grundanspruch auf fünf Stunden Kita-<br />
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Betreuung schrittweise gebührenfrei stellen und den Ausbau<br />
der Ganztagsschulen massiv vorantreiben. Das bedeutet aber,<br />
dass auch in Hamburg verstärkt europäische Fördermittel in<br />
Anspruch genommen werden und für politisch wichtige Projekte<br />
verwendet werden müssen. Dieses Bewusstsein bestimmt auch<br />
die Arbeit der Hamburger Verwaltung.<br />
Im Rahmen des Ziels „Regionale Wettbewerbsfähigkeit und<br />
Beschäftigung“ nutzen wir die Mittel des EFRE für die<br />
Zusammenarbeit <strong>von</strong> Wissenschaft und Wirtschaft,<br />
Innovationen, technologieorientierte Existenzgründungen und<br />
innovative Projekte für Umwelt und Klimaschutz sowie für die<br />
nachhaltige Stadtentwicklung Hamburgs. Innovation und<br />
Klimaschutz: Für Hamburg als Europäische Umwelthauptstadt<br />
2011 gehört beides zusammen. Denn wir wollen auch eine<br />
„Innovationshauptstadt für <strong>Europa</strong>“ werden.<br />
Im Mittelpunkt steht für uns das Ziel, mit den Strukturfonds gute<br />
und sinnvolle Projekte zu unterstützen, die sowohl die<br />
europäischen Vorgaben als auch unsere eigenen<br />
Politikvorstellungen konkret umsetzen. Zwischen den Zielen der<br />
Strategie <strong>Europa</strong> 2020 und der Hamburger Senatspolitik<br />
bestehen große Übereinstimmungen. Entscheidend sind<br />
letztlich aber nicht Strategien, sondern das konkrete politische<br />
Handeln und seine Ergebnisse.<br />
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Ich will Ihnen daher einige Vorhaben aus Hamburg vorstellen:<br />
So geht es in einem Projekt um die Entwicklung <strong>von</strong> neuartigen<br />
Brennstoff- und Solarzellen, um die Effizienz <strong>von</strong><br />
Brennstoffzellen zu verbessern. Für uns ist wichtig, dass wir mit<br />
der Förderung aus dem EFRE die Zusammenarbeit zwischen<br />
Wirtschaft und Forschung bei der Entwicklung <strong>von</strong><br />
anwendungsorientierten Innovationen unterstützen.<br />
Ein anderes Projekt – der Beteiligungsfonds für junge<br />
innovative Unternehmen in Hamburg, genannt<br />
„Innovationsstarter“ – soll solchen Unternehmen<br />
ermöglichen, stärker in Forschung, Entwicklung und Innovation<br />
zu investieren. Der Fonds stellt dabei Finanzmittel in Form <strong>von</strong><br />
offenen Beteiligungen sowie Gesellschafterdarlehen für junge<br />
technologieorientierte Kleinunternehmen in der Frühphase zur<br />
Verfügung. Denn wir haben festgestellt, dass viele dieser<br />
Unternehmen in der Anlaufphase mit einem Mangel an Kapital<br />
konfrontiert sind und dadurch in ihrer Innovationsfähigkeit<br />
beeinträchtigt werden. Dafür haben wir den Fonds mit 12 Mio.<br />
Euro, da<strong>von</strong> die Hälfte aus EFRE-Mitteln, ausgestattet. Die<br />
Unternehmen können mit diesem Kapital im Rücken innovative<br />
Produkte und Verfahren entwickeln oder für deren<br />
Markteinführung sorgen.<br />
Ein für uns zentraler Bereich ist die Nachhaltige<br />
Stadtentwicklung: Mit dem sog. „Energiebunker<br />
Wilhelmsburg“ fördern wir beispielsweise ein Vorhaben, das<br />
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demonstriert, wie man erneuerbare Energien erzeugt und<br />
gleichzeitig zur Entwicklung <strong>von</strong> benachteiligten Stadtteilen<br />
beiträgt. Der halbzerstörte und seit Kriegsende ungenutzte<br />
ehemalige Flakbunker soll nun mit einem Biomasse-<br />
Blockheizkraftwerk, einem Wasserspeicher sowie einer<br />
Solarthermieanlage ausgestattet werden und Warmwasser und<br />
Heizwärme für Wohnungen im Stadtteil Wilhelmsburg<br />
erzeugen. Dieses Projekt ist Teil der Internationalen<br />
Bauausstellung (IBA), die im kommenden Jahr eröffnet wird.<br />
Zur Eröffnungsveranstaltung am 23. März 2013 möchte ich Sie<br />
ganz herzlich einladen.<br />
Das führt mich zu einem weiteren wichtigen Aspekt, warum die<br />
Kohäsionspolitik für Hamburg <strong>von</strong> Bedeutung ist: Wir wissen,<br />
dass die wirtschaftliche Entwicklung in <strong>Europa</strong> Anschub<br />
braucht. Städte wie Hamburg sind Wachstumsmotoren für<br />
große Regionen. Mit ihrem Innovationspotenzial sind sie für<br />
ganz <strong>Europa</strong> wichtig, um die Kernziele der Strategie <strong>Europa</strong><br />
2020 umzusetzen. Gerade in Großstädten und<br />
Metropolregionen können Innovationen stattfinden – was nicht<br />
zuletzt an dem großen Potenzial an hochqualifizierten<br />
Arbeitskräften liegt. Wissenschaft und Wirtschaft arbeiten hier<br />
auf engem Raum nebeneinander und immer mehr auch<br />
zusammen.<br />
Der Einsatz <strong>von</strong> europäischen Fördermitteln hat aus diesen<br />
Gründen auch in einer vergleichsweise wohlhabenden<br />
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Großstadt wie Hamburg seine Berechtigung. Deshalb begrüßen<br />
wir es, dass die EU-Kommission in ihren<br />
Verordnungsvorschlägen einen Schwerpunkt auf die Förderung<br />
<strong>von</strong> städtischen Anliegen legt.<br />
Gleichwohl sehen wir die Vorschläge der EU-Kommission nicht<br />
gänzlich unkritisch. Es geht um eine Grundsatzfrage: Wenn wir<br />
wollen, dass die Strukturfördermittel umfassend und<br />
wirkungsvoll genutzt werden, dann müssen Nutzen und<br />
Aufwand in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Und genau<br />
das ist nicht der Fall.<br />
Die Verwaltung der 35 Millionen Hamburger EFRE-Mittel<br />
unterliegt den gleichen Kontroll- und Berichtspflichten wie z. B.<br />
die 875 Millionen Euro, die Berlin im gleichen Zeitraum<br />
ausgeben kann. Nehmen Sie nur die Durchführungsberichte,<br />
deren umfangreiche Inhalte detailliert in der<br />
Durchführungsverordnung geregelt sind – und zwar für alle<br />
operationellen Programme gleich, unabhängig da<strong>von</strong>, um wie<br />
viele Millionen Euro es geht. Da sitzen nun die Mitarbeiter in<br />
den Verwaltungen jedes Jahr und stellen seitenweise<br />
Zahlenmaterial zusammen, das dann auch noch kommentiert<br />
werden muss. Aus unserer Sicht ist der Nutzen der<br />
Durchführungsberichte nicht ausreichend erkennbar. Was<br />
passiert auf Ebene der Kommission mit den Berichten? Bei<br />
rund 400 Programmen alleine für den EFRE entsteht jährlich<br />
eine Berichtsflut, deren Aufwand für die Kommission, die<br />
6
Mitgliedstaaten und die Regionen in keinem vernünftigen<br />
Verhältnis zum Nutzen steht.<br />
Für uns ganz entscheidend ist daher eine Vereinfachung der<br />
Verwaltungsabläufe, vor allem eine stärkere Berücksichtigung<br />
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei kleinen Programmen.<br />
Wir befürchten aber, dass sich der schon jetzt<br />
unverhältnismäßige Aufwand ab 2014 noch verschärfen könnte.<br />
Nur zwei Beispiele:<br />
Die Kommission hat vorgeschlagen, dass das Vorhandensein<br />
einer Innovationsstrategie Vorbedingung bzw. „ex-ante<br />
Konditionalität“ für Nutzung <strong>von</strong> Fördergeldern in diesem<br />
Bereich ist. Das klingt erst einmal sinnvoll, könnte aber dazu<br />
führen, dass wir unsere bestehende und gut funktionierende<br />
Innovationsstrategie - die „Hamburger Innovationsallianz“ – mit<br />
hohem Arbeitsaufwand anpassen müssen, weil die Kommission<br />
detaillierte – und in diesen Einzelheiten leider abweichende –<br />
Vorstellungen hat, wie eine solche Strategie aussehen soll.<br />
Solche zusätzlichen Lasten treffen nicht nur die Verwaltung,<br />
sondern letztlich die Empfänger der Mittel und machen den<br />
EFRE unattraktiv.<br />
Neben den etablierten Verwaltungsstrukturen soll nach<br />
Vorstellung der KOM zukünftig eine Akkreditierungsstelle als<br />
Parallelstruktur zur bisher beim Mitgliedstaat angesiedelten<br />
Prüfbehörde eingerichtet werden. Die Akkreditierung, also die<br />
7
Überwachung und Zertifizierung der Arbeit der EU-Behörden<br />
auf Landesebene, soll auf Ministerebene erfolgen. Das erfordert<br />
nicht nur zusätzliches Personal, sondern verursacht<br />
zusätzlichen bürokratischen Aufwand, ganz zu schweigen <strong>von</strong><br />
dem inhaltlichen Problem, das eine solche Kontrollinstanz auf<br />
Bundesebene in unserem föderalen System bedeutet.<br />
Diese Beispiele zeigen, warum wir die Einführung neuer ex-<br />
ante-Konditionalitäten, die Akkreditierung <strong>von</strong><br />
Verwaltungsbehörden und Kontrollstellen, einen obligatorischen<br />
jährlichen Rechnungsabschluss für die Programme sowie<br />
zusätzliche Berichtspflichten entschieden ablehnen.<br />
Wir müssen aufpassen, dass unter diesen Bedingungen das<br />
eigentliche Ziel der Strukturfonds nicht unter die Räder kommt:<br />
die Förderung <strong>von</strong> sinnvollen Projekten. Und stattdessen eine<br />
Verschiebung zu immer detaillierteren und umfänglicheren<br />
Berichten und Kontrollen stattfindet. Schon jetzt haben wir es<br />
mit einer Vielzahl <strong>von</strong> Verwaltungs- und Kontrollschritten zu tun,<br />
wenn Sie bedenken, dass für jedes Operationelle Programm die<br />
Einrichtung <strong>von</strong> drei Behörden – Verwaltungsbehörde,<br />
Bescheinigungsbehörde und Prüfbehörde – mit<br />
entsprechenden Aufgaben vorgeschrieben ist. Bürokratische<br />
Hürden schrecken aber auch potentielle Projektträger ab.<br />
Und dennoch gilt: Hamburg wird auch in Zukunft Mittel aus<br />
den europäischen Strukturfonds in Anspruch nehmen. Und<br />
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um es ganz klar zu sagen: Es geht dabei nicht nur ums Geld, so<br />
wichtig dies in Zeiten knapper Haushalte auch ist. Europäische<br />
Förderprogramme sind vielmehr eine besondere Möglichkeit,<br />
Impulse für neue Ideen und Ansätze geben zu können. Sie<br />
fordern uns, denn sie verlangen europäisches und<br />
fachübergreifendes Denken. Ein Projekt ist nur gut, wenn es<br />
nicht nur Hamburg hilft, sondern dazu beiträgt, ein<br />
europaweites Problem zu lösen. Auf der lokalen, auf der<br />
regionalen, aber auch auf der transnationalen Ebene. Durch die<br />
Zusammenarbeit mit Partnern aus anderen europäischen<br />
Staaten wird auch Hamburg selbst europäischer. Das beste<br />
Beispiel hierfür sind die Programme zur transnationalen und<br />
interregionalen Zusammenarbeit, die INTERREG-<br />
Programme. Hamburg ist hier an 50 Projekten insbesondere<br />
aus dem Nord- und Ostseeraum beteiligt. Zum Beispiel, um mit<br />
Partnern aus dem gesamten Ostseeraum Lösungen zu<br />
entwickeln, wie wir denkmalgeschützte Backsteinfassaden<br />
erhalten und gleichzeitig für die Energieeffizienz dieser auch für<br />
unser Hamburger Stadtbild so wichtigen Bauwerke sorgen<br />
können. Oder um gemeinsam daran zu arbeiten, dass<br />
Kreuzfahrtschiffe in Zukunft ihre Energie im Hafen aus der<br />
Steckdose beziehen und damit Umwelt und Klima schonen.<br />
Gleichzeitig kommt dem „INTERREG IV B Ostseeprogramm“<br />
noch eine andere wichtige Rolle zu. Denn mit seinen Mitteln<br />
werden Projekte gefördert, die die Ziele der EU-<br />
Ostseestrategie mit Leben erfüllen. Für Hamburg als Tor zum<br />
9
Ostseeraum ist dies <strong>von</strong> ganz besonderer politischer<br />
Bedeutung. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass<br />
morgen in Berlin, in unserer Landesvertretung, eine Konferenz<br />
zur transnationalen Kooperation <strong>von</strong><br />
Forschungseinrichtungen und Innovationsträgern im<br />
Ostseeraum stattfinden wird. Auch hier ist Hamburg über ein<br />
INTERREG-Projekt namens „Science Link“ direkt beteiligt. Wir<br />
wollen diskutieren, wie die transnationale Kooperation zwischen<br />
und mit Forschungseinrichtungen dazu beiträgt, Wachstum und<br />
Beschäftigung in den einzelnen Regionen voranzutreiben. Ich<br />
lade Sie ganz herzlich ein, daran teilzunehmen.<br />
Aus unserer Sicht ist für die Zukunft eine Flexibilisierung der<br />
Programme der transnationalen Zusammenarbeit ganz<br />
besonders wichtig. Funktionale, grenzüberschreitende<br />
Teilräume decken sich häufig nicht mit den ausgewiesenen<br />
INTERREG-Fördergebieten. Für die wirtschaftliche, soziale und<br />
territoriale Kohäsion sind sie dennoch <strong>von</strong> großer Bedeutung.<br />
Deswegen haben wir mit den anderen Ländern im Bundesrat<br />
gefordert, auch die Entwicklung dieser Teilräume, die sich in<br />
vielen Fällen unterhalb der Ebene der Makroregionen und<br />
transnationalen Kooperationsräume befinden, als mögliches<br />
Handlungsfeld in die ETZ-Verordnung aufzunehmen. Bei der<br />
Definition dieser Räume sollten bestehende Verbindungen und<br />
Formen der Zusammenarbeit stärker berücksichtigt werden. Ein<br />
Beispiel aus der Ostseeregion ist die schon recht lange<br />
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existierende STRING-Kooperation in der „Westlichen<br />
Ostsee“. Im Rahmen <strong>von</strong> STRING befassen sich die dänischen<br />
Regionen Seeland und Hauptstadtregion, Hamburg, Schleswig-<br />
Holstein und Skåne u. a. mit Innovation und Forschung,<br />
nachhaltigem Wachstum, dem grenzüberschreitenden<br />
Arbeitsmarkt, Klimaschutz und Bildungsfragen.<br />
Auch dieses Hamburger Anliegen hat der Bundesrat in seiner<br />
Stellungnahme zur vorgeschlagenen ETZ-Verordnung deutlich<br />
gemacht. Wir sind da<strong>von</strong> überzeugt, dass es sich lohnt, <strong>von</strong><br />
solchen Teilräumen getragene Projekte zu fördern, denn die<br />
hier auf vereinfachte Weise erprobten Modelle können später<br />
auf größere Zusammenhänge übertragen werden.<br />
Hamburg wirbt zudem dafür, dass in der neuen Förderperiode<br />
eine Anpassung der bisherigen INTERREG-IV-B-<br />
Programmräume erfolgt. Den vier norddeutschen Ländern<br />
Bremen, Niedersachen, Hamburg und Schleswig-Holstein geht<br />
es darum, in der neuen Förderperiode sinnvolle Projekte auch<br />
im transnationalen Programm für Nordwesteuropa (NWE)<br />
durchführen zu können. Bislang sind wir nicht Teil dieses<br />
Raumes. Zahlreiche strukturelle Gemeinsamkeiten (z. B. die<br />
großen Ballungs- und Wirtschaftszentren oder die<br />
Notwendigkeit der Anpassung <strong>von</strong> Städten an den<br />
Klimawandel) sprechen jedoch dafür. Ich bin mir sicher, dass<br />
<strong>von</strong> diesen neuen Möglichkeiten nicht nur Projektpartner in den<br />
norddeutschen Ländern profitieren würden. Auch die bereits<br />
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jetzt in NWE vertretenen Regionen erhalten neuen Spielraum<br />
und gleichzeitig die Gelegenheit, in Ost- und Nordsee<br />
erworbene Erkenntnisse zu nutzen.<br />
Die Vorschläge der Kommission vom Oktober 2011 für die<br />
zukünftige Kohäsionspolitik haben wir intensiv analysiert und<br />
dazu gemeinsam mit den anderen Ländern im Bundesrat<br />
Stellung bezogen. Wir sind da<strong>von</strong> überzeugt, dass es richtig ist,<br />
weiterhin alle Regionen in <strong>Europa</strong> zu fördern. Im Hinblick auf<br />
die <strong>von</strong> der Kommission in der Allgemeinen Verordnung (AVO)<br />
vorgeschlagenen thematischen Ziele teilen wir die Meinung,<br />
dass eine gewisse thematische Fokussierung sinnvoll ist,<br />
gleichwohl aber die Möglichkeit für regionale Spezialisierungen<br />
bestehen muss. Die EU-Kommission fordert ja selbst immer<br />
wieder „intelligente“ Spezialisierung. Mit anderen Worten: Die<br />
Konzentration sollte auf der Ebene der Operationellen<br />
Programme erfolgen. Eben diesen Weg gehen wir zurzeit in<br />
Hamburg bei der Vorbereitung auf die Aufstellung der<br />
Operationellen Programme. Dabei sind für mich zwei Elemente<br />
<strong>von</strong> Bedeutung: Zum einen müssen wir uns in Hamburg intern<br />
auf eine begrenzte Anzahl <strong>von</strong> Zielen verständigen – und<br />
das bedeutet notwendigerweise, dass wir nicht alle Vorhaben,<br />
was theoretisch wünschenswert wären, umsetzen können –<br />
zum anderen muss das Ergebnis dieser Abstimmung auch mit<br />
einer Verpflichtung einhergehen. Nämlich mit dem<br />
„Commitment“ unserer Ministerien, dafür zu sorgen, dass<br />
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die thematischen Ziele mit politisch ebenso notwendigen<br />
wie auch praktisch umsetzungsfähigen Projekten unterlegt<br />
werden. Um das zu erreichen, haben wir kürzlich auf Ebene der<br />
Staatsrätinnen und Staatsräte beschlossen, dass aus<br />
Hamburger Sicht – vorbehaltlich endgültigen Fassung der<br />
Verordnungsvorschläge und der Ergebnisse vorbereitenden<br />
Analysen des geplanten OP – vom EFRE künftig vier<br />
Themenbereiche aus der AVO abgedeckt werden sollten:<br />
(1)Stärkung <strong>von</strong> Forschung, technischer Entwicklung und<br />
Innovation<br />
(4)Förderung der Bestrebungen zur Verringerung der CO2-<br />
Emissionen in allen Branchen der Wirtschaft<br />
(8) Förderung <strong>von</strong> Beschäftigung, Unterstützung der Mobilität<br />
der Arbeitskräfte<br />
(9) Förderung sozialer Eingliederung, Bekämpfung der Armut<br />
Dabei ist für uns klar, dass wir auch gut mit einer Gewichtung<br />
leben können, die vorsieht, dass mindestens 20 % der EFRE-<br />
Mittel für Maßnahmen zur CO2- Reduzierung und zugleich<br />
mindestens 80 % für Forschung und Innovation, KMU-<br />
Förderung und CO2-Reduzierung insgesamt ausgegeben<br />
werden.<br />
Diese Ausgangslage haben wir auch an das<br />
Bundeswirtschaftsministerium übermittelt und darum gebeten,<br />
dies bei den Verhandlungen zu den Partnerschaftsverträgen zu<br />
berücksichtigen.<br />
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Leider hat dieser Prozess gezeigt, dass gerade die zusätzlichen<br />
Vorgaben der thematischen Konzentration für uns zu einem<br />
besonderen Verwaltungsaufwand führen. So haben wir nicht<br />
nur mehrfach die Amtsleiterinnen und Amtsleiter aller<br />
betroffenen Ministerien zusammengebracht, sondern auch auf<br />
Ebene der Staatsrätinnen und Staatsräte mehrfach intensiv<br />
über die EFRE-Ziele Hamburgs beraten. Ich muss Ihnen sicher<br />
nicht sagen, was dies an Vorbereitung für die Arbeitsebene<br />
unserer Ministerien bedeutet. Das alles ist ein enormer<br />
Aufwand, wenn man bedenkt, dass wir gegenwärtig nur 35 Mio.<br />
Euro aus dem EFRE erhalten und nicht absehbar ist, wie viel<br />
Förderung für 2014 – 2020 zur Verfügung stehen wird.<br />
Im Bereich des ESF werden wir in der neuen Förderperiode vor<br />
allem auf arbeitsmarktpolitische Maßnahmen setzen. Mögliche<br />
Schwerpunkte sind die Beseitigung prekärer<br />
Beschäftigungsverhältnisse, Qualifizierungsmaßnahmen <strong>von</strong><br />
Migranten und die Förderung des Übergangs <strong>von</strong> der Schule in<br />
den Beruf. Hier ist unsere Diskussion aber noch nicht<br />
abgeschlossen.<br />
Bei der Ausgestaltung der Kohäsionspolitik muss insbesondere<br />
der Rolle <strong>von</strong> Städten und Metropolregionen Rechnung<br />
getragen werden. Sie haben besondere Stärken, sehen sich<br />
aber gleichzeitig besonderen Herausforderungen gegenüber.<br />
Das gilt auch für Bereiche wie Energieverbrauch, Umwelt und<br />
Verkehr. Damit sind sie Innovationsmotoren, Problemgebiete<br />
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und Experimentierfelder zugleich. Wir begrüßen daher den<br />
Ansatz der Kommission, die städtische Dimension in den<br />
Verordnungsvorschlägen zu stärken. Allerdings ist es für uns<br />
unverständlich, dass eine eigene Prioritätsachse zur<br />
Stadtentwicklung nun nicht mehr möglich sein soll. Das <strong>von</strong> der<br />
Kommission vorgeschlagene Instrument der Integrierten<br />
Territorialen Investitionen (ITI) erlaubt eine Förderung nur<br />
gebündelt aus den übrigen – und damit notwendigerweise<br />
thematisch beschränkten – Zielen des jeweiligen OPs. Die<br />
Umsetzung der ohnehin schon oft komplexen<br />
Stadtentwicklungsprojekte wird dadurch nicht einfacher. Trotz<br />
dieses Zusatzaufwands wird Hamburg für seine<br />
Stadtentwicklungsziele natürlich dieses Instrument nutzen<br />
müssen. Ich würde mich aber freuen, wenn das Europäische<br />
Parlament den Vorschlag der Kommission gerade auch im<br />
Hinblick auf diesen Aspekt kritisch überdenken würde.<br />
Ein besonderes Augenmerk sollte darüber hinaus neuen<br />
Instrumenten der Partnerschaft <strong>von</strong> Stadt und Land gelten.<br />
Ziel sollte es sein, die Zusammenarbeit <strong>von</strong> strukturstarken und<br />
strukturschwachen Gebieten zu fördern – auch, um so ein<br />
besseres Zusammenspiel und Zusammenwachsen <strong>von</strong><br />
städtischem und ländlichem Raum zu gewährleisten. Vor<br />
wenigen Tagen konnten wir ein Verwaltungsabkommen und<br />
einen Staatsvertrag zur Erweiterung der Metropolregion<br />
Hamburg feierlich unterzeichnen. Nun sind vier Länder, 17<br />
15
Landkreise und zwei kreisfreie Städte Teil der auf verbindlichen<br />
rechtlichen Grundlagen beruhenden Zusammenarbeit über<br />
Verwaltungsgrenzen hinweg. Für uns folgt dies auch aus<br />
europäischen Zielsetzungen. Die sogenannte territoriale<br />
Kohäsion ist nicht ohne Grund ausdrücklich in den Vertrag <strong>von</strong><br />
Lissabon aufgenommen worden.<br />
Kohäsion – dieser technisch anmutende Begriff ist eigentlich<br />
nur ein anderes Wort für Zusammenhalt. Und das ist für mich<br />
die eigentliche Begründung dieser Politik: Sie übersetzt das<br />
abstrakte Ziel der Europäischen Einigung in konkrete<br />
Maßnahmen für die Menschen vor Ort und zeigt, was <strong>Europa</strong><br />
bedeutet – egal, ob in Hamburg, Hermannstadt oder Helsinki.<br />
Nicht zuletzt deswegen ist Strukturförderung für Hamburg alles<br />
andere als eine Nebensache. Und nicht zuletzt deswegen muss<br />
sie einfacher werden!<br />
16