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NATURFREUND<br />
4 2012<br />
September<br />
Oktober<br />
AMI DE LA NATURE
2 NATURFREUND 4/2012
INHALT<br />
NATUR ERLEBEN 4–7, 20, 21<br />
Grosses Staunen über kleine Tiere: Insekten 4<br />
Herbst-Zeit ist Marroni-Zeit: die Edelkastanie in der <strong>Schweiz</strong> 20<br />
UNTERWEGS 8–19<br />
Ein Senior erzählt: zweite Heimat Onsernone-Tal 9<br />
Strohmanufaktur Onsernone: gestern und heute 12<br />
Wandertipps fürs Onsernone- und Vergeletto-Tal 14<br />
Onsernone: von Comologno nach Bern und zurück 16<br />
Onsernone: Herz des künftigen Nationalparks Locarnese 19<br />
GESUND LEBEN 22–23<br />
Was Neid und Gier mit unserer Gesundheit zu tun haben 22<br />
NF-WETTBEWERB 25<br />
Ein Wochenende im Palazzo Gamboni im Onsernone-Tal 25<br />
SERVICE 26, 28, 30<br />
Was, Wann, Wo: Angebote von und mit <strong>Naturfreunde</strong>n 26<br />
Nächste Termine für Leiteraus- und Weiterbildungskurse 28<br />
Profi tieren: Mehrwert-Angebote für <strong>Naturfreunde</strong> 30<br />
MITGLIEDSCHAFT 27, 29, 31<br />
Der NFS-Präsident bei <strong>Naturfreunde</strong>n in Kalifornien 27<br />
5 Fragen an… Plaudern mit NFS-Mitgliedern 29<br />
4 Fragen an… Plaudern mit NFS-Mitgliedern 31<br />
Impressum<br />
Titelbild<br />
Seit Jahren im Onsernone-Tal ansässig:<br />
der aus der Deutschschweiz stammende<br />
Philippe Räber, Bergbauer in Spruga, im hintersten<br />
Dorf des Tals. Winterfutter für seine<br />
Ziegen und Kühe gewinnt er auch im angrenzenden<br />
Vergeletto-Tal (Foto). Zuhinterst<br />
in jenem Vergeletto finden sich die Onsernone-Gneis-Steinbrüche.<br />
Foto: Michael Buholzer<br />
93. Jahrgang. Erscheint fünfmal jährlich.<br />
Herausgeber: <strong>Naturfreunde</strong> <strong>Schweiz</strong> (NFS), Geschäftsstelle, Pavillonweg 3,<br />
Postfach, 3001 Bern, Telefon 031 306 67 67, Telefax 031 306 67 68,<br />
E-Mail: herbert.gruber@naturfreunde.ch<br />
Redaktion: Herbert Gruber, François Grundbacher (Übersetzungen)<br />
Abonnement: <strong>Naturfreunde</strong> <strong>Schweiz</strong> (NFS), Telefon 031 306 67 67,<br />
Fr. 30.– pro Jahr, Ausland Fr. 42.–.<br />
Gesamtherstellung: Stämpfli Publikationen AG, Bern, Telefon 031 300 66 66<br />
Inserate: Stämpfli Publikationen AG, Bern, Telefon 031 767 83 30,<br />
E-Mail inserate@staempfli.com<br />
Papier: Cyclus Print, 100% Altpapier aus sortierten Druckerei- und<br />
Büroabfällen.<br />
Redaktionsschluss für 5/12: 25. Oktober 2012.<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser<br />
Neulich, an einem Geburtstagsfest, fragte ein Jazzmusiker, wo ein<br />
Mann sich mit seiner Familie zurückziehen könnte, falls das mit<br />
der Wirtschaft und den Arbeitsplätzen auch bei uns brutal<br />
bachab ginge. Ob, so seine Frage, ob das Onsernone so ein Ort<br />
wäre? Nun, es ist gut möglich, dass in eben diesem Onsernone<br />
der nächste <strong>Schweiz</strong>er Nationalpark realisiert wird. Das Onsernone<br />
liegt im Tessin, westlich von Locarno. Im vorliegenden Heft ist<br />
ausführlich davon die Rede – und damit auch von Menschen, die<br />
dort etwas realisiert, etwas aufgebaut haben (ab Seite 8).<br />
Das Onsernone als Rückzugsgebiet: zu den prominentesten, die<br />
im Tal eine zweite Heimat gefunden hatten (zumindest auf Zeit),<br />
zählten die Schriftsteller Alfred Andersch, Max Frisch und Golo<br />
Mann. Umgekehrt verliessen – auf der Suche nach Arbeit, einem<br />
Einkommen, einem besseren (!) Leben – die Einheimischen ihr<br />
Tal zu Hunderten: zwischen Ende des 19. und Mitte des 20. Jahrhunderts<br />
reduzierte sich die Bevölkerungszahl der Talschaft um<br />
die Hälfte.<br />
Die Idee, was ein Nationalpark zu sein hat, ist mittlerweile nicht<br />
mehr die gleiche wie vor 100 Jahren, als in Graubünden der erste<br />
<strong>Schweiz</strong>erische Nationalpark gegründet wurde. Je nach Zone innerhalb<br />
eines Parks gelten heute unterschiedliche Bestimmungen,<br />
also ist je nach Lage auch Wohnen und Arbeiten inmitten eines<br />
Nationalparks möglich (Seite 19). Was indes bleibt: ein<br />
Nationalpark umfasst eine klar umrissene Fläche. Und innerhalb<br />
deren Grenzen gelten andere Regeln als ausserhalb! Weil man etwas<br />
schützen, erhalten, bewahren will. Aus der Distanz betrachtet<br />
sieht dies so aus, als würden wir einerseits Grenzen, Landesgrenzen<br />
abbauen; und andererseits neue Grenzen, Parkgrenzen,<br />
Naturschutzgrenzen ziehen.<br />
Die Wälder in Laos, so warnt Michel Brancucci, Vize-Direktor<br />
des Naturhistorischen Museums Basel (Seite 7), seien akut bedroht,<br />
die Artenvielfalt schrumpfe rasant. Schuld sei der ungezügelte<br />
Raubbau. Fehlen uns, so möchte man fragen, fehlen uns Regeln,<br />
respektive fehlen uns Instanzen, die unser Begehren und<br />
Tun begrenzen? Was hierzu auffällt: dass die Weltreligionen diese<br />
Fragen (die auch mit Gier zu tun haben) stets stark gewichtet haben<br />
– im Wissen, dass Gier der Gesundheit kaum zuträglich ist.<br />
Anregungen dazu auf Seite 22.<br />
Ob Käfer oder Kastanien (Seite 22) – das Wissen darüber basiert<br />
auf Beobachten, und genaues Hinschauen bedarf der Geduld. Es<br />
sind Qualitäten, die man einüben kann; etwa so, wie wir uns um<br />
unsere körperliche Fitness sorgen. In diesem Sinne wünsche ich<br />
eine anregende Lektüre und gute Touren Richtung Herbst.<br />
Herbert Gruber<br />
Redaktor «Naturfreund»<br />
EDITORIAL<br />
NATURFREUND 4/2012 3
NATUR ERLEBEN<br />
Insekten<br />
Insekten – wo unsere Fantasie neue Nahrung kriegt<br />
Und welche Käfer zünden Bomben?<br />
Mit insgesamt über einer Million bekannter Arten sind die<br />
Insekten die grösste und erfolgreichste Tiergruppe auf unserem<br />
Planeten. Es gibt keinen Lebensraum, den Insekten nicht<br />
bewohnen, respektive in dem sie nicht überleben konnten.<br />
Und so erstaunlich die Anpassungsfähigkeit dieser Tiere ist,<br />
so faszinierend sind auch ihre Methoden der Nahrungsbeschaffung,<br />
des Kampfs und der Verteidigung; es gibt gar welche,<br />
die eigene «Explosionskammern» mit sich tragen…!<br />
Text: Michel Brancucci*<br />
Illustrationen: Max Heuberger<br />
Wir bewundern», so hat es ein Gelehrter<br />
mal formuliert, «wir bewundern<br />
dagegen den Rücken des Elefanten, da er damit<br />
Türme zu tragen vermag, den Nacken,<br />
mit dem der Stier seinen Feind empor<br />
schleudert, die Raubsucht des Tigers und die<br />
Mähne des Löwen. Aber wahrlich nirgends<br />
erscheint die Natur so gross wie in dem<br />
Kleinsten, das sie hervorbringt. Daher bitte<br />
ich den Leser, wenn er auch vieles von diesen<br />
Dingen gering achtet, ihre Beschreibung<br />
doch nicht zu verschmähen, da bei der Betrachtung<br />
der Natur nichts als unwichtig angesehen<br />
werden darf.» Zum Verständnis:<br />
dieser Gelehrte, den wir hier zitieren, wurde<br />
im Jahr 23 nach Christus in Rom geboren; es<br />
ist dies Plinius Secundo, bekannt geworden<br />
als Verfasser der voluminösen, 37 Bände umfassenden<br />
Enzyklopädie Historia Naturalis.<br />
Osterluzeifalter (Zerynthia polyxena), Süd- und Südosteuropa.<br />
4 NATURFREUND 4/2012<br />
Schön wie die Königin von Kastilien<br />
Bei nur wenig anderen Tieren sind Farben<br />
und Formen derart reich und vielfältig gestaltet<br />
wie bei den Insekten. Und diese verblüffende,<br />
oft unerwartete Schönheit hat<br />
Menschen von je her begeistert. Davon zeugen<br />
etliche Geschichten und Namensgebungen.<br />
Als Beispiel erwähnt sei der Augenfalter<br />
Graellsia isabellae. Seiner Schönheit und<br />
Eleganz wegen wurde dieser Falter im 19.<br />
Jahrhundert in ganz Europa bestaunt. Man<br />
nannte ihn »Isabella” und bezeichnete ihn<br />
gar als «die schönste europäische Entdeckung<br />
bei den Insekten». Isabella, dies als<br />
Nachtrag, war der Name der damaligen Königin<br />
von Kastilien!<br />
Um die Schönheit des Isabella-Schmetterlings<br />
ranken indes noch weitere Geschichten.<br />
So etwa hat der Entdecker dieses Falters,<br />
der Spanier Mariano Graëlls (1808-98),<br />
den ersten Fundort über 28 Jahre lang nicht<br />
verraten, was seinen naturwissenschaftlich<br />
Mittelmeer-Fruchtfliege (Ceratitis capitata), aus<br />
Afrika stammend.<br />
orientierten Kollegen missfi el, und sie dazu<br />
anstachelte, mit allen Mitteln den Fundort<br />
zu eruieren – jedoch stets ohne Erfolg. Erst<br />
im Jahre 1877 schliesslich veröffentlichte<br />
Graëlls eine kurze Notiz über die entsprechende<br />
Lokalität (in einer Bergregion in<br />
Zentralspanien). Er bemerkte dazu, dass er<br />
diesen Fund eigentlich seinem Hund zu verdanken<br />
habe, der ihn durch Hochheben seines<br />
Vorderlaufes auf den Falter aufmerksam<br />
gemacht habe.<br />
Symbolkräftiger Papillon – schillernde<br />
Morphofalter<br />
Ein anderer, seiner Schönheit wegen intensiv<br />
begehrter Schmetterling ist der südamerikanische<br />
Morphofalter (Morpho peleides).<br />
Allerdings forderte das Fangen und<br />
Sammeln dieser Falter viel Geduld und Geschicklichkeit,<br />
zumal diese Morphos die Angewohnheit<br />
haben, um die Krone hoher<br />
Bäume zu fl attern. Also bauten Schmetterlingsjäger<br />
ebenso hohe Türme, um auf diese<br />
Weise an die Falter zu kommen. Besonders<br />
wilde Geschichten dazu sind uns aus der Île<br />
du Diable (der Teufelsinsel) von Französisch-Guayana<br />
überliefert. Auf jener Insel,<br />
die Frankreich bis zum Ende des Zweiten<br />
Weltkriegs als Strafkolonie gedient hatte,<br />
sollen sich Ex-Häftlinge im Kampf um diese<br />
Papillons (mit deren Verkauf sie sich ihren<br />
Lebensunterhalt verdienten), respektive bei<br />
der Eroberung der besten und höchsten<br />
Fang-Türme gar gegenseitig umgelegt haben.<br />
Später haben Beobachtungen gezeigt,<br />
dass die schillernden Morphos auch untereinander<br />
heftige Kämpfe austragen. Aus dieser<br />
Erkenntnis heraus entwickelte der
Rüselkäfer (Eupholus bennetti), Papua Neuguinea.<br />
Rosenkäfer (Chelorrhina polyphemus), Zentral- und Westafrika (Tropen).<br />
Mensch eine neue, weniger aufwändige<br />
Fangmethode: vom Boden aus wird ein totes<br />
Tier entweder bewegt oder das Flattern mit<br />
einem Spiegel vorgetäuscht. Dadurch werden<br />
lebende Falter angelockt und können so<br />
mittels Netz gefangen werden. Übrigens: auf<br />
der Île du Diable spielt die Handlung des<br />
Bestseller-Romans und Films «Papillon»<br />
(mit Steve McQueen und Dustin Hoffmann)<br />
über den Sträfl ing Henri Charrière, der sich<br />
einen Schmetterling (als Symbol der Freiheit)<br />
auf die Brust hatte tätowieren lassen.<br />
Vier Augen – oder Anpassung bis<br />
zum Äussersten<br />
Ob Wasserlache, arktische Kälte oder die<br />
staubtrockene Hitze der Wüste – es gibt keinen<br />
Lebensraum, den sich Insekten nicht erschlossen<br />
haben. Diese Erfolge verdanken<br />
sie ihrer unglaublichen Anpassungsfähigkeiten<br />
und subtilen Überlebungsstrategien.<br />
Was immer die Bedingungen der Umwelt<br />
sind – Insekten haben sich perfekt an alle<br />
nur denkbaren Situationen angepasst! So<br />
etwa können gewisse Schwarzkäfer-Arten<br />
auch bei extrem hohen Temperaturen in der<br />
Wüste überleben. Mit ihren sehr langen Beinen<br />
graben sie sich – bei rund 58°C (!) –<br />
rasch ins Sandinnere. Dort, in zirka 10 Zen-<br />
timetern Tiefe, ist die Temperatur deutlich<br />
niedriger als an der Oberfl äche. Also entweichen<br />
sie auf diese Weise dem sicheren Tod.<br />
Neben der enormen Hitze ist die Wasseraufnahme<br />
in der Wüste eine weitere Hürde.<br />
Aber auch hierzu haben sich die Insekten<br />
etwas «einfallen» lassen: so sammeln zahl-<br />
Sägekäfer (Golopha imperialis), Mittelamerika bis Mexiko.<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Insekten<br />
reiche Wüstenarten das Wasser aus dem<br />
Morgennebel, indem sie früh morgens auf<br />
Sanddünen klettern. Andererseits hält der<br />
starke Chitinpanzer der Käfer den Wasserverlust<br />
gering.<br />
Ein ebenfalls extremes Habitat bewohnt<br />
die im Tibet beheimatete, 8 Millimeter grosse<br />
Schwimmkäfer-Art (Agabus joachimschmidti).<br />
Dieser Käfer wurde im Hochland<br />
noch auf einer Höhe von 5100 Metern über<br />
Meer gefunden und schlägt damit sämtliche<br />
Rekorde der wasserbewohnenden Insekten.<br />
Auf dieser Höhe ist der Boden mindestens<br />
10 Monate im Jahr mit Schnee und Eis bedeckt<br />
– es ist bis heute ein Rätsel, wie sich<br />
diese räuberische Art unter diesen Umständen<br />
ernähren kann.<br />
Mehrere Insektenordnungen (wie Käfer,<br />
Wanzen, Steinfl iegen usw.) haben unabhängig<br />
voneinander den «Sprung» ins Wasser<br />
gewagt. Die Anpassungen an dieses Milieu<br />
sind tiefgreifend; zahlreiche Hürden waren<br />
zu überwinden: Atmung, Fortbewegung,<br />
Nahrung, usw. Die echten Schwimmkäfer,<br />
die sicherlich zu den geschmeidigsten Lebewesen<br />
im Wasser zählen, haben die Beine<br />
stark abgefl acht und schlagen synchron, die<br />
Körperform ist hydrodynamisch, und ein<br />
Raum unter den Flügeldecken dient ihnen<br />
als Luftreserve. Die meisten Arten sind gute<br />
Flieger, und sie können von Tümpel zu<br />
Tümpel fl iegen, dies mehrmals am Tag.<br />
Möchten sie allerdings wieder ins Wasser<br />
eindringen, treffen sie auf eine fast unüberwindbare<br />
Schwierigkeit: die Wasseroberfl ächen-Spannung!<br />
Sie müssen diese durchbrechen.<br />
Die kleineren Arten haben dazu<br />
folgendes Vorgehen entwickelt: sie drehen<br />
sich auf den Rücken, strecken alle Beine<br />
kopfwärts, damit verlagert sich das Körpergewicht<br />
und das Tier vermag auf diese Weise<br />
mit der dünnen Kopfkante ins Wasser zu<br />
tauchen. Die Vertreter einer anderen wasserlebenden<br />
Käferfamilie, die Taumelkäfer, hal-<br />
NATURFREUND 4/2012 5
NATUR ERLEBEN<br />
Insekten<br />
ten sich meist auf der Wasseroberfl äche auf,<br />
doch bei Störungen können sie abtauchen.<br />
Ihre Augen haben sich geteilt; sie besitzen<br />
vier unabhängig funktionierende Augen.<br />
Dies verleiht ihnen die Fähigkeit, gleichzeitig<br />
unter- und oberhalb des Wassers zu sehen.<br />
Das Nonplusultra jeglicher Anpassung jedoch<br />
fi ndet man bei jenen Käfern, die in<br />
Ameisenkolonien leben. Ein Vertreter davon,<br />
der Keulenkäfer (Claviger testaceus), ist<br />
derart an die Ameisen angepasst, dass er<br />
ohne sie nicht mehr überleben könnte. Angesichts<br />
der zurückgebildeten Mundwerkzeuge<br />
ist er nicht in der Lage, sich selbst zu<br />
ernähren. Der Käfer «erbettelt» seine Nahrung<br />
mittels Fühlertrillern, worauf er von<br />
den Ameisen Mund zu Mund mit Nahrungstropfen<br />
versorgt wird. Als «Gegenleistung»<br />
scheidet der Keulenkäfer ein Sekret aus, das<br />
von den Ameisen gierig aufgenommen wird.<br />
Dieses «Genussmittel» ist mit gewissen Narkotika<br />
zu vergleichen, und es führt – im<br />
Überdruss genossen – bei den Ameisen zu<br />
Degenerationserscheinungen. Es wird gar<br />
vermutet, dass die Käfer während des Hochzeitsfl<br />
uges von den Ameisen in neue Nester<br />
mitgenommen werden. Andere Arten wiederum<br />
ernähren sich selbstständig: sie verzehren<br />
in aller Ruhe Ameisenlarven, nachdem<br />
die Käfer die Ameisen unter den Einfl uss ihrer<br />
«Droge» gestellt haben.<br />
Subtile Überlebensstrategie<br />
Gute angepasst sein – das bedeutet auch gut<br />
geschützt sein vor möglichen Frassfeinden.<br />
Auch diesbezüglich setzen die Insekten äusserst<br />
vielfältige Strategien um: zu den gängigsten<br />
Methoden gehören Duftstoffe,<br />
Flucht, Beissen und Stechen.<br />
Droht beispielsweise dem Bombardierkäfer,<br />
einem Vertreter der Laufkäferfamilie,<br />
Gefahr, kann er zwei Substanzen aus seinen<br />
Hinterleibs-Drüsen in einer so genannten<br />
«Explosionskammer» vermischen, was eine<br />
Temperatur von bis zu 100°C erzeugt. Die<br />
dadurch entstehende Gaswolke tritt mit einem<br />
Knall aus seinem After aus, was seine<br />
Verfolger in Angst und Schrecken versetzt.<br />
Um die Grössenordnung dieser Aktion zu<br />
begreifen: ein Huhn kann ob so einer Gas-<br />
Ladung glatt erblinden! Andere Arten aus<br />
der gleichen Familie vermögen Ameisensäure<br />
bis zu 30 Zentimeter weit zu spritzen.<br />
Im Gegensatz dazu müssen Schwimmkäfer<br />
eine im Wasser effi ziente Methode zur<br />
Anwendung bringen. Bei Verfolgung sind<br />
Haselnussswickler (Apoderus coryli), Mitteleuropa bis Nordafrika und Teilen Asiens.<br />
6 NATURFREUND 4/2012<br />
Apollo (Parnassius apollo), auch in den <strong>Schweiz</strong>er Alpen anzutreffen.<br />
diese Käfer in der Lage, ihren Enddarm<br />
stossartig zu entleeren und so jegliche Angreifer<br />
(Fische und Frösche) auf Distanz zu<br />
halten.<br />
Ganz eigen und passiv geht andererseits<br />
die Larve des Maskierten Strolches (Reduvius<br />
personatus) vor. Sie wendet jedoch eine<br />
nicht minder effi ziente Möglichkeit an: sie<br />
macht sich unsichtbar! Diese Wanzenart lebt<br />
in unseren Estrichen. Die erwachsenen Tiere<br />
messen 16 bis 17 Millimeter, und sie saugen<br />
die Körperfl üssigkeit von anderen hausbewohnenden<br />
Insekten oder Spinnen aus. Bereits<br />
die jungen braunen Lärvchen sind<br />
klebrig und ziehen Staub an, von dem sie<br />
nach und nach ganz bedeckt werden, so<br />
dass sie kaum mehr erkennbar sind. Und<br />
diesen «Staubmantel» erneuern die Larven<br />
nach jeder Häutung – eine Schutzmassnahme<br />
par excellence.<br />
Jenseits von nützlich und schädlich<br />
Ohne die «Arbeit» der Insekten könnten wir<br />
Menschen fast keine Früchte und kein Gemüse<br />
ernten. Die Blütenbestäubung durch<br />
die Insekten ist ein immens wichtiger, unbezahlbarer<br />
«Dienst» der Insekten. Ein anderes<br />
Beispiel, das die Bedeutung der Insekten<br />
für uns Menschen untermauert, stammt aus<br />
Australien. Auf jenem Kontinent lebten ursprünglich<br />
keine Rinder; diese wurden aus<br />
anderen Erdteilen importiert. Nicht mit-importiert<br />
indes wurden die dazugehörenden<br />
Käfer. In den 1960er und 70er Jahren weideten<br />
in Australien rund 30 Millionen Rinder,<br />
die täglich Millionen von Kuhfl aden<br />
ausschieden. Der Rinderdung trocknete aus<br />
und bedeckte jährlich eine Fläche annähernd<br />
so gross wie die <strong>Schweiz</strong> – er wurde<br />
aber durch nichts abgebaut! In der Folge<br />
verödeten die einst saftigen Wiesen nach
Illustrationen von Max Heuberger<br />
Sämtliche auf diesen Seiten präsentierten Illustrationen<br />
stammen von Max Heuberger.<br />
Die in Max Heubergers Insekten-Bildern zum<br />
Ausdruck kommende Genauigkeit gilt bis<br />
heute als unerreicht. Auf die Schnelle war so<br />
etwas nicht zu haben: allein für ein einzelnes<br />
Käferbild rechnete der wissenschaftliche<br />
Zeichner mit einem Arbeitsaufwand von 300<br />
Stunden. Heubergers Bilder fanden und finden<br />
entsprechende Beachtung, so etwa wurden<br />
dessen Arbeiten in der Kunsthalle Basel,<br />
im Zoologischen Museum Zürich und im Naturhistorischen<br />
Museum Basel gezeigt (wo<br />
Max Heuberger von Anfang an Mitglied des<br />
Vereins «Käfer für Basel» war). Max Heuberger,<br />
1920 in Basel geboren, hatte erst eine<br />
Lehre als Dekorationsmaler absolviert; danach<br />
folgte eine Ausbildung zum Graphiker in Basel<br />
und an der Ecole des Beaux Arts in Genf.<br />
Max Heubergers spezielle Vorliebe waren Insekten,<br />
ganz speziell Käfer. Das früheste,<br />
spontan entstandene Aquarell stellte aber<br />
eine kriechende Weinbergschnecke dar – in<br />
der Natur beobachtet. Neben der wissenschaftlichen<br />
Akribie der Insektenaquarelle<br />
war ihm allerdings deren malerische Lebendigkeit<br />
genauso wichtig. Diese führte ihn zu<br />
den besonderen Ölbildern (Gedankenbilder)<br />
in realistischem Surrealismus. Max Heuberger<br />
verstarb am 4. Juli 2011.<br />
und nach, nichts mehr gedieh, ein Fiasko<br />
sondergleichen. Als späte Reaktion darauf<br />
wurden diverse Mistkäfer-Arten aus Afrika<br />
millionenweise gezüchtet und nach Australien<br />
eingeführt. Allmählich gelang es daraufhin,<br />
das Problem mit den Kuhfl aden wieder<br />
in den Griff zu bekommen.<br />
Und halt doch sehr oft unerwünscht<br />
Segen und Fluch – das Verhältnis des Menschen<br />
zu den Insekten ist und war oft<br />
schwierig. So etwa haben Wanderheuschrecken<br />
in früheren Jahrhunderten und Jahrtausenden<br />
dem Menschen immer wieder<br />
tödliche Hungersnöte beschert. In modernerer<br />
Zeit gibt es weitere Beispiele; erinnert sei<br />
etwa an den Bergkieferkäfer (Dendroctonus<br />
ponderosae), eine 4 bis 7 Millimeter grosse<br />
Borkenkäfer-Art aus Kanada. Diese Art bewohnte<br />
ursprünglich den südlichen Teil<br />
Nordamerikas, wo sie eine bedeutende Rolle<br />
spielte, indem sie die kranken Bäume dezimierte<br />
und so die Ausbreitung des Jungwuchses<br />
förderte. Dank günstigen klimatischen<br />
Bedingungen während der letzten 15<br />
Jahren breitete sich diese Art nach Norden<br />
aus, speziell in die Provinz Britisch Columbia<br />
(westlich der Rocky Mountains), wo<br />
durch sie nun aber riesige Waldfl ächen zerstört<br />
wurden: mehr als 160’000 Quadratkilometer<br />
an Wald sind dadurch bereits abgestorben.<br />
Glücksbringer und andere Glaubens-<br />
Symbole<br />
Nochmals, Segen und Fluch – die Innigkeit<br />
des Verhältnis‘ des Menschen zu gewissen<br />
Käfern lässt sich gerade auch am Marienkäfer<br />
(Cocinella septempunctata) ablesen.<br />
Überlieferungen gemäss soll der Marienkäfer<br />
ein heiliges Tier der altnordischen Liebesgöttin<br />
Freyja gewesen sein. In Sanskrit hiess<br />
er «Hirt»; in unseren Breitengraden kennen<br />
wir für ihn Namen wie Gotteskühlein, Gotteskalb,<br />
Herrgottstierchen etc. Und wie wir<br />
wissen, ist dieser «Hirt» noch heute Symbol<br />
von Glück und Frieden, das bei geschäftlichen<br />
und gesellschaftlichen Angelegenheiten<br />
verwendet wird.<br />
Auch der Hirschkäfer (Lucanus cervus)<br />
hat im Laufe der Geschichte immer wieder<br />
Aufmerksamkeit erregt. Da der Blitz oft in<br />
einzeln stehende Eichen – des Hirschkäfers<br />
Futterbaum – einschlägt, glaubte der<br />
Mensch, dass der Hirschkäfer, als «heilige<br />
Kreatur» des germanischen Gottes Donar,<br />
Blitze anlocken würde. Nicht verwunderlich<br />
daher, dass der Hirschkäfer vielerorts auch<br />
unter dem Namen «Hausbrenner» oder<br />
«Feueranzünder» bekannt war. Die über ihn<br />
kursierenden Geschichten waren entsprechend:<br />
so wurde beispielsweise erzählt, der<br />
Hirschkäfer hebe mit seinen Zangen glühende<br />
Kohle auf, um sie auf Hausdächer – damals<br />
meist aus Stroh — zu tragen. Aber<br />
auch positive Eigenschaften wurden ihm zugeschrieben:<br />
wer in Bayern einen Kopf dieses<br />
Käfers in seiner Tasche trug, konnte auf<br />
Reichtum hoffen. Dieser Glaube hält sich in<br />
Bayern in gewisser Weise bis heute: im Freistaat<br />
sind jene nicht selten, die am Gurt ein<br />
aus dem Kopf des Hirschkäfers gefertigtes<br />
Schmuckstück tragen! ■<br />
Brasilianischer Bockkäfer (Pyrodes pulcherrimus), Südamerika.<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Insekten<br />
Bockkäfer (Rosenbergia weiskei), Papua Neuguinea.<br />
* Dr. Michel Brancucci, 1950 in Delémont geboren, arbeitet<br />
als Konservator der Biowissenschaften am Naturhistorischen<br />
Museum Basel, dem er von 1981–<br />
2002 auch als stellvertretender Direktor gedient hat.<br />
Nebst anderem treibt er, als leidenschaftlicher Entomologe,<br />
in Laos (Südostasien) das von ihm initiierte<br />
Projekt zur Erforschung der Diversität der Käferfauna<br />
dieses Landes voran. Es könnte ein Wettlauf mit der<br />
Zeit sein: Michel Brancucci sieht die Wälder von Laos<br />
in akuter Gefahr. In Folge der gegenwärtigen, aus rein<br />
ökonomischen Interessen betriebenen Ausbeutung<br />
der Urwälder (Holz, Gold, etc.) dürften diese, die<br />
noch vor 30 Jahren nahezu unberührt waren, in naher<br />
Zukunft bereits zerstört sein.<br />
NATURFREUND 4/2012 7
UNTERWEGS<br />
Onsernone<br />
Am Anfang waren Dornen, Nesseln und eine Ruine<br />
Zweite Heimat Onsernone-Tal<br />
Einerseits die Auswanderer; bezüglich Onsernone-Tal eine eigene, eine lange<br />
Geschichte. Und andererseits die Zuwanderer, die um 1970 herum gekommen<br />
sind; etliche von ihnen sind wieder gegangen. Anfänglich hatten die Einheimischen<br />
diese «Aussteiger» als Cappelloni bezeichnet, als die Langhaarigen.<br />
Und da waren/sind jene, die sich im Tal ein Ferienparadies aufgebaut haben,<br />
oder vielleicht gar eine zweite Heimat. Der heute 86-jährige Andreas<br />
Haller-Roulin, ein gebürtiger Aargauer, ist einer von ihnen.<br />
Er ist, mit seiner Familie, im Sommer 1975<br />
erstmals ins Onsernone gereist.<br />
8 NATURFREUND 4/2012<br />
Fotos: Michael Buholzer
Dort wo der Clown Dimitri (1935 in Ascona<br />
geboren) sein Teatro eigerichtet<br />
und seine Scuola Teatro gegründet hat, dort<br />
zweigt die Strasse ab ins Onsernone-Tal.<br />
Dieses Dorf an der Centovalli-Bahnlinie (Locarno-Domodossola)<br />
heisst Verscio, und im<br />
nächstfolgenden Dorf, in Cavigliano, beginnt<br />
der Anstieg ins Onernone-Tal. Gleich<br />
am Anfang dieser Strassensteigung hat sich<br />
linkerhand der Granit-Händler Pollini eingenistet;<br />
und also hat man hier bereits eine<br />
erste Besonderheit dieses Tals vor sich: den<br />
Onsernone-Gneis. Heute wird dieser Stein<br />
zuhinterst im Vergeletto-Tal abgebaut, einem<br />
Seitental des Onsernone, und von dort in<br />
Tonnen schweren Stücken per Lastwagen<br />
(mit bis zu fünf Achsen) auf bisweilen<br />
schma ler Strasse zur Weiterverarbeitung<br />
und zum Verkauf hierher nach Cavigliano<br />
transportiert. Der Bau für diese Strasse ab<br />
Verscio, respektive ab Cavigliano hinein ins<br />
Onsernone-Tal (bis Russo) wurde übrigens<br />
Zur Geschichte der Piva: Andreas<br />
Haller berichtet<br />
Wie habt ihr diesen verlorenen Winkel im hintersten<br />
Zipfel der <strong>Schweiz</strong> überhaupt gefunden?<br />
So oder ähnlich werde ich oft gefragt, wenn ich<br />
von unserer Piva im Onsernone-Tal erzähle. Eigentlich<br />
gibt es darauf zwei Antworten. Zum Ersten:<br />
Wir haben nie nach einem Rustico im Tessin<br />
gesucht, denn wir hatten uns bereits im Bündnerland<br />
ein Feriennest zurechtgemacht. Das Angebot<br />
ist uns sozusagen zugefallen – und wir<br />
brauchten nur zuzugreifen. Zum Zweiten: Die Suche<br />
nach dem angebotenen Haus hatte seine Tücken.<br />
Wir fanden nach beschwerlicher Suche<br />
zwar ein Haus, erwarben es, begannen uns einzurichten,<br />
und dann, ja dann kam die grosse Überraschung...<br />
Nun aber der Reihe nach!<br />
Nach etlichen Ferienwochen im Bündnerland, wo<br />
ich für unsere Familie ein baufälliges Blockhaus<br />
gemietet und selber ausgebaut hatte, war das<br />
Angebot einer preisgünstigen Ferienwohnung im<br />
für uns noch fremden Onsernone-Tal verlockend.<br />
Mit den Kindern zusammen bewanderten wir<br />
1975 zwei Wochen lang Dörfer und Alpen, sammelten<br />
Heidelbeeren auf Pian secc und suchten<br />
Kastanien in Crana. Es waren Traumferien. Wobei<br />
mir eigentlich erst im Nachhinein so richtig bewusst<br />
wurde, dass wir uns dabei ausschliesslich<br />
auf der Bergseite oberhalb der Fahrstrasse bewegt<br />
hatten. Da oben gab es gepflegte Wanderwege<br />
und Wegweiser, und die zeigten alle bergwärts.<br />
Der bewaldete Hang unterhalb der Dörfer<br />
jedoch, das ganze Gebiet bis hinunter zum Fluss,<br />
war offenbar eine allgemein gemiedene Zone.<br />
Ein Jahr später erreichte uns die Mitteilung,<br />
dass für die uns bekannte Ferienwohnung in<br />
Spruga ein Käufer gesucht würde. Nichts für uns,<br />
dachte ich. Eine Wohnung mitten im Dorf hat zu<br />
erst im Jahre 1849 in Angriff genommen;<br />
dem damals noch jungen Kanton Tessin<br />
(1803 gegründet) fehlten zuvor die nötigen<br />
Mittel; und Vorrang hatten eh die Hauptachsen,<br />
respektive die Gotthardstrasse.<br />
Gut 20 Strassen-Kilometer sind es von<br />
diesem Taleingang bis nach Spruga, dem<br />
letzten Dorf des Tals. Man steigt dabei, von<br />
Verscio herkommend, um rund 900 Höhenmeter<br />
(lässt sich auch bestens per Velo «machen»).<br />
Aber das ist Nebensache; ans Herz<br />
gehen einem vielmehr die Ein- und Ausblicke,<br />
die sich einem von Kurve zu Kurve bieten<br />
(Einheimische sagen, es seien über 300<br />
Kurven bis hinauf nach Spruga). Und ans<br />
Herz gehen einem die Begegnungen, die<br />
sich während so einer kleinen Reise ergeben.<br />
Andreas Haller-Roulin, der im Sommer<br />
1975 mit seiner Frau Klara und den damals<br />
noch kleinen Kindern erstmals diese Strecke<br />
hochgefahren ist, weiss 1000 Geschichten<br />
darüber zu erzählen. Er kennt den alten An-<br />
wenig Freiraum für unsere 5-köpfige Familie. Ich<br />
fragte nach dem gesamten Inventar und fand<br />
darin tatsächlich den vielsagenden Vermerk «Casa<br />
colonica inabitabile alla Piva». Auf meine Fragen<br />
wurde mir erklärt, es handle sich um einen baufälligen<br />
Stall mit Wohnteil (im Hang unterhalb<br />
des Dorfes). Um diesen zu suchen – der Vermittler<br />
hatte ihn trotz eifriger Bemühung nicht gefunden<br />
–, um überhaupt durchzukommen sei allerdings<br />
ein Buschmesser erforderlich! Diese<br />
Aussage stachelte mich an; mit meiner Frau zusammen<br />
fuhr ich erneut nach Spruga. Bei einem<br />
nachtschwarzen Espresso versuchte ich mit dem<br />
betagten Wirt ins Gespräch zu kommen. Ja, ja, er<br />
kenne den Eigentümer bestens. Das Haus sei<br />
leicht zu finden, es stehe nahe zum Fluss, das<br />
Dach verlaufe wie das Tal, und der Hausteil talabwärts<br />
gehöre besagtem Eugenio. Dann beschrieb<br />
er uns den Weg und benutzte dafür sogar das<br />
Wort «Strada»! Das kann sicher nicht fehl gehen.<br />
Wir brachen auf...<br />
Bereits nach den ersten Schritten unserer Expedition<br />
verwies uns ein zähnefletschender<br />
Maulesel auf einen Umweg durch die wildwuchernden<br />
Brennesseln. Über die anschliessende<br />
Wiese konnten wir einem schwach erkennbaren<br />
Vom Land leben: Bergbauer Philippe Räber sorgt vor für einen langen Winter.<br />
UNTERWEGS<br />
Onsernone<br />
tonio und den Mario und den Luigo, er<br />
weiss um die Vipern, Ottern und Blindschleichen<br />
des Tals, er hat hautnah Bekanntschaft<br />
gemacht mit Siebenschläfern, hat die<br />
Raffi nesse von Waldmäusen kennengelernt,<br />
er hat Zuwanderer aus Deutschschweizer<br />
Städten kommen und gehen sehen, hat hier<br />
um das Leben seiner Frau gebangt (die nach<br />
einem Überraschungsangriff an Kopf und<br />
Oberkörper 15 Wespenstiche aufwies), und<br />
er hat sich über die Jahre aus einer einst von<br />
Sträuchern und Dornen umwucherten<br />
Steinruine ein Haus aufgebaut, eine temporäre<br />
Bleibe. Dieses Engagement zeugt einerseits<br />
von viel handwerklichem und praktischem<br />
Geschick, und andererseits von Mut<br />
und beträchtlicher Durchhaltekraft. Einem<br />
Diakon (dies die offi zielle Berufsbezeichnung<br />
Andreas Hallers; siehe Kasten Seite 10)<br />
traut der viel zitierte Volksmund und<br />
Stammtisch derlei Fähigkeiten meist nicht<br />
gerade auf Anhieb zu. hg.<br />
Pfad folgen, verloren aber jede Übersicht, als die<br />
angebliche Strada unter hüfthohen Farnkräutern<br />
verschwand. Wir folgten der Falllinie, turnten von<br />
Absatz zu Absatz, kämpften mit Dornen und<br />
scheinbar undurchdringlichen Büschen. In jenem<br />
kritischen Moment, als wir die Orientierung verloren<br />
hatten und meine Frau vernehmlich zur<br />
Umkehr mahnte, stand ich zu meiner Überraschung<br />
auf einem dem Hang entlang laufenden<br />
stark überwucherten Pfad. Wir pirschten taleinwärts<br />
bis zu einer als Brücke dienenden Granitplatte.<br />
Auf deren nassen Oberfläche glitt ich aus<br />
und unversehens lag ich platt auf dem Bauch mit<br />
dem Kopf über dem Abgrund. Glück gehabt! Unser<br />
Weg fiel von hier weg – durch dichten Baumbestand<br />
führend – steil ab in Richtung Fluss. Einige<br />
Minuten später standen wir unvermittelt<br />
vor einem gut erhaltenen Haus und bald vor einem<br />
zweiten. Aber keines entsprach der Beschreibung<br />
des Wirts in der Osteria. Dann folgten<br />
zu rechter Hand zwei Ruinen, in deren Inneren<br />
bereits Bäume wuchsen. Wenige Schritte später<br />
blieben wir wie angewurzelt stehen. Direkt unter<br />
uns gewahrten wir durch das Dickicht junger<br />
Eschen ein dunkles Steindach. «Unser Haus», riefen<br />
wir wie aus einem Mund. Die erste Besichti-<br />
NATURFREUND 4/2012 9
UNTERWEGS<br />
Onsernone<br />
gung stimmte uns euphorisch: Es war tatsächlich<br />
ein Doppelhaus mit zwei Wohnräumen, nahe<br />
beim Bach gelegen, richtig positioniert und ohne<br />
irgendwelche Wasserschäden. Auf dem Dachboden<br />
lag sogar noch Heu. Einzig die rings ums<br />
Haus laufende Laube, welche als Zugang zu den<br />
zwei massiven Eingangstüren diente, war morsch<br />
und ächzte bedrohlich unter unseren Füssen.<br />
Nach dem ersten Augenschein stiegen wir zum<br />
Fluss, dem Isorno hinunter und waren überwältigt<br />
von der uns umgebenden Schönheit und<br />
Wildheit der Natur, dem Spiel des glasklaren<br />
Wassers. Minutenlang sassen wir trotz leichten<br />
Regens stumm und staunend auf einem Steinblock.<br />
Unser Entschluss war gefasst: Hierher kehren<br />
wir wieder zurück!<br />
Erwachen auf dem Municipio in Comologno<br />
Im Spätherbst 1976 wurde der Kauf getätigt. Ein<br />
pensionierter in Bern lebender Spruganerbürger<br />
überliess uns auch den zweiten Hausteil samt<br />
Umschwung zu einem Spottpreis. Als stolze<br />
Hausbesitzer fuhren wir fortan verschiedentlich<br />
hin, trugen allen häuslichen Unrat auf eine Depo-<br />
Andreas Haller Roulin<br />
Andreas Haller-Roulin (86), der hier von seinen<br />
erlebnisreichen Zeiten im Onsernone-Tal<br />
erzählt, lebt heute mit seiner Gemahlin in<br />
Gwatt am Thunersee. Er ist, der sich in seinem<br />
Erstberuf zum Feinmechaniker hatte<br />
ausbilden lassen, reformierter Diakon und gehört<br />
der Diakonenschaft von Greifensee an.<br />
Diese ist heute als Verein konzipiert, früher<br />
war sie eine zentral geführte Brüderschaft,<br />
ähnlich einem Laienorden auf katholischer<br />
Seite. Während seiner 40-jährigen Berufstätigkeit<br />
wirkte Andreas Haller u.a. als «Assistente<br />
sociale» auf einer Gebirgsbaustelle im<br />
Tessin (Maggia-Tal), sieben Jahre als Gemeindediakon<br />
in einer Stadt-Kirchgemeinde (Zürich),<br />
21 Jahre im <strong>Schweiz</strong>erischen Wohn-<br />
und Arbeitsheim für Körperbehinderte in<br />
Gwatt und acht Jahre im Diakonenhaus Greifensee,<br />
wo er diverse Führungs- und Planungsaufgaben<br />
erfüllte. Wo es, in all diesen<br />
40 Jahren, jeweils auch um Bau-Fragen ging,<br />
da war Andreas Haller stets der dafür zuständige<br />
Mann. Sein ausgeprägter Sinn für praktisches<br />
Denken und Arbeiten, sein Erfindungsgeist<br />
und seine «Tüfteler-Natur» sind<br />
legendär.<br />
Das Haus in der Piva: Andreas Hallers Werk.<br />
10 NATURFREUND 4/2012<br />
nie, erkundeten die Umgebung und schliefen auf<br />
dem leicht angegrauten Heu. Bei unserem dritten<br />
Aufenthalt im Frühjahr machte ich einen Antrittsbesuch<br />
auf dem Municipio, der Gemeindeverwaltung<br />
in Comologno. Der Sekretär empfing<br />
mich freundlich und führte mich zum Grundbuchplan.<br />
Sein Finger zeigte auf einen bestimmten<br />
Punkt und er erklärte mir, hier dieses Rechteck<br />
sei unser Haus. Ich versuchte, ihm klar zu<br />
machen, es liege näher beim Fluss und wies auf<br />
einen anderen Punkt. Nun, natürlich war der Segretario<br />
im Recht! Meine Frau hatte im Freien auf<br />
mich gewartet. Auf meine Mitteilung reagierte sie<br />
mit schallendem Lachen. Allfällige Zeugen dürften<br />
sich gewundert haben über das nicht enden<br />
wollende Gelächter zweier auf einer Mauer sitzenden<br />
Deutschschweizer.<br />
Wie dem auch sei, aufgrund des Planes fanden<br />
wir auf dem Rückweg schliesslich das richtige<br />
Haus, «unser Haus»! Es lag etwas höher am Hang<br />
und glich dem zuerst belegten Haus wie ein Ei<br />
dem andern. Nur in einem entscheidenden Punkt<br />
unterschieden sie sich: Haus Nr. 2 war in seinem<br />
Innern völlig morsch und vom Holzwurm zerfressen.<br />
Doch der Gedanke ans Aufgeben währte<br />
nicht lange. Wir entschieden, uns auf das Abenteuer<br />
einzulassen. Der Dachstuhl und die Natursteinbedachung<br />
liessen sich dank der fachkundigen<br />
Arbeit eines einheimischen Maurers (es war<br />
Romano!) in der bestehenden Form retten. Das<br />
Mauerwerk wies breite Risse auf, die ich selber<br />
ausflicken konnte. Alle Balken aber und die Böden<br />
mussten wir herausbrechen; und was die hölzerne<br />
Laube betraf, so fiel diese mehr oder weniger<br />
von selbst in die Tiefe…(…).<br />
Ein Haus in «plain-nature» ist eine Daueraufgabe!<br />
Diesbezüglich vielleicht ein paar Worte zum<br />
Thema Trinkwasser. Anfänglich holten wir unser<br />
Wasser in Bidons aus einem Bach. Später zogen<br />
wir Kunststoffleitungen, und wir übten uns im<br />
Bau von Wasserfassungen. Heute beziehen wir<br />
das Wasser aus einem Bergbach hinter Spruga.<br />
Durch eine 500 Meter lange Leitung werden zwei<br />
Brunnen gespiesen, das Trinkwasser mithilfe von<br />
Kathadinfiltern gereinigt. Und zum Thema elektrische<br />
Energie: Die Piva ist ohne Stromanschluss.<br />
Die Abende erhellten wir durch Kerzen- und Petrollicht<br />
und kochten auf selbstgebauten Holzherden,<br />
die auch für die Raumheizung ihren Beitrag<br />
lieferten. Und zur Toilette: bis vor wenigen Jahren<br />
behalfen wir uns mit Camping-WCs. Und da wir<br />
in den Küchen absichtlich kein fliessendes Wasser<br />
installiert haben, fällt nur eine minime Menge<br />
Abwasser an. Mittlerweile ist die Piva mit einer<br />
Öko-Toilette ausgerüstet.<br />
Von Schlangen, Wespen und Siebenschläfern<br />
Wenn ich in unseren Anfangsjahren (ab 1976)<br />
oben im Dorf (Spruga) erzählte, wir seien an der<br />
Arbeit, die Piva wieder bewohnbar zu machen, reagierte<br />
männiglich mit Freude und manch eine<br />
Grossmutter begann aus (noch) früheren Zeiten<br />
zu erzählen. So erfuhren wir, dass noch bis in die<br />
1950er Jahre mindestens vier jener Häuser am<br />
Hang unterhalb des Dorfes während der Sommermonate<br />
durch Familien belegt gewesen seien.<br />
Und sie, die eine dieser Grossmütter, schilderte<br />
uns, wie damals die Kinder aus dem Dorf unten<br />
am Fluss gespielt hätten – aber heute (1976) getraue<br />
man sich nicht mehr da hinunter, das sei<br />
alles verwildert, ja wegen der vielen Schlangen<br />
gar lebensgefährlich; «Vipere sind giftig», rief sie<br />
mit ausfahrender Armbewegung.<br />
Vorsichtshalber besorgten wir uns damals also<br />
auch ein Schlangenserum. Wir mussten indes nie<br />
davon Gebrauch machen, obwohl wir im Laufe<br />
der Jahre zahlreichen Vipern und Ottern begegneten.<br />
Die einzige Vorsichtsmassnahme bestand<br />
darin, dass wir das Barfussgehen im Freien unterliessen.<br />
Leider aber hatten wir nicht daran gedacht,<br />
ein Mittel gegen Wespenstiche einzupacken!<br />
Es war im Sommer 1978, als meine Frau<br />
unweit der Piva unvermittelt von einem Wespenschwarm<br />
angegriffen wurde. Fürs erste rettete sie<br />
sich dadurch, dass sie spontan ihre Bluse über<br />
den Kopf zog und diese von sich warf. Die Wespen<br />
liessen sich täuschen und blieben bei der<br />
Bluse zurück, während sich meine Frau ins Haus<br />
flüchten konnte. 15 Einstiche an Kopf, Hals und<br />
Oberkörper habe ich gezählt – eine bedrohliche<br />
Situation! Die rund 200 Höhenmeter von unserer<br />
Piva hinauf zum Dorf, und damit zum nächsten<br />
Telefon, habe ich weder vorher noch nachher je<br />
schneller geschafft als damals! Und wir erachten<br />
es noch heute als ein Wunder, dass ich im Dorf<br />
von einer mir bis dahin unbekannten alten Frau<br />
(es war die gute Divina!) genau jenes Medikament<br />
(Sandosten) erhalten konnte, das mir die<br />
Ärztin vom Nottelefon des toxikologischen Insti-
Die Dörfer des Onsernone-Tals, angefangen von<br />
Auressio bis nach Spruga, liegen allesamt auf der<br />
linken Seite des Isorno. Im Vordergrund Loco.<br />
tuts genannt hatte. Seither liegt in unserer Apotheke<br />
eine Packung Calcium. Auf Schlangenserum<br />
jedoch verzichten wir.<br />
Mit dem Urbewohner alter Tessiner Häuser<br />
machten wir übrigens umgehend Bekanntschaft.<br />
Wenn es mitten in der Nacht in der Küche ru-<br />
Onsernone und die Welt<br />
Es gibt vieles, das einem in Comologno ins Auge<br />
sticht. Dazu gehören die diversen Palazzi, der<br />
Campanile, der Friedhof (von wo sich ein wunderbarer<br />
Blick talauswärts bietet), und dazu gehören<br />
die diversen Wandmalereien im Dorf, die<br />
1962 in einer durch die «Amici di Comologno»<br />
angeregten Aktion durch Künstler aus Lugano,<br />
Locarno und Bellinzona angebracht worden<br />
sind. Eines davon, es ist jenes von Emilio Rissone,<br />
und es prangt an der Fassade des Casa Comunale,<br />
thematisiert ein Phänomen, das absolut<br />
prägend war und ist für dieses Dorf, respektive<br />
für das gesamte Onsernone: die Auswanderung<br />
(Foto unten). Während es sich dabei in früheren<br />
Jahrhunderten um eine meist saisonale Emigration<br />
gehandelt hatte (die Männer belieferten<br />
italienische Märkte mit Strohhüten), setzte ab<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts (mit dem Niedergang<br />
besagter Strohindustrie) eine eigentliche<br />
Ab- und Auswanderungswelle ein. Die Bevölkerungszahl<br />
von Comologno etwa schrumpfte von<br />
687 im Jahre 1888 auf 352 im Jahre 1955. In<br />
Berzona (wo sich nebst dem Schriftsteller Max<br />
morte, wenn Konservendosen und Pfannendeckel<br />
zu Boden schepperten, dann waren die Siebenschläfer<br />
am Werk. Erst glaubten wir, sie vertreiben<br />
zu können. Mit der Zeit mussten wir akzeptieren,<br />
dass diese putzigen Tierchen hier die<br />
Hausherren, wir aber die Eindringlinge sind, die<br />
sich anzupassen haben. Mit den Jahren entwickelte<br />
sich ein nahezu freundschaftliches Verhältnis.<br />
Sassen wir abends Karten spielend um<br />
den Tisch, hiess es mitunter «er kommt» und aller<br />
Blicke richteten sich auf die Garderobe, wo wie<br />
von Geisterhand ein Hut nach dem andern zu<br />
schaukeln begann, bis ein Siebenschläfer auf dem<br />
Cheminéerand erschien, sich in Position setzte<br />
und uns mit seinen schwarzen Spickeraugen unverwandt<br />
beäugte. Wie soll ich ihn beschreiben?<br />
Die Grösse entspricht einer Feldmaus, er ist graubraun<br />
und sein besonderes Merkmal ist sein etwa<br />
12 Zentimeter langer buschiger Schwanz, der ihm<br />
beim Springen als Steuerruder dient. Kurz vor 22<br />
Uhr jeweils versammelten wir uns im Freien zur<br />
Galavorstellung. Stets zu genau gleicher Zeit erschien<br />
der erste Akteur auf dem Dachbalken,<br />
machte einen Sicherheitshalt, sprang auf die<br />
Dachkante, blieb einen Moment lang unbeweglich<br />
und beobachtend sitzen. Und dann sprang er,<br />
mit einem kühnen Sprung hinüber in die Esche,<br />
Frisch auch Golo Mann und Alfred Andersch<br />
einquartiert hatten) reduzierte sich die Einwohnerzahl<br />
zwischen 1860 und 1900 um 42%, in<br />
Russo um 34% (in Russo findet sich heute das<br />
für das Tal so eminent wichtige Centro Sociale<br />
Onsernonese). Aufs gesamte Valle bezogen: im<br />
Jahre 1870 lebten 3470 Personen ganzjährig im<br />
Tal, 1941 waren es noch 1730. In der Fremde<br />
bewährten sich viele dieser Auswanderer als<br />
Gipser und Maler, davon etwa zeugen die erfolgreichen<br />
(Familien-)Unternehmen der Bezzola<br />
und Mordasini (siehe Seite 16). Zu den vielleicht<br />
schillerndsten Namen des Tals dürften die<br />
Remonda zählen (der Handwerker Carlo Remonda<br />
aus Comologno hatte es in Napoleons Diensten<br />
gar zum General gebracht), und es sind diese<br />
Remonda, die (in der Fremde zu Wohlstand<br />
gekommen) in Comologno um 1770 unter anderem<br />
den Palazzo della Barca haben erbauen<br />
lassen (der 1929 in den Besitz des Ehepaars<br />
Rosenbaum-Valangin überging und den in den<br />
1930er Jahren so bekannte Persönlichkeiten<br />
aufsuchten wie Kurt Tucholsky, Ignazio Silone<br />
Hans Arp und Ernst Toller; siehe Seite 17).<br />
Ähnliche Beispiele gibt’s auch in anderen Dör-<br />
Emigration als Dauerthema im Onsernone: Fresko am Gemeindehaus von Comologno, realisiert 1962 durch Emilio Rissone.<br />
UNTERWEGS<br />
Onsernone<br />
von wo er blitzschnell in der Finsternis verschwand.<br />
Dieses Schauspiel wiederholte sich pro<br />
Abend bis zu zehn Mal. Während der Nacht hörte<br />
man sie im Wald pfeifen und schreien. Besonders<br />
laut ging es zu, wenn sie von ihren Erzfeinden,<br />
den Mardern verfolgt wurden.<br />
…und von verliebten Kröten und cleveren<br />
Mäusen<br />
An Regentagen begegneten wir unterwegs den<br />
leuchtend schwarzen Feuersalamandern, die<br />
durch ihre hellgelb geflammte Zeichnung auffallen.<br />
Sie nahmen jeweils kaum Notiz von uns, und<br />
sie gingen im Zeitlupentempo ihres Weges. Unerfahrene<br />
oder ängstliche Wanderer können mit<br />
Abscheu reagieren, wenn sie in der Dämmerung<br />
einer grauen Erdkröte in der Grösse einer Männerfaust<br />
begegnen. Doch es ist kurzweilig, sie zu<br />
beobachten, wie sie sich ausstrecken und mit<br />
Leichtigkeit Hindernisse von einem halben Meter<br />
Höhe überwinden. Einmal stiess ich da unten auf<br />
ein laichendes Krötenpaar. Ich ortete die beiden<br />
am Flussufer im Huckepack vereint, bewegungslos<br />
in schuhtiefem Wasser. Vom Weibchen weg<br />
schaukelte eine mindestens zehn Meter lange<br />
fern des Tal, also finden sich herrschaftliche<br />
Häuser auch in Russo und Loco, und oft waren<br />
es ebenfalls Auswanderer, die für die Dekoration<br />
ihrer Heimatkirchen aufgekommen sind; so<br />
etwa verfügt die Pfarrkirche von Loco über ein<br />
Gemälde des belgischen Malers Godfried Maes<br />
(geboren 1649), und in Monsogno findet sich<br />
eines des französischen Malers Pierre Bergaigne.<br />
Auffallend: etliche dieser Auswanderer haben<br />
sich nach ihrem Tod in der heimatlichen Erde<br />
bestatten lassen; diesbezüglich besonders ins<br />
Auge stechend: das Granit-Mausoleum der Remonda<br />
auf dem Friedhof von Comologno. Es ist<br />
dies zudem eine weitere Besonderheit des Onsernone-Tals,<br />
dass über all die Zeiten trotz massiver<br />
Ab- und Auswanderung relativ wenig<br />
Grundeigentum an Aussenstehende veräussert<br />
wurde. So sind es heute oft die Nachfahren<br />
der einst Ausgewanderten, die ins Tal zurückkehren<br />
– wobei die meisten davon bloss temporär;<br />
sie kommen in die ehemalige Heimat, renovieren<br />
ihre alten Häuser und geniessen die<br />
geruhsamen Seiten des Lebens. hg.<br />
Foto: Herbert Gruber<br />
NATURFREUND 4/2012 11
UNTERWEGS<br />
Onsernone<br />
Onsernone und das Stroh<br />
Gut 300 Jahre lang, bis gegen Ende des 19.<br />
Jahrhunderts, war die Strohmanufaktur für das<br />
Onsernone von zentraler Bedeutung. Frauen,<br />
Männer und Kinder waren in Anbau des Rohstoffs<br />
(Roggen), in die Produktion (Hüte, Taschen<br />
etc.) und den Vertrieb der Waren involviert.<br />
Letzterer war das Geschäft der Männer,<br />
die das Tal jeweils im Frühling in grosser Zahl<br />
Am Anfang war der Roggen…<br />
verliessen (saisonale Emigration) und von ihren<br />
Touren über die Märkte in Italien und Frankreich<br />
und der französischen <strong>Schweiz</strong> erst im<br />
Herbst zurückkehrten (Exporte gelangten später<br />
bis nach Amerika). Ausführlich dargestellt<br />
wird die Geschichte dieser Strohindustrie im<br />
Museo Onsernonese in Loco. In der Talschaft<br />
hat diese zeitweise für einen gewissen Wohlstand<br />
gesorgt (davon zeugen einerseits die<br />
herrschaftlichen Häuser des Tals und andererseits<br />
die Ausstattungen einzelner Kirchen, so<br />
etwa in Loco), indes konzentrierte sich der<br />
Reichtum bald auf wenige Familien. Um welche<br />
Mengen es sich bei der Produktion sehr bald<br />
schon gehandelt hat, belegt ein Dokument: am<br />
15. März 1757 versuchten vier Händler aus<br />
Loco, 10’000 Strohhüte aus dem Tal zu<br />
schmuggeln; dazu hatten sie 44 Träger angeheuert.<br />
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts jedoch<br />
hatte diese «Industria della Paglia» ihre<br />
Stellung vollständig und unwiderruflich verloren,<br />
und das Handwerk als solches drohte in<br />
Vergessenheit zu geraten. Eine Art Renaissance<br />
(wenn auch mengenmässig im bescheidenen<br />
Rahmen) hat nun eine Gruppe von Frauen eingeleitet:<br />
unter den Namen PagliArte hat diese<br />
Gruppe das Handwerk der Paglia im 2005 wie-<br />
Vom geflochtenen Stroh zum Hut.<br />
Im Atelier in Berzona: Francesca Mancini.<br />
der aufgenommen. Das Atelier der Gruppe findet<br />
sich in Berzona im ehemaligen Gemeindehaus;<br />
noch bis Ende Oktober ist dieses jeweils<br />
dienstags von 9.30 bis 11 Uhr geöffnet,<br />
Tel. 091 797 17 06. hg.<br />
Und es gibt auch Körbe… …und Kurse. Infos: www.pagliarte.ch<br />
12 NATURFREUND 4/2012<br />
Fotos: Michael Buholzer<br />
Laichschnur im Widerwasser. Das dürfte ein Festessen<br />
für die Forellen abgegeben haben!<br />
Apropos Waldmäuse! Vor Jahren erlebten wir<br />
eine eigentliche Invasion dieser Tiere. Als erstes<br />
Anzeichen davon bemerkte ich ein Loch im Deckel<br />
meines Ölbidons (fürs Kettenöl). Beim Öffnen<br />
des Bidons fand ich zu meinem Erstaunen darin<br />
15 tote Mäuse. Und alsbald entdeckten wir sie<br />
auch rund ums Haus, und bereits nach wenigen<br />
Tagen wimmelte es von haselnussbraunen, mit<br />
einem weissen Rabättchen dekorierten Mäusen.<br />
Sie drangen zum Glück nicht in die Wohnräume<br />
ein. Aber ausserhalb frassen sie so ziemlich alles:<br />
Die Salatsetzlinge im Garten verschwanden über<br />
Nacht und sogar die Himbeeren holten sie von<br />
den Stauden. Um sie genau beobachten zu können,<br />
baute ich einen Käfig mit einer Klapptüre<br />
und streute reichlich Futter hinein. Schon nach<br />
kurzer Zeit tummelten sich darin drei Mäuse,<br />
dann waren es nur noch zwei, dann wieder vier!<br />
Ich staunte über die Intelligenz dieser Tierchen:<br />
Nach genossener Mahlzeit kehrten sie zur Klappe<br />
zurück, packten sie mit den Zähnen an einer unteren<br />
Ecke, öffneten sie rückwärtsgehend und<br />
rannten dann schneller als die Klappe schliessen<br />
konnte, ins Freie. Übrigens, die Mäuse verschwanden<br />
so schnell, wie sie gekommen waren;<br />
sie überlebten den folgenden Winter nicht.<br />
Rehe und Gämsen beobachteten wir oft. Ich<br />
will jedoch nicht von ihnen erzählen, sondern<br />
von einem Vogel, einem Sonderling, den ich<br />
nachts gehört aber persönlich nie sah. Ich meine<br />
den Nachtkauz. Sein melancholischer Ruf lässt<br />
keinen Hörer unberührt. Das langgezogene «Uhhuuu»<br />
geht in die Knochen und kann durchaus<br />
ein Gruseln auslösen. Und natürlich lachte ich,<br />
als meine Schwägerin mir mal eines schönen<br />
Morgens berichtete, ein Nachtkauz hätte sie im<br />
Schlafzimmer belästigt (Ich vermutete hinter dem<br />
Spuk eine harmlose Fledermaus.). Jahre später<br />
aber musste ich ihr Abbitte leisten: Anlässlich einer<br />
Routinekontrolle, beim Öffnen der Eingangstüre<br />
zum leerstehenden Haus schlug meiner<br />
Schwiegertochter ein unsägliches Gerumpel und<br />
Gesause entgegen. Ein veritabler Nachtkauz flatterte<br />
verzweifelt vom Bücherbrett zum Kochherd,<br />
haarscharf an der Petrollampe vorbei um dann<br />
pfeilschnell durch die Türöffnung, hinaus ins<br />
Freie! Zurück blieben beispielloser Unrat und zerschlagene<br />
Glasdeckel. Die Spuren wiesen zum offenen<br />
Kamin, durch welches der Kauz eingestiegen<br />
sein musste. Wahrscheinlich wäre er in<br />
unserem Haus, das ihm zum Gefängnis geworden<br />
war, elend ums Leben gekommen, wäre ihm nicht<br />
der Zufall zu Hilfe gekommen.<br />
L’alluvione, Beppe und das Centro<br />
Während der 35 Jahre in denen wir regelmässig<br />
ins Tal kamen, hat sich vieles grundlegend verändert.<br />
Will ich darüber berichten, muss ich beim<br />
Fluss, dem Isorno beginnen. Es war am 5. August<br />
1978, als wir nach guten Wochen (zu denen stets<br />
auch das Planschen im Isorno gehörte) bei strahlendem<br />
Wetter aus dem Tal heimwärts Richtung<br />
Bernbiet fuhren. Keine 24 Stunden später brach<br />
über das ganze Onsernone-Gebiet eine Katastro-
phe herein. Ein grossflächiger intensiver Platzregen<br />
löste im Bereich der Landesgrenze eine<br />
Schlamm- und Steinlawine aus, die ihrerseits das<br />
Wasser aus dem italienischen Talkessel zu einem<br />
See aufstaute, bis unter dem Wasserdruck der<br />
Damm einbrach. Eine Flutwelle, die sich bei Hindernissen<br />
bis zu 10 Metern Höhe aufbäumte,<br />
donnerte das Tal hinunter und zerstörte sämtliche<br />
Brücken, darunter zahlreiche steinalte «Römerbrücken»<br />
aus Natursteingewölben. Eine Woche<br />
später sassen wir mit Tränen in den Augen<br />
am Flussufer, zu unseren Füssen eine Steinwüste,<br />
als wie wenn ein Riesentrax durchs Tal gefahren<br />
wäre. Unser Haus war heil geblieben und auch<br />
das Dorf Spruga hatte keine Schäden erlitten. Im<br />
Weiler Capellino jedoch war knapp unter dem<br />
letzten bewohnten Haus ein Sturzbach direkt in<br />
der Falllinie zu Tal gestürzt. An dieser Stelle hatte<br />
ich vorher drei Wochen lang unser Auto parkiert.<br />
Ein Tessiner Familienvater aber, der sein unweit<br />
davon abgestelltes Auto retten wollte, wurde von<br />
den tobenden Elementen mitgerissen und unauffindbar<br />
verschüttet. Übrigens: dieses Ereignis, dieses<br />
Unwetter, dieses «alluvione» soll es gewesen<br />
sein, das Max Frisch (der weiter vorne im Tal, in<br />
Berzona, einige Jahre gelebt hat) zu einer entspre-<br />
Mann der Tat: Gisueppe Savary, Talarzt.<br />
Auf dass die Menschen im Tal bleiben können: das Centro Sociale Onsernonese.<br />
chenden Schilderung in seiner Erzählung «Der<br />
Mensch erscheint im Holozän» inspiriert habe.<br />
Beträchtlich auch die Veränderungen am<br />
Wald- und Felshang unterhalb des Dorfes Spruga.<br />
Wie erwähnt, war dies vor 30 Jahren ein Dickicht<br />
von Dornen und Haselstauden! Diese sind<br />
heute fort, die aufstrebenden Eschen- und<br />
Ahornbäume hatten ihnen das Sonnenlicht weggenommen.<br />
Nun indes geraten diese selber in<br />
Bedrängnis – «Nutzniesser» sind die gegenüber<br />
Schatten unempfindlichen und langsam aufstrebenden<br />
Eichen. (…).<br />
Als wir 1976 ankamen, war Comologno mit<br />
seinen Weilern Capellino, Gorbella und Vocaglia<br />
inklusive Spruga eine selbständige politische Gemeinde<br />
mit einem durchgehend geöffneten Municipio.<br />
Und Spruga wie Comologno hatten je<br />
eine eigene Post und einen eigenen Lebensmittelladen<br />
(wo unter dem Ladentisch auch Medikamente<br />
verkauft wurden). In Spruga hatte man<br />
zudem die Wahl, den Durst an drei verschiedenen<br />
Orten zu stillen. Und in der «Bellavista» wurde sogar<br />
durchgehend warmes Essen serviert. Heute<br />
ist in Spruga einzig die Osteria übrig geblieben,<br />
während sich in Comologno (nebst dem Restaurant<br />
«Alla Posta») mit dem «Palazign» (gehört zum<br />
Gästehaus La Barca) eine Speisewirtschaft der<br />
gehobeneren Klasse installiert hat. Der Lebensmittelladen<br />
in Spruga (nach wie vor geführt von<br />
einem jener anfänglich belächelten «Aussteiger»)<br />
hat sich auf beachtlichem Standard behaupten<br />
können. Wie andernorts sind aber die Postbüros<br />
geschlossen worden. Die letzte Poststelle befindet<br />
sich in Russo und öffnet den Schalter lediglich<br />
zu gewissen Stunden. (…).<br />
In Russo wurde übrigens im 1989 ein Gesundheitszentrum<br />
realisiert, das nach Konzeption und<br />
Baustil einzigartig ist und bis ins letzte Detail die<br />
Handschrift des Talarztes Giuseppe Savary trägt.<br />
Dieser wird von jedermann freundschaftlich Beppe<br />
genannt und der Kontakt zu ihm ist entsprechend<br />
persönlich und direkt. Ich erinnere mich<br />
lebhaft, wie er mit seinem Landrover, ausgerüstet<br />
mit Seilwinde, Rettungsbrett und Notfallmaterial<br />
bis in den hintersten Krachen zu Hausbesuchen<br />
oder Notfällen ausrückte. Seit Bestehen des Centro<br />
führte er daselbst gemeinsam mit seinem<br />
Bruder Bruno eine Praxis, die jedem Talbewohner<br />
auch unangemeldet offen steht. Ich selbst habe<br />
den fachkundigen Dienst erfahren dürfen, als ich<br />
eines Morgens beizeiten mit zerquetschten Fingern<br />
dort um Hilfe bat. «Warum sind Sie nicht<br />
gleich gestern abend gekommen; Sie hätten bei<br />
uns schlafen können!», das war das erste, was ich<br />
dort vernahm. Zur Praxis gehört nämlich auch ein<br />
kleines Ambulatorium und eine Physiotherapie. In<br />
den oberen zwei Stockwerken befindet sich das<br />
Alterswohnheim, ausgerüstet mit allen Pflegemöglichkeiten<br />
und baulichen Details, die das behinderte<br />
Leben erleichtern. Selbst die Schulkinder<br />
begegnen hier täglich ihren Nonnas und Nonnos,<br />
denn sie verfügen im Centro über<br />
ihren eigenen Raum, in dem sie die Mittagszeit<br />
verbringen können und ein Essen serviert erhalten.<br />
Die Talschaft hat durch das «Centro Sociale<br />
Onsernonese» in der Tat einen lebendigen Mittelpunkt<br />
erhalten.<br />
Besser? Schlechter?<br />
UNTERWEGS<br />
Onsernone<br />
Für uns gilt es, Abschied zu nehmen von Spruga.<br />
Altersbedingt haben wir unsere «Piva-Tauglichkeit»<br />
verloren. Gedanklich aber werden wir dem<br />
«Dorf an der Grenze», wie es im Titel des Buches<br />
von Aline Valangin heisst (die ab 1936 in der Villa<br />
«La Barca» in Comologno gelebt hat), stets verbunden<br />
bleiben. Wie die Zukunft dieses Dorfes an<br />
der Grenze aussehen mag? Als wir vor 30, 35<br />
Jahren kamen, lebte hier noch eine Generation<br />
60- bis 80-jähriger Einheimischer. Bald darauf<br />
kamen die Aussteiger, ich habe davon erzählt;<br />
viele von ihnen fielen damals durch ihr zur Schau<br />
gestelltes Nichtstun und ihre vernachlässigte<br />
Kleidung auf. Andere versuchten, sich eine eigene<br />
Existenz aufzubauen und gründeten Familien.<br />
Viele von ihnen indes verliessen das Tal wieder,<br />
einige aber wurden sesshaft. Davon zeugen der<br />
heutige Dorfladen in Spruga, die Imkerei mit 200<br />
Bienenvölkern etwas ausserhalb des Dorfes, die<br />
zwei Handwebereien, der Biogemüsegarten oder<br />
auch die Sägerei eingangs Vergeletto-Tal. Andererseits,<br />
die Kinder dieser «ersten» Generation haben<br />
ihrerseits wieder das Weite gesucht. Das einfache<br />
Leben ihrer Eltern war ihnen offenbar zu<br />
eng. Meines Wissens sind lediglich zwei Brüder<br />
im Tal geblieben und haben Familien gegründet.<br />
Derzeit lebt hier also bloss ein einziges Tessiner<br />
Kind im Schulalter – damit sieht die Zukunft von<br />
Spurga wohl eher etwas düster aus. Abwanderung,<br />
Auswanderung, das erinnert an die alten<br />
Zeiten, an jene Zeiten, als die jungen Mordasini,<br />
die Candolfi, die Gamboni oder die Bezzola aus<br />
Spruga und Comologno ausgewandert sind.<br />
Was also ist besser geworden? Nun, die Zugangs -<br />
stras se ist breiter und sicherer geworden, die<br />
Böschungen werden regelmässig gemäht, in jedem<br />
Dorf hat es eine Sammelstelle für Abfälle;<br />
zweimal im Jahr gibt es eine Grossabfuhr, die<br />
Wilddeponien in Wald und an Wegrändern sind<br />
verschwunden, und die Wanderwege sind besser<br />
unterhalten und gut markiert. Was ist besser<br />
geworden? Vielleicht taugt die Frage wenig. Vielleicht<br />
müsste es heissen: Möglichkeiten bietet<br />
dieses Tal nach wie vor!<br />
NATURFREUND 4/2012 13
UNTERWEGS<br />
Wandern<br />
Unterwegs im Onsernone-Tal:<br />
Wandertipps eines Amici della Natura<br />
Auf Schusters Rappen<br />
«Das Centovalli, das Onsernone- und das Vergeletto-Tal<br />
gehören zu meinen liebsten Wandergebieten», der dies sagt<br />
ist Alfredo Henggeler, pensionierter Vermessungstechniker<br />
und langjähriges Mitglied der NF-Sektion Lugano. Für den<br />
«Naturfreund» hat er ein paar entsprechende, mit Senioren<br />
erprobte Tourenvorschläge zusammengestellt.<br />
Wandervorschlag Nr. 1<br />
bringt einem das Vergeletto-Tal vor Augen; es<br />
ist jenes Seitental des Onsernone, in dem der<br />
viel gelobte Onserone-Gneis abgebaut wird.<br />
Ausgangspunkt dieser leichten Tagestour ist<br />
die Talstation Zott (975 m, Bushaltestelle),<br />
respektive die Bergstation der Seilbahn Alpe<br />
Salei (1780 m). Alte Hasen wie Alfredo<br />
Henggeler, respektive Kenner nehmen dazu<br />
in Intragna (Bahnstation) das 7-Uhr-30-Postauto<br />
und benutzen in Russo die Pause beim<br />
Umsteigen auf den Vergeletto-Kleinbus, um<br />
in der Dorf-Bar (der Wirt stammt ursprünglich<br />
aus Bali) einen Kaffee zu trinken. Ab<br />
Bergstation Alpe Salei (1780 m) Beginn der<br />
Wanderung, westwärts für 2 km auf nahezu<br />
ebenem Weg zu Punkt 1786; dorthin gelangen<br />
auch jene, die ab Bergstation erst den<br />
14 NATURFREUND 4/2012 1/2012<br />
Abstecher zum Laghetto Salei gemacht haben,<br />
um ein Morgenbad zu geniessen. Weiter<br />
für 1 zirka Stunde via Pièci Bachei zur<br />
Capanna der Alpe di Arena (1689 m, mit<br />
Übernachtungsmöglichkeit). Anschliessend,<br />
stets oberhalb der Waldgrenze, zur Alpe di<br />
Madei (1762 m), und nach einer weiteren<br />
Stunde zur Alpe di Porcaresc (1796 m). Von<br />
dort Abstieg, teilweise steil, 400 Höhenmeter,<br />
bis Punkt 1361 (es ist dies der für die Knochen<br />
schwierigste Teil der Tour), dann auf<br />
Holper-Strässchen an der Alpe del Casone<br />
vorbei zum Grotto bei Punkt 1110 (ebenfalls<br />
Übernachtungsmöglichkeit). Besonderes:<br />
noch vor dem Grotto, auf der linken Talseite,<br />
liegen die Steinbrüche, wo der Onsernone-<br />
Gneis abgebaut und von wo er nach Cavigliano<br />
transportiert wird. Ab Grotto auf oder neben<br />
der (asphaltierten) Talstrasse für 3 km<br />
Postautohalt in Russo: beim Umsteigen reicht‘s für einen Kaffee.<br />
bis zur Seilbahnstation Zott (975 m), respektive<br />
zur Bushaltestelle.<br />
Wandervorschlag Nr. 2<br />
führt als Tagestour über den Passo della Garina<br />
(1078 m) aus dem Onsernone- ins<br />
Maggia-Tal. Die Wanderung beginnt in Berzona<br />
(711 m, Postauto), dem zweiten Dorf<br />
im Onsernone-Tal, und Berzona ist jenes<br />
Dorf, in dem Max Frisch ab 1964 in eigenem<br />
Haus gelebt hat (am Friedhof in Berzona<br />
erinnert eine Gedenktafel an den 1991 in<br />
Zürich verstorbenen Schriftsteller), und die<br />
Wanderung über den Garina-Pass ist jene<br />
Tour, die der Protagonist in Max Frisch’s<br />
1979 erstmals erschienenen Erzählung «Der<br />
Mensch erscheint im Holozän» unternimmt.<br />
In Berzona residierten übrigens noch weitere<br />
Berühmtheiten, so u.a. die Schriftsteller<br />
Golo Mann und Alfred Andersch. Abstieg<br />
vom Passo della Garina (1078 m) nach Aurigeno<br />
(341 m), wo in Ronchini der Bus Richtung<br />
Locarno hält.<br />
Bequeme Verbindung: Vergeletto–Alpe Salei.
Wandervorschlag Nr. 3<br />
führt ebenfalls ab Berzona (711 m) oder<br />
aber ab dem Nachbardorf Loco (678 m, mit<br />
sehenswertem Kirchen-Areal und Talmuseum!)<br />
zum Passo della Garina (1078 m) und<br />
von dort auf den Salmone (1580 m). Der<br />
danach folgende mitunter steile (!) Abstieg<br />
erfolgt vorab dem Grat nach über Forcla<br />
(1382 m) und Testin (1421 m) und danach<br />
nach Vii (1126 m) hinunter nach Verscio<br />
(276 m, Bahnstation). Als Alternative empfi<br />
ehlt Alfredo Henggeler zudem die Besteigung<br />
des Salmone ab dem Dorf Auressio<br />
(620 m) und zwar via Cortone.<br />
Wandervorschlag Nr. 4<br />
gilt als 2-Tages-Tour. Diese führt aus dem<br />
Vergeletto- ins Maggia-Tal. Ausgangspunkt<br />
ist der Eingang ins Valle della Camana (ca.<br />
920 m), etwa 1,5 km hinter dem Dörfchen<br />
Vergeletto. Aufstieg durchs Seitental zur<br />
Alpe Categn (1874 m) und weiter zur Boccnetta<br />
della Doia (2168 m) und auf der anderen<br />
Seite runter zum Lago di Alzasca<br />
(1855 m) und für die Übernachtung zur<br />
Capanna gleichen Namens (1734 m). Anderntags<br />
Aufstieg zum Corte di Cima<br />
(1917 m) und zum Grat bei Punkt 2135.<br />
Abstieg zum Lao di Sascola (1740 m) und wei-<br />
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ter durch Tannenwald hinab zum Monte<br />
Morella (1259 m). Auch hier ist es das letzte<br />
Teilstück, das einem in die Knie gehen könnte:<br />
es sind die Höhenmeter von Morella di sotto<br />
(950 m) nach Rovana bei Cevio (430 m).<br />
www.naturfreunde.ch<br />
Diese und weitere Wandervorschläge von<br />
Alfredo Henggeler (z.B. von Santa Maria<br />
Maggiore im Centovalli nach Spruga, dem<br />
hintersten Dorf im Onsernone-Tal) fi nden<br />
sich in ausführlicher Beschreibung unter<br />
www.naturfreunde.ch/ueber-uns/aktuelles;<br />
wer über keinen Internetzugang verfügt,<br />
kann die Wandertipps auf der NFS-Geschäftsstelle<br />
in Bern (031 306 67 67) anfordern.<br />
Übrigens: die <strong>Naturfreunde</strong>-Sektion<br />
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Alfredo Henggeler jahrelang engagiert hat,<br />
führen nördlich von Lugano (Anreise ab<br />
Lugano per Postauto via Tesserette/Roveredo)<br />
das NF-Haus La Ginestra. In den letzten<br />
Jahren haben die Amici della Natura Lugano<br />
sehr viel in die Erneuerung des Hauses investiert;<br />
das Haus liegt auf 960 m, in bestem<br />
Wandergebiet (Pilze, Kastanien, ein nahes<br />
Kloster!) und ist garantiert autofrei.<br />
Information und Reservation:<br />
Tel. 091 941 73 09, oder via<br />
www.naturfreunde-haeuser.net. hg.<br />
Traditionelle Baukunst in Vergeletto. Ab Locarno in den «Wilden» Westen.<br />
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beim Kauf ab Fr. 200.– (einlösbar beim<br />
nöchsten Kauf ab Fr. 200.– für Bekleidung)<br />
Öffnungszeiten:<br />
Di.–Fr. 8.00–12.00/13.30–18.30,<br />
Sa. 8.00–12.00/ 13.30–16.00 Uhr.<br />
Montag geschlossen<br />
NATURFREUND 4/2012 15
UNTERWEGS<br />
Onsernone<br />
Von der Liebe des Auswanderers zur alten Heimat<br />
Comologno und Bern<br />
Einer der Familiennamen, der aufs engste mit Comologno im Onsernone verbunden ist,<br />
ist jener der Mordasini. Ein Sprössling jener Familie ist 1885 von dort ausgewandert und<br />
hat 1902 in Bern ein Malergeschäft gestartet, das heute noch floriert. Seit 1953 sind<br />
zwei der bei Bern ansässigen Mordasini-Familien zudem im Besitz des Palazzo della Barca<br />
in Comolgono; es ist dies jenes Castello, das in den 1930er Jahren zahlreichen Künstlern als<br />
Rückzugs-Oase gedient hatte, so auch Ignazio Silone, Wladimir Vogel und Kurt Tucholsky.<br />
Als Carlo Mordasini sein Heimatdorf Comologno<br />
im Onsernone verliess, um in<br />
der Fremde sein Glück zu suchen, war er<br />
knapp 13-jährig. Eine erste Station war Zürich,<br />
dann folgte Genf, wo er eine Lehre als<br />
Maler absolvierte. Danach gelangte er nach<br />
Bern und gründete 1902 mit seinem Bruder<br />
Augusto das Malergeschäft Mordasini. Dieses<br />
Geschäft (über 35 Angestellte) fi ndet<br />
sich noch heute an der gleichen Adresse: im<br />
Gebiet Wankdorf, Stade de Suisse, in Bern.<br />
Wer das Geschäftshaus der Mordasini betritt,<br />
sieht in dessen Korridor ein Fresko der<br />
Dorfansicht von Comologno. Und wer das<br />
Vergnügen hat, in diesem Haus dem 1937<br />
geborenen Orlando Mordasini gegenüber zu<br />
sitzen (der 1962 die Leitung des von seinem<br />
Grossvater Carlo gegründeten Betriebs übernommen<br />
hat), sieht sich alsbald vor einer<br />
16 NATURFREUND 4/2012<br />
Fülle von Episoden und Geschichten. Orlando<br />
ist zwar in Bern geboren (ein bekennender<br />
YB-Fan), aber sämtliche Ferien, als<br />
Schulbub und auch später noch, hat er vom<br />
ersten bis zum letzten Tag stets in Comologno<br />
verbracht. Er kannte dort jede Ecke und<br />
jeden Schleichweg (inklusive der winterlichen<br />
Rutschpartien runter zum Friedhof),<br />
sonntags diente er in der Kirche dem Pfarrer<br />
als Ministrant («am liebsten schwenkte ich<br />
das Weihrauchfass»), Comologno war für<br />
ihn der Nabel des Onsernone. Es ging weder<br />
um Loco noch um Russo! Onsernone,<br />
das bedeutete für ihn vorab und zuallererst<br />
Comologno! Und klar, da waren all die Verwandten,<br />
die Onkel, Tanten, Cousinen,<br />
Schwestern; und es gehörte sich für Klein-<br />
Orlando, diese jedes Mal alle zu besuchen,<br />
«da waren wir streng gehalten», das habe je-<br />
weils ganze Tage gedauert; und damit ist der<br />
pensionierte Malermeister mitten drin im<br />
Erzählen, und eine dieser Geschichten handelt<br />
von einer Totenwache, da war der offene<br />
Sarg mit dem Verstorbenen mitten im abgedunkelten<br />
Zimmer, überall Kerzen, ein<br />
paar Blumen, und da sind die alten Frauen,<br />
die Klageweiber, in Schwarz, von Kopf bis<br />
Fuss, sie beteten, sassen auf harten Stühlen<br />
am Sarg und beteten, «und es hing dieser<br />
Geruch in der Luft, unverkennbar, unvergesslich»<br />
und da waren die Männer, auch sie<br />
am offenen Sarg, sassen sich gegenüber, hatten<br />
sich zum Teil jahrelang nicht mehr gesehen;<br />
waren zurückgekommen, um vom Toten<br />
Abschied zu nehmen, «sie sassen am<br />
offenen Sarg, die Arme abgestützt an der<br />
Sargkante, sassen vorm Leichnam, und redeten<br />
über dies und jenes». Und einmal, so
Orte der Heimkehrer und Heimwehkranken: Kirche (Bild links) und Palazzo della Barca in Comologno.<br />
ein anderer Erinnerungsfetzen, der vor Orlando<br />
Mordasinis Auge auftaucht, «haben<br />
die Männer einen Sarg die enge Steintreppe<br />
runter tragen müssen, der Verstorbene hatte<br />
zuoberst im Haus gewohnt, und die Sargträger<br />
kamen mit dem Sarg kaum um die<br />
Ecken, das war ein Zirkeln und ein Hin und<br />
Her, «ich höre noch heute, wie es aus diesem<br />
Sarg gerumpelt hat».<br />
Schmuggler, Reis und die Grossmutter<br />
Dass vor und während des Zweiten Weltkriegs<br />
von Italien her, respektive aus dem Vigezzotal<br />
einiges an Schmuggel-Ware ins Onsernone und<br />
also in die Dörfer gelangte, ist hinlänglich bekannt.<br />
In ihren Büchern hat Aline Valangin, die<br />
ab 1929 die Sommermonate und später auch<br />
die Winter in Comologno verbrachte, wiederholt<br />
über Aktivitäten der Schmuggler geschrieben.<br />
«Sie brachten uns von allem und in Massen:<br />
Suppenwürze, Regenmäntel und Regen -<br />
schirme, Ballen Stoff für Mannskleider, Thermosflaschen,<br />
elektrische Apparate, Werkzeuge<br />
aller Art, Schreibmaschinen und Reis, Reis und<br />
nochmals Reis», so heisst es in Aline Valangin’s<br />
Roman «Dorf an der Grenze» (Text rechts).<br />
Orlando Mordasini, der heutige (Teil-)Besitzer<br />
des Palazzo della Barca erzählt dazu eine eigene<br />
Geschichte. Ja, dieses Hin und Her der<br />
Schmuggler sei gang und gäbe gewesen, «die<br />
sind jeweils mit Kind und Kegel gekommen»,<br />
und er glaube, die Grenzwächter hätten<br />
manchmal absichtlich ein Auge zugedrückt,<br />
«meist ging’s ja gar nicht um Geld, sondern um<br />
einen Tausch». Ein «Commerce» sei daraus erst<br />
später entstanden, mit Zigaretten, und da hät-<br />
Die Valangin und das Hündchen<br />
Und wie nun, endlich, wie war das mit dem<br />
Palazzo della Barca in Comologno? Wie war<br />
das mit der Schriftstellerin Aline Valangin<br />
(1889 in Vevey geboren) und dem jüdischen<br />
(1894 in Weissrussland geborenen) Rechtsanwalt<br />
Wladimir Rosenbaum? Alt-Malermeister<br />
Mordasini verweist einerseits auf<br />
ten die Grenzwächter (die in Spruga eine Kaserne<br />
hatten und deren Kinder im Dorf zur<br />
Schule gingen) aber hart durchgegriffen: «Bei<br />
uns in Comologno gab es zwei, die deswegen in<br />
der Kiste sassen». Aber anfänglich sei’s bloss<br />
um kleine Mengen gegangen, um Reis. Und so<br />
war es, dass Grossmutter Mordasini wieder mal<br />
ein Säckchen Reis entgegengenommen hatte,<br />
«Grossmutter hatte in der Küche eine rote Truhe»,<br />
dort habe sie das Feuerholz gelagert, und<br />
dorthinein habe sie das zuvor illegale erworbene<br />
Säcklein mit dem Reis verstaut, und da habe<br />
prompt der Grenzwächter vor der Tür gestanden,<br />
habe Einlass verlangt, «Grossmutter<br />
schaute sich rasch um in der Küche, hob mich<br />
von den Beinen und setzte mich und meinen<br />
Bruder auf diese rote Holztruhe! Da sassen wir,<br />
auf dem Reis, vor uns der Grenzwächter, der<br />
Kontrolleur, und neben uns die Grossmutter».<br />
Das Bild hat sich eingeprägt: zwei Kindergesichter,<br />
zwei unschuldige Buben auf einer Holztruhe<br />
sitzend, die Beine baumelnd, in Wollsocken,<br />
in wollenen Pullovern, und die Gross -<br />
mutter, im Rock, graues Haar, schwarzes Kopftuch,<br />
schwarz-graue Schürze – und in der<br />
Truhe ein «verbotenes» Säcklein mit Reis. hg.<br />
UNTERWEGS<br />
Onsernone<br />
eine Reihe von Büchern, vorab auf jene, die<br />
Aline Valangin (die erst hatte Pianistin werden<br />
wollen) selbst geschrieben hatte (zum<br />
Teil in Comologno), so auf «Die Bargada»<br />
(1944) und das (erst im Nachhinein, 1982,<br />
erschienene) Werk «Dorf an der Grenze»<br />
und andererseits auf die Palette an Sekundärliteratur,<br />
so von Eveline Hasler («Aline<br />
und die Erfi ndung der Liebe») und von Peter<br />
Kamber («Geschichte zweiter Leben –<br />
Wladimir Rosenbaum & Aline Valangin»).<br />
Wer in diesen Texten schmökert, begegnet<br />
alsbald so prominenten Namen wie C.G.<br />
Jung, James Joyce, Thomas Mann, Kurt Tucholsky,<br />
Ignazio Silone, Meret Oppenheim,<br />
Max Bill, Hans Arp, Max Ernst u.v.m. – allesamt<br />
Personen, mit denen Aline Valangin in<br />
Verbindung gestanden hatte, sei es in ihrer<br />
Wohnung in Zürich oder im Palazzo in Comologno,<br />
den das Ehepaar Valangin/Rosenbaum<br />
1929 käufl ich erworben hatte (Rosenbaum,<br />
der später sich nochmals zweimal<br />
verheiratete, war ein erfolgreicher Anwalt; in<br />
einer zweiten Karriere mauserte er sich in<br />
Ascona zum angesehenen Antiquar). Und<br />
klar, diese Barca, dieses Schlösschen mitten<br />
im Dorf und diese exotisch anmutenden<br />
Gäste, all diese Männer, das hat in Comologno<br />
stets viel zu reden und zu fantasieren<br />
gegeben, und wie Orlando Mordasini sich<br />
jener Jahre erinnert, steht ihm ein verschmitztes<br />
Lachen im Gesicht. Sie hätten<br />
damals, als Buben, oft auf diesen Palazzo<br />
gespäht, «um eine gute Sicht zu erhalten,<br />
kletterten wir auf Bäume oder auf die nahen<br />
Felsen», und manchmal hätten sie gar einen<br />
Blick auf die im Gartenbassin schwimmende<br />
NATURFREUND 4/2012 17
RUBRIK<br />
Onsernone<br />
Valangin erhaschen können. Und einmal, so<br />
eine ferne Erinnerung, einmal sei das Hündchen<br />
der Sciora (wie die Dörfl er die Frau<br />
nannten) einen Bach runter gefallen, das<br />
war in der Runse bei der Wegkappelle zwischen<br />
Spruga und Comologno (wo das Dorf<br />
mittels einer einfachen Turbine Strom erzeugte),<br />
dort sei das Hündchen runtergefallen,<br />
in den Sturzbach «uhh, das war eine Sache,<br />
die Sciora ganz durcheinander, das<br />
ganze Dorf in Aufregung». Und beim Erzählen<br />
blättert Orlando Mordasini in einem mit<br />
blauer Tinte beschriebenen Papier, es ist der<br />
Kaufvertrag über die Barca, den sein Vater<br />
Attilio und dessen Bruder Ernesto mit Aline<br />
Valangin im August 1953 unterzeichnet haben.<br />
«Der Maestro hat das damals eingefädelt»,<br />
und dieser Maestro hiess mit bürgerlichem<br />
Namen Gisuppe Gamboni, er war der<br />
Dorfl ehrer in Comologno, «aber wir nannten<br />
ihn Maestro; er und der Pfarrer, das waren<br />
die Könige». Jener Maestro also hatte die<br />
Gebrüder Mordasini über die Absicht der<br />
Valangin (die zu jener Zeit mit dem Musiker<br />
Wladimir Vogel lebte) ins Bild gesetzt. Im<br />
Willen, wonach der Palazzo möglichst in<br />
Tessiner Händen bleiben solle, hatte diese<br />
die Barca dem Kanton Tessin vermachen<br />
wollen. Jener aber hatte abgelehnt (die öffentliche<br />
Hand, so die Antwort, habe bereits<br />
genügend andere historische Bauten zu unterhalten),<br />
und also sind, nach Vermittlung<br />
des Maestro (der eine Tante von Orlando<br />
Mordasini zur Frau hatte), die Mordasini zu<br />
diesem Palazzo gekommen. Es ist ein Gebäude,<br />
das einem sogleich ins Auge sticht,<br />
bereits bei der Anfahrt nach Comologno;<br />
von der Talstrasse her, aus der Distanz betrachtet,<br />
erinnert einen der Palazzo mit seinem<br />
Türmchen mitunter an ein buddhisti-<br />
sches Kloster in den Bergen von Sikkim.<br />
Und, schliesslich, woher nun stammt denn<br />
der Name Barca (Schiff), warum «La Barca»?<br />
Dahinter steckt die Geschichte eines jungen<br />
Mannes aus Comologno (aus der Familie<br />
Remonda), der im 18. Jahrhundert in<br />
Frankreich hoch gepokert – und gewonnen<br />
hat. An der Pariser Börse hatte dieser Remonda<br />
ein Handels-Schiff ersteigert, das als<br />
verschollen gegolten hatte, dann aber dennoch<br />
eintraf – voll beladen mit Seide. Mit<br />
dem Verkauf der Stoffe hatte der Comologneser<br />
ein Vermögen gemacht – und sich in<br />
seinem Heimatdorf zuhinterst im Onsernone<br />
einen Palazzo erbauen lassen; diesen<br />
nannte er «La Barca», das Schiff.<br />
Schlafen im Palazzo?<br />
Jeden Sonntag abend, so alt-Malermeister Orlando<br />
Mordasini, telefoniere er von Bern nach<br />
Comologno, rede mit seinem Freund Sergio,<br />
das ist der Bruder von Dorina Ferrari, die bis<br />
vor kurzem im «della Posta» in Comologno<br />
gekocht hat (sie lebt heute im «Centro Sociale»<br />
in Russo), und ja gewiss, nach wie vor reise<br />
er gerne und regelmässig nach Comolgono<br />
(ganz bestimmt auch an Allerheiligen und Allerseelen),<br />
doch wenn er im Dorf weile, ziehe<br />
er sein Elternhaus dem Palazzo vor, sie hätten<br />
in der Barca alles so belassen wie es damals<br />
gewesen sei, mit all den Büchern, es seien<br />
Hunderte. «Aber so ein Haus kostet», immer<br />
müsse was repariert werden, neulich ging’s<br />
ums Aussichtstürmchen auf dem Dach, und<br />
die Handwerker wünschten dazu gar den<br />
Einsatz eines Helikopters.<br />
Nun, wer als Tourist nach Comologno<br />
reist, hat diese Wahl nicht; die Barca ist<br />
Und was sind dini Plän das Johr?<br />
nicht öffentlich zugänglich. Als Alternative<br />
bietet sich der nahe gelegene Palazzo<br />
Gamboni (siehe NF-Wettbewerb Seite 25),<br />
1780 errichtet und in den 1990er Jahren<br />
renoviert und ausgebaut (fi ndet sich in der<br />
Reihe der Swiss Historic Hotels). Wer im<br />
übrigen Onsernone nach Übernachtungsmöglichkeiten<br />
sucht, fi ndet diese entweder<br />
in Form von Ferienwohnungen oder einfachen<br />
Hotelzimmern. In Russo etwa, dem<br />
Zentrum des Tals, fi ndet sich die insbesondere<br />
bei Wandernden beliebte Osteria del<br />
Tiglio (091 751 97 49). Zu empfehlen sind<br />
zudem die Bed&Breakfast-Angebote; eine<br />
besondere Adresse für Freunde der Kultur<br />
des alten Himalaya (Bhutan, Tibet, Indien)<br />
ist diesbezüglich das Klanghaus von Bernhard<br />
Jäger in Loco, Tel. 091 797 20 23.<br />
hg.<br />
Möchten Sie einfach einmal die Natur geniessen, den Alltagsstress vergessen und sich kulinarisch verwöhnen lassen?<br />
Das Diemtigtal im Berner Oberland bietet Ihnen das alles und noch mehr! Egal ob im Sommer oder im Winter …<br />
Das Nüegg Team heisst alle Gäste herzlich willkommen und während Ihrem Aufenthalt gehören Sie mit zur Familie!<br />
Unser Restaurant bietet Ihnen frische Gerichte mit Zutaten aus der Region zu vernünftigen Preisen.<br />
Wir haben eine grosse Auswahl an roten und weissen Weinen, vorwiegend aus der <strong>Schweiz</strong>.<br />
Damit machen Sie jedes Essen zu einer Delikatesse!<br />
Öffnungszeiten 5. Mai–21. Oktober 2012<br />
Restaurant: 08.30–23 Uhr<br />
Küche: 11–22 Uhr<br />
Auf dem Friedhof in Comologno: Auswanderer<br />
(hier die Mordasini) gedenken ihrer alten Heimat.<br />
Info-Point Valle Onsernone<br />
Montag-Dienstag geschlossen<br />
Mittwoch-Freitag 8.30–13.00 / 14.30–18.00 (bei Regen bis 17.00)<br />
Samstag-Sonntag / Feiertage 9.00–13.00 / 14.30–17.00<br />
Tel. +41 (0)91 797 10 00<br />
info@onsernone.ch<br />
Geöffnet Ostern bis Ende Oktober (Mail ganzjährig)<br />
www.onsernone.ch<br />
Berghotel Nüegg 3756 Zwischenflüh Telefon: +41 (0)33 684 12 42 Email: berghotel@wiriehorn.ch Website: www.wiriehorn.ch<br />
18 NATURFREUND 4/2012
Der Weg zum Erfolg ist steinig, aber nicht unpassierbar …<br />
Herz des künftigen Nationalparks Locarnese<br />
Das Onsernone-Tal gehört zweifelsohne zu den intaktesten<br />
Gegenden der <strong>Schweiz</strong>. Mit seinen riesigen Waldreservaten,<br />
dem frei fliessenden Isorno und den zahlreichen Zeugen einer<br />
einst blühenden Strohwirtschaft passt das Tal hervorragend<br />
in das Projekt des künftigen Nationalparks Locarnese.<br />
Text: Andreas Weissen*<br />
In den letzten fünf Jahren sind in der<br />
<strong>Schweiz</strong> rund ein Dutzend regionaler Naturpärke<br />
und ein Naturerlebnispark entstanden.<br />
Im Weiteren befi nden sich zwei Nationalpärke<br />
in der Errichtungsphase, nämlich<br />
Adula GR/TI und Locarnese TI. Die Diskussion,<br />
ob überhaupt ein Nationalpark geschaffen<br />
werden soll, wird in den jeweiligen<br />
Regionen mit grosser Heftigkeit geführt.<br />
Auch an der Frage, welche Gebiete als Kernzonen<br />
mit Vorrang für die Natur und welche<br />
als Umgebungszone für die nachhaltige<br />
Wirtschaft ausgeschieden werden sollen,<br />
scheiden sich oftmals die Geister.<br />
Bereits vor zwölf Jahren verfolgte die Region<br />
Locarnese und Valle Maggia die Idee eines<br />
Nationalparks. Damals gab es auf nationaler<br />
Ebene noch keine rechtliche Regelung<br />
für die Errichtung neuer Pärke. Erst im Dezember<br />
2007 trat das entsprechende Gesetz<br />
in Kraft. Bald darauf reichte die Region beim<br />
Bund ein erstes Projekt ein. Nachdem sich<br />
mehrere Gemeinden in der Valle Maggia gegen<br />
den Park ausgesprochen hatten, musste<br />
das Projekt neu ausgearbeitet werden. Seit<br />
September 2011 ist Locarnese nun offi ziell<br />
Kandidat für einen Nationalpark. 14 Gemeinden<br />
und 13 Bürgergemeinden beteiligen<br />
sich am Projekt, dessen Perimeter<br />
222 Quadratkilometer umfasst.<br />
Natürliches und kulturelles Erbe<br />
in Wert setzen<br />
«Die Valle Onsernone ist das Herzstück des<br />
künftigen Nationalparks», erklärt Samantha<br />
Bourgoin, Projektleiterin des Parco nazionale<br />
del Locarnese. Und zwar nicht nur wegen<br />
der geographischen Lage und dem starken<br />
Rückhalt in der Bevölkerung, sondern wegen<br />
der ausserordentlichen natürlichen und<br />
kulturellen Werte: An der östlichen Talfl an-<br />
Fotos: Michael Buholzer<br />
ke des Onsernone-Tal liegt eines der grössten<br />
Waldreservate der <strong>Schweiz</strong>. Hier wird<br />
auf die forstliche Nutzung verzichtet und<br />
der Wald der Natur zur freien Entfaltung<br />
überlassen. Andererseits fi nden sich auf der<br />
westlichen Talfl anke unzählige Terrassen,<br />
befestigt mit Trockensteinmauern, allein<br />
um Loco in einer Gesamtlänge von 25 Kilometern.<br />
Das Talmuseum erzählt, dass hier<br />
während Jahrhunderten Roggen angepfl anzt<br />
wurde, um Stroh zu gewinnen und zu Zöpfen<br />
zu fl echten, aus denen dekorative Gegenstände<br />
fabriziert wurden. Hüte und<br />
Handtaschen aus dem Onsernone-Tal<br />
schafften es auf die Modemärkte von Mailand<br />
und Paris. Und brachten der Bevölkerung<br />
Einkommen und einigen Händlerfamilien<br />
erheblichen Reichtum. Die zahlreichen<br />
Palazzi zeugen von der Blüte der Strohwirtschaft<br />
in der Valle Onsernone.<br />
Eine Fülle von natürlichen und kulturellen<br />
Schätzen allein genügt nicht, um einen<br />
Park zu schaffen. Es braucht die Zustimmung<br />
der Mehrheit der Bevölkerung. Denn<br />
Pärke entstehen nur dort, wo die Bevölkerung<br />
dies ausdrücklich will und die Chancen<br />
sieht. Im Onsernone-Tal steht die Bevölkerung<br />
fast geschlossen hinter dem<br />
Nationalparkprojekt. «Wir haben wenig<br />
wirtschaftliche Möglichkeiten», erklärt der<br />
Gemeindepräsident von Isorno, Roberto Carazzetti.<br />
«Mit einem Park können wir unser<br />
Kulturelle Erbschaft: Mühle in Vergeletto.<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Onsernone<br />
Erbe in Wert setzen.» Tatsächlich ist das<br />
Label «Park von nationaler Bedeutung» eine<br />
wertvolle Auszeichnung für eine Region, die<br />
mithilft, sanfte Tourismusangebote und regionale<br />
Spezialitäten besser zu vermarkten<br />
und so der ortsansässigen Bevölkerung Zukunftsperspektiven<br />
eröffnet. «Unsere sonnige<br />
Landschaft mit all ihrer Ruhe und Stille<br />
hat eine therapeutische Kraft», ist Carazzetti<br />
überzeugt.»<br />
Den Glauben an die Zukunft zurück<br />
bringen<br />
Bis der Nationalpark Locarnese in Betrieb gehen<br />
kann, wird noch viel Wasser Richtung<br />
Lago Maggiore fl iessen. Noch sind nicht alle<br />
interessierten Gemeinden derart überzeugt<br />
vom Projekt wie die des Onsernone-Tals. Gelegentlich<br />
werden Stimmen laut, dass ein Park<br />
viele Einschränkungen bringt. Doch die Aufl agen<br />
für die Nationalpärke der zweiten Generation<br />
sind weit weniger streng als im <strong>Schweiz</strong>erischen<br />
Nationalpark, der vor fast 100 Jahren<br />
gegründet wurde. So können in den Kernzonen<br />
der neuen Nationalpärke die Wege verlassen<br />
werden, Ski- und Schneeschuhtouren im<br />
Winter sind möglich und Berghütten dürfen<br />
mit dem Helikopter versorgt werden. Auch<br />
dürfen die Alpen und Maiensässe weiterhin<br />
mit Vieh bestossen werden.<br />
In den Umgebungszonen eines Nationalparks<br />
werden nachhaltige wirtschaftliche<br />
Aktivitäten nicht nur toleriert, sondern sind<br />
ausdrücklich erwünscht. Die neuen <strong>Schweiz</strong>er<br />
Pärke sollen nach dem Willen des Gesetzgebers<br />
nämlich nicht nur der Natur einen<br />
Mehrwert bringen, sondern auch der<br />
Bevölkerung neue Zukunftsperspektiven eröffnen,<br />
Arbeit und Einkommen verschaffen<br />
und den Glauben an die Zukunft zurück<br />
bringen.<br />
Kurz: Wir alle haben die Gelegenheit, die<br />
Errichtung eines zweiten und dritten Nationalparks<br />
in der <strong>Schweiz</strong> hautnah mitzuerleben<br />
und zu unterstützen, beispielsweise indem<br />
wir die Täler, Dörfer, Berge und nicht<br />
zuletzt die Menschen des Locarnese und des<br />
Adula besuchen. ■<br />
* Andreas Weissen ist Geschäftsführer des Netzwerks<br />
<strong>Schweiz</strong>er Pärke, der Dachorganisation aller Pärke. Er<br />
ist Mitglied der <strong>Naturfreunde</strong> <strong>Schweiz</strong> und Ehrenpräsident<br />
der Alpen-Initiative.<br />
NATURFREUND 4/2012 19
Edelkastanie<br />
Fotos: Beat Forster, WSL NATUR ERLEBEN<br />
Die Edelkastanie in der <strong>Schweiz</strong> – eine Renaissance?<br />
Herbst-Zeit – Marroni-Zeit<br />
Kastanien und das Bergell, das bringen wir hierzulande rasch<br />
miteinander in Verbindung. Weniger bekannt sind die Kastanien-Bestände<br />
auf der Alpennordseite. Und weniger bekannt<br />
wohl auch die Tatsache, dass seinerzeit mit der Abnahme der<br />
Zahl der Kastanien die Zahl der Kühe anstieg! Der nahende<br />
Herbst bietet gute Möglichkeiten zu einer erneuten Annäherung<br />
an den Marroni-Baum.<br />
Text: Ursula Heiniger*<br />
Die Edelkastanie, der Marroni-Baum<br />
(Castanea sativa) wächst in der <strong>Schweiz</strong><br />
nicht nur auf der Alpensüdseite. Auch auf<br />
der Nordseite gibt es schöne, wenn auch<br />
nicht sehr ausgedehnte Edelkastanienwälder<br />
und Kastanienhaine, die uns an den Süden<br />
erinnern. Im Juli sind die mächtigen Bäume<br />
von Weitem an ihrer Blütenpracht zu erkennen<br />
und der charakteristische, schwere Duft<br />
liegt in der Luft. Und jetzt, im Herbstlicht,<br />
leuchtet das gelb-braune Laub und lockt zu<br />
Spaziergängen.<br />
* Die passionierte Biologin Ursula Heiniger hat über<br />
Jahre für die WSL (Eidgenössische Forschungsanstalt<br />
für Wald, Schnee und Landschaft) gearbeitet. Sie ist<br />
Mitglied der <strong>Naturfreunde</strong>-Sektion Spitalpersonal<br />
Zürich.<br />
20 NATURFREUND 4/2012<br />
Kastanien als Zahlungsmittel<br />
Die Edelkastanie ist wärmeliebend und<br />
Spätfrost empfi ndlich. Sie fi ndet sich deshalb<br />
vor allem im Wallis, im Chablais, oberhalb<br />
von Morges am Genfersee, entlang der<br />
wärmenden, föhngeprägten Mittellandseen<br />
und im St. Galler Rheintal. Sie ist kalkfl iehend<br />
und wächst bevorzugt auf saurem Gestein<br />
oder auf Moränenschutt.<br />
Die Edelkastanie stammt aus der Türkei<br />
und wurde von den Römern ins Tessin gebracht.<br />
Sie gelangte wahrscheinlich bereits<br />
zur Römerzeit auf die Alpennordseite und<br />
über die oberrheinischen Tiefebene dem<br />
Rhein entlang bis nach Holland. Sogar in<br />
Südengland sind Edelkastanienwälder zu<br />
fi nden. Sehr oft wachsen Rebberge in deren<br />
Nähe.<br />
Edelkastanien, schön und bedroht: neuerdings auch<br />
durch die eingeschleppte Gallenwespe.<br />
Im Mittelalter war die Kastanienkultur<br />
auf der Alpennordseite sehr verbreitet. Dokumente<br />
zeigen, dass den Klöstern Kastanienfrüchte<br />
als Zehnten abgeliefert werden<br />
mussten. Auch viele Flurnamen deuten daraufhin,<br />
dass die Edelkastanie schon lange<br />
auf der Alpennordseite der <strong>Schweiz</strong> heimisch<br />
ist: Kastanienbaum, Kestenholz,<br />
Chestenewald, La Chataîgne etc.<br />
Die Edelkastanie wird wegen ihres vielfältigen<br />
Nutzens kultiviert. In vielen Gegenden,<br />
die für den Getreidebau ungünstig<br />
sind, waren die Kastanienfrüchte lange Zeit<br />
das Hauptnahrungsmittel. Die Früchte wurden<br />
geröstet und gekocht und als Mehl in<br />
Brot und Brei verwendet. Sie dienten auch<br />
der Schweinemast. Die Blätter wurden den<br />
Ziegen verfüttert und das Laub wurde als<br />
Streu im Stall verwendet. Das witterungsbeständige<br />
Holz war geschätzt für den Aussen-<br />
Edelkastanie – Rosskastanie<br />
Die beiden Baumarten sind nicht miteinander<br />
verwandt. Die Edelkastanie gehört zur Familie<br />
der Buchengewächse, die Rosskastanie zu den<br />
Rosskastaniengewächsen. Die Ähnlichkeit der<br />
Früchte hat ihnen den Namen gegeben: beide<br />
Arten bilden Igel – die Edelkastanie mit feinen,<br />
scharfspitzigen Stacheln, die Rosskastanie<br />
mit dicken, weichen Stacheln. Im Innern<br />
der Igel bildet die Edelkastanie meist 3 Samen,<br />
die Rosskastanie nur einen. Die Samen<br />
der Rosskastanien sind ungeniessbar. Die beiden<br />
Baumarten lassen sich gut an ihren Blättern<br />
unterscheiden: Die Edelkastanie hat ein<br />
einfaches, die Rosskastanie ein handförmig<br />
zusammengesetztes Blatt. UH.
verbau und für Rebstickel und Pfähle. Es<br />
wird auch heute noch für Schindeln, Fensterrahmen,<br />
Gartenmöbel und den technischen<br />
Hangverbau gebraucht, da es nicht<br />
imprägniert werden muss. Und schliesslich<br />
war die Kastanie eine Tanninquelle für die<br />
Gerberei, bis dann in den 1950er Jahren die<br />
Tannine durch chemische Gerbmittel abgelöst<br />
wurden.<br />
Weideland anstelle des Kastanienhains<br />
Je nachdem, ob die Kastanie wegen ihres<br />
Holzes oder wegen der Früchte angebaut<br />
wird, wird sie anders kultiviert. Brennholz<br />
und Pfähle werden in sogenannten Niederwäldern<br />
produziert. In diesen Wäldern werden<br />
die Kastanien etwa alle 30 Jahre auf den<br />
Stock gesetzt. Die Kastanie produziert danach<br />
leicht wieder neue Stockausschläge.<br />
Für die Bauholzproduktion wachsen die<br />
Bäume in Hochwäldern und für die Fruchtproduktion<br />
werden Kastanienhaine (Selven)<br />
angelegt. Da die Früchte sich nur auf der<br />
Aussenseite der Krone entwickeln, werden<br />
die Bäume mit grossen Abständen gepfl anzt,<br />
so dass sie mächtige Kronen entwickeln können.<br />
Zwischen den Bäumen gibt es Weideland.<br />
Wilde Kastanien produzieren meist<br />
kleine Früchte. Deshalb werden vielerorts<br />
Die Edelkastaniengallwespe<br />
Seit einiger Zeit bedroht ein neuer Schädling<br />
die Edelkastanien in der <strong>Schweiz</strong>. Aus China<br />
stammend hat sich die Edelkastaniengallwespe<br />
(Dryocosmus kuriphilus) von Italien her im<br />
Tessin und von Frankreich her über das Rhone-<br />
Tal im Chablais ausgebreitet (die Eidgenössische<br />
Forschungsanstalt für Wald, Schnee und<br />
Landschaft WSL hatte im Juni 2012 ausführlich<br />
darüber berichtet). Auch auf der Alpennordseite<br />
wurde sie in Walchwil und in einigen<br />
Baumschulen entdeckt, wahrscheinlich mit<br />
Jungpflanzen oder Pfropfreisern vom Ausland<br />
eingeschleppt. Die kleine Gallwespe legt im<br />
die Bäume mit qualitativ hochwertigen Sorten<br />
veredelt – wie es im Obstbau geläufi g ist.<br />
In jedem Wuchsgebiet gibt es spezielle Sorten,<br />
die an die lokalen Boden- und Witterungsverhältnisse<br />
angepasst sind. So sind die<br />
Marroni eigentlich speziell grossfrüchtige<br />
Sorten aus Italien. Da die Edelkastanie weitgehend<br />
selbststeril ist, empfi ehlt es sich,<br />
mindestens zwei verschiedene Bäume anzupfl<br />
anzen, um Früchte zu erhalten.<br />
Mit der Verbreitung der Kartoffel und dem<br />
Bau der Eisenbahn, welche Importe von Reis<br />
und anderen Getreidearten verbilligte, verlor<br />
die Edelkastanie im 19. Jahrhundert ihre<br />
wirtschaftliche Bedeutung. In der Zentralschweiz<br />
wurden zudem die Edelkastanienhaine<br />
zugunsten von Weideland gerodet,<br />
als 1866 die Anglo-Swiss Condensed Milk<br />
Company in Cham gegründet wurde (die<br />
Firma fusionierte 1905 mit Nestlé). Mit der<br />
Abnahme der Zahl der Kastanienbäume stieg<br />
damals rasch die Zahl der Kühe.<br />
Überall auf der Alpennordseite geht die<br />
Edelkastanie seit langem zurück. Einerseits<br />
sind die Früchte und auch das Holz nur<br />
noch von lokalem Interesse, anderseits können<br />
sich die Edelkastanien auf der Alpennordseite<br />
nur halten, wenn sie mit forstlichen<br />
Eingriffen begünstigt werden. Zum<br />
Niedergang der Kastanie trägt leider auch<br />
die eingeschleppte Kastanienrindenkrankheit<br />
bei (siehe «Naturfreund» 4/11).<br />
Sommer ihre Eier in die frisch gebildeten Knospen.<br />
Aus den Eiern schlüpfen winzige Raupen,<br />
die sich im nächsten Frühling weiter entwickeln.<br />
Die Raupen regen die Knospen zur Gallenbildung<br />
an. Aus den befallenen Knospen<br />
treiben keine Blätter und Blüten. Dies schwächt<br />
die Bäume und reduziert die Fruchtproduktion.<br />
Achtung: Da ein frischer Befall durch die<br />
Edelkastaniengallwespe von aussen meist nicht<br />
erkennbar ist, besteht die Gefahr, mit Pflanzen<br />
diesen Parasiten unbeabsichtigt einzuschleppen.<br />
Deshalb: keine Jungpflanzen oder<br />
Pfropfreiser aus Befallsgebieten verwenden<br />
und Neupflanzungen regelmässig auf Befall<br />
kontrollieren! UH.<br />
Ein Zuhause für <strong>Naturfreunde</strong>, inmitten rauer, unzerstörter Natur<br />
(Landschaft des Jahres 2011)<br />
Hotel und Berghaus-Restaurant<br />
Val Sinestra<br />
– familiäre Atmosphäre<br />
– bezahlbare Preise<br />
– Bergwanderungen vom Haus aus<br />
– in der Nähe des Nationalparks<br />
– Postautoverbindung ab Scuol-Tarasp<br />
Hotel Val Sinestra<br />
(1500 M.ü.M.),<br />
7554 Sent, Unterengadin<br />
081 866 31 05<br />
val-sinestra@bluewin.ch<br />
www.sinestra.ch<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Edelkastanie<br />
Heute werden Anstrengungen unternommen,<br />
die Edelkastanienwälder und -haine<br />
als Teil der Kulturlandschaft wieder herzustellen.<br />
So setzen sich die IG Pro Kastanie<br />
Zentralschweiz, die Kantone und der Fonds<br />
Landschaft <strong>Schweiz</strong> für den Erhalt der letzten<br />
Hainrelikte ein. In der Zentralschweiz<br />
soll ein Netz von Kastanienhainen entstehen,<br />
in dem alte Haine restauriert und auch<br />
neue Kastanienhaine angelegt werden.<br />
Vier Ausflugstipps zur Edelkastanie<br />
Jetzt im Herbst werden vielerorts typische<br />
Kastanienfeste gefeiert, so am 13./14. Oktober<br />
die «Fête de la Châtaigne» in Fully im<br />
Unterwallis (unweit von Martigny; www.fetedelachataigne.ch/fr);<br />
am 20./21. Oktober die<br />
Chilbi in Murg (am Walensee), wo der Verein<br />
Pro Kastanie Murg mit einem Kastanienbeizli<br />
vertreten ist (www.kastaniendorf.ch/);<br />
und am 28. Oktober die «Chestene-Chilbi<br />
Greppen» am Vierwaldstättersee. Neben<br />
Kastanienprodukten werden dabei auch<br />
Produkte von lokalen Bauernhöfen verkauft<br />
(www.kastanien.net/events/kalender-01.<br />
htm). So ein Festbesuch lässt sich zudem<br />
ideal mit Spaziergängen und Wanderungen<br />
in die nahe gelegenen Kastanienwälder kombinieren.<br />
So gibt es in Fully oberhalb des<br />
Dorfes einen schön gepfl egten Kastanienhain<br />
mit Kastanienlehrpfad. Beim Bahnhof Murg<br />
beginnt ein beschilderter Kastanienweg und<br />
am Vierwaldstättersee führt der Rigi-Chesteneweg<br />
von Immensee nach Ingenbohl. In<br />
allen drei Gebieten stehen Tafeln, die über<br />
die Edelkastanie und deren Kultur informieren.<br />
Und zu guter letzt: Im <strong>Schweiz</strong>erischen<br />
Freilichtmuseum Ballenberg (am Brünigpass)<br />
gibt es im Tessinerhaus von Cugnasco eine<br />
Ausstellung zur Kastanienkultur. ■<br />
Literatur und weiterführende Infos:<br />
Heiniger Ursula, 1994. Die Edelkastanie in der<br />
<strong>Schweiz</strong>. Kastanienkultur im Wandel der Geschichte.<br />
<strong>Schweiz</strong>. Z. Forstwes. 145: 201-212.<br />
Verbundprojekt Kastanienhaine Zentralschweiz:<br />
www.wsl.ch/medien/news/edelkastaniengallwespe_<br />
2012/index_DE<br />
NATURFREUND 4/2012 21
GESUND LEBEN<br />
Neid und Gier<br />
Was haben Neid und Gier mit unserer Gesundheit zu tun?<br />
Vom Kleinen zum Grossen<br />
Die Überwindung der Habgier ist ein zentraler ethischer<br />
Grundsatz in allen Weltreligionen. Wo aber Habgier zur<br />
Tugend mutiert, geht dies über kurz oder lang auf Kosten<br />
der Gesundheit, und zwar nicht nur auf jene des einzelnen<br />
Menschen.<br />
Text: Heinrich A. Meyer-Reichenau*<br />
Neid entsteht, wenn wir uns mit anderen<br />
vergleichen. Es gibt immer Menschen,<br />
die mehr haben als wir und die – auf verschiedene<br />
Weise – besser sind als wir oder es<br />
zu sein scheinen. Neid ist ein Gefühl, und<br />
Gefühle können wir nicht steuern. Sie sagen<br />
etwas über uns und nötigen uns, genauer in<br />
uns hineinzuschauen. Das Gefühl des Neides<br />
kann sich positiv oder negativ auswirken.<br />
Die Zürcher Psychologin Andrea Kager<br />
schreibt: «Neid ist nützlich.» Wer sich ihm<br />
stelle und die richtigen Schlüsse ziehe, könne<br />
davon profi tieren. Denn oft sei Neid eine<br />
treibende Kraft für Innovation. Sie plädiert<br />
dafür, Neidgefühle nicht einfach zu verdrängen.<br />
Der Neid zwinge uns nämlich, entweder<br />
mehr aus unserem Leben und uns zu machen<br />
oder die Vorstellung von uns selbst und dem,<br />
was wir begehren, zu ändern. Sie erinnert an<br />
Sigmund Freud, der die Meinung vertrat,<br />
dass unser frühester Neid, der Geschwisterneid<br />
wesentlich dazu beitrage, uns zu soziali-<br />
22 NATURFREUND 4/2012<br />
sieren. Das ist ein interessanter Aufruf zu einem<br />
konstruktiven Umgang mit dem Neid.<br />
In der Regel hat aber der Neid, der sich in<br />
uns festsetzt, destruktive Wirkungen. Neid<br />
beschämt uns, und wir neigen dazu, ihn vor<br />
uns selbst zu leugnen. Aber gerade dadurch<br />
gewinnt er an Kraft. Anhaltender Neid verbindet<br />
sich oft mit den Gefühlen der Missgunst<br />
und der Minderwertigkeit. Das tut weh<br />
und ist kaum auszuhalten. Neid, der sich in<br />
die Seele frisst, der zu lodern beginnt wie ein<br />
verzehrendes Feuer, kann sich dann in zerstörendem<br />
Handeln entladen.<br />
Von Kain und Abel: Geschwister-<br />
Neid<br />
Es gibt eine bekannte biblische Geschichte,<br />
die uns diese Dramatik des Neides wie einen<br />
Spiegel vor die Augen stellt. Es ist die Geschichte<br />
von Kain und Abel. Kain, der Erstgeborene<br />
von Adam und Eva, wird ein<br />
Ackerbauer; Abel, sein Bruder, ein Schafhirt.<br />
Als sie Opfer darbringen – Kain von den<br />
Früchten des Ackers, Abel von den Erstlingen<br />
seiner Schafe – sieht Gott auf das Opfer<br />
Abels und nicht auf das Opfer Kains. Das<br />
empfi ndet Kain als tiefe Verletzung. Ist nicht<br />
Abel der Jüngere? Ist Gott nicht ungerecht?<br />
Dass Gott auf das Opfer Abels sieht und<br />
nicht auf das Kains ist sein Geheimnis und<br />
bedeutet nicht, dass Kain Gott egal ist und<br />
von ihm verworfen wird. Gottes Bemühen<br />
um Kain in der ganzen Geschichte zeigt das<br />
Gegenteil. Als Gott sieht, dass Kain sehr zornig<br />
wird und sich sein Blick senkt, redet er<br />
ihn warnend an: «Warum bist du zornig,<br />
und warum ist dein Blick gesenkt? Ist es<br />
nicht so: Wenn du gut handelst, kannst du<br />
frei aufblicken. Wenn du aber nicht gut handelst,<br />
lauert die Sünde vor der Tür, und nach<br />
dir steht ihr Begier, du aber sollst Herr werden<br />
über sie.» Gott appelliert an Kains Verantwortung,<br />
versucht ihn abzuhalten von bösem<br />
Handeln. Doch Kain hat kein Gehör.<br />
Neid und Zorn machen ihn taub und blind<br />
und schlagen um in nackte Gewalt. Er tötet<br />
seinen Bruder. In dieser Geschichte wird ein<br />
Urkonfl ikt dargestellt: Kaum sind zwei Kinder<br />
auf der Welt, da gibt es schon Geschwister-Rivalität.<br />
Sie ist unser erstes soziales Lernfeld.<br />
Wir müssen lernen, zu teilen und uns<br />
zu behaupten. Dies kann gelingen. Es kann<br />
aber auch zu lebenslangen Verletzungen führen,<br />
zu bleibender Missgunst, zu Erbstreitigkeiten<br />
und Gerichtsverfahren. Dann ist der<br />
Friede in einer Familie verloren gegangen,<br />
und das hat schwere Auswirkungen auf das<br />
psychische Wohlbefi nden der Betroffenen.<br />
Foto: Patrik Burkhart
Wenden wir uns nach dem Neid der Gier<br />
zu! Neid und Gier bezeichnen verschiedene<br />
Gefühle, haben aber denselben Wurzelgrund<br />
in der menschlichen Psyche. Wir<br />
Menschen sind begehrende Wesen. Das<br />
hängt zusammen mit unserer hormonalen<br />
Ausstattung, die unsere Triebe steuert. Die<br />
Sprache unterscheidet zwischen Begierde<br />
und Gier. Unsere Begierden zielen zunächst<br />
auf unsere Grundbedürfnisse: Nahrung,<br />
Kleidung, Wohnung, Arbeit, medizinische<br />
Versorgung, soziale Kontakte, Liebe. Typisch<br />
menschlich ist aber, dass wir noch mehr<br />
wollen, dass aus Begierden Gier wird. Gier<br />
wird gefährlich und zerstörerisch, wenn sie<br />
keine Grenzen mehr einhält. Die letzten beiden<br />
der zehn Gebote verbieten die Begierde<br />
nicht grundsätzlich. Das wäre unsinnig. Sie<br />
setzen aber der Begierde Grenzen, wenn es<br />
um Personen oder Sachen geht, die unseren<br />
Nächsten gehören. Dass wir begehrende<br />
Wesen sind, zeigen Kinder deutlicher als Erwachsene,<br />
die gelernt haben, Gefühle zu<br />
verbergen und zu unterdrücken. Wer mit<br />
kleinen Kindern zum Einkaufen geht, wird<br />
mit laut geäusserten Begehren konfrontiert<br />
und muss alle Erziehungskunst aufbieten,<br />
um Grenzen zu setzen. Auch Erwachsene<br />
müssen lernen, Begierden zu beherrschen,<br />
so dass daraus nicht Gier wird – eine lebenslange<br />
Aufgabe.<br />
Wirtschaftssystem ohne Schuldbewusstsein<br />
Die Überwindung der Gier, vor allem der<br />
Habgier ist ein zentraler ethischer Grundsatz<br />
in allen Weltreligionen. Auch in der christlichen<br />
Tradition galt die Habgier immer als<br />
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Laster. In unserer heutigen Welt aber ist<br />
Habgier zur Tugend mutiert. Eine merkwürdige<br />
Karriere!<br />
Gier ist der eigentliche Motor des heutigen<br />
kapitalistischen Wirtschaftssystems, das<br />
von den herrschenden Eliten der Wirtschaft<br />
und Politik weltweit durchgesetzt wird und<br />
das wir, verharmlosend, «die Globalisierung»<br />
nennen. Diese Gier zielt auf den grenzenlosen<br />
Profi t, auf die permanente Akkumulation<br />
des Kapitals. Auch der Neid<br />
kommt in diesem System zu Ehren, denn es<br />
funktioniert nur durch den unbeschränkten<br />
Wettbewerb auf den Märkten. Aus Geschäftspartnern<br />
werden dann Rivalen, Gegner,<br />
Feinde. Dieses Wirtschaftssystem hat<br />
tödliche Folgen. Es spaltet die Gesellschaft<br />
und zerstört die Natur. Die Schere zwischen<br />
arm und reich geht immer weiter auseinander.<br />
Laufend werden Arbeitsplätze wegrationalisiert<br />
und Produktionsstätten verlagert.<br />
Profi te sind wichtiger als das Auskommen<br />
und Wohlergehen der Arbeitnehmer/Innen.<br />
Die Gier in diesem System hat kein Schuldbewusstsein.<br />
Die berechtigte Frage nach der<br />
Gerechtigkeit und nach vernünftigen Massstäben<br />
wird abgewiesen und als Sozialneid<br />
diffamiert.<br />
Fragen wir nach den Auswirkungen<br />
massloser und grenzenloser Gier auf die<br />
menschliche Gesundheit, dann sprechen die<br />
Opfer des heutigen kapitalistischen Wirtschaftssystems<br />
eine deutliche Sprache. Die<br />
Mehrheit der Weltbevölkerung lebt in Armut.<br />
In den industrialisierten Ländern werden<br />
Arbeitsplätze wegrationalisiert. Armut<br />
und strukturelle Arbeitslosigkeit wirken sich<br />
verheerend aus auf die physische und psychische<br />
Gesundheit der betroffenen Menschen.<br />
Blicken wir auf die Seite der Gewin-<br />
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und Zermatt; inkl. Marschtee und Transporte Fr. 480.– pro Person im DZ,<br />
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GESUND LEBEN<br />
Neid und Gier<br />
ner des Systems, so stellt sich die Frage, ob<br />
ein Leben im Reichtum, ohne Solidarität<br />
und Engagement für das Gemeinwohl ein<br />
gesundes Leben sein kann.<br />
Soziologische Untersuchungen weisen<br />
nach, dass soziale Ungleichheit einsam und<br />
krank macht. Kate Pickett und Richard Wilkinson<br />
schreiben in ihrem Buch mit dem Titel<br />
«Gleichheit ist Glück» Ungleichheit wirke<br />
wie ein alles durchdringender Schadstoff<br />
in allen Bereichen der Gesellschaft. In Gesellschaften<br />
mit extremer Ungleichheit beobachten<br />
die Autoren ein Ansteigen der Alkohol-<br />
und Drogensucht, der psychischen<br />
Erkrankungen, vor allem der Depressionen<br />
und Angstkrankheiten. Dies betrifft Menschen<br />
aus allen Schichten.<br />
Das Fazit dieser soziologischen Untersuchung<br />
lautet: «Mehr Gleichheit kommt der<br />
gesamten Gesellschaft zugute: Alle sind gesünder,<br />
nicht nur die am unteren Ende der<br />
Stufenleiter.»<br />
Die Zügelung der Gier im Wirtschaftsleben<br />
ist eine politische Aufgabe.<br />
Im privaten Bereich sollten wir wieder hören<br />
auf Gottes Gebot: Du sollst nicht begehren,<br />
was deinem Nächsten gehört! Man<br />
könnte dieses Gebot auch so formulieren:<br />
Du sollst dich nicht mit anderen vergleichen!<br />
Gott will uns schützen und verhindern,<br />
dass wir Opfer unseres Neides und<br />
Sklaven unserer Gier werden. ■<br />
* Heinrich A. Meyer-Reichenau ist pensionierter reformierter<br />
Pfarrer und wohnt in Bern. Er stammt aus<br />
Bremen in Norddeutschland und war zuletzt Gemeindepfarrer<br />
in Lauperswil im oberen Emmental.<br />
NATURFREUND 4/2012 23
24 NATURFREUND 4/2012
Im Onsernone verfügen die <strong>Naturfreunde</strong> über kein<br />
eigenes <strong>Naturfreunde</strong>haus. Das zur Talschaft nächstgelegene<br />
NF-Haus findet sich im Hinterland von Lugano.<br />
Wie heisst jenes NF-Haus nördlich von Lugano, respektive<br />
bei Roveredo?<br />
La Ginestra? La Châtelaine? Ova-Spin?<br />
NF-WETTBEWERB<br />
Das Onsernone-Tal – eine naturfreundliche Tessiner Spezialität<br />
Und ein Wochenende im Palazzo …!<br />
Onsernone – an diesem Namen haftet etwas Zauberhaftes,<br />
Geheimnisvolles. Onsernone – viele verbinden diesen Namen<br />
mit Hoffnung, mit Sehnsucht. Hier beim NF-Wettbewerb<br />
geht’s zudem um eine Nacht in einem legendären Palazzo.<br />
Ursprünglichkeit, natürlicher<br />
Charme, Naturoase, Waldreservat,<br />
Aufbruch – es sind Begriffe, die<br />
einem in Zusammenhang mit dem<br />
Onsernone heute oft zu Ohren<br />
kommen. Überhaupt, es ist wieder<br />
vermehrt vom Onsernone die Rede!<br />
Überraschend ist dies indes nicht.<br />
Zumal das Tal dereinst das Herzstück<br />
des zweiten Nationalparks der<br />
<strong>Schweiz</strong> werden könnte (Seite 19).<br />
Zu den Besonderheiten des Onsernone<br />
gehören nicht allein die<br />
Wälder. Nein, zu den Spezialitäten<br />
des Tales gehören auch die Palazzi.<br />
Von so einem Haus, dem Palazzo<br />
della Barca in Comologno, ist im<br />
vorliegenden Heft ausführlich die<br />
Rede (Seite 16). In unmittelbarer<br />
Nachbarschaft zu jener «Barca» findet<br />
sich mit dem Palazzo Gamboni<br />
ein weiteres derartiges Erbstück der<br />
Talgeschichte. Beides sind dies Häuser,<br />
die sich Auswanderer, die in der<br />
Fremde zu Wohlstand gekommen<br />
waren, in ihrer alten Heimat hatten<br />
erbauen lassen. Beim Palazzo Gamboni,<br />
um 1780 errichtet, handelt es<br />
sich insofern um einen zusätzlichen<br />
Glücksfall, als dass dieser (seit 1996<br />
im Besitz der Bürgergemeinde Comologno)<br />
sanft renoviert und erweitert<br />
wurde und seit 2001 als Hotel<br />
dient (Swiss Historic Hotel). Im<br />
historischen Teil des Palazzo Gamboni<br />
weisen zwei der fünf Zimmer<br />
gar noch die Originalmöbilierung<br />
auf.<br />
Die einstige Abgeschiedenheit als<br />
Chance für die Zukunft? Tatsache<br />
ist, dass die Talschaft für Ruhe suchenden<br />
Menschen eine Oase ist.<br />
Ein sanfter Tourismus mit Einbezug<br />
der öffentlichen Verkehrsmittel, der<br />
Gastronomie, der Dorfländen, der<br />
Landwirtschaft etc. kann einen<br />
gangbaren Weg in die Zukunft weisen.<br />
Ergo geht es beim NF-Wettbewerb<br />
auch um kleinere und grössere<br />
Freuden für uns Wandernde! hg.<br />
1. Preis:<br />
Eine Übernachtung im historischen<br />
Teil des Palazzo Hotel Gamboni in<br />
Como logno mit Frühstück für zwei<br />
Personen, im Wert von Fr. 230.–.<br />
Sonnige Aussichten für Ihr Geld.<br />
Seit 1991 bauen wir Solarkraftwerke, verwirklichen<br />
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den ärmsten Ländern.<br />
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Ticino Turismo im Wert von Fr. 80.–.<br />
7.–16. Preis<br />
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Verlag ADAC, erschienen im 2010,<br />
im Wert von rund Fr 10.–.<br />
Antworten gehen an:<br />
<strong>Naturfreunde</strong> <strong>Schweiz</strong>, Vermerk<br />
NF-Wettbewerb, Postfach,<br />
3001 Bern, oder via Mail an<br />
info@naturfreunde.ch.<br />
Einsendeschluss:<br />
23. Oktober 2012. Über den<br />
Wettbewerb wird keine Korrespondenz<br />
geführt.<br />
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NATURFREUND 4/2012 25
SERVICE<br />
Was Wann Wo<br />
Freizeit mit <strong>Naturfreunde</strong>n – zusätzliche Termine auf www.naturfreunde.ch > aktivitäten<br />
Anlass Datum Ort Organisation Info und Anmeldung<br />
WANDERN / RANDONNEE / ESCALADE / BERGSTEIGEN / KLETTERN<br />
Hochtour Oberalpstock (T4)* 22./23.9.12 Oberalpstock GR Sektion Dübendorf Erich Vetterli ................. 044 201 75 59<br />
Bergwanderung ab Schwägalp/Toggenburg* 23.9.12 Hinterfallenkopf SG Sektion Küsnacht-Erlenbach Ernst Uster ..................... 044 915 35 35<br />
Wandertour Mürren/Schilthorn* 22./23.9.12 Schilthorn BE Sektion Winterthur Marcel Frank ................. 052 345 06 61<br />
Wandern im Turbenthal 29.9.12 Turbenthal-Wila ZH Sektion Senioren Zürich Anni Camastra ............. 044 400 11 53<br />
Vollmond-Wanderung im Mühletal/Fernsehturm 29.9.12 Raum Zofingen LU Sektion Brittnau Ruedi Nyfeler ................ 062 797 50 02<br />
Grimseltour mit Kristallweg und Gelmerbahn* 30.9.12 Grimsel/Gelmersee Sektion Basel-Riehen Alois Kaufmann ........... 061 481 56 17<br />
Wandern zum Etang de la Gruère 30.9.12 bis Tramelan BE Sektion Aarau Berthold Nagel ............. 062 842 59 00<br />
½-Tags-Wanderung Wenkenpark – Lange Erle 4.10.12 via Hörnlifelsen BL Sektion Muttenz/Birsfelden Oskar Lei ......................... 061 461 16 17<br />
Klettern auf Melchsee-Frutt* 6.10.12 Melchsee-Frutt OW Sektion Züri Walter Keller ................. 044 831 20 22<br />
Speleo-Exkursion: Schauhöhle Orbe-Grotten 7.10.12 Orbe VD Sektion Züri Adolf Winkler ............... 044 700 16 75<br />
Familien-Wanderung Heiden-Rheineck 7.10.12 Heiden-Rheineck AR Sektion Dübendorf Elisabeth Bürkler ......... 044 941 16 52<br />
Familien-Wanderung mit Metzgete 13.10.12 noch offen Sektion Maiengrün Theo Burkhardt ............ 062 896 18 56<br />
Wandern im Jura 14.10.12 Solothurner Jura Sektion Langendorf Erich Struss ................... 062 622 42 66<br />
Wandern zum Etang de la Gruère 14.10.12 ab Tramelan BE Sektion Basel-Riehen Alois Kaufmann ........... 061 481 56 17<br />
Wandern auf dem Gürbetaler Höhenweg 14.10.12 ab Kühlewil BE Sektion Obergösgen Silvan Jäggi ................... 062 212 36 31<br />
Bergwanderung Nüenchamm (T2) 14.10.12 ab Filzbach GL Sektion Dübendorf Marlies Tschanen ........ 044 932 49 92<br />
Wanderwoche Puschlav* 29.9.-6.10.12 Puschlav GR Sektion Gossau Guido Rutz ..................... 071 385 79 37<br />
Kleine Gourmet-Wanderung: Polenta im Tessin 17.1012 Tessin Sektion Senioren Luzern Hansruedi Heer ............ 041 360 96 73<br />
Wanderung im Schwarzwald 21.10.12 Todtnau-Herzogenhorn Sektion Birsigtal-Birseck Johanna Speiser .......... 061 272 96 59<br />
Elsass-Wanderung, durch die Weinberge 21.10.12 Hunawihr/Elsass Sektion Basel-Riehen HR.+Verena Zoller ...... 061 301 03 14<br />
Sauser-Bummel am Bielersee 21.10.12 Bielersee BE Sektion Winterthur Marcel Frank ................. 052 345 06 61<br />
Mondschein-Wanderung 26.10.12 noch offen Sektion Langendorf Werner Etter ..................062 622 78 72<br />
Klettern am Mattstock 28.10.12 Mattstock SG Sektion Dübendorf Erich Vetterli ................. 044 201 75 59<br />
Allerheiligen-Wanderung 1.11.12 noch offen Sektion Birsigtal-Birseck Nik Pfister ...................... 061 361 70 76<br />
Herbst-Wanderung: Denti della Vecchia (Lugano) 3./4.11.12 Denti della Vecchia TI Sektion Winterthur Marlies Tschanen ........ 044 932 49 92<br />
Kleine Gourmet-Wanderung: Käse in Gruyère 21.1112 Gruyère FR Sektion Senioren Luzern Alex Schönberger ........ 041 220 15 46<br />
Kletter-Training im Gaswerk Schlieren* 4.12.12 Schlieren ZH Sektion Züri Walter Keller ................. 044 831 20 22<br />
*Gilt insbesondere für Bergtouren/Hochtouren/Klettern: zum Abklären vorgängige Absprache mit Tourenleiter erforderlich!<br />
VELO / BIKE<br />
Velotour ins Elsass 9.9.12 Elsass Sektion Birsigtal-Birseck August Huwiler .............. 061 462 06 14<br />
Veloreise Elsass-Vogesen 5.–15.9.12 Vogesen F Sektion Züri Christoph Rüegg ........... 044 461 60 94<br />
Radgenuss im Schwarzwald 8.-16.9.12 Schwarzwald D Sektion Züri Walter Coesemans ....... 044 710 06 78<br />
Velotour Pratteln-Laufenburg-Pratteln 7.10.12 Laufenburg BL Sektion Pratteln-Augst Hans Kupper .................... 061 811 16 20<br />
Pfingst-Velotour 2013 18.–20.5.13 noch offen Sektion Bülach Ueli Wepfer ..................... 043 810 71 22<br />
AUSLAND/ETRANGER<br />
Istanbul – Inspiration am Bosporus 22.–29.12.12 Istanbul/Türkei Sektion Birsigtal-Birseck Hasan+Ursula Topkaya 061 703 16 85<br />
Süd-Vietnam, mit Ho Chi Minh, Mekong Delta etc. 2.2.–23.2.13 Vietnam NF Region Bern-Mittelland Ernst Schumacher ........ 031 741 33 44<br />
Natur- und Kulturreise Wachau-Neusiedlersee 21.–28.4.13 Österreich NF-Region Glattal Fritz Renold .................... 052 335 24 39<br />
Naturreise Donaudelta/Schwarzes Meer 1.–9.6.13 Rumänien NF-Region Glattal Fritz Renold .................... 052 335 24 39<br />
Kultur- und Städtereise Würzburg und Nürnberg 21.–26.7.13 Deutschland NF-Region Glattal Fritz Renold .................... 052 335 24 39<br />
Busreise Korsika mit Wandern 22.–29.9.13 Korsika NF-Region Glattal Fritz Renold .................... 052 335 24 39<br />
SKI / SNOWBOARD / WINTER / HIVER<br />
Skitour je nach Verhältnissen* 17.o.18.11.12 je nach Verhältnissen Sektion Züri Christoph Rüegg ........... 044 461 60 94<br />
Skitour je nach Verhältnissen* 23./24.11.12 je nach Verhältnissen Sektion Züri Erich Vetterli ................... 044 201 75 59<br />
Skitour je nach Verhältnissen* 1.o.2.12.12 je nach Verhältnissen Sektion Züri Christoph Rüegg ........... 044 461 60 94<br />
Schneeschuh-Weekend im Schwarzwald 8./9.12.12 Schwarzwald D Sektion Birsigtal-Birseck Peter Stalder ................... 061 421 83 21<br />
Abend-Schneeschuhtour 28.12.12 noch offen Sektion Langendorf Bruno Geiser ................... 032 623 60 84<br />
Neujahrslager in Bumbach (Langlauf, Alpin etc.) 28.12.–2.1.13 Bumbach/Emmental BE Sektion Züri Ernst Uster ....................... 044 915 35 35<br />
Schneeschuhwandern in Zermatt/Grächen/Gspon 14.-18.1.13 Grächen VS Hotel Stutz/NFS Hans Oggier .................... 027 956 36 57<br />
Skitour Wildspitz* 19.1.13 Wildspitz SZ Sektion Kriens René Rindlisbacher ...... 041 340 97 16<br />
Skiweekend in Vella 17.-21.1.13 Vella GR Sektion Bülach Vreni Rayroux ................. 044 867 31 84<br />
*Gilt insbesondere für Skitouren: zum Abklären vorgängige Absprache mit Tourenleiter erforderlich!<br />
NATUR / KULTUR / DIVERSES<br />
Kulturausflug (für Senioren) nach Bern 4.10.12 Bern Sektion Brittnau Vreni Scheibler ................. 062 751 17 38<br />
Kulturausflug nach Lausanne 11.10.12 Lausanne KV beider Basel Erwin Bezler ...................... 061 322 16 60<br />
Aarberger Sonne: Besichtigung der Zuckerfabrik 13.10.12 Zuckerfabrik Aarberg BE Sektion Waldenburgtal Theo Rudolf ....................... 061 901 35 32<br />
Souper chasse et journée du travail 10.11.12 Chalet Prise Milord Section La Côte Peseux Laurent Béguin ................ 079 752 12 80<br />
Exkursion Lebkuchen-Museum 27.10.12 Einsiedeln SZ Sektion Winterthur Heidi Ruckli ...................... 052 233 84 47<br />
Hütten-Weekend neue NF-Hilfernhütte 3./4.11.12 NF-Haus Hilferental BE Sektion Hasle-Rüegsau Annemarie Schüpbach .. 034 422 71 41<br />
Live-Reportage mit Dani Arnold, Profi-Bergsteiger 9.11.12 Stäfa ZH Sektion Stäfa Res Egli .............................. 044 926 48 89<br />
Besuch (neues) Alpines Museum in Bern 17.11.12 Bern Sektion Chur Jakob Dietrich .................. 081 284 68 79<br />
26 NATURFREUND 4/2012
IMPULS – das Wort des Präsidenten<br />
<strong>Naturfreunde</strong> gibt’s nicht<br />
nur in Europa – nutzen<br />
wir die Kontakte!<br />
Liebe Naturfreundinnen und <strong>Naturfreunde</strong><br />
Die <strong>Naturfreunde</strong>-Bewegung macht an unserer Landesgrenze<br />
nicht halt. Nein, unsere Bewegung besteht grenzübergreifend,<br />
sei dies in in Europa, in Afrika oder in Amerika. Also können wir, als<br />
NF-Mitglieder, Besuche bei <strong>Naturfreunde</strong>n in Europa oder auch<br />
in Übersee tätigen. Dies gibt uns Gelegenheiten, neue Freunde<br />
zu fi nden und wundervolle, schöne Weltgegenden zu entdecken.<br />
Diesbezüglich denke ich gerne an die letzten Monate zurück. Ich<br />
war, im Juli dieses Jahres, einmal mehr geschäftlich (und anschliessend<br />
ferienhalber) in den USA unterwegs. Noch vor der<br />
Abreise hatte ich erfahren, dass die <strong>Naturfreunde</strong>-Sektion von<br />
San Francisco (Kalifornien) heuer ihr 100-Jahre-Jubiläum feiern<br />
wird. Meine Frau Doris und ich konnten daher unsere Rückreise<br />
so planen, dass wir den Zwischenstopp bei den <strong>Naturfreunde</strong>n<br />
von San Francisco just zu deren «Sommerfest 2012» würden einlegen<br />
können. Ich meldete mich also bei Christine Lemor-Drake<br />
(sie ist, als gebürtige Französin, langjähriges Mitglied der <strong>Naturfreunde</strong><br />
San Francisco), um ihr mein Vorhaben anzubringen.<br />
Christines Antwort kam postwendend: man erwarte uns, wir seien<br />
herzlich willkommen!<br />
Am 14. Juli trafen wir in der Gegend ein, wo die <strong>Naturfreunde</strong><br />
San Francisco (SF) ihr Haus besitzen. Es liegt inmitten der Muir<br />
Woods (nördlich der Stadt, respektive der Golden-Gate-Bridge),<br />
es ist dies das Gebiet der legendären Redwood-Tannen, die bis<br />
zu 110 Meter hoch wachsen. Beim NF-Haus Muir Woods angekommen,<br />
wurden wir von Braden Bahr (ein weiteres Mitglied der<br />
NF in SF) willkommen geheissen. Er zeigte uns die Zimmer, von<br />
denen wir uns eines aussuchen durften. Anschliessend traf Christine<br />
ein, die uns auf dem Areal des Hauses herumführte und uns<br />
alles zeigte und erklärte. Wir wurden zahlreichen Mitgliedern vorgestellt<br />
und es ergaben sich alsbald interessante, herzliche Gespräche.<br />
Und nach und nach füllte sich das Areal mit Frauen,<br />
Männern und Kindern, immerhin wurden gut 1200 Personen zu<br />
diesem Fest erwartet. Der grösste Teil davon waren übrigens<br />
Nichtmitglieder, die extra an das «Sommerfest 2012» der <strong>Naturfreunde</strong><br />
anreisten.<br />
Eine Musik-Kapelle (u.a. mit Trompete und Handorgel) spielte den<br />
ganzen Tag über zur Unterhaltung auf. Dazu wurde ausgiebig<br />
Wanderferien mit Hund<br />
Das Hotel für Ferien mit Ihrem Vierbeiner.<br />
Schöne Sommer- und Winterwanderwege. Idealer<br />
Ausgangspunkt für Ausflüge in der Region.<br />
Hotel Résidence<br />
Saanenstrasse 4, 3770 Zweisimmen,<br />
Tel +41 (0)33 722 17 15, Fax +41 (0)33 722 31 55<br />
info@hotel-residence.ch<br />
getanzt, und zwar in Form von Volkstänzen, d.h. von Gruppentänzen,<br />
mit denen die Verbundenheit zur alpinen Kultur der ehemaligen<br />
Herkunftsländer (Deutschland, Österreich, <strong>Schweiz</strong>) zelebriert<br />
wurde. Da meine Frau und ich anschliessend im NF-Haus<br />
übernachteten, ergab sich uns zudem die Gelegenheit, einen geselligen<br />
Abend (bis in die frühen Morgenstunden) mit den Mitgliedern<br />
der <strong>Naturfreunde</strong> San Francisco zu geniessen – und dazu<br />
gehörten nicht allein angeregte Gespräche sondern auch intensivstes<br />
Jenga spielen!<br />
Am nächsten Morgen staunten wir erneut nicht schlecht, hatte<br />
doch Braden Bahr bereits für ein feines Frühstück im NF-Haus<br />
gesorgt. Nun, all dies liegt jetzt bereits wieder ein paar Wochen<br />
zurück, aber meine Frau und ich denken gerne an diese Stunden<br />
im NF-Haus Muir Woods zurück. Wir haben Freunde gefunden,<br />
wir haben gute Begegnungen erlebt. Und wer weiss, vielleicht<br />
werden wir bald schon mal <strong>Naturfreunde</strong> aus Kalifornien bei uns<br />
in der <strong>Schweiz</strong>, in einem unserer Häuser begrüssen dürfen. Für<br />
mich ist dies das Zusammenspiel, das ich unter uns <strong>Naturfreunde</strong>n<br />
fördern möchte. Es drückt sich in jenem Leitgedanken aus,<br />
den ich mehrmals schon geäussert habe: «alleine addiert man,<br />
zusammen multipliziert man».<br />
Liebe Naturfreundinnen und <strong>Naturfreunde</strong>, ich möchte euch<br />
empfehlen, solche Gelegenheiten auch mal wahrzunehmen; besucht<br />
auch mal eine Sektion oder ein NF-Haus im Ausland, sei’s<br />
nun im nahen oder fernen Ausland. Für mich jedenfalls ist klar:<br />
dies war nicht meine letzte Begegnung mit einer Sektion ausserhalb<br />
der <strong>Schweiz</strong>.<br />
Ich verbleibe mit einem herzlichen «Berg frei» und wünsche allen<br />
einen schönen Spätsommer und einen wundervollen Herbst!<br />
Hans Imhof, Präsident <strong>Naturfreunde</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
Nichtraucher-Hotel STUTZ<br />
Ursula + Hans Oggier<br />
3925 Grächen/VS – Tel./Fax 027 956 36 57/58<br />
www.hotelstutz.ch – hotel.stutz@bluewin.ch<br />
Aus unserem Ferienprogramm 2012 für NFS-Mitglieder<br />
08. – 12. Okt. Wein-Wanderwoche Vispertäler - Sierre, ab Fr. 735.–/Pers.<br />
26. – 28. Okt. Safran-Weekend, Südrampe - Mund, ab Fr. 305.–/Pers.<br />
MITGLIEDSCHAFT<br />
NATURFREUND 4/2012 27
SERVICE<br />
Ausbildung / Fortbildung<br />
GPS-Einführungskurs: in Bern und Aarau<br />
Und wie funktioniert ein GPS-Gerät? Immer häufiger greifen auch<br />
Wandernde nach diesem Hilfsmittel – und sind begeistert von den<br />
Möglichkeiten, die sich ihnen damit eröffnen. Darum hier ein GPS-<br />
Kurs extra für Neu-Einsteiger: einer bei Bern, einer bei Aarau (die<br />
Kurse sind inhaltlich identisch).<br />
� Wann/Wo: 18. November, Region Bern; oder 25. November, Region Aarau.<br />
� Anforderungen: keine GPS-Vorkenntnisse erforderlich.<br />
� Kosten: Tourenleiter NFS mit esa Anerkennung Fr. 80.–, Tourenleiter NFS<br />
Fr. 120.–, Tourenleiter Nichtmitglied mit esa-Anerkennung Fr. 120.–, NFS-<br />
Mitglied ohne Leiteranerkennung Fr. 160.–.<br />
� Fachbereichsleiter: Tom Zwahlen, Bergführer, J+S-Experte<br />
� Anmeldeschluss: 18. Oktober 2012.<br />
GPS-Kurs für Fortgeschrittene: in Bern<br />
Dieser Kurs richtet sich an Personen, die bereits eine Ahnung haben,<br />
was mit einem GPS alles möglich ist – und nun aber einen Schritt<br />
weiter gehen wollen. Dieser Kurstag bietet die Gelegenheit zu x-verschiedenen<br />
Übungen, sei’s vorgängig am PC oder dann im Gelände.<br />
� Wann/Wo: 1. Dezember, Region Bern.<br />
� Anforderungen: GPS-Vorkenntnisse.<br />
� Kosten: Tourenleiter NFS mit esa Anerkennung Fr. 80.–, Tourenleiter<br />
NFS Fr. 120.–, Tourenleiter Nichtmitglied mit esa-Anerkennung Fr. 120.–,<br />
NFS-Mitglied ohne Leiteranerkennung Fr. 160.–.<br />
� Fachbereichsleiter: Tom Zwahlen, Bergführer, J+S-Experte<br />
� Anmeldeschluss: 2. November 2012.<br />
Kurs für Erste Hilfe / Bergmedizin: in Aarau<br />
Als NFS-TourenleiterIn oder privat unterwegs in den Alpen oder<br />
Voralpen und plötzlich – jemand verletzt sich! In solchen Momenten<br />
muss man/frau handeln können. Darum geht es in diesem Kurs:<br />
um Sofortmassnahmen, um Hilfsmittel, um die Herausforderung, auch<br />
in solchen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren.<br />
� Wann/Wo: 2. Dezember, Region Aarau.<br />
� Anforderungen: Basiskenntnisse Erste Hilfe. � Kosten: Tourenleiter<br />
NFS mit esa Anerkennung Fr. 100.–, Tourenleiter NFS Fr. 140.–, Tourenleiter<br />
Nichtmitglied mit esa-Anerkennung Fr. 140.–, NFS-Mitglied ohne Leiteranerkennung<br />
Fr. 180.–.<br />
� Fachbereichsleiter: Tom Zwahlen, Bergführer, J+S-Experte<br />
� Anmeldeschluss: 2. November 2012.<br />
Fortbildung FK Schneeschuh-Touren Senioren: Bannalp NW<br />
Das Gehen auf Schneeschuhen erfreut sich zunehmender Beliebtheit,<br />
auch bei älteren Semestern. Umso mehr sind die jeweiligen Leiter-<br />
Innen gefragt: wie lege ich eine «Senioren-gerechte» Spur an, wie<br />
sieht‘s aus bezüglich Lawinen, wie schütze ich den Raum der Wildtiere?<br />
Um derlei geht’s bei diesem gemeinsam mit Pro Senectute<br />
durchgeführten Kurs.<br />
� Wann/Wo: 15./16. Dezember, Bannalp NW.<br />
� Anforderungen: LeiterIn Schneeschuhtouren; vorgängiger Lawinenkurs<br />
wird empfohlen. � Kosten: Tourenleiter NFS/PS mit esa Anerkennung<br />
Fr. 240.–, Tourenleiter NFS Fr. 320.–, Tourenleiter Nichtmitglied mit esa-Anerkennung<br />
Fr. 320.–, Nichtmitglieder Fr. 450.–, (jeweils mit Halbpension).<br />
� Fachbereichsleiter: Tom Zwahlen, Bergführer, J+S-Experte.<br />
� Anmeldeschluss: 15. November 2012.<br />
Anmeldung jeweils an: <strong>Naturfreunde</strong> <strong>Schweiz</strong>, Postfach, 3001 Bern, Tel. 031 306 67 67, E-Mail: info@naturfreunde.ch<br />
28 NATURFREUND 4/2012
<strong>Naturfreunde</strong>haus im Kiental sucht neuen Pächter<br />
Gastgeberin auf der Gorneren?<br />
Die Strasse vom Tschingelsee hinauf<br />
zur Griesalp, zuhinterst im Kiental BE,<br />
gilt als steilste Postautostrecke der<br />
<strong>Schweiz</strong>. Genau dort oben, zuhinterst<br />
im Kiental, findet sich das NF-<br />
Haus Gorneren (www.nfh.ch/gorneren).<br />
Es bietet seit Jahrzehnten<br />
www.pronatura.at<br />
eco-deco GmbH · Schauraum<br />
Gerberstr. 3 · 4410 Liestal<br />
Tel.: 061-923 18 70 · eco_deco@yahoo.com<br />
Gastro-Leistungen für Gruppen und<br />
Einzelgäste an. Für dieses NF-Haus<br />
wird ein neuer Pächter/Gastgeber<br />
gesucht (spätestens auf Mai 2013).<br />
Infos bitte per Mail anfordern bei<br />
ph.pellaton@nfh.ch. NF<br />
Balmer fertigt Schuhe nach individuellem Mass<br />
Fertig mit Problemfüssen<br />
Beim Bergsteigen oder Wandern<br />
werden die Füsse stark beansprucht.<br />
Darum sollte man darauf achten,<br />
geeignetes Schuhwerk zu tragen.<br />
Damit ein Schuh sicher passt, erstellt<br />
der Schuhmachermeister Oscar Balmer<br />
aus Latterbach BE persönliche<br />
Leisten, also persönliche Formstücke.<br />
Er formt über die individuell angefertigten<br />
Mass-Leisten Bergschuhe,<br />
Bergwanderschuhe usw. Die Schuhe<br />
eignen sich speziell auch für «Prob-<br />
lemfüsse». Auf Wunsch stellt Balmer<br />
orthopädische Sporteinlagen nach<br />
Gipsmodellen her. Ein Schuh ist für<br />
Fr. 890.- (plus Leisten bei Erstanfertigung<br />
Fr. 350.–) erhältlich. Für das<br />
persönliche Massnehmen ist eine<br />
Anmeldung erforderlich. Nähere Infos<br />
und Anmeldung: Bergsportzentrum<br />
Oscar Balmer. 3758 Latterbach,<br />
Tel. 033 681 22 00, www.balmerbergsport.ch.<br />
NF<br />
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Morgen wieder fit und voll leistungsfähig sind.<br />
5 Fragen an …<br />
PLAUDERN MIT NFS-MITGLIEDERN<br />
Heute gehen die 5 Fragen<br />
an Beat Schüpbach in Burgdorf<br />
BE. Nachdem er erst als<br />
Kondukteur und dann als<br />
Zugführer bei der ehemaligen<br />
VHB gearbeitet hat, ist er<br />
heute als BLS-Gärtner im Einsatz.<br />
Anfänglich aber hatte er<br />
sich zum Landwirt ausbilden<br />
lassen. Er ist Mitglied der<br />
<strong>Naturfreunde</strong>-Sektion Hasle-Rüegsau.<br />
Die BLS sind ein Transport-Unternehmen; sie betreiben u.a. die<br />
Eisenbahnlinie durch den Basis-Tunnel am Lötschberg und weiter<br />
durch den Simplon nach Italien. Und was nun aber ist die Auf gabe<br />
eines BLS-Gärtners?<br />
Meine Aufgabe besteht darin, dass ich für die Gartenarbeiten rund um<br />
die Bahnhöfe der BLS (ausgenommen Südrampe) zuständig bin. Mit meinem<br />
Mitarbeiter bin ich verantwortlich für die Grünflächen, <strong>Rabatt</strong>en,<br />
Sträucher und Baumpflege. Ab und zu bepflanzen wir auch eine Neuanlage.<br />
Es macht mir viel Freude und ist abwechslungsreich.<br />
Irgendwo habe ich mal aufgeschnappt, dass die Platanen zu deinen<br />
Lieblingsbäumen gehören. Was fasziniert dich an diesem Baum?<br />
Die Platane ist ein robuster, pflegeleichter Baum, der bis 1000 Jahre alt<br />
werden kann. Für unsere Grosskinder habe ich einen solchen Baum in<br />
ihren Garten gepflanzt. Nun können Nina und Elin bereits darunter im<br />
Schatten spielen.<br />
Im vorliegenden Heft geht’s unter anderen ums Tessin, respektive<br />
ums Onsernone-Tal. Das Tessin ist eines der Verbreitungsgebiete der<br />
Edelkastanie. Welche Beziehung pflegst du zu diesen Bäumen?<br />
Edelkastanien sind an unseren Bahnhöfen nicht sehr verbreitet. Im Winter<br />
schneiden wir sehr viele Rosskastanien, alle zirka 100-jährig, also aus<br />
den Anfangszeiten der <strong>Schweiz</strong>er Eisenbahnen. Übrigens, das Onsernone-Tal<br />
ist ein sehr wildes, schönes Wanderparadies, das wir zum Teil bereits<br />
erwandert haben.<br />
In letzter Zeit ist oft von den sogenannten Neophyten die Rede.<br />
Hast du mit diesen «eingewanderten» Pflanzen auch beruflich zu<br />
tun? Oder nur privat?<br />
Beruflich habe ich im Moment fast täglich mit Neophyten zu tun. Zu<br />
dieser Gattung gehören zum Beispiel Goldrute, Berufskraut, Riesenbärenklau,<br />
Springkraut, Japanischer Knöterich und die Ambrosia, die meldepflichtig<br />
ist. Zum Glück können wir die Bahnhöfe von diesen dominanten<br />
Pflanzen noch recht sauber halten. In unserem Privatgarten aber<br />
haben diese Pflanzen keine Chance, zu wachsen.<br />
Du bist Tourenleiter der <strong>Naturfreunde</strong>-Sektion Hasle-Rüegsau.<br />
Welches sind deine nächsten Touren? Und wer darf dich dabei begleiten?<br />
Als Tourenleiter habe ich meine Touren fürs Jahr 2012 bereits durchgeführt.<br />
Die letzte war am 12./13. August auf das Schnidejoch. Als nächstes<br />
gehe ich als Teilnehmer mit den NF-Hasle-Rüegsau für drei Tage auf<br />
Walserwegen nach Rimella (Ossolatäler). Am 3./4. November organisiert<br />
meine Frau ein Hüttenweekend in der schönen neu umgebauten Hilfernhütte.<br />
Meistens bin ich mit den <strong>Naturfreunde</strong>n Hasle-Rüegsau, mit<br />
Kollegen oder der Familie unterwegs.<br />
NATURFREUND 4/2012 29
Natürlich lohnt es sich, <strong>Naturfreunde</strong>-Mitglied zu sein!<br />
Unsere Sektionen stellen speziell für Dich interessante und breit gefächerte Aktivitäten<br />
zusammen – im Sommer wie im Winter! In den <strong>Naturfreunde</strong>häusern kannst Du vergünstigt<br />
übernachten! Du erhältst das Jahresabonnement unseres Magazins „Naturfreund“.<br />
Um Dir noch mehr für Deine <strong>Naturfreunde</strong>-Mitgliedschaft zu bieten, haben wir das<br />
Mitgliedervorteilsprogramm geschaffen. Profitiere bei zahlreichen Partnern von attraktiven<br />
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6052 Hergiswil/NW<br />
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Postfach 149<br />
7550 Scuol<br />
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Stadtbad Zürich AG<br />
Stauffacherstr. 60<br />
8004 Zürich<br />
www.stadtbadzuerich.ch<br />
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Rathausstrasse 32<br />
3954 Leukerbad<br />
www.burgerbad.ch<br />
Stadtbad Zürich AG<br />
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Safran-Weekend<br />
26. – 28. Okt. 2012<br />
300.– statt 320.- im DZ<br />
330.– statt 350.- im EZ<br />
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5330 Bad Zurzach<br />
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rolf.kaeser@naturfreunde.ch
75 Jahre <strong>Naturfreunde</strong>haus Ämmital<br />
Heute gar mit Wickelecke!<br />
Das NF-Haus liegt am Wanderweg Eriswil-Ahorn-Napf , auf<br />
Gemeindegebiet Wasen, und es ist im Eigentum der Sektionen<br />
Huttwil, Lotzwil-Madiswil und Roggwil. Übers Wochenende<br />
vom 1./2. September hatten die <strong>Naturfreunde</strong> zur Feier<br />
«75-Jahr-Ämmitalhaus» geladen.<br />
Für dieses Fest hatten sich die Hausgemeinschaft<br />
Ämmital (Präsident<br />
Daniel Hegi) und das eigens einberufene<br />
OK (Leitung Sabine Heiniger) einiges<br />
einfallen lassen. Was dabei auf<br />
schöne Weise zum Ausdruck gelangte:<br />
die <strong>Naturfreunde</strong> und ihr Ämmitalhaus<br />
sind in der Region gut<br />
verankert, und sie haben Freunde.<br />
Dies belegt allein schon ein Blick in<br />
die 44-seitige Festschrift, in der Dutzende<br />
lokaler Unternehmen (vom<br />
Getränkehändler bis zum Bäcker und<br />
Hörgerät-Experten) mit bezahlten<br />
Anzeigen vertreten sind. Dabei hatten<br />
die <strong>Naturfreunde</strong> vor 75 Jahren<br />
durchaus vor gewisser Skepsis gestanden.<br />
So etwa hatte die Gemeinde<br />
Luthern LU, auf deren Boden die<br />
<strong>Naturfreunde</strong> ihr Haus ursprünglich<br />
hatten bauen wollen mit der Begründung<br />
abgelehnt, wonach die<br />
katholische Bevölkerung befürchte,<br />
dass sich um so ein NF-Haus alsbald<br />
halb nackt sonnende Leute herumtreiben<br />
würden. Also kam es, dass<br />
die Emmentaler <strong>Naturfreunde</strong> andernorts<br />
fündig wurden, auf der Alp<br />
Höchschwendeli (1150 m), wo sie<br />
im 1936 einen Kaufvertrag über<br />
1438 m 2 zu Fr. 1.– pro m 2 unterzeichneten.<br />
Dank unzähliger Stunden<br />
an Fronarbeit konnten sie bekanntlich<br />
bereits im Folgejahr, 1937,<br />
zur Eröffnung einladen. Nachdem<br />
nun insbesondere auch in den letzten<br />
Jahren sehr viel an Geld und Arbeit<br />
in die Erneuerung dieses Hauses<br />
investiert wurde (im 2011 ging’s um<br />
Umbau und Sanierung der WC-Anlagen<br />
und Waschräume) präsentiert<br />
sich das Ämmitalhaus heute als attraktiver<br />
Gastgewerbebetrieb inmitten<br />
einer einzigartigen Voralpen-<br />
Landschaft. So bietet das NF-Haus<br />
jeweils sonntags, nebst Kioskwaren,<br />
Glacen sowie Suppe und Brot, auch<br />
ein Tagesmenü an (und auf Vorbe-<br />
4 Fragen an …<br />
Heute gehen die 4 Fragen an<br />
Theo Burkhardt, Sektion Maiengrün<br />
AG. Theo engagiert<br />
sich in der Sektion als als TourenTourenleiter.leiter. Eine seiner seiner letzten Touren<br />
führte ins Münstertal Münstertal GR –<br />
zumindest teilweise auf dem<br />
Kulturweg Kulturweg Alpen, den die NFS im<br />
Herbst 1999 lanciert hatten.<br />
Die Tour nach Müstair hatte in Zuoz angefangen - und nicht erst in<br />
Lavin oder Susch. Ging es dir mit Zuoz um den Schällen-Ursli, oder<br />
waren deine Überlegungen anderer Art?<br />
Der rote Faden der Tour, mit Start in Zuoz, galt der Durchquerung des<br />
Nationalparks und bildete den Abschluss der Weitwanderung Kulturweg<br />
Alpen in Müstair. Gestartet sind wir im September 2001 in Montreux und<br />
wanderten in 10 Tagesetappen nach Sachseln OW. Von dort im Jahr 2005<br />
in weiteren 10 Etappen ins Bleniotal. Im Juli 2008 folgten wir dem Kulturweg<br />
Alpen über die Greina nach Vrin. Ab Vrin wählte ich eine Variante «plus»<br />
die via Vals, Safien, Savognin, Park Ela nach Zuoz führte.<br />
«Ora et labora» (bete und arbeite), so gilt der Grundsatz der Benediktiner-Regel,<br />
nach der sich die Ordensschwestern im Kloster St. Johann<br />
in Müstair ausrichten. Wie habt ihr den Besuch im Kloster erlebt?<br />
Der Besuch der Klosterkirche und dem besinnlichen Spiel des Organisten<br />
zuzuhören erfüllte mich mit einer tiefen Ruhe. Es gab mir die Möglichkeit,<br />
die Erlebnisse, Eindrücke und die damit verbundenen Gefühle während der<br />
Tour nochmals aufleben zu lassen und zu vertiefen. Es war ein würdiger<br />
Abschluss.<br />
Wandern mit anderen: du organisierst entsprechende Touren. Was<br />
denkst du, was macht den Reiz des gemeinsamen Unterwegs-Seins aus?<br />
Für mich ist Wandern die natürlichste Art vorwärts zu kommen und unterwegs<br />
zu sein. Gemeinsam unterwegs zu sein mit Kolleginnen und Kollegen,<br />
sich austauschen im Gespräch, zu zweit oder in der Gruppe: so kommt viel<br />
Wissen und Erfahrung zusammen. Sei es über Pflanzen, Tiere, Kultur und<br />
Landschaft. Aber auch Witzeln und «Sprüche klopfen» gehört dazu.<br />
Du bist ja auch auf Hochtouren anzutreffen. Und auf Skitouren? Wohin<br />
führen dich deine nächsten Touren?<br />
Da ich nie ein versierter Skifahrer war, habe ich die Tourenskis durch<br />
Schneeschuhe ersetzt. Das Schneeschuhlaufen bietet mir weiterhin die<br />
Möglichkeit, verschneite Gipfel zu besteigen und das besondere Flair der<br />
Winterlandschaft zu geniessen. Obendrein bleibt die sportliche Fitness und<br />
Ausdauer erhalten. Auf der Wunschliste für den Herbst steht u.a. die Bergtour<br />
auf den Bristen. Ein anderes Wanderprojekt haben meine Frau und ich<br />
letztes Jahr in Angriff genommen: die Idee ist, von unserem Heim aus via<br />
Grenzpfad Napfbergland und der Via Sprinz südwärts zu gehen. Auf dem<br />
Nufenen treffen wir auf den Fernwanderweg GTA. Der Weg durchzieht in<br />
68 Tagesetappen den gesamten italienischen Westalpenbogen. Für unsere<br />
Sektion werde ich im 2013 Schneeschuhtouren, Familienwanderungen und<br />
Bergtouren organisieren und leiten. Auch Nichtmitglieder sind an unseren<br />
Anlässen stets willkommen und herzlich eingeladen.<br />
stellung hin gibt’s auch Frühstück).<br />
Insgesamt bietet das Haus 49 Schlafplätze,<br />
wovon 2 Zimmer mit je<br />
2 Betten und eines mit 3 Betten.<br />
Und Familien mit Kleinkindern seien<br />
daran erinnert: neuerdings gibt’s im<br />
PLAUDERN MIT NFS-MITGLIEDERN<br />
Ämmitalhaus sogar eine Wickelecke!<br />
Achtung: von November bis Februar<br />
ist das Haus geschlossen. hg.<br />
Für nähere Infos und Reservation:<br />
Daniel Hegi, Tel. 062 929 14 22,<br />
e-mail: nauticus@bluewin.ch.<br />
NATURFREUND 4/2012 31
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