Praesentation Herwig Scholz
Praesentation Herwig Scholz
Praesentation Herwig Scholz
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Pathologisches Glücksspiel<br />
von der Problemwahrnehmung zur Entwicklung<br />
professioneller Hilfestellungen<br />
<strong>Herwig</strong> <strong>Scholz</strong><br />
Leiter des Departements für<br />
Psychosomatik im Krankenhaus Waiern<br />
und der Spielsuchtambulanz Villach
Die Schwierigkeiten der<br />
Problemwahrnehmung<br />
bedingt durch verbreitete<br />
Fehlmeinungen
Verbreitete öffentliche Meinungen über das<br />
Glücksspiel<br />
� Glücksspiele sind ein harmloses Vergnügen und<br />
dienen vorwiegend der Unterhaltung<br />
� Wer spielt, hat erhebliche Gewinnchancen „Glaub<br />
ans Glück“, Berichte über Supergewinne<br />
� Pathologisches Spielen ist ein seltenes Phänomen<br />
� Es gibt einen die Risiken ausreichend<br />
abdeckenden Spielerschutz bei allen Anbietern<br />
� Dennoch Gefährdeten wird durch Zweckbindung<br />
der Steuereinnahmen der Länder geholfen
Verbreite Meinungen über pathologisches Spielen und<br />
Spieler<br />
� Zweifel am Krankheitscharakter: „Brauchen<br />
keine Behandlung“<br />
� Langzeitige Verleugnung des Suchtcharakters<br />
� Klassifizierung vorerst als Störung der<br />
Impulskontrolle<br />
� Die Triebfeder zur Entwicklung<br />
problematischen/süchtigen Spielens liegt vor<br />
allem in der Geldgier<br />
� Die Hintergründe der Spielsucht liegen in<br />
Charaktermängeln, Willensschwäche
Verbreitete Meinungen über<br />
Spielangebote/Spielerschutz<br />
� Alle Spielformen/Spielangebote haben ähnliche Risiken<br />
� Sportwetten und Pokerspiele sind kein Glücksspiel,<br />
zählen zum Bereich Sport<br />
� Da es Spielangebote im „Rotlichtmilieu“ immer gibt,<br />
sollte man sie in der Öffentlichkeit zulassen, das<br />
erhöhe keinesfalls das Krankheitsrisiko<br />
� Gegen illegal aufgestellte Geräte lässt sich nichts<br />
machen, deshalb ist es besser, sie zu legalisieren
Risikoaspekte aus Angeboten<br />
der Glücksspielindustrie<br />
Mit unterschiedlichen<br />
Konsequenzen
� Zählt zu den größten Wirtschaftszweigen in Europa<br />
� Steuereinnahmen aus dem Glücksspiel lagen 2002<br />
für Deutschland höher als Alkoholsteuern (Meyer<br />
2003)<br />
� Steuern für Länder und Kommunen decken bis zu 1-<br />
5% des Gesamtbudgets ab<br />
� Jährliche Wachstumsraten<br />
� Innovative dynamische Entwicklung der Industrie
� „Selbstorganisierte Geldgewinnspiele“ im<br />
privatem Bereich<br />
� Kommerzielle Glücksspielangebote<br />
� Klassische Casinoangebote z.B.:<br />
� Roulette, Black - Jack<br />
� Automatenspiel<br />
� Lotterieangebote, Lotto, Toto, Wettbüros<br />
� Internetangebote<br />
� Etc etc
Art des Glücksspiels und Häufigkeit bei 109<br />
ambulanten Patienten - Spielsuchtambulanz<br />
Villach (auch Mehrfachnennungen)<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
76,8<br />
Automaten<br />
Große Casinospiele<br />
Kleine Casinospiele<br />
24,8 20,8 17<br />
Kartenspiele<br />
Sportwetten<br />
13,5<br />
7,2<br />
Lotto<br />
Brieflos, Rubbellos<br />
4,1 2 1,7 0,3 0,3<br />
Toto<br />
Tipp 3<br />
Börsenspekulationen<br />
Internet-Wettbüros<br />
%-W ert
� Hohe Ereignisfrequenz<br />
� Kurzes Auszahlungsintervall<br />
� Scheinbare Interaktionsmöglichkeiten durch Start -<br />
Stop - Risikotasten<br />
� „Beinahegewinne“<br />
� Akustische und optische Verstärkerfaktoren<br />
� Suggestion persönlicher Kompetenz verstärkt<br />
magische Kontrollüberzeugungen<br />
� Besonders gravierend wirk sich die Verfügbarkeit<br />
in Gasthäusern aus
Veränderung des Anteils Kärntner Spieler<br />
mit stationärem Behandlungsbedarf<br />
� Bis 1997 Anteil der Kärntner Spieler im<br />
stationären Therapiebereich weit unter 1%,<br />
� Nach der Legalisierung des „kleinen<br />
Glücksspiels“ (1997) war ab 2001, starker<br />
Andrang von Kärntner Spielern registrierbar<br />
� Ambulanzen für Spieler in Klagenfurt(1998)<br />
und Villach(1999, 2010) wurden erforderlich
Fazit: Es gibt sehr<br />
unterschiedliche Risikomomente<br />
der einzelnen Spielangebote und eine<br />
dynamische Weiterentwicklung (z.B.:<br />
Internetangebote)
Wer ist besonders gefährdet ?<br />
Menschen mit erhöhter<br />
Vulnerabilität gegenüber<br />
problematischem und<br />
süchtigem Spielen
Spielsuchtfördernde<br />
Hintergrundfaktoren<br />
� Genetisch- familiär, gelernt<br />
� Psychosoziale Probleme: Ängste, Unsicherheit<br />
Vereinsamung, Frustration, Langeweile<br />
� Störung der Impulskontrolle<br />
� Gesteigerter Reizhunger „Sensation seeking"<br />
� Soziale Lernprozesse - Vorbildverhalten- Werbung<br />
� Begünstigende Faktoren, Niedrigschwelligkeit z.B.:<br />
Automaten im Gasthaus<br />
� Gravierende Störungen der Selbstwertregulierung
Literatur über Selbstwert und<br />
Spielsucht u.a.:<br />
� Rosenthal (1986) Narzissmus bei gestörtem<br />
Selbstwertgefühl<br />
� Jacobs (1989) als Hintergrund des<br />
integrativen Suchtmodells<br />
� Lesieur und Blume( 1991) (Spielerinnen)<br />
� Meyer und Bachmann (1996)<br />
� Niemz et al. (2005) niedrige SW Scores bei<br />
Spielern.
Entwicklungsphasen der Spielsucht (Custer et al<br />
1985)<br />
� Vulnerabilität als Voraussetzung z.B.<br />
Selbstunsicherheit ,familiäre Faktoren etc.<br />
� “Gewinnphase” - magische Bedeutung des<br />
Gewinns als Macht, Zuwendung, Beachtung...<br />
� “Verlustphase”- Ärger ,Angst- neuerliches<br />
Spielen zur Abwehr von Identitätsverlust -<br />
“chasing”<br />
� “Verzweiflungsphase” Nach “Freikauf” oft<br />
Euphorie – Rückfall – neuerlicher<br />
Kontrollverlust, Normenabbau - Delikte,<br />
Isolierung
Tatsächlich gegebene Varianten der<br />
Spielformen<br />
� „Normales Spielen“ ohne Konsequenzen<br />
� Professionelles Spielen (?)<br />
� Pathologische Spielvarianten :<br />
� Problematisches Spielen<br />
� Süchtiges Spielen<br />
� Endzustände mit erheblicher<br />
psychosozialer Isolation
Kriterien für problematisches Spielen<br />
� Spielen trotz ökonomischer Probleme<br />
� Ritualisiertes Verhalten vor/bei Spiel<br />
„magisches Denken“<br />
� Spielen wird starkes Bedürfnis<br />
� Familie, Beruf, soziale Interessen treten<br />
zurück, Kommunikationsverminderung<br />
� Zunehmende Eskalation des Spielverhaltens
Pathologisches Spielen, Glücksspielsucht<br />
1. Glücksspiel als zentraler Lebensinhalt<br />
2. höhere Einsätze<br />
nach DSM-IV<br />
3. erfolglose Versuche das Spielverhalten zu kontrollieren<br />
4. Entzugserscheinungen bei Verhinderung des Spielens<br />
5. Spielen, um dysphorische Stimmung zu verbessern<br />
6. Geldverlusten hinterherjagen<br />
7. Verheimlichung der Intensität und Auswirkungen<br />
8. Illegale Handlungen zur Finanzierung<br />
9. wichtige persönliche Beziehungen gefährdet oder verloren<br />
10. Erwartung der Rettung durch andere aus der Verschuldung
Fazit: Es gibt individuelle<br />
Risikofaktoren gegenüber<br />
Spielsucht<br />
Somit gibt es Menschen, die besonders<br />
geschützt, und gegebenenfalls<br />
behandelt werden müssen
1. Individualisierung: Statt Therapie der<br />
Spielsucht - Therapie des Spielsüchtigen<br />
2. Fokussiert auf die individuellen<br />
Hintergrundfaktoren<br />
3. Geeignete organisatorische Gegebenheiten und<br />
spezielle Kompetenzen<br />
4. Umfassendes Leistungsangebot – Langzeittherapie<br />
5. Netzwerke
die sehr unterschiedlichen Hintergründe,<br />
Enzwicklungsfaktoren und Konsequenzen mit<br />
individuellem therapeutischem Veränderungsbedarf
248 Männer und 46 Frauen (15.6%)<br />
Durchschnittsalter: 41.75 Jahre (18-67 a)<br />
Lebensgemeinschaft/Ehe: 172 (58.5%)<br />
Alleinstehend/ledig: 122 (41.5%)<br />
Verwitwet: 6 (2.0%)<br />
Berufstätig: 97 (33%)<br />
Arbeitslos: 143 (48.6)<br />
Pensioniert: 44 (15.0%)
Art des Glücksspiels und<br />
Häufigkeit (auch Mehrfachnennungen)<br />
1. Automaten 76,8%<br />
2. Große Casinospiele 24,8%<br />
3. Kartenspiele 17,0%<br />
4. Sportwetten 13,5%<br />
5. Lotto 7,2%<br />
6. Brieflos, Rubbellose 4,1%<br />
7. Toto 2,0%<br />
8. Tipp 3 1,7%<br />
9. Börsenspekulationen 0,3%<br />
Internet-Wettbüros 0,3%
Zusätzliche Störungsaspekte<br />
294 Patienten stationär Kh Delatour )<br />
� Familiäre Vorbelastung durch Sucht: 27.8%<br />
� Psychiatrische Zusatzdiagnosen bei: 36.5%:<br />
Persönlichkeit, affektive Störungen, neurotische<br />
Störungen<br />
� Suizidversuche: 14.8%!<br />
� Zusätzlicher Missbrauch /Abhängigkeiten: 43.5%<br />
� Delikte: 27%<br />
� Erhebliche Verschuldung: 87%
Ausmaß der spielbezogenen<br />
Verschuldung<br />
� Keine: 13.3%<br />
� Bis zu 7.000 Euro: 17.7%<br />
� Bis zu 35.000Euro: 28.6%<br />
� Bis zu 70.000 Euro: 19,0%<br />
� Über 70.000 Euro: 20.7%<br />
� Keine Angaben: 0.7%
� Erkennen pathogener Muster und Kognitionen<br />
� Therapeutische Veränderung eskalierter<br />
Selbstwertprobleme z.B. Selbstentwertung<br />
� Erkennen gestörter Beziehungsstrukturen<br />
� Herstellen der Zusammenhänge mit der Spielsucht<br />
� Bereitschaft zur Spielabstinenz<br />
� Konstruktive Veränderungen<br />
� Spezielles Eingehen auf Abwehr und „magisches<br />
Denken“ – Entmystifizierung des Glücksspiels
1. Kontakt-Orientierungsphase –<br />
Abwehrmechanismen - Motivationsarbeit im<br />
Vordergrund<br />
2. Intensivere ambulante oder stationäre<br />
Arbeitsphase: Verhaltensanalyse-<br />
Prozessanalyse -Zielanalyse<br />
3. Nachbehandlungsphase ca. 2 Jahre:<br />
Abbau von Basisstörungen, Anpassung an<br />
Lebensrealität, Veränderung langzeitig<br />
eskalierter Muster
� Einzeln behandelte Spieler grenzen sich von<br />
anderen Patientengruppen ab<br />
� Delegieren ihr Problem an die Therapeuten<br />
� Können nicht voneinander/miteinander lernen<br />
� Ohne Gruppenarbeit bleibt wenig Beziehung zur<br />
Therapieeinrichtung<br />
� Sowie verringerte Bereitschaft zur<br />
poststationären Gruppenarbeit
� Häufig gegebene psychiatrische Komorbiditäten<br />
� Mehrfachabhängigkeiten<br />
� Erhebliche Suizidalität<br />
� suchtbedingte Abwehrmechanismen<br />
� Verschärft durch soziale/familiäre Probleme<br />
� Erheblicher sozialer Druck, Schulden, ev. Delikte<br />
� Gravierende kognitive Verzerrungen „magisches<br />
Denken“<br />
� „Weiterspielen“ zur Bewältigung der Probleme
� Multiprofessionelle Teamleistung<br />
� Kompetenzen, Erfahrungen mit Spielsüchtigen<br />
� Therapeutische Kompetenzen mit<br />
Substanzabhängigen<br />
� Diagnostik und Therapie psychiatrischer<br />
Komorbidität<br />
� Psychotherapeutische Kompetenz<br />
� Bereitschaft zu Aufbau/ Betreuung von Netzwerken<br />
für die Langzeittherapie
Gegenüber der Entwicklung<br />
problematischen und süchtigen Spielens
Empfehlungen für einen verbesserten Spielerschutz<br />
� Einschränkung problematischer risikoreicher Angebote<br />
� Speziell gegenüber sozial unsicheren und gefährdeten<br />
Menschen<br />
� Jugendschutz (auch bei Sportwetten), keine Zielwerbung auf<br />
selbstunsichere Jugendliche - Arbeit in Schulen<br />
� Registrierung der Teilnehmer bei allen Spielangeboten<br />
� Verlustgrenzen und Selbstsperre auch bei Sportwetten<br />
� Schulung des Aufsichtspersonals der Anbieterbetriebe auch in<br />
Wettbüros<br />
� Intensivierter Schutz - Online Spiele<br />
� Aufklärung der Bevölkerung über Spielrisiken
� Ent-Stigmatisierung der Spielsüchtigen - Verständnis statt<br />
Verurteilung - Nachhaltige Unterstützung der Angehörigen<br />
� Konsequenter staatlich kontrollierter Spielerschutz<br />
� Permanente epidemiologische Begleitforschung/Evaluation aus<br />
unabhängiger Perspektive<br />
� Intensive Zusammenarbeit zuständiger Ministerien und Gremien<br />
zur Information politischer Entscheidungsträger<br />
� Zweckbindung der durch Spielprofite eingenommenen<br />
Steuermittel zur Prävention und Therapie von Spielsüchtigen in<br />
den einzelnen Ländern<br />
� Flächendeckende therapeutische und präventive Angebote
Fazit: Glücksspielprobleme<br />
werden weiter zunehmen<br />
und erfordern umfangreiche<br />
Maßnahmen zur Prävention und<br />
Therapie!
Krankenhaus Delatour<br />
Stationäre Therapie für Spielsüchtige seit mehr als 25<br />
Jahren