Mitteilungen 03 / 2004 - Deutsche Meteorologische Gesellschaft eV ...
Mitteilungen 03 / 2004 - Deutsche Meteorologische Gesellschaft eV ...
Mitteilungen 03 / 2004 - Deutsche Meteorologische Gesellschaft eV ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
forum<br />
Warum eine Reinhard-Süring-Stiftung gründen?<br />
F.-W. Gerstengarbe<br />
Als Reinhard Süring am 1. Januar 1893 die erste<br />
Messung an der eben eingerichteten und zum<br />
<strong>Meteorologische</strong>n Observatorium Potsdam gehörenden<br />
Säkularstation vornahm, hätte er es sich nicht träumen<br />
lassen, dass diese Messreihe einmal in Frage gestellt<br />
würde. Nicht umsonst haben die Gründer des<br />
Observatoriums die dazugehörige meteorologische<br />
Station als Säkularstation bezeichnet und konzipiert<br />
(säkulum = Jahrhundert). Das Konzept sah vor, eine<br />
Station zu haben, die über sehr lange Zeiträume unter<br />
möglichst unveränderten Mess- und Randbedingungen<br />
arbeitet. Dieses Konzept ist bisher aufgegangen und das<br />
im Wesentlichen dank des Einsatzes aller jemals an der<br />
Station arbeitenden Beobachter und nicht zuletzt dank<br />
Reinhard Süring selbst:<br />
April 1945: der 2. Weltkrieg befindet sich in der<br />
Endphase mit Kämpfen um Berlin. Die Front erreicht<br />
am 23. April die Außenbezirke von Potsdam. Das<br />
Personal des <strong>Meteorologische</strong>n Observatoriums auf<br />
dem Potsdamer Telegraphenberg wird am 20. April<br />
abgezogen, die letzten verbliebenen Männer für den<br />
„Endkampf“ zum Militär eingezogen. Die letzte<br />
Wetterbeobachtung erfolgte am 20. April um 7 Uhr. Am<br />
24. April vormittags sprengten abziehende deutsche<br />
Truppen den Übergang über die Havel, die das<br />
Potsdamer Zentrum vom Telegrafenberg trennt. Aber<br />
vorher hat offenbar der 79-jährige Reinhard Süring noch<br />
den Weg zum Observatorium gefunden und bereits am<br />
Nachmittag des 24. April wieder die Wetterbeobachtungen<br />
aufgenommen; ab 30. April dann bereits zu allen<br />
drei Klimaterminen, also noch vor der Kapitulation am<br />
8. Mai. Die fehlenden Termine zwischen dem 20. und<br />
24. April konnten aus den Schreibern abgelesen werden,<br />
die Augenbeobachtungen hatte Süring in dieser Zeit von<br />
zu Hause aus vorgenommen, sie waren also ebenfalls<br />
vollständig vorhanden.<br />
Damit stellt die Potsdamer Klimareihe ein Juwel<br />
unter den langen meteorologischen Reihen weltweit dar.<br />
Wie einzigartig diese Reihe ist, kann an der Tabelle verdeutlicht<br />
werden:<br />
Seit Bestehen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung<br />
wurden an diesem Institut mehr als 500<br />
lange meteorologische Reihen auf Tageswertbasis, die<br />
vor 1900 beginnen, aus aller Welt zusammengetragen.<br />
Diese einmalige Sammlung gibt einen guten und repräsentativen<br />
Überblick über die Qualität der weltweit vorhandenen<br />
langen Reihen. Man erkennt anhand der<br />
Tabelle, dass die Reihe der Säkularstation Potsdam die<br />
einzige ist, die das gesamte Messprogramm ohne<br />
Stationsverlegung, Messunterbrechungen und Instrumentenwechsel<br />
durchgeführt hat.<br />
Ab 2007 soll diese Station aufgrund der bestätigten<br />
Messnetzkonzeption des DWD durch eine automatische<br />
Station ersetzt werden. Damit würde der Synoptik,<br />
die nur Zeiträume von maximal einigen Tagen betrachtet,<br />
in Deutschland kein Schaden entstehen. Anders<br />
sieht es aus, wenn man die Einführung einer solchen<br />
Station vom Standpunkt der Klimatologie aus betrachtet.<br />
Hier entstände durch den unweigerlich in der Reihe<br />
auftretenden Bruch ein nicht wieder gut zumachender<br />
Schaden, der nicht nur auf Deutschland beschränkt<br />
bliebe, sondern weltweiten Charakter trüge. Wegfallen<br />
würden u.a. sämtliche Augenbeobachtungen, deren<br />
Bedeutung für die Auswirkungen von Klimaänderungen<br />
noch gar nicht voll erfasst sind (GERSTENGARBE, 20<strong>03</strong>).<br />
Dass eine automatische Station eine Lebensdauer aufweist,<br />
die, ohne dass es zu Pannen kommt, ohne dass<br />
Messfühler oder Messmethodik geändert werden, bis in<br />
das nächste Jahrhundert reicht, kann nicht einmal der<br />
kühnste Optimist versprechen.<br />
Seit bekannt ist, dass die Säkularstation in ihrer jetzigen<br />
Form nicht weitergeführt werden soll, setzen sich<br />
zahlreiche Menschen (nicht nur Klimatologen) dafür<br />
ein, dass dieser unselige Beschluss rückgängig gemacht<br />
wird. Leider bisher ohne Erfolg, da die Entscheidungsträger<br />
im <strong>Deutsche</strong>n Wetterdienst nicht als Wissenschaftler<br />
sondern als Vollzugsbeamte agieren. Der einzige<br />
Lichtblick besteht zur Zeit darin, dass es eine<br />
Galgenfrist für die Station bis Ende 2006 gibt, in der der<br />
Stationsbetrieb ohne Abstriche aufrecht erhalten wird.<br />
Bis dahin muss eine Lösung gefunden werden. Neben<br />
einer Reihe weiterer Aktivitäten ist auch die Idee entstanden,<br />
das Personal der Station aus Mitteln einer<br />
Stiftung zu finanzieren. In einem ersten Schritt wurde<br />
eine Satzung erarbeitet und mit dem Innenministerium<br />
des Landes Brandenburg abgestimmt. Zweiter Schritt<br />
war die Einrichtung eines Spendenkontos, das bis zur<br />
Gründung der Stiftung (so bald das Gründungskapital<br />
gesammelt ist) durch die <strong>Deutsche</strong> <strong>Meteorologische</strong><br />
<strong>Gesellschaft</strong> geführt wird. Das Gründungskapital ist mit<br />
mindestens 50.000 € durch das Innenministerium festgelegt<br />
worden. Ist diese Summe erreicht, kann die<br />
Stiftung, die den Namen Reinhard Sürings tragen soll,<br />
ihre Arbeit aufnehmen. Sie ist dann berechtigt,<br />
Sponsoren in allen Bereichen der <strong>Gesellschaft</strong> zu<br />
suchen, die einen Beitrag zum Erreichen des<br />
Stammkapitals zu leisten. Dies beträgt nach ersten<br />
Schätzungen ca. 5 Mio. €. Dass das Aufbringen dieser<br />
Summe in etwas mehr als zwei Jahren ein sehr schwer zu<br />
erreichendes Ziel ist, ist allen Beteiligten klar. Nur wenn<br />
man es erst gar nicht versucht, braucht man sich über<br />
die Konsequenzen auch nicht zu wundern.<br />
In den letzten eineinhalb Jahren sind insgesamt<br />
30.000 € an Spenden eingegangen. Schaut man die<br />
Spendenliste an (unter www.klima-potsdam.de), stellt<br />
man fest, dass der größte Teil von Nicht-Meteorologen<br />
gespendet wurde! Honi soit qui mal y pense. Nun hat<br />
<strong>Mitteilungen</strong> <strong>03</strong>/<strong>2004</strong><br />
5