FWF - Publikationen - Jahresbericht 2004
FWF - Publikationen - Jahresbericht 2004
FWF - Publikationen - Jahresbericht 2004
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
In der mathemati-<br />
schen Logik ist Wien<br />
absolute Weltspitze.<br />
Mit KollegInnen aus<br />
Österreich, Deutsch-<br />
land, England, Italien,<br />
Kanada, Kolumbien,<br />
der Slowakischen<br />
Republik, Spanien<br />
und den Vereinigten<br />
Staaten hat Sy-David<br />
Friedman mit Hilfe<br />
des <strong>FWF</strong> eine der<br />
größten und renommiertesten<br />
Gruppen<br />
dort aufbauen<br />
können, wo Kurt<br />
Gödel in den Jahren<br />
1933–1938 die<br />
moderne Ära dieser<br />
Wissenschaft<br />
begründete: an der<br />
Universität Wien.<br />
Die Grenzen der Logik<br />
58 JAHRESBERICHT <strong>2004</strong><br />
„If it was so, it might be; and if it were so, it would be; but as it isn‘t, it ain‘t. That‘s<br />
logic.“ Lewis Caroll, „Alice through the Looking Glass“<br />
Sy-David Friedman beugt sich den wissenschaftlichen Tatsachen – und in der mathematischen<br />
Logik fällt das nicht leicht. Denn seit Kurt Gödels legendären Sätzen zur Vollständigkeit<br />
und Unvollständigkeit gilt es zu akzeptieren, dass die Mathematik per se<br />
unvollständig ist. Gödel bewies, dass es nicht möglich ist, ein axiomatisches System<br />
mit den ihm innewohnenden Sätzen vollständig zu beweisen. Anders ausgedrückt: Es<br />
gibt Aussagen über das System, die mit den Methoden des Systems nicht bewiesen<br />
werden können. Bedenkt man, dass dieses „System“ – die Mathematik also – die Basis<br />
aller anderen Wissenschaften ist, so ist das Fazit dieser Erkenntnis ein nüchternes:<br />
Wie unsere Welt funktioniert, werden wir wohl nie vollständig erklären können.<br />
Mengenlehre Aber Sy-David Friedman leistet wichtige Beiträge, um „zu retten, was zu<br />
retten ist“. Dafür gab er im Jahr 1999 seine Professur am Massachusetts<br />
Institute of Technology (MIT) in den Vereinigten Staaten ab. In Wien<br />
befasste er sich mit der Mengenlehre. Immerhin, so erklärt er, besteht eine<br />
gute Chance, dass wir die Mengenlehre durch das Hinzufügen neuer<br />
Axiome so robust machen können, dass wir zumindest dort alle sinnvollen<br />
Fragen mathematisch beantworten können. Dabei ist für ihn die Mengenlehre<br />
von grundsätzlicher Bedeutung. Können doch mathematische Objekte<br />
im Allgemeinen als Mengen betrachtet werden, und auch die Theoreme<br />
der Mathematik können aus den traditionellen Axiomen der Mengenlehre<br />
abgeleitet werden.<br />
Absolutheitsprinzip Jedoch sind neue Axiome, die sich natürlich ableiten und zu<br />
keinen Inkonsistenzen im System führen, schwer zu finden. Friedman verfolgt die<br />
Strategie, solche Axiome unter Nutzung des Absolutheitsprinzips zu identifizieren.<br />
Dieses bestätigt, dass sogar bei einer Erweiterung des Mengenuniversums bestimmte<br />
Eigenschaften unverändert bleiben. Dabei ist es für Sy-David Friedman eine Freude zu<br />
sehen, dass bereits jetzt diese Strategie internationale Beachtung findet.<br />
Sy-David Friedman glaubt, dass seit Gödel für die Mathematik dasselbe gilt wie für das<br />
Leben: Erst wenn wir unsere Schwächen – im Fall der Mathematik die Unvollständigkeit<br />
– akzeptieren, können wir unser Potenzial entwickeln. So können neue Axiome<br />
dazu beitragen, zumindest alle sinnvollen Fragen der Mathematik zu lösen.<br />
Für Sy-David Friedmann, Professor für mathematische Logik am Kurt Gödel<br />
Research Center der Universität Wien, ist klar: „Erst wenn wir unsere Schwächen –<br />
im Fall der Mathematik die Unvollständigkeit – akzeptieren, können wir unser Potenzial<br />
vollständig entwickeln. So können neue Axiome trotz der Unvollständigkeit der Mathematik<br />
dazu beitragen, zumindest alle sinnvollen Fragen der Mathematik zu lösen.“