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Insider 7 (pdf 5,8 MB) - ELYWCIMAA

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mag) tatsächlich gegeben hat, stellt sich<br />

noch immer die Frage, ob es in einem buddhi-<br />

stischen Männerkloster tatsächlich eine Non-<br />

ne gegeben hat und ob diese zum Führungs-<br />

zirkel gehören konnte. Die seriöseste Mut-<br />

maßung hinsichtlich Ng Mui (was nicht die<br />

,,richtige" heißen muß) scheint mir zu sein,<br />

daß es sich um eine legendäre Gestalt aus<br />

dem Bereich der Volkssage handelt. lmmer-<br />

hin muß Ng Mui anscheinend als Patin für<br />

mindestens ein Duuend verschiedener Kung<br />

Fu-Stile herhalten.<br />

Eine andere Mufnaßung, die mir nicht ganz<br />

weit hergeholt scheint, ist, daß Ng Mui eine<br />

Aft Deckname für eine im Widerstand aktive<br />

Person (oder Personengruppe?) war. Das wür-<br />

de zum chinesischen Hang zu Geheimgesell-<br />

schaften und Tamgeschichten passen.<br />

So mag schließlich auch die Ng Mui/Yim<br />

Wing Chun-Legende eine Tarngeschichte<br />

sein, von der sich die Widerständler gegen<br />

die Mandschu versprachen, den Gegner bei<br />

seinen Nachforschungen zu venruirren. lst<br />

sicher gelungen...<br />

Gemeinsamer Nenner der meisten Entste-<br />

hungsgeschichten des Wing Chun (siehe<br />

auch lnsider 6l ist wohl der Widerstand<br />

gegen die regierende Ching-Dynastie der<br />

Mandschu-Usurpatoren. Um die Untergrund-<br />

bewegung der Ming-Sympathisanten (die<br />

Ming-Dynastie war von den mandschuri-<br />

schen lnvasoren gestürzt worden und galt<br />

zumindest im Rückblick als ideale und vor<br />

allem rechtmäßige Regierung - sicher war<br />

der Blick etwas verklärt) formten sich verschiedene<br />

Geheimgesellschaften, welche<br />

übrigens die Keimzelle der heutigen kriminel-<br />

len Triaden bildeten, die man auch gerne als<br />

die chinesische Mafia bezeichnet. Eine ähnliche<br />

Entwicklung hat auch die sizilianische<br />

und kalabrische Mafia hervorgebracht<br />

Eine Heimstatt für solche Geheimgesellschaften<br />

waren die Operntruppen wie die<br />

berühmte Rote Dschunke (Hung Suen), auf<br />

der die Wing Chun-Gründerväter Wong Wah<br />

Bo und Leung Yee Tai wirhen. Die Operntrup-<br />

pen waren natürlich ideale Widerstandskein-<br />

zellen: Einerseits waren sie Bewahrer alter<br />

Traditionen und Uberlieferungen, zum ande-<br />

ren waren die 0perndarsteller von je her hervorragend<br />

ausgebildete Kampfkünstlel<br />

denen es leicht gefallen sein dürfte, eine<br />

neue, effektivere Kunst wie das Wing Chun<br />

zu erlernen oder zu entwickeln.<br />

Weiterhin waren die Dschunken nicht an<br />

einen 0rl gebunden, eine ideale Vorausset-<br />

zung also für aufrührerische Tätigkeit.<br />

Das Wing Chun wiederum war eine für die<br />

Zwecke der Bebellen -exzellent geeignete<br />

Kampfmethode: einfach und zumindest in den<br />

Grundzügen schnell erlernbar, durch ausfor-<br />

mulierte Prinzipien und Merksätze (Kuen Kuit)<br />

erfahrenen Kampfkünstlern gut zu vermitteln,<br />

in der Anwendung schnell, kompromisslos<br />

und äußerst effektiv. Die im Wing Chun ver-<br />

wendeten Waffen sind ebenfalls Folge dieser<br />

Bedürfnisse Die Handhabung der Waffen<br />

folgt den Prinzipien der waffenlosen Methode,<br />

man kann, wenn man beide Waffenfor-<br />

men behenscht, mit praktisch jeder Waffe<br />

umgehen, derer man habhaft wird (kurze<br />

Gegenstände wie die Messer eingesetzt, lan-<br />

ge wie der Langstock), die Messer sind ein-<br />

fach zu verstecken (solange man eher kurze<br />

Klingen venruendet), lange Stöcke unverdäch-<br />

tig, wenn man damit zum Beispiel einen Kahn<br />

oder eine Dschunke stakt oder zwei Lastkör-<br />

be transportiert.<br />

Die Operntruppen wurden schließlich von der<br />

Regierung verboten und aufgelöst. Der<br />

Widerstand blieb ineffektiv und die Geheimgesellschaften<br />

gelangten erst wieder<br />

während des Boxeraufstandes zu einiger<br />

Bedeutung und zu kurzem Ruhm, wobel sie<br />

sich ironischenrueise auf die Seite eben jener<br />

Dynastie stellten, die sie einst zu stürzen<br />

geschworen hatten. Gegenüber den langnasi-<br />

gen weißen Teufeln aber waren selbst die<br />

Ching das kleinere Ubel.<br />

Wahrscheinlich (oder vorsichtiger formuliert:<br />

möglichenrueise) waren am Boxeraufstand<br />

auch Wing Chun-Kämpfer beteiligt. Mit dem<br />

bekannten Edolg...(siehe dazu auch lnslder 6)<br />

Von der Roten Dschunke aus verbreitete sich<br />

das Wing Chun in verschiedenen Linien, die<br />

bekannteste ist sicherlich die von Leung Jan,<br />

dem Sigung unseres Großmeisters Yip Man<br />

Bekanntester Schüler von Leung Jan war<br />

Chan Wah Shun, Yip Mans Sifu. Über die<br />

Zeit, die Yip Man vor 1950 in Fatshan ver-<br />

brachte, ist uns nicht allzu viel bekannt Die<br />

Geschichte, daß Yip Man Leung Bik getroffen<br />

hat, den Sohn von Leung Jan, und von ihm<br />

eine verfeinerte Version des Wing Chun ler-<br />

GESCHICHTE<br />

nen konnte, das er schließlich mit der Metho-<br />

de Chan Wah Shuns zu dem verband, was wir<br />

heute als Yip Man Wing Chun Kuen kennen,<br />

wird von vielen in Zweifelgezogen. Leung Bik<br />

ist nicht zweifelsfrei historisch veöürgt Klar<br />

scheint aber, daß Yip Man sein Wing Chun<br />

soweit weiterentwickelte, daß zum heutigen<br />

Fatshan-Wing Chun erhebliche Unterschiede<br />

bestehen.<br />

Zumindest teilweise mag sich das daraus<br />

erklären, daß Yip Man viel Zeit damit ver-<br />

bracht haben soll, mit anderen Wng Chun-<br />

Praktizierenden zu trainieren und Wissen<br />

auszutauschen. Dabel fällt immer wieder<br />

auch der Name Yuen Kay-San. Dieser war<br />

einige Jahre älter als Yip Man. Man sagt, Yp<br />

Man und Yuen Kay-San hätten gemeinsam<br />

die Poon Sau (auch Luk Sau genanntl Basisü-<br />

bung des Chi Sau und das Lap Sau entwickelt<br />

(oder weiterentwickelt), Yip Man selbst ent-<br />

wickelte dann wohl später noch das Chi Dan<br />

Sau (einarmiges Chi Sau).<br />

Tatsächlich erfuhr ich kürzlich, daß ein Verreter<br />

des Yuen Kay-San Wing Chun bei einer<br />

WAA-Veranstaltung Lok Yiu gesehen habe<br />

und den Eindruck gewann, daß das YKS-<br />

System und das Lok Yiu Wing Chun sich ähnlicher<br />

sind als das YKS und die anderen Yp<br />

Man-Stilrichtungen. Man mag daraus ver-<br />

schiedene Schlüsse ziehen.<br />

lnteressant mag am Rande noch sein, daß<br />

sich Leung Jan in seinen letzten Lebensjah-<br />

ren in sein Heimatdorf zurückgezogen hat und<br />

dorl eine geraffte Version seines Wing Chun<br />

unterrichtete, bei dem er die Formen auflöste<br />

und stattdessen nach ,,wichtigen Punhen"<br />

vorging - solch ein ,,Punkt" kann z.B. Lap Da<br />

(Lap Sau und Fauststoß) sein. Aus dieser<br />

Unterrichtsmethode sind das Gu Lao und das<br />

Pien San Wing Chun hervorgegangen (vgl.<br />

auch lnsider 6 und Complete Wing Chun).<br />

Klar ist, daß das Wing Chun seit der Roten<br />

Dschunke viele Wege gegangen ist. Wo es<br />

tatsächlich herkam, wie es wirklich entstan-<br />

den ist, werden wir vielleicht niemals wis-<br />

sen. Aber trotzdem gibt es noch eine Menge<br />

über das Wing Chun zu entdecken: seine Ent-<br />

stehung, seine Geschichte, seine frühen Ver-<br />

treter, seine technische Evolution. Und natür-<br />

lich sollten wir nicht vergessen, auch nach<br />

innen zu blicken und unser Wing Chun für uns<br />

immer weiter zu entdecken.<br />

INSIDER 23

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