Interkulturelle Öffnung in der ... - Pro Qualifizierung
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<strong>Interkulturelle</strong> <strong>Öffnung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Personalentwicklung > Erfahrungsberichte aus <strong>der</strong> Wirtschaft > Warum es sich lohnt und welche Hürden<br />
es gibt > Personalchefs, Betroffene, Betriebe, Behörden, Kammern und Kommunen stellen ihre Konzepte vor > das Ziel: die Vielfalt<br />
Geför<strong>der</strong>t durch das Bundesm<strong>in</strong>isterium für Arbeit und Soziales.
<strong>Öffnung</strong>szeiten : Inhaltsseiten<br />
<strong>Interkulturelle</strong> <strong>Öffnung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Personalentwicklung<br />
HINTERGRUND _________________________________________________ 4<br />
LEITFRAGE ____________________________________________________ 4<br />
AUFGABENSTELLUNG _____________________________________________ 5<br />
KONZEPT _____________________________________________________ 6<br />
STRATEGIE ____________________________________________________ 6<br />
IMPRESSUM ___________________________________________________ 7<br />
BERLIN, JUNI 2009, HANDWERKSKAMMER _______________________________ 8<br />
ESSEN, JULI 2009, INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER _______________________ 14<br />
LUDWIGSBURG, JUNI 2009, RANDSTAD DEUTSCHLAND GMBH & CO. KG ____________ 18<br />
DORTMUND, JULI 2009, KREISHANDWERKERSCHAFT _________________________ 22<br />
GUT KALKULIERT ________________________________________________ 26<br />
3
INTERKULTURELLE ÖFFNUNG IN DER PERSONALENTWICKLUNG<br />
<strong>Öffnung</strong>szeiten. Was soll das?<br />
HINTERGRUND<br />
Im Rahmen des bundesweiten Netzwerkes Integration durch Qualifi<br />
zierung s<strong>in</strong>d sechs Kompetenzzentren mit fi nanzieller Unterstützung<br />
des Bundesm<strong>in</strong>isteriums für Arbeit und Soziales seit Anfang<br />
2005 aktiv. Ihre geme<strong>in</strong>same Aufgabe besteht vornehmlich dar<strong>in</strong>,<br />
die Beschäftigungs- und Weiterbildungschancen für an- o<strong>der</strong><br />
ungelernte Menschen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund, die 25 Jahre<br />
o<strong>der</strong> älter s<strong>in</strong>d, zu verbessern. An jedem dieser Kompetenzzentren<br />
s<strong>in</strong>d unterschiedliche Träger mit e<strong>in</strong>er Vielzahl an Aktivitäten und<br />
Transferprojekten beteiligt. E<strong>in</strong> bundesweiter starker Verbund, bei<br />
dem nicht nur je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>gebundene Träger über umfangreiche Erfahrungen<br />
im Bereich Migration, Integration und berufl iche Qualifi<br />
zierung verfügt, son<strong>der</strong>n vor allem auch über bereits bestehende<br />
und wertvolle Netzwerke und Kontakte. Mit großem Engagement<br />
entstehen <strong>in</strong> den unterschiedlichen Netzwerken neue Strategien<br />
und Konzepte, Modellvorhaben werden partnerschaftlich erprobt,<br />
Instrumente und Handlungsempfehlungen entwickelt, Medien zur<br />
öffentlichkeitswirksamen Kommunikation produziert, Beratungs-<br />
und Qualifi zierungskonzepte erarbeitet und gleichsam weit über<br />
das Netzwerk h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> den Transfer gebracht.<br />
Die nachhaltige Verankerung dieser entwickelten und erprobten<br />
Ansätze für den Abbau kulturbed<strong>in</strong>gter H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse und Hemmnisse<br />
steht mit Blick auf den Arbeitsmarkt und die berufl iche Weiterbildung<br />
im Mittelpunkt. Das direkte Zusammenwirken von<br />
Wirtschaft, Politik und Interessenvertretung hat sich dabei als<br />
maßgeblicher und nachhaltiger Erfolgsfaktor herausgestellt.<br />
4<br />
E<strong>in</strong>gebettet ist das gesamte Vorhaben <strong>in</strong> den Nationalen<br />
Integrationsplan (NIP). Diesem folgend entwickelt<br />
das »Netzwerk Integration durch Qualifi zierung«<br />
(IQ) im Auftrag <strong>der</strong> Bundesregierung und <strong>in</strong><br />
Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit<br />
und nicht-staatlichen Trägern neue Strategien zur<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Arbeitsmarktsituation von Migranten, Spätaussiedlern<br />
und anerkannten Flüchtl<strong>in</strong>gen.<br />
Ausführliche Informationen, H<strong>in</strong>tergründe sowie H<strong>in</strong>weise und<br />
Kontakte zu allen Kompetenzzentren, <strong>der</strong>en teilnehmende Träger<br />
und bereits entwickelte <strong>Pro</strong>dukte und Leistungen: www.<strong>in</strong>tqua.de.<br />
LEITFRAGE<br />
Was heißt <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Öffnung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Personalentwicklung und<br />
wie lässt sich diese <strong>in</strong> Betrieben und Institutionen sowie Verwaltungen<br />
und sonstigen E<strong>in</strong>richtungen schrittweise so umsetzen,<br />
dass e<strong>in</strong> höheres Niveau an kultureller Gerechtigkeit, mehr Vielfalt<br />
und <strong>in</strong>terkulturelle Kompetenz realisiert wird? Welche Vorteile haben<br />
<strong>in</strong>terkulturelle <strong>Öffnung</strong>sprozesse und wie lassen sich diese <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> gesamten Wirtschaft und Verwaltung <strong>in</strong>itiieren und nachhaltig<br />
als Querschnittsaufgabe <strong>in</strong>tegrieren?
AUFGABENSTELLUNG<br />
Der Westdeutsche Handwerkskammertag,<br />
das Institut für <strong>in</strong>terkulturelle<br />
Unternehmensberatung & Bildungsmanagement<br />
Ltd., Kumulus-Plus und die<br />
Berl<strong>in</strong>-Brandenburgische Auslandsgesellschaft<br />
e.V. haben sich im ersten Schritt<br />
<strong>in</strong>nerhalb des IQ-Netzes partnerschaftlich<br />
zusammengefunden, um geme<strong>in</strong>sam den<br />
Fragen nachzugehen, welche wirtschaftsnahen<br />
Instrumente, Maßnahmen und<br />
Konzepte bereits existieren, <strong>in</strong>terkulturelle<br />
Vielfalt über die Instrumentarien <strong>der</strong> Personalentwicklung<br />
zu för<strong>der</strong>n. Se<strong>in</strong>e strukturelle<br />
Verankerung hat das Vorhaben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitsgruppe<br />
Personalentwicklung gefunden, die im<br />
Rahmen des Facharbeitskreises <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Öffnung</strong><br />
seitens des Kompetenzzentrums <strong>Pro</strong> Qualifi zierung<br />
e<strong>in</strong>gerichtet wurde. Das skizzierte Vorhaben, die<br />
Zwischenergebnisse und die e<strong>in</strong>zelnen Schritte <strong>der</strong><br />
Umsetzung wurden hier mit den beteiligten Experten<br />
des Facharbeitskreises »<strong>Interkulturelle</strong> <strong>Öffnung</strong>« erörtert<br />
und verfe<strong>in</strong>ert.<br />
Fragestellungen für die Umsetzung: Welche Erfahrungen<br />
<strong>in</strong> <strong>in</strong>terkultureller <strong>Öffnung</strong> von Personalentwicklung liegen bereits<br />
5
wo vor? Wie gehen Personalverantwortliche grundsätzlich mit <strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>ung von Vielfalt um? Was s<strong>in</strong>d Merkmale erfolgversprechen<strong>der</strong><br />
Konzepte und wie lassen sich diese übertragen? Können<br />
allgeme<strong>in</strong>gültige Handlungsempfehlungen aus <strong>der</strong> Praxis für die<br />
Praxis abgeleitet werden? Welche Vorbehalte existieren und wie<br />
lassen sich diese im Umsetzungsprozess meistern?<br />
Die Diskussion <strong>der</strong> Umsetzungsplanung hat gezeigt, dass e<strong>in</strong><br />
wirtschaftsnaher und pragmatischer Ansatz erfolgversprechend<br />
für den angestrebten Transfererfolg ist. Weniger die wissenschaftliche<br />
Metaebene o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e empirische Vollständigkeit stehen daher<br />
im Mittelpunkt, als vielmehr die Herausfor<strong>der</strong>ung, gute Beispiele<br />
im alltäglichen wirtschaftlichen Leben zu identifi zieren, diese zu<br />
skizzieren, die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen darzustellen und die Erfahrungen<br />
<strong>der</strong> Akteure transparent werden zu lassen. Was war gut<br />
und warum? Was ist verbesserungswürdig? Wo gab es SchwierigSchwierigkeiten? Warum war es wichtig, die Personalentwicklung<br />
durch die Facette ‚<strong>in</strong>terkulturelle <strong>Öffnung</strong>’ als<br />
Querschnittsthema zu ergänzen?<br />
Der Grund für die gewählte Vorgehensweise<br />
liegt dar<strong>in</strong>, dass es zwar zahlreiche<br />
Studien und Theorien zur<br />
Personalentwicklung, ihren<br />
sozialen, psychologischen<br />
o<strong>der</strong> betriebswirtschaftlichen<br />
Komponenten<br />
6<br />
gibt, sie aber – gerade <strong>in</strong> Bezug auf die kulturelle Gerechtigkeit –<br />
bisher zu selten bewusst angewendet werden.<br />
KONZEPT<br />
Arbeitsgrundlage s<strong>in</strong>d die Erfahrungen aus <strong>der</strong> Praxis. Diese stehen<br />
im Mittelpunkt. Gute Ansätze identifi zieren, diese mit Erfahrungsberichten<br />
zu unterlegen und dann an<strong>der</strong>en so zur Verfügung<br />
stellen, dass diese auf Augenhöhe erfahren, was sie warum und<br />
wie unternehmen können, damit <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Öffnung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Personalentwicklung zur Aufgabe von heute wird.<br />
STRATEGIE<br />
Neben <strong>der</strong> <strong>in</strong>haltlichen Komponente, Erfahrungen aus <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />
und politischen Praxis zugänglich werden zu lassen,<br />
verfolgen die Initiatoren das Ziel, weit über die vorliegende Publikation<br />
h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e entsprechende Plattform zu schaffen. Interessentenressenten<br />
sollen hier die Möglichkeit erhalten, ihre Erfahrungen<br />
e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen, e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen, gute Beispiele und Erfahrungsberichte e<strong>in</strong>zustellen<br />
und gleichzeitig gleichzeitig direkt <strong>in</strong> Kontakt zu treten.<br />
Ablauf: Ablauf: Die redaktionell aufbereiteten Erfahrungsberichte s<strong>in</strong>d<br />
so produziert, produziert, dass sie sie jeweils auch für sich stehen. Stück für<br />
Stück werden sie dem ‚Gesamtdokument’ motiv_3 unter dem Titel<br />
<strong>Öffnung</strong>szeiten onl<strong>in</strong>e beigefügt.
IMPRESSUM<br />
Herausgegeben von<br />
KUMULUS-PLUS<br />
Kompetenzzentrum<br />
Arbeit und Bildung e. V. Kompetenzzentrum Kumulus-Plus, L<strong>in</strong>denstr. 20-25, 10969 Berl<strong>in</strong><br />
T 030/2593095-0, F 030/2593095-18, E <strong>in</strong>fo@aub-berl<strong>in</strong>.de, I www.kumulus-plus.de<br />
Ansprechpartner: Stefan Nowack, Mehmet Türk<br />
Berl<strong>in</strong>-Brandenburgische Auslandsgesellschaft e.V., Schulstrasse 8 b, 14482 Potsdam<br />
T 0331/2700240, F 0331/2708690, E <strong>in</strong>fo@canvass-brandenburg.de I www.canvass-brandenburg.de<br />
Ansprechpartner: Lutz Eggel<strong>in</strong>g<br />
IUBM Ltd., Wer<strong>der</strong>str. 2, 86159 Augsburg<br />
T 0821/328737-8, F 0821/328737-9, E <strong>in</strong>fo@iubm.de I www.iubm.de<br />
Ansprechpartner: Eric Agbo, Dr. Brigitte Eisele<br />
Westdeutscher Handwerkskammertag (WHKT), Sternwartstraße 27-29, 40223 Düsseldorf<br />
T 0211/3007-700, F 0211/3007-900, E whkt@handwerk-nrw.de, I www.handwerk-nrw.de<br />
Ansprechpartner: Rolf Göbels, Peter Dohmen<br />
V. i. S. d. P.: Hauptgeschäftsführer Dipl.- Volksw. Re<strong>in</strong>er Nolten (WHKT)<br />
Konzept und Realisierung: Rolf Göbels und Peter Dohmen (WHKT)<br />
Layout: Peter Luttke (WHKT)<br />
IN EIGENER SACHE<br />
Die Autoren bedanken sich vielmals bei allen Mitwirkenden für die gute Unterstützung, das entgegengebrachte Vertrauen und die zahlreichen<br />
Anregungen und H<strong>in</strong>weise.<br />
Alle Tipps, H<strong>in</strong>weise, Adressen, Ansprechpartner und Internetl<strong>in</strong>ks wurden mit größtmöglicher Sorgfalt recherchiert und nach bestem<br />
Wissen und Gewissen zusammen gestellt. Wir s<strong>in</strong>d bemüht, die vorliegende Publikation stets aktuell zu halten. Da sich diese Angaben<br />
jedoch j auch kurzfristig än<strong>der</strong>n können, schließen wir e<strong>in</strong>e Haftung für fehlerhafte, fehlende o<strong>der</strong> nicht mehr aktuelle Informationen aus.<br />
Die Nutzung des vorliegenden Materials ist Bildungs- und Beratungse<strong>in</strong>richtungen, Interessierten und Betroffenen vorbehalten. Der kommerzielle<br />
E<strong>in</strong>satz ist nicht gestattet. Gleiches gilt für die Nutzung des Adressmaterials durch Agenturen o<strong>der</strong> Wahlwerbern zum Zwecke<br />
jeglicher j Werbung. Die Weitergabe <strong>der</strong> Adressen an Dritte zu kommerzieller Nutzung ist gleichfalls untersagt.<br />
Die jeweils aktuellste Version <strong>der</strong> vorliegenden Publikation fi nden Sie zum Download im Internet unter www.handwerk-nrw.de/motive.<br />
Wie<strong>der</strong>abdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.<br />
Mit fi nanzieller Unterstützung durch das Bundesm<strong>in</strong>isterium für Arbeit und Soziales.<br />
Herausgegeben im Rahmen <strong>der</strong> bundesweiten Initiative Integration durch Qualifi zierung von <strong>der</strong> Arbeitsgruppe »<strong>in</strong>terkulturelle <strong>Öffnung</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Personalentwicklung« sowie mit <strong>in</strong>haltlicher Unterstützung durch die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer des Facharbeitskreises »<strong>Interkulturelle</strong><br />
<strong>Öffnung</strong>«.<br />
7
WIRTSCHAFTLICHE SELBSTVERWALTUNG<br />
BERLIN, Juni 2009, Handwerkskammer<br />
Hans-Walter Richter und Dilek Intepe über richtige Mischungen, Brücken und Wege<br />
Berl<strong>in</strong> ist <strong>in</strong>terkulturell und <strong>in</strong>terkulturell heißt Berl<strong>in</strong>. Fast jedenfalls. Berl<strong>in</strong> ist offen und Berl<strong>in</strong> zeigt Vielfalt. Man sieht sie, die Berl<strong>in</strong>er<br />
leben sie und je<strong>der</strong> fühlt sie, die Interkulturalität und alles was mit ihr zusammenhängt. Ob im Alltag, <strong>der</strong> U- o<strong>der</strong> S-Bahn, am Arbeitsplatz<br />
o<strong>der</strong> tagtäglich, Berl<strong>in</strong> ist vielfältig vere<strong>in</strong>t. Das merken selbst KaDeWe- und Reichstag-Touristen, Interkulturalität ist präsent – durch und<br />
durch und ganz wie es sich für e<strong>in</strong>e Groß- und Hauptstadt gehört. Für alle und von allen. Konfl ikte und Gegensätze? Auch die gibt’s. Auch die<br />
gehören dazu und auch diese werden gelebt. In großer Vielfalt versteht sich. <strong>Interkulturelle</strong> <strong>Öffnung</strong>? E<strong>in</strong>e ständige Herausfor<strong>der</strong>ung, e<strong>in</strong> kon-<br />
t<strong>in</strong>uierlicher <strong>Pro</strong>zess. Auch das ist Berl<strong>in</strong>.<br />
_HANDWERKSKAMMER BERLIN: Selbstverwaltungse<strong>in</strong>richtung des Berl<strong>in</strong>er Handwerks und Dienstleistungszentrum für mehr als 33.000 Betriebe sowie <strong>der</strong>en knapp<br />
190.000 Beschäftigte, davon mehr als 15.000 Auszubildende. Sie beschäftigt nahezu 180 Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen (<strong>in</strong>klusive Bildungszentren), davon 7 Auszubildende. Über e<strong>in</strong>en<br />
Migrationsh<strong>in</strong>tergrund verfügen 6 Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen. E<strong>in</strong>e Umfrage ergab, dass die Kammer im Kollegenkreis über e<strong>in</strong> Fremdsprachenpotential von 8 Sprachen verfügt. Dazu<br />
gehören: Englisch, Französisch, Griechisch, Russisch, Türkisch, Vietnamesisch (Stand: September 2009).<br />
_KONTAKT: Handwerkskammer Berl<strong>in</strong>, Blücherstraße 68, 10961 Berl<strong>in</strong>, T 030/259 03 01, F 030/259 03 235, E <strong>in</strong>fo@hwk-berl<strong>in</strong>.de, www.hwk-berl<strong>in</strong>.de<br />
8
Das Marie-Elisabeth-Lü<strong>der</strong>s-Haus<br />
ist das sogenannte wissenschaftliche<br />
Dienstleistungszentrum des<br />
Deutschen Bundestages und liegt<br />
unmittelbar an <strong>der</strong> Spree<br />
9
WIRTSCHAFTLICHE SELBSTVERWALTUNG / BERLIN, Juni 2009, Handwerkskammer<br />
Hans-Walter Richter baut<br />
Zugänge und sorgt für die<br />
richtige Mischung<br />
»Personalverantwortliche haben die große Aufgabe, Personal<br />
so auszuwählen, dass dieses auch mit den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
von morgen klar kommt. Hier spielt die Interkulturalität<br />
e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle, wie auch Handwerkspräsident Otto<br />
Kentzler, oberster Handwerker <strong>in</strong> Deutschland, erst kürzlich betonte:<br />
»Der Meister von morgen ist Türke«. Darum geht’s! Die<br />
richtige Mischung. Auch <strong>in</strong> unseren Verwaltungen. Hier müssen<br />
wir uns darauf e<strong>in</strong>stellen, hier s<strong>in</strong>d Reaktionen gefragt. Lange Diskussionen<br />
helfen da wenig. Schritt für Schritt und ganz pragmatisch,<br />
so geht’s. Von <strong>der</strong> Personalakquise, <strong>der</strong> -auswahl über <strong>in</strong>tegrationsför<strong>der</strong>nde<br />
Maßnahmen, die Aus- und Weiterbildung, bis<br />
h<strong>in</strong> zur Motivation und Unternehmenskultur bzw. dem Selbstbild<br />
<strong>der</strong> Handwerkskammer.<br />
Maßnahmen, die wir als Handwerkskammer begleiten bzw. ergreifen,<br />
um Interkulturalität und Integration aktiv zu för<strong>der</strong>n:<br />
(Fremd)Sprachenkenntnisse unserer<br />
Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />
Wir haben unter unseren Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern ermittelt,<br />
welche sprachlichen Kompetenzen im Haus vorhanden s<strong>in</strong>d.<br />
Das hilft Ratsuchenden und auch die Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen<br />
fi nden es gut, dass sie diese Kompetenzen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen können.<br />
Mitarbeiter mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung<br />
Gerade bei den Kollegen/<strong>in</strong>nen, die regelmäßig unsere Mitglie<strong>der</strong><br />
vor Ort besuchen und dort beraten, stellt sich immer häufi ger die<br />
Frage nach <strong>in</strong>terkulturellen Kompetenzen. Und damit me<strong>in</strong>e ich<br />
nicht, dass die Betriebe nicht <strong>in</strong>tegriert seien o<strong>der</strong> Mitarbeiter/<br />
<strong>in</strong>nen zu wenig ausreichende Sensibilität mitbrächten. Wir leben<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Das heißt, Vielfalt ist Alltag. Dennoch haben wir festgestellt<br />
– eigentlich selbstverständlich –, dass Berater/<strong>in</strong>nen mit<br />
Migrationsh<strong>in</strong>tergrund nochmals direkter und schneller e<strong>in</strong>en<br />
Zugang fi nden. Dies stellen wir aktuell <strong>in</strong> <strong>der</strong> Initiative »PASST! –<br />
Passgenaue Vermittlung von Ausbildungsplätzen« wie<strong>der</strong> fest. Die<br />
10<br />
Kolleg<strong>in</strong> verfügt über e<strong>in</strong>en türkischen Migrationsh<strong>in</strong>tergrund und<br />
kommt als Mitarbeiter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Handwerkskammer mit dem Thema<br />
Ausbildung <strong>in</strong> Betriebe, die ansonsten nur sehr schwer für uns zu<br />
erreichen s<strong>in</strong>d.<br />
Auszubildende mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />
Die Auszubildenden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kammer durchlaufen nahezu alle Abteilungen<br />
hier im Haus. Da wir bereits e<strong>in</strong>ige Azubis mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />
hatten, haben so auch alle Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und<br />
Mitarbeiter gute Erfahrungen bei <strong>der</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Zusammenarbeit<br />
machen können. E<strong>in</strong> zusätzlicher Gew<strong>in</strong>n für beide Seiten.<br />
Das haben anschließende Gespräche gezeigt.<br />
Beteiligung an Schulreform<br />
In Berl<strong>in</strong> hat <strong>der</strong> Senat beschlossen, die Hauptschule abzuschaffen.<br />
E<strong>in</strong>e Schulform mit weit überdurchschnittlichem Anteil<br />
an Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund. Dies<br />
gilt für Berl<strong>in</strong> und Umgebung sogar <strong>in</strong> verstärktem Maße.<br />
Die Handwerkskammer unterstützt geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong> Industrie-<br />
und Handelskammer die Schulreform. Wir wollen<br />
vermeiden, dass Hauptschule zur »Restschule« degradiert<br />
wird und K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus Teilen <strong>der</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsgesellschaft<br />
weniger Zugänge <strong>in</strong> das Arbeitsleben o<strong>der</strong> zu<br />
höheren Schulen haben. Unser Ziel besteht dar<strong>in</strong>,<br />
dass Chancen gleich bleiben und mehr Jugendliche<br />
zu e<strong>in</strong>em praxisgerechten Schulabschluss<br />
geführt werden.<br />
Dies kommt letztlich auch<br />
unseren Betrieben zu Gute.<br />
Wir brauchen qualifi zierte<br />
Fachkräfte und hierbei die<br />
duale Ausbildung. Und
da spielt die Migrantencommunity e<strong>in</strong>e immer entscheiden<strong>der</strong>e<br />
Rolle. Das muss uns und den Betrieben klar se<strong>in</strong>.<br />
Meisterqualifi kation und Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />
Die Anzahl <strong>der</strong> Meisterqualifi kationen ist unter Migranten und Migrant<strong>in</strong>nen<br />
im Handwerk weiterh<strong>in</strong> weit unterdurchschnittlich. Genaues<br />
Zahlenmaterial haben wir lei<strong>der</strong> nicht. Die Erfahrung zeigt<br />
aber, dass unter Migranten sehr viel mehr Hürden und Hemmnisse<br />
bestehen, sich anzumelden und ihren Meister zu machen.<br />
Dies hat sicherlich auch damit zu tun, dass <strong>der</strong> Meister als<br />
Berufsqualifi kation <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Kulturen kaum stattfi ndet. Die<br />
Notwendigkeit für formale berufl iche Weiterbildung wird seltener<br />
erkannt. In Deutschland h<strong>in</strong>gegen steht diese <strong>in</strong> direktem<br />
Verhältnis zu berufl icher Sicherheit und dem Zugang zum Arbeitsmarkt.<br />
E<strong>in</strong>e Situation, die wir im Handwerk, gerade auch vor dem<br />
H<strong>in</strong>tergrund des demografi schen Wandels, erkennen müssen.<br />
Das heißt: Maßnahmen ergreifen, die gerade auch diejenigen<br />
für Weiterbildung begeistern, die bislang eher selten an unseren<br />
Bildungse<strong>in</strong>richtungen zu fi nden s<strong>in</strong>d. Die Handwerkskammer<br />
Berl<strong>in</strong> hat daher e<strong>in</strong>e Kampagne <strong>in</strong>itiiert, mit <strong>der</strong> wir Migrant<strong>in</strong>nen<br />
und Migranten die Meisterqualifi zierung näher zu br<strong>in</strong>gen versuchen.<br />
Migranten <strong>in</strong>s Ehrenamt<br />
In <strong>der</strong> wirtschaftlichen Selbstverwaltung spielt das Ehrenamt e<strong>in</strong>e<br />
prom<strong>in</strong>ente Rolle. Dies trifft vor allem auf das<br />
Handwerk zu. Maßgebliche Entscheidungen<br />
und Willensbildungsprozesse<br />
werden hier geme<strong>in</strong>sam mit Ehrenamtsträgern<br />
diskutiert und abgestimmt. E<strong>in</strong><br />
entscheiden<strong>der</strong> Ansatzpunkt also, wenn<br />
wir <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Öffnung</strong> ernst nehmen<br />
und uns auf allen Ebenen <strong>der</strong> Personalentwicklung<br />
dafür e<strong>in</strong>setzen.<br />
Um hier allerd<strong>in</strong>gs etwas zu bewegen und<br />
von <strong>der</strong> Innung bis <strong>in</strong> die Vorstände unserer<br />
Gremien auf Bundesebene mehr Vertrete-<br />
r<strong>in</strong>nen und Vertreter mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund präsent zu haben,<br />
sollten beide Seiten noch mehr Engagement zeigen. Me<strong>in</strong>e Empfehlung<br />
lautet daher, mit e<strong>in</strong>em ersten Schritt anzufangen und<br />
Handwerksmeister/<strong>in</strong>nen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund <strong>in</strong>tensiver<br />
als bisher für unsere Ausschüsse und Innungen zu <strong>in</strong>teressieren.<br />
Auch sollten gute Beispiele, die es vielerorts bereits gibt, mehr <strong>in</strong><br />
die Öffentlichkeit gebracht und die Erfahrungen an<strong>der</strong>en Regionen<br />
zugänglich gemacht werden. Ich denke, dies wäre e<strong>in</strong> Vorteil für<br />
alle und <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Öffnung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Personalentwicklung käme<br />
noch mehr von <strong>in</strong>nen heraus. Unumgänglich, wenn wir langfristig<br />
damit Erfolg haben wollen.«<br />
_ZUR PERSON: Hans-Walter Richter, 47, Jurist, seit 1981<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, seit 1991 bei <strong>der</strong> Handwerkskammer und seit<br />
10 Jahren Personal- und Verwaltungsleiter. Verheiratet,<br />
zwei K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Fan von Hertha BSC und Fortuna Düsseldorf.<br />
Neben Familie und Fußball gehört das Klavier zu<br />
se<strong>in</strong>er Leidenschaft. Über Berl<strong>in</strong> und se<strong>in</strong>e Arbeit sagt er<br />
selbst: »Unsere Mitgliedsbetriebe s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> guter Schnitt quer<br />
durch die Gesellschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region. Genau hier setzen wir mit unseren Personalentscheidungen<br />
und -prozessen auch an. Ob nun <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung, <strong>der</strong> berufl ichen<br />
Qualifi zierung, <strong>der</strong> Verwaltung o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Leistungsbereichen <strong>der</strong> Handwerkskammer,<br />
die kulturelle Vielfalt Berl<strong>in</strong>s fi ndet sich auch hier im Haus und bei <strong>der</strong> Gestaltung<br />
von Services wie<strong>der</strong>. So haben wir e<strong>in</strong>e Anfrage unter unseren Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
und Mitarbeitern durchgeführt. Es g<strong>in</strong>g darum festzustellen, welche Sprachqualifi kationen<br />
wir im Haus haben. Das hilft, wenn Menschen zu uns kommen und sprachliche<br />
Hürden die Kommunikation erschweren. Schnell und unkompliziert können<br />
Kollegen herbeigerufen werden. Aus me<strong>in</strong>er Sicht <strong>der</strong> beste<br />
Weg für <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Öffnung</strong>. Praxisnah und<br />
unkompliziert. So wie Berl<strong>in</strong>.«<br />
11
WIRTSCHAFTLICHE SELBSTVERWALTUNG / BERLIN, Juni 2009, Handwerkskammer<br />
Dilek Intepe über ihre Arbeit,<br />
Türken, Berl<strong>in</strong> und neue Brücken<br />
»Die passgenaue Vermittlung von Jugendlichen <strong>in</strong> Betriebe<br />
hat viel mit kle<strong>in</strong> kle<strong>in</strong> und Lebenserfahrung zu tun. E<strong>in</strong> abstraktes<br />
Patentrezept gibt’s nicht und kann es auch nicht geben.<br />
Je<strong>der</strong> Betrieb, jede Bewerber<strong>in</strong> und je<strong>der</strong> Bewerber ist an<strong>der</strong>s.<br />
Das Kriterium ‚Migrationsh<strong>in</strong>tergrund’ spielt <strong>in</strong> diesem <strong>Pro</strong>zess<br />
zunächst e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle. Und damit me<strong>in</strong>e ich nicht,<br />
dass es unwichtig wäre. Ganz und gar nicht. Aber Betriebe suchen<br />
<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie nun mal denjenigen bzw. diejenige, die mit<br />
entsprechen<strong>der</strong> Qualifi kation ausgestattet s<strong>in</strong>d.<br />
Me<strong>in</strong>e Aufgabe bei <strong>der</strong> Vermittlung von Jugendlichen mit<br />
Migrationsh<strong>in</strong>tergrund besteht daher dar<strong>in</strong>, Brücken zu bauen und<br />
Personalentschei<strong>der</strong> von Jugendlichen zu überzeugen, die neben<br />
<strong>der</strong> richtigen Qualifi kation zusätzlich e<strong>in</strong>en Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />
ihr Eigen nennen. Dies gel<strong>in</strong>gt am besten, je konkreter wir es angehen.<br />
Das heißt, wenn ich direkt e<strong>in</strong>e Bewerbung vorlegen<br />
und e<strong>in</strong>e Empfehlung aussprechen kann, ist bereits e<strong>in</strong><br />
Großteil gelaufen. Danach kommt es lediglich darauf<br />
an, dass sich Betrieb und Bewerber<strong>in</strong> o<strong>der</strong><br />
Bewerber persönlich kennen lernen, <strong>in</strong> die Augen<br />
sehen und feststellen, ob sie sich e<strong>in</strong>e<br />
Zusammenarbeit vorstellen können.<br />
Hemmnisse<br />
und Hürden<br />
Betriebe, die bislang niemanden<br />
aus <strong>der</strong> so genannten M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsgesellschaft<br />
<strong>in</strong> ihren Belegschaften hatten,<br />
tun sich aller Erfahrung nach beim<br />
ersten Schritt eher schwer. Sie befürchten Reibereien,<br />
Vorurteile und Ablehnungen im Kollegenkreis.<br />
<strong>Pro</strong>bleme, die sich ke<strong>in</strong> Unternehmen freiwillig<br />
<strong>in</strong>s Haus holt. Verständlich. Erst wenn sie den Schritt<br />
wagen, Erfahrungen sammeln und feststellen, welche Vorteile<br />
<strong>in</strong>terkulturelle Vielfalt auch unter den Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und<br />
Mitarbeitern mit sich br<strong>in</strong>gt, verfl iegen die Bedenken. Das müssen<br />
wir <strong>in</strong> die Köpfe br<strong>in</strong>gen. Hier liegt e<strong>in</strong>e wichtige Aufgabe.<br />
In Berl<strong>in</strong> war es auch mal an<strong>der</strong>s. Wie viele an<strong>der</strong>e Großstädte<br />
auch, hat sich hier wirtschaftlich und gesellschaftlich e<strong>in</strong>iges<br />
gewandelt. In den 70’er Jahren war es vollkommen<br />
normal, dass <strong>in</strong> den <strong>Pro</strong>duktionsstätten<br />
zusammen und mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
gearbeitet<br />
wurde.<br />
12<br />
E<strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturelles Verständnis war stärker verwurzelt als heute.<br />
Es zog sich durch und durch und es kam quasi von <strong>in</strong>nen heraus.<br />
Mit <strong>der</strong> aufkommenden Informations- und Wissensgesellschaft<br />
wandelte sich jedoch das Bild, e<strong>in</strong> Großteil <strong>der</strong> <strong>Pro</strong>duktionsstätten<br />
verschwand und damit auch e<strong>in</strong>e Menge an <strong>in</strong>terkulturellem Arbeitsalltag.<br />
Heute ist es so, dass wir dies <strong>in</strong> vielen Bereichen erst<br />
wie<strong>der</strong> mühsam aufbauen. E<strong>in</strong>e große Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> unserer<br />
Region. Gerade auch, weil K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus Migrantenhaushalten weit<br />
weniger hohe schulische Qualifi kationen mitbr<strong>in</strong>gen und dadurch<br />
<strong>in</strong>s H<strong>in</strong>tertreffen geraten.<br />
E<strong>in</strong> guter Weg<br />
Viel an <strong>in</strong>terkultureller <strong>Öffnung</strong> hat auch die Stadt Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong> den<br />
letzten Jahren unternommen. Ähnlich sieht es bei uns als Handwerkskammer<br />
und <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Institutionen o<strong>der</strong> Betrieben aus,<br />
viele Netzwerke existieren, partnerschaftliche <strong>Pro</strong>jekte werden realisiert<br />
und <strong>in</strong>terkulturelles Engagement wird groß geschrieben. E<strong>in</strong><br />
guter Weg: zusammen.<br />
Dass es hierbei viele Diskussionen und auch Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheiten<br />
über die korrekte Umsetzung gibt, ist selbstverständlich<br />
und auch gut so. Der Wille reicht da oftmals alle<strong>in</strong>e nicht aus. Was<br />
wir brauchen s<strong>in</strong>d konkrete, praxis- und vor allem auch wirtschaftsnahe<br />
Ansätze.<br />
Damit diese funktionieren, s<strong>in</strong>d gute Beispiele und <strong>der</strong>en Transport<br />
<strong>in</strong> alle Bereiche entscheidend.<br />
Interkulturalität bei <strong>der</strong> Arbeit<br />
Ich selbst habe e<strong>in</strong>en Migrationsh<strong>in</strong>tergrund.<br />
Auch wenn ich mir diesen<br />
selten zu eigen mache. Ich<br />
denke deutsch, arbeite<br />
deutsch »wenn es<br />
das denn gibt«<br />
und le-<br />
be <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Hauptstadt<br />
Berl<strong>in</strong>. So geht’s<br />
den meisten Menschen mit<br />
Migrationsh<strong>in</strong>tergrund, die hier ihre<br />
Heimat haben und zusätzlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en<br />
Kultur zu Hause s<strong>in</strong>d.
Für me<strong>in</strong>e Arbeit ist <strong>der</strong> eigene Migrationsh<strong>in</strong>tergrund natürlich<br />
von Vorteil. E<strong>in</strong>e Art Brücke und e<strong>in</strong> Schlüssel, e<strong>in</strong> Vertrauensöffner.<br />
Zumal Migrantenunternehmen – und mit diesen habe ich<br />
oft zu tun – nur selten erkennen, dass Handwerkskammer ke<strong>in</strong>e<br />
Behörde ist, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e Servicee<strong>in</strong>richtungen, die sich für sie<br />
e<strong>in</strong>setzt und sie ganz <strong>in</strong>dividuell unterstützt. Sei es mit Beratung,<br />
Qualifi zierung o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> Vertretung ihrer Interessen. E<strong>in</strong>e ganz<br />
an<strong>der</strong>e Aufgabe, die ich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kammer allerd<strong>in</strong>gs eher <strong>in</strong>offi ziell<br />
wahrnehme, ist die Tätigkeit des Wegweisers. Viele Migrantenunternehmer<strong>in</strong>nen<br />
und -unternehmer rufen bei mir an, nur um zu<br />
erfahren, wer ihnen denn hier im Haus weiterhelfen kann bzw.<br />
wer für ihre Angelegenheit zuständig ist. Auch das schafft Vertrauen,<br />
auch hiermit zeigt die Handwerkskammer Berl<strong>in</strong> ihre starke<br />
<strong>in</strong>terkulturelle Seite.<br />
Streitkultur lernen<br />
Was <strong>in</strong>terkulturelle Kompetenzen, Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs o<strong>der</strong> Sem<strong>in</strong>are betrifft,<br />
so habe ich e<strong>in</strong>e ganz eigene E<strong>in</strong>stellung dazu. Ich fi nde es viel<br />
wichtiger, sich im Kollegenkreis ganz ungezwungen mit dem<br />
Thema ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen. <strong>Interkulturelle</strong> <strong>Öffnung</strong> ist e<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>nere Haltung. Und die lässt sich nun mal schwer <strong>in</strong> Dienstanweisungen<br />
verpacken o<strong>der</strong> antra<strong>in</strong>ieren.<br />
Hier im Haus machen wir es häufi g so, dass Kollegen<strong>in</strong>nen und<br />
Kollegen geme<strong>in</strong>sam mit mir <strong>in</strong> Migrantenunternehmen fahren.<br />
Vor Ort ist es dann meist viel e<strong>in</strong>facher, Kommunikationsgewohnheiten<br />
o<strong>der</strong> kulturelle Beson<strong>der</strong>heiten erkennbar zu machen.<br />
Beim ersten Besuch waren e<strong>in</strong>ige Kollegen<strong>in</strong>nen und Kollegen<br />
erstaunt, weil ich häufi g richtig mit den Unternehmern streite.<br />
Aber das gehört <strong>in</strong> unserer Kultur dazu – e<strong>in</strong>e Streitkultur. Nur so<br />
lerne ich den an<strong>der</strong>en richtig kennen und weiß, wo ich dran b<strong>in</strong>.<br />
Lange Erklärungen und Vorträge s<strong>in</strong>d im ersten Schritt wenig Vertrauen<br />
weckend. E<strong>in</strong>e direkte, ehrliche und offene Haltung zeugt<br />
mehr von <strong>in</strong>terkultureller Kompetenz.<br />
Aus- und Weiterbildungszugänge<br />
Viele Migrant<strong>in</strong>nen und Migranten im Handwerk verfügen über<br />
lange Berufserfahrung, s<strong>in</strong>d hoch motiviert und br<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>e Menge<br />
Talent und Selbstständigkeit mit. Potentiale, die wir <strong>in</strong> den Betrieben<br />
dr<strong>in</strong>gend benötigen. Was allerd<strong>in</strong>gs auf Seiten <strong>der</strong> Bewer-<br />
Handlungsempfehlungen:<br />
Fremdsprachenkenntnisse unter Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern<br />
ermitteln<br />
Auszubildende mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund, die alle Abteilungen durchlaufen,<br />
<strong>in</strong>klusive anschließen<strong>der</strong> Gespräche mit den jeweils Beteiligten<br />
verstärkt Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung<br />
e<strong>in</strong>setzen<br />
Beteiligung an öffentlichen Debatten, die zu höheren Schulabschlüssen<br />
führen, gerade auch bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />
Meister mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund – Brücken bauen zur Weiterbildung<br />
ber oft fehlt, ist <strong>der</strong> anerkannte Berufsabschluss: das Zertifi kat Gesell<strong>in</strong>/Geselle<br />
o<strong>der</strong> Meister<strong>in</strong>/Meister.<br />
Für uns als Anbieter von berufl icher Weiterbildung und Beratung<br />
heißt das, wir möchten noch <strong>in</strong>tensiver als bisher Zugänge<br />
schaffen. Und damit me<strong>in</strong>e ich nicht, dass wir mehrsprachige<br />
Flyer o<strong>der</strong> Kulturfeste planen. Es geht darum, Migrant<strong>in</strong>nen und<br />
Migranten auf Augenhöhe anzusprechen und ihnen auf Grundlage<br />
ihrer Kompetenzen vor- o<strong>der</strong> überleitende Weiterbildungen anzubieten.<br />
Den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die berufl iche Weiterbildung müssen wir<br />
<strong>in</strong>terkulturell kompetenter gestalten. Ansonsten s<strong>in</strong>d die Hürden<br />
viel zu hoch.<br />
Auf diese Weise können wir auch den Weg zur Externenprüfung<br />
ebnen und auch unsere Meisterschulen würden e<strong>in</strong>en großen<br />
<strong>in</strong>terkulturellen Schritt nach vorne machen.<br />
E<strong>in</strong>en ersten Testlauf mit Blick auf den kaufmännischen Teil<br />
(III) <strong>der</strong> Meisterprüfung haben wir bereits unternommen. Mit<br />
mäßigem Erfolg – lei<strong>der</strong>. Aber ich denke, so etwas muss auch erst<br />
wachsen. Und dafür brauchen wir Zeit. Wichtig ist nur, dass wir<br />
weitermachen und <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Öffnung</strong> als Querschnittsaufgabe<br />
betrachten.«<br />
_ZUR PERSON: Dilek Intepe, 40, kam im Jahr 1974 mit<br />
ihren Eltern aus <strong>der</strong> Türkei nach Deutschland. Sie ist verheiratet<br />
und bei <strong>der</strong> Handwerkskammer Berl<strong>in</strong> zuständig<br />
für das <strong>Pro</strong>jekt »PASST! – Passgenaue Vermittlung von<br />
Auszubildenden«. Die Arbeit br<strong>in</strong>gt es mit sich, dass Frau<br />
Intepe viel <strong>in</strong> den Betrieben unterwegs ist. Sie berät, akquiriert<br />
Ausbildungsplätze und versucht, Jugendliche bestmöglich<br />
und ganz <strong>in</strong>dividuell so mit Betrieben zusammenzubr<strong>in</strong>gen, dass berufl iche Ausbildung<br />
funktioniert und beide Seiten zufrieden s<strong>in</strong>d. Ihr Zuwan<strong>der</strong>ungsh<strong>in</strong>tergrund hilft<br />
ihr <strong>in</strong> diesem Zusammenhang vor allem dabei, die richtigen Argumente zu fi nden<br />
und auch Migrantenunternehmen so zu überzeugen, dass sie sich für Ausbildung<br />
<strong>in</strong>teressieren.<br />
Über sich selbst sagt die türkischstämmige Berl<strong>in</strong>er<strong>in</strong> mit stark rhe<strong>in</strong>ischem E<strong>in</strong>schlag:<br />
»Typisch türkisch ist me<strong>in</strong> Gerechtigkeitsgefühl. Ich mag allerd<strong>in</strong>gs auch die<br />
rhe<strong>in</strong>ische Art sehr. Me<strong>in</strong> Mann stammt aus Köln und wir haben lange dort gelebt.<br />
Wenn’s jedoch nötig ist, habe ich e<strong>in</strong>e ganz schöne Berl<strong>in</strong>er-Lod<strong>der</strong>schnautze. Das<br />
hilft mir bei <strong>der</strong> Arbeit. Schließlich ist Vielfalt <strong>in</strong> allen Facetten wichtig und sie lebt<br />
davon, dass man sie lebt. Nur so kann man Hürden überw<strong>in</strong>den und Konfl ikte lösen.<br />
Ausweichen br<strong>in</strong>gt nichts. Streitkultur: ebenfalls etwas sehr Türkisches an mir.«<br />
Menschen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund stärker <strong>in</strong>s Ehrenamt e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den<br />
und auf geeigneten Kommunikationskanälen dafür <strong>in</strong>teressieren<br />
Gute Praxis stärker <strong>in</strong> den überregionalen Transfer br<strong>in</strong>gen<br />
Streitkultur lernen und <strong>in</strong>terkulturelle Kompetenzen vor Ort erleben –<br />
e<strong>in</strong>e Haltung entwickeln<br />
vorbereitende Weiterbildungsangebote und Übergänge bereit halten<br />
<strong>in</strong>terkulturelle »Wegweiser« <strong>in</strong> den Handwerkskammern<br />
13
WIRTSCHAFTLICHE SELBSTVERWALTUNG<br />
14<br />
_INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER FÜR ESSEN,<br />
MÜLHEIM AN DER RUHR, OBERHAUSEN ZU ESSEN:<br />
Seit knapp 170 Jahren Selbstverwaltungse<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong><br />
Wirtschaft für rund 47.600 Unternehmen aus Industrie,<br />
Handel und Dienstleistung im Großraum Essen. Hauptziel:<br />
Wahrnehmung des Gesamt<strong>in</strong>teresses <strong>der</strong> zugehörigen Unternehmen,<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> gewerblichen Wirtschaft und Wahrnehmung<br />
hoheitlicher Aufgaben sowie Erbr<strong>in</strong>gung von Serviceleistungen.<br />
Über 100 Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter,<br />
davon 10 Auszubildende. E<strong>in</strong>en Migrationsh<strong>in</strong>tergrund haben<br />
viele Beschäftigte <strong>der</strong> IHK, für e<strong>in</strong>e Großstadt Mitten im<br />
Ruhrgebiet längst nichts Außergewöhnliches mehr.<br />
_KONTAKT: Industrie- und Handelskammer für Essen, Mülheim<br />
an <strong>der</strong> Ruhr, Oberhausen zu Essen, Am Waldthausenpark<br />
2, 45127 Essen, T 0201/1892-0, F 0201/1892-172,<br />
E ihkessen@essen.ihk.de, www.essen.ihk24.de<br />
För<strong>der</strong>turm <strong>der</strong> Zeche<br />
Zollvere<strong>in</strong> Essen, Weltkulturerbe<br />
<strong>der</strong> UNESCO
ESSEN, Juli 2009, Industrie- und Handelskammer<br />
Eva Wilmsmann und Hans Michaelsen über E<strong>in</strong>stellungen, Überzeugungen und Vielfalt<br />
Stellvertretend für 53 Städte und Geme<strong>in</strong>den rücken Essen<br />
und das Ruhrgebiet für e<strong>in</strong> Jahr <strong>in</strong>s kulturelle Zentrum Europas.<br />
Vier <strong>Pro</strong>gramml<strong>in</strong>ien prägen das Bild. Alle haben mit Men-<br />
schen, e<strong>in</strong>e sogar explizit mit Migration zu tun. <strong>Interkulturelle</strong> Öff-<br />
nung, so die gewichtigen Schlagworte. Herausfor<strong>der</strong>ung und Chance,<br />
Essen und Ruhrgebiet, alle s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pfl icht und die meisten machen<br />
mit. Hier, heute und morgen erst recht.<br />
15
WIRTSCHAFTLICHE SELBSTVERWALTUNG / ESSEN, Juli 2009, Industrie- und Handelskammer zu Essen<br />
Vielfalt ist e<strong>in</strong> <strong>Pro</strong>zess, e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stellung und Überzeugung,<br />
die uns alle betrifft<br />
Ob <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule, <strong>der</strong> Nachbarschaft, im Betrieb, den Medien o<strong>der</strong> sonst wo, »… aus An<strong>der</strong>sartigkeit dürfen ke<strong>in</strong>erlei H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse<br />
erwachsen o<strong>der</strong> Ungleichheiten folgen« wie <strong>der</strong> Geschäftsführer Hans Michaelsen <strong>der</strong> Essener Industrie- und Handelskammer<br />
deutlich betont. Die Industrie- und Handelskammer Essen hat sich <strong>der</strong> kulturellen Vielfalt angenommen. Sie hat Maßnahmen ergriffen,<br />
die gerade auch im Bereich Personalpolitik für Bewegung sorgen. Hans Michaelsen dazu: »Was zählt, s<strong>in</strong>d kulturelle Fairness und e<strong>in</strong><br />
Höchstmaß an <strong>in</strong>dividueller Beratungsleistung. Darum geht’s und dafür brauchen wir die richtigen Experten. Für Arbeitnehmer/<strong>in</strong>nen<br />
und Arbeitgeber/<strong>in</strong>nen, die Industrie- und Handelskammer ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region für die Belange bei<strong>der</strong> Seiten <strong>der</strong> richtige Ansprechpartner<br />
– unabhängig von <strong>der</strong> Herkunft o<strong>der</strong> <strong>der</strong> religiösen Zugehörigkeit.«<br />
Eva Wilmsmann: »Für die Industrie und<br />
Handelskammer e<strong>in</strong> wichtiges Arbeitsfeld«<br />
E<strong>in</strong>e dieser Ansprechpartner<strong>in</strong>nen ist Frau Eva Wilmsmann. Als<br />
Matcher<strong>in</strong> sorgt sie im Rahmen des <strong>Pro</strong>gramms ‚passgenaue<br />
Vermittlung von Ausbildungsstellen’ dafür, dass Betriebe und<br />
Jugendliche bestmöglich zusammenpassen. Zu ihren Aufgaben<br />
gehört die Beratung, Unterstützung, Motivation und das Aufzeigen<br />
konkreter Chancen und Perspektiven. »Für die Industrie- und<br />
Handelskammer e<strong>in</strong> wichtiges Arbeitsfeld. Ich gehe <strong>in</strong> Betriebe,<br />
spreche mit Personalverantwortlichen, erhebe Bewerberprofi le<br />
und stelle Kontakte zwischen Betrieben und Jugendlichen her.<br />
Nichts Beson<strong>der</strong>es«, sagt sie selbst. Beson<strong>der</strong>s ist es aber dann<br />
doch. Schließlich liegt ihr Beratungsschwerpunkt bei all jenen,<br />
die geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> als »Menschen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund« e<strong>in</strong>e<br />
neudeutsche Bezeichnung gefunden haben.<br />
Frau Wilmsmann stört’s nicht. Sie besitzt selbst e<strong>in</strong>en Migrationsh<strong>in</strong>tergrund,<br />
hat sich mit dem Thema Diversity Management<br />
<strong>in</strong> ihrer Examensarbeit <strong>in</strong>tensiv beschäftigt und vor ihrer Tätigkeit<br />
bei <strong>der</strong> Industrie- und Handelskammer bereits große Unternehmen<br />
<strong>in</strong> Sachen Personalmanagement und <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Öffnung</strong><br />
beraten. »Dass ich selbst e<strong>in</strong>en Migrationsh<strong>in</strong>tergrund besitze, ist<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung von Vorteil. Meist bekomme ich sehr viel direkter<br />
und schneller e<strong>in</strong>en Zugang zu den Ratsuchenden. Es entsteht<br />
e<strong>in</strong>e Vertrauensbasis. Darauf baue ich auf. Das ist die Grundlage<br />
für erfolgreiches Match<strong>in</strong>g, <strong>der</strong> Vermittlung zwischen Betrieben<br />
und Jugendlichen.«<br />
Die Betriebssicht_»Wenn ich Betriebe besuche und dort Bewerberprofi<br />
le bespreche, geht es ganz klar zunächst um die harten<br />
Fakten und Qualifi kationen, die Bewerber<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> Bewerber<br />
mitbr<strong>in</strong>gen sollten. Danach kommen die so genannten Soft Skills<br />
und alle weiteren Eigenschaften o<strong>der</strong> Merkmale, auf die die Betriebe<br />
Wert legen. Wenn ich also passende Bewerbungen von Jugendlichen<br />
mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund habe, spielt dies meist erst<br />
<strong>in</strong> dritter o<strong>der</strong> vierter Reihe e<strong>in</strong>e Rolle. E<strong>in</strong> Punkt von vielen. Und<br />
wenn die Betriebs<strong>in</strong>haber o<strong>der</strong> Personalchefs hierauf reagieren,<br />
kann ich diese meist mit den passenden Argumenten überzeugen.<br />
Vielfalt im Betrieb ist e<strong>in</strong> Gew<strong>in</strong>n für alle, man muss dies nur im-<br />
16<br />
mer wie<strong>der</strong> auf den jeweiligen Betrieb zuschneiden. Je konkreter<br />
mir das jeweils vor Ort gel<strong>in</strong>gt, desto besser. Pauschale Slogans<br />
o<strong>der</strong> Aufrufe überzeugen selten und wirken eher oberfl ächlich.“<br />
_ZUR PERSON: Eva Wilmsmann, 26, ist vor 20 Jahren mit<br />
ihrer Familie aus Danzig nach Deutschland gezogen, an<br />
den Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>, nach Kleve. Hier hat sie die Schule besucht,<br />
schnell Deutsch gelernt und neue Freunde gefunden.<br />
E<strong>in</strong>fach? Nicht immer. »Vor allem die erste Zeit <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Schule war schwer. Ich konnte ke<strong>in</strong> Wort Deutsch. Aber<br />
ich hatte Glück und e<strong>in</strong>en persönlichen Mittler. E<strong>in</strong> Klassenkamerad,<br />
dessen Eltern ebenfalls aus Polen stammen und <strong>der</strong> Deutsch und Polnisch<br />
gleichermaßen sprach. So musste ich nicht wegen je<strong>der</strong> unverstandenen Kle<strong>in</strong>igkeit<br />
die Lehrer fragen.« Nach <strong>der</strong> Schule zog’s die sympathische Essener<strong>in</strong> zum Soziologie-Studium<br />
nach Frankfurt. Wie sie selbst sagt, hat sie Interkulturalität <strong>in</strong> Frankfurt<br />
noch mal neu gelernt. Viel bewusster und ganz wissenschaftlich, wie es sich für e<strong>in</strong><br />
Studium gehört. »Auf die Wertschätzung aller Verschiedenheiten kommt es an, im<br />
Unternehmen und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft. Genau dies müssen wir vermitteln, genau darauf<br />
sollten wir Wert legen. Gerade auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Personal- und Organisationsentwicklung.<br />
Hier geht es um Zugänge, Abläufe, Motivation und berufl iche Weiterbildung,<br />
alles <strong>in</strong> Vielfalt, alles ohne kulturbed<strong>in</strong>gte H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse o<strong>der</strong> Barrieren. Nur so wird<br />
Vielfalt zu e<strong>in</strong>em nutzbaren Wirtschaftsfaktor für das Unternehmen und unsere gesamte<br />
Volkswirtschaft. Um dies allerd<strong>in</strong>gs zu erreichen, kommt es auf die richtige<br />
Überzeugung an. E<strong>in</strong>e Erklärung für Vielfalt zu unterzeichnen und sich öffentlichkeitswirksam<br />
zu bekennen, ist das E<strong>in</strong>e, dies wirklich umzusetzen und Interkulturalität<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> täglichen Arbeit bewusst usst und konkret werden zu lassen, etwas ganz An<strong>der</strong>es.<br />
Etwas Lebendiges.«<br />
Hans Michaelsen: »Konkrete onkrete<br />
Perspektiven versprechen chen den besten Erfolg«<br />
»Für unsere Kammer-Arbeit eit ist es wichtig, dass wir für unsere<br />
Mitglie<strong>der</strong> nicht nur sämtliche wirtschaftlichen und poli- politischen<br />
Entwicklungen im Auge behalten und diese auch frühzeitig<br />
erkennen, son<strong>der</strong>n auch, dass es uns gel<strong>in</strong>gt, das nachzuempfi nden,<br />
was unsere Mitglie<strong>der</strong> er wünschen und benötigen. Und dazu<br />
gehört nun mal, dass wir auch unsere Mitglie<strong>der</strong>struktur e<strong>in</strong> Stück<br />
weit personell im Hause abbilden. Menschen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund,<br />
Vielfalt, <strong>in</strong>terkulturelle lturelle Kompetenz und Integration s<strong>in</strong>d
damit auch e<strong>in</strong> ganz zentrales Thema unserer Personalpolitik. So<br />
stellen wir beispielsweise pro Jahr drei Azubis e<strong>in</strong>, m<strong>in</strong>destens<br />
e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er von ihnen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund. Insgesamt<br />
kommen wir als IHK auf acht Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter mit<br />
Migrationsh<strong>in</strong>tergrund. Zudem s<strong>in</strong>d wir stolz darauf, e<strong>in</strong>e türkischstämmige<br />
Unternehmer<strong>in</strong> <strong>in</strong> unserer Vollversammlung zu haben.<br />
Längst nicht selbstverständlich, wenn ich mir das Ehrenamt sonst<br />
so anschaue. Hier sollten wir mehr tun. Auf beiden Seiten.«<br />
Auf die Beson<strong>der</strong>heiten kommt es an_»Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Essen lebt und<br />
arbeitet e<strong>in</strong> Mix aus etwa 156 Nationen, alle mit ihren ganz eigenen<br />
Mentalitäten, alle mit großem Temperament und je<strong>der</strong> von<br />
ihnen mit höchst eigenen Vorstellungen und Wünschen. Genau<br />
hier setzen wir an: bei jedem E<strong>in</strong>zelnen. Ganz <strong>in</strong>dividuell. Nur so<br />
lassen sich Qualifi kationen identifi zieren, Talente entdecken und<br />
Potentiale för<strong>der</strong>n. Wir möchten jedem mit se<strong>in</strong>en Beson<strong>der</strong>heiten<br />
so gerecht wie möglich werden und damit dem Ziel näher kommen,<br />
dass es e<strong>in</strong>zig um die bestmögliche Qualifi zierung geht. Geschlecht,<br />
Migrationsh<strong>in</strong>tergrund, gesellschaftliche Position o<strong>der</strong><br />
sonstige Merkmale spielen ke<strong>in</strong>erlei Rolle, sie s<strong>in</strong>d unabhängig<br />
von <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit und daher ohne Belang. Genau das<br />
wollen wir erreichen. Und genau dafür ist es wichtig, dass das Leben<br />
und Arbeiten <strong>in</strong> Vielfalt e<strong>in</strong>em querschnittsorientierten Ansatz<br />
folgt. Re<strong>in</strong> zielgruppenorientierte Konzepte helfen uns kaum weiter<br />
und wirken aus unserer Sicht sehr e<strong>in</strong>dimensional.«<br />
In <strong>der</strong> IHK_»Neben <strong>der</strong> Entscheidung, dass jeweils m<strong>in</strong>destens<br />
e<strong>in</strong> Azubi hier bei uns <strong>in</strong> <strong>der</strong> Industrie- und Handelskammer e<strong>in</strong>en<br />
Migrationsh<strong>in</strong>tergrund mitbr<strong>in</strong>gen sollte, setzen wir auch <strong>in</strong><br />
an<strong>der</strong>en Bereichen auf Vielfalt und <strong>in</strong>terkulturelle Kompetenzen.<br />
E<strong>in</strong> aktuelles Beispiel, Frau Eva Wilmsmann. E<strong>in</strong>e Kolleg<strong>in</strong> aus<br />
dem Bereich Ausbildungsstellen-Vermittlung. Sie ist seit etwa zwei<br />
Monaten bei uns und kommt ursprünglich aus Polen. Wenn sie mit<br />
zugewan<strong>der</strong>ten Betriebs<strong>in</strong>habern spricht o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Schulen auf Jugendliche<br />
mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund zugeht, ist dies meist sehr viel<br />
effektiver und e<strong>in</strong>facher möglich. E<strong>in</strong>e Erfahrung, die wir bereits<br />
nach kurzer Zeit machen konnten. Zudem lernen alle Beratungs-<br />
Kolleg<strong>in</strong>nen und -Kollegen mehr über Interkulturalität und darüber,<br />
was es heißt, zu e<strong>in</strong>em Team zu gehören, das Vielfalt lebt.«<br />
Konkrete Perspektiven als Erfolgsrezept_»Ob Jugendliche o<strong>der</strong><br />
Erwachsene, Migrant<strong>in</strong>nen und Migranten neigen bei berufl ichen<br />
Rückschlägen wesentlich häufi ger dazu zu resignieren und büßen<br />
dabei wichtiges Selbstvertrauen e<strong>in</strong>. Darauf achten unsere Berater<strong>in</strong>nen<br />
und Berater beson<strong>der</strong>s und unternehmen viel, dies wie<strong>der</strong><br />
herzustellen. herzustellen. Vorher brauchen wir erst gar ke<strong>in</strong>e Betriebskontakte<br />
herzustellen. Wie soll schließlich jemand ohne Glauben an sich<br />
selbst an<strong>der</strong>e von sich überzeugen? Ich muss mir me<strong>in</strong>er eigenen<br />
Fähigkeiten und Potentiale bewusst se<strong>in</strong>, an sie glauben<br />
und e<strong>in</strong>schätzen können, welche davon geeignet s<strong>in</strong>d,<br />
e<strong>in</strong>en potentiellen Arbeitgeber zu überzeugen.<br />
Wer dies dann noch mit <strong>der</strong> nötigen<br />
Sympathie rüberbr<strong>in</strong>gt, hat die<br />
besten Karten. Die be-<br />
Handlungsempfehlungen von Eva Wilmsmann:<br />
Konkret und betriebsnah müssen gerade die ersten Schritte <strong>in</strong> Richtung<br />
<strong>in</strong>terkultureller <strong>Öffnung</strong> von Personalentwicklung se<strong>in</strong>. Wenn ich<br />
Jugendlichen mit Migrationh<strong>in</strong>tergrund <strong>in</strong> Betrieben e<strong>in</strong>en passenden<br />
Ausbildungsplatz vermittle, funktioniert das auch nur, wenn ich echte<br />
Bewerberprofi le vorlegen kann. Re<strong>in</strong> hypothetisch über das Thema<br />
Diversity Management mit Personalentschei<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Betriebs<strong>in</strong>habern<br />
zu philosophieren ist wenig aussichtsreich. Wir brauchen die<br />
konkreten Erfahrungen. Nur so lässt sich die Überzeugung und <strong>der</strong><br />
Vorteil von Vielfalt wirklich vermitteln.<br />
Handlungsempfehlungen von Hans Michaelsen:<br />
Vor allem für kle<strong>in</strong>ere und mittelständische Unternehmen sollten wir<br />
überzeugende und vor allem wirtschaftsnahe Konzepte entwickeln,<br />
wie sich Interkulturalität auch von und mit ihnen umsetzen lässt.<br />
Ganz konkret und ganz nah an <strong>der</strong> betrieblichen Praxis. Wir müssen<br />
klar machen, dass e<strong>in</strong>e kulturelle Mischung und die Vielfalt an<br />
Mentalitäten e<strong>in</strong> Gew<strong>in</strong>n für jedes Unternehmen ist. Und das funktioniert<br />
am besten, <strong>in</strong>dem wir entsprechende Erfolge transportieren und<br />
nachvollziehbar werden lassen.<br />
Institutionen, Betriebe und Organisationen sollten sich gerade <strong>in</strong><br />
ihren jeweiligen Regionen o<strong>der</strong> Leistungs- und Funktionsbereichen<br />
gleichfalls <strong>in</strong>terkulturell beteiligen, Netzwerke aufbauen und Vielfalt<br />
för<strong>der</strong>n. Wir als Industrie- und Handelskammer s<strong>in</strong>d beispielsweise<br />
bereits von Beg<strong>in</strong>n an am BQN (Berufl iches Qualifi zierungsnetzwerk<br />
für Migrant<strong>in</strong>nen und Migranten) beteiligt und pfl egen gute persönliche<br />
Kontakte mit Migrantenselbstorganisationen <strong>in</strong> Essen und im<br />
Ruhrgebiet.<br />
Gerade auch auf <strong>der</strong> ehrenamtlichen Ebene sollten wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />
Selbstverwaltung darauf achten, dass Migrant<strong>in</strong>nen und<br />
Migranten sich e<strong>in</strong>erseits mehr dafür <strong>in</strong>teressieren und an<strong>der</strong>erseits<br />
auch entsprechend e<strong>in</strong>gebunden werden. Auch hier stellt Vielfalt <strong>in</strong><br />
jeglicher H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>en erheblichen Gew<strong>in</strong>n dar.<br />
Ke<strong>in</strong>e schmalen und re<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong>zelne Zielgruppen h<strong>in</strong> konzipierte<br />
<strong>Pro</strong>jekte o<strong>der</strong> Maßnahmen. Wir sollten dem Thema <strong>in</strong>terkulturelle<br />
<strong>Öffnung</strong> mit all se<strong>in</strong>en Beson<strong>der</strong>heiten gerecht werden.<br />
sten Erfahrungen, verlorenes Selbstvertrauen wie<strong>der</strong> herzustellen,<br />
haben wir damit gemacht, Interessenten konkrete Stellenangebote<br />
zu vermitteln und sie so auf die Gespräche vorzubereiten, dass sie<br />
<strong>in</strong> die engere Wahl kommen. Das motiviert am meisten: e<strong>in</strong> Erfolg,<br />
den man sich selbst und se<strong>in</strong>em eigenen Können zuschreibt.«<br />
_ZUR PERSON: Hans Michaelsen, 58, Geschäftsführer <strong>der</strong><br />
Industrie- und Handelskammer zu Essen mit Verantwortung<br />
für alles, was mit berufl icher Aus- und Weiterbildung,<br />
mit Berufse<strong>in</strong>stieg und Qualifi zierung zu tun hat.<br />
Gelernt hat er das Masch<strong>in</strong>enbauer-Handwerk, danach<br />
schloss <strong>der</strong> Hobby-Wan<strong>der</strong>er aus Hannover die Fortbildung<br />
zum Techniker an. Damit nicht genug. Er legte e<strong>in</strong> Jurastudium<br />
obendrauf und trat als Jurist se<strong>in</strong>e erste Stellung bei <strong>der</strong> Handwerkskammer Lüneburg<br />
an. 1991 kam dann <strong>der</strong> Ortswechsel <strong>in</strong>s Ruhrgebiet und zur IHK nach Essen<br />
als Geschäftsführer.<br />
17
ARBEITSVERWALTUNG<br />
18<br />
LUDWIGSBURG, Juni 2009,<br />
Randstad Deutschland GmbH & Co. KG<br />
Der Dienstleister
_ RANDSTAD DEUTSCHLAND GMBH & CO. KG: Rund 66.000 Mitarbeiter<br />
beschäftigt <strong>der</strong> Personaldienstleister Randstad durchschnittlich. Das Unternehmen<br />
betreibt <strong>in</strong> Deutschland 600 Nie<strong>der</strong>lassungen <strong>in</strong> mehr als 300 Städten und erwirtschaftete<br />
2008 e<strong>in</strong>en Umsatz von 1,88 Milliarden Euro. Damit ist Randstad nach<br />
eigenen Angaben führen<strong>der</strong> Personaldienstleiter <strong>in</strong> Deutschland. Das Unternehmen<br />
gehört zur nie<strong>der</strong>ländischen Randstad Hold<strong>in</strong>g nv, die 2008 mit <strong>in</strong>sgesamt rund<br />
700.000 Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>en Gesamtumsatz <strong>in</strong> Höhe von 17,2 Milliarden Euro<br />
erzielte.<br />
_KONTAKT: Randstad Deutschland GmbH & Co. KG , Claudia Nies, <strong>Pro</strong>jectmanager<br />
Kirchstraße 29, 71634 Ludwigsburg, T + 49 (0) 7141-9 71 92 25, F + 49 (0)<br />
7141-9 71 92 98, M + 49 (0) 1525–4 50 84 16<br />
19
ARBEITSVERWALTUNG / LUDWIGSBURG, Juni 2009, Randstad Deutschland GmbH & Co. KG<br />
Neben<br />
<strong>der</strong> klassischen Zeitarbeit<br />
gehören zum Portfolio auch<br />
die Geschäftsbereiche <strong>Pro</strong>fessional Services, Personalvermittlung,<br />
Human-Resources-Lösungen und Inhouse Services. Bei<br />
Randstad s<strong>in</strong>d ca. zehn <strong>Pro</strong>zent Auslän<strong>der</strong>/<strong>in</strong>nen beschäftigt, bislang<br />
unterscheidet Randstad nur zwischen deutscher und ausländischer<br />
Staatsbürgerschaft. Durch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Öffnung</strong><br />
sollen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e brachliegende Potenziale von Migranten/<br />
<strong>in</strong>nen entdeckt und geför<strong>der</strong>t, <strong>in</strong>terkulturelle Schwierigkeiten <strong>in</strong><br />
Betrieben und Missverständnisse <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>nerbetrieblichen Kommunikation<br />
ausgeräumt werden. Sie entstehen oft dadurch, dass<br />
Qualifi kationen o<strong>der</strong> berufl iche Interessen von Beschäftigten mit<br />
Zuwan<strong>der</strong>ungsh<strong>in</strong>tergrund nicht erkannt, nachgewiesen o<strong>der</strong> anerkannt<br />
werden.<br />
20<br />
Das <strong>Pro</strong>jekt<br />
Search <strong>in</strong>side! vom<br />
Institut für <strong>in</strong>terkulturelle<br />
Unternehmensberatung<br />
& Bildungsmangement (IUBM<br />
Ltd.), das dem bayerischen Kompetenzzentrum<br />
MigraNet angehört, arbeitet<br />
mit Randstad seit Anfang Juli 2008 zusammen. In e<strong>in</strong>er Pilotphase<br />
wurden zuerst vier, dann fünf Standorte aus <strong>der</strong> Bus<strong>in</strong>ess<br />
Area South ausgewählt, die an <strong>der</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Beratung teilnehmen.
Durchgeführte Aktivitäten <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Personalentwicklung<br />
Hier wurde die Sichtweise <strong>der</strong> Disponenent/<strong>in</strong>nen bezüglich<br />
des Potentials <strong>der</strong> überbetrieblichen Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen<br />
mit Zuwan<strong>der</strong>ungsh<strong>in</strong>tergrund erweitert.<br />
� Berufl iches Anerkennungsverfahren: Zugewan<strong>der</strong>te<br />
werden als Potenzial angesehen. Bei<br />
<strong>der</strong> genaueren Betrachtung hatten viele Hilfskräfte<br />
e<strong>in</strong>e Berufsausbildung/Studium<br />
im Heimatland, die/das <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Bundesrepublik zum Teil<br />
anerkannt, zum Teil aber nicht<br />
anerkannt ist. Für Mitarbeiter/<br />
<strong>in</strong>nen mit nicht anerkannten Berufsausbildungen<br />
wurden über das Transferprojekt Global<br />
Competences von Migranet Wege zur Anerkennung<br />
aufgezeigt. Im gewerblichen Bereich<br />
erfolgte die Beratung bei <strong>der</strong> Handwerkskammer<br />
für Schwaben.<br />
� Anpassungs- und Nachqualifi zierung: Für die Beschäftigten<br />
wurden Wege zur Qualifi zierung aufgezeigt. In Nürnberg wurden<br />
die Beschäftigten direkt vom Transferprojekt Kompetenzbasierte<br />
Weiterbildungsberatung im Handwerk beraten.<br />
� Die Motivation <strong>der</strong> beschäftigten Migranten/<strong>in</strong>nen will Randstad<br />
über die Aussicht auf den E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> attraktiven Unternehmen<br />
und verbesserte Verdienstmöglichkeiten erreichen. E<strong>in</strong>zige<br />
Voraussetzung: Die Betroffenen müssen den Weg <strong>der</strong> beruflichen<br />
Anerkennung, ggf. bis zur Nachqualifi zierung, gehen.<br />
� Die För<strong>der</strong>ung des Selbstkonzeptes und <strong>der</strong> Selbstkompetenz<br />
führt zur Perspektivbildung (lebenslanges Lernen) für die<br />
Migranten/<strong>in</strong>nen.<br />
� Randstad entwickelt Anpassungsqualifi zierungen im Pfl egebereich<br />
geme<strong>in</strong>sam mit Jobcentern, Arbeitsagenturen und Regierungen,<br />
um hier dem Fachkräftebedarf nachzukommen.<br />
� Bei den Vertriebsdisponenten/<strong>in</strong>nen wurde e<strong>in</strong>e Bewusstse<strong>in</strong>sverän<strong>der</strong>ung<br />
durch das Aufzeigen <strong>der</strong> Anerkennungsproblematik<br />
erreicht. Somit wurden sie für das schwierige Thema Integration<br />
auf dem Arbeitsmarkt sensibilisiert.<br />
� Die Datenerfassung wurde neu generiert:<br />
> Überarbeitung <strong>der</strong> vorhanden Personaldaten<br />
> Überarbeiten des Mitarbeiterfragebogen<br />
> Entwickeln e<strong>in</strong>es Screen<strong>in</strong>g-Bogens für den ersten Randstad-<br />
Kontakt<br />
Organisationsentwicklung<br />
� Der Betriebsrat wurde für das Thema <strong>in</strong>terkulturelle Diversität<br />
gewonnen und mit e<strong>in</strong>gebunden.<br />
� Erfolgreiche Best Practice Beispiele werden gesammelt und<br />
<strong>in</strong>tern veröffentlicht, um die Motivation <strong>der</strong> Beschäftigten, sich<br />
auf das Thema e<strong>in</strong>zulassen, zu erhöhen.<br />
� Die Vertriebsdisponenten/<strong>in</strong>nen erhalten Hilfestellung bei dem<br />
Aufzeigen von Wegen zur (Nach)qualifi zierung.<br />
Ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Politik und Gesellschaft<br />
� Sensibilisierung <strong>der</strong> Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen von Randstad für das<br />
Thema <strong>in</strong>terkulturelle Vielfalt über Newsletter, Mitarbeiterzeitung.<br />
� Randstad als Arbeitgeber geht offensiv auf Politik, Jobcenter<br />
und Arbeitsagenturen zu und for<strong>der</strong>t zur Beseitigung <strong>der</strong> Missstände<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Anerkennungsfrage auf.<br />
� Randstad unterstützt das Netzwerk MigraNet <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Umsetzung<br />
� Anfangs herrschte Begeisterung bei den Beschäftigten <strong>in</strong> den<br />
Pilotstandorten, dann breitete sich aber Skepsis angesichts <strong>der</strong><br />
Realität aus: Für den e<strong>in</strong>zelnen Vertriebsdisponenten ist das<br />
Thema Anerkennung und Nachqualifi zierung zu komplex, er<br />
fühlt sich damit neben dem Tagesgeschäft überfor<strong>der</strong>t. Das<br />
Thema berufl iche Anerkennung umfasst zu viele Fachbegriffe<br />
– wie Externenprüfung, Nachqualifi zierung, Anpassungsqualifi<br />
zierung –, die die Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter verwirren.<br />
Das Fazit: Es müsste sich e<strong>in</strong>e Person hauptamtlich darum<br />
kümmern und die Betreffenden coachen.<br />
� Die Umprogrammierung <strong>der</strong> Mitarbeiterdaten <strong>in</strong> <strong>der</strong> elektronischen<br />
Datenverarbeitung verursacht Zusatzkosten.<br />
Public Relations<br />
Im Leitbild von Randstad ist das Engagement für Diversity verankert.<br />
In diesem Zusammenhang wurde die Charta <strong>der</strong> Vielfalt unterzeichnet.<br />
Randstad kann sich mit diesem Thema bei Kunden<br />
und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit als Vorreiter im Personaldienstleistungssektor<br />
präsentieren. In den Migranten-Communities ist das Image<br />
von Randstad als Arbeitgeber mit Engagement für Migrant<strong>in</strong>nen<br />
und Migranten positiv besetzt.<br />
21
WIRTSCHAFTLICHE SELBSTVERWALTUNG<br />
22<br />
_ KREISHANDWERKERSCHAFT DORTMUND UND LÜNEN: Sie vertritt die<br />
Gesamt<strong>in</strong>teressen von mehr als 4.500 Handwerksbetrieben mit knapp 40.000<br />
Beschäftigten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Region, <strong>in</strong> <strong>der</strong> knapp e<strong>in</strong> Viertel <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wohner über e<strong>in</strong>en<br />
Migrationsh<strong>in</strong>tergrund verfügen. Für 26 <strong>der</strong> 28 angeschlossenen Innungen übernimmt<br />
sie die Geschäftsführung und vertritt <strong>der</strong>en geme<strong>in</strong>same Interessen aus<br />
den Bereichen Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung, Aus- und Weiterbildung, Öffentlichkeitsarbeit<br />
o<strong>der</strong> auch allgeme<strong>in</strong>er Handwerkspolitik.<br />
Der SIGNAL IDUNA<br />
PARK, Fußballstadion<br />
von Borussia Dortmund
DORTMUND, Juli 2009, Kreishandwerkerschaft<br />
Dortmund und Lünen<br />
Helmut Klasen über Nähe und das gute Gespür<br />
Dortmund: Gelb-Schwarz und Westfalenstadion, Stahl und Kohle, Tradition<br />
und Innovation, Forschung und Medien, Umbruch und Wandel.<br />
6-tgrößte Stadt Deutschlands, knapp 600.000 E<strong>in</strong>wohner, 1 Hafen, 1 Abu Bakr<br />
Moschee, 1 Re<strong>in</strong>oldikirche, 1 Rabbi, 1 Florianturm, alles gut verteilt, alles zwi-<br />
schen Emscher und Ruhr, e<strong>in</strong> Zentrum kultureller Vielfalt. Das meiste davon hat<br />
die Dortmun<strong>der</strong> Nordstadt zu bieten. E<strong>in</strong>er von <strong>in</strong>sgesamt zwölf Stadtbezirken,<br />
<strong>der</strong> regelmäßig im September zur <strong>in</strong>terkulturellen Hochform aufl äuft: <strong>in</strong>terkultu-<br />
relle Woche, so <strong>der</strong> <strong>Pro</strong>grammpunkt. Vielfalt wird hier gelebt. Täglich, rund um<br />
die Uhr, das ganze Jahr h<strong>in</strong>durch. Außerdem haben mittendr<strong>in</strong> die Kreishandwer-<br />
kerschaft Dortmund und Lünen, <strong>der</strong> Bildungskreis Handwerk und das dazugehörige<br />
Bildungszentrum ihren Sitz. Geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong> Dortmun<strong>der</strong> Handwerkskammer reprä-<br />
sentieren sie e<strong>in</strong> starkes Stück Wirtschaft und setzen sich für <strong>in</strong>terkulturelle <strong>Öffnung</strong> und<br />
Vielfalt e<strong>in</strong>. Grundvoraussetzung dafür: »Die richtigen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter, die mit<br />
wirtschaftlichem Know-how, <strong>in</strong>terkultureller Kompetenz und e<strong>in</strong>em guten Gespür für Menschen und<br />
Betriebe, beraten und qualifi zieren, Hürden abbauen und Zugänge schaffen«, wie Geschäftsführer Hel-<br />
mut Klasen von <strong>der</strong> Kreishandwerkerschaft Dortmund und Lünen betont.<br />
23
WIRTSCHAFTLICHE SELBSTVERWALTUNG / Dortmund, Juli 2009, Kreishandwerkerschaft Dortmund und Lünen<br />
<strong>Interkulturelle</strong> <strong>Öffnung</strong>:<br />
ganz praktisch, ganz wirtschaftsnah …<br />
mittel- bis langfristig erfolgreiche Integration realisieren<br />
zu wollen, heißt: qualifi zierte Berufsabschlüsse<br />
und den Weg dorth<strong>in</strong> auszubauen.« Helmut Klasen, 56, Diplom-<br />
Betriebswirt, stellvertreten<strong>der</strong> Hauptgeschäftsführer <strong>der</strong> Kreishandwerkerschaft<br />
Dortmund und Lünen sowie Geschäftsführer<br />
des Bildungskreises Handwerk, <strong>der</strong> sich mit speziellen Bildungsangeboten<br />
gerade auch für die berufl iche Qualifi zierung und<br />
Inte gration von An- o<strong>der</strong> Ungelernten mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />
e<strong>in</strong>setzt.<br />
»Geme<strong>in</strong>sam mit dem Dortmun<strong>der</strong> Jobcenter bieten wir<br />
Qualifi zierungsmaßnahmen im gewerblich-technischen<br />
Bereich an. 160 Stunden, <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit fachsprachlichem<br />
Deutschunterricht und mit angeglie<strong>der</strong>tem Praktikum. Dies kommunizieren<br />
wir auch ganz gezielt <strong>in</strong> die verschiedenen Communities<br />
hier <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region. Auf diese Weise erreichen wir gerade auch<br />
diejenigen, die ansonsten eher selten an berufl icher Qualifi zierung<br />
teilnehmen: An- o<strong>der</strong> Ungelernte, zwischen 25 und 40 Jahre alt,<br />
mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund.<br />
Gute Erfahrungen haben wir <strong>in</strong> den vergangenen Jahren auch<br />
mit e<strong>in</strong>em Vorbereitungssem<strong>in</strong>ar zur Externenprüfung im Gebäu<strong>der</strong>e<strong>in</strong>igerhandwerk<br />
gesammelt. Re<strong>in</strong>igungshilfskräfte ohne Berufsabschluss<br />
haben hier die Möglichkeit, sich ganz gezielt auf<br />
die Externenprüfung vorzubereiten. Das heißt, sie legen zum Ende<br />
des Sem<strong>in</strong>ars ihre Abschlussprüfung ab und erhalten e<strong>in</strong> voll anerkanntes<br />
Berufszertifi kat«, so Helmut Klasen.<br />
Über die Herkunft <strong>der</strong> Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer sagt<br />
<strong>der</strong> Bildungsexperte: »Viele, die sich hier auf ihre Externenprüfung<br />
vorbereiten, kommen direkt aus den Betrieben bzw. werden<br />
von diesen geschickt. Fachkräfte werden hier gebraucht, gerade<br />
bei den Gebäu<strong>der</strong>e<strong>in</strong>igern. Das spüren unsere Betriebe tagtäglich.<br />
Und sie fangen mehr und mehr an, an Potentiale anzuknüpfen,<br />
die sie bereits <strong>in</strong> ihren Unternehmen beschäftigen. Das ist gut,<br />
nicht nur für die Betriebe. Insbeson<strong>der</strong>e diejenigen haben e<strong>in</strong>en<br />
Vorteil, die bislang eher Helfertätigkeiten ausgeübt haben. Aus<br />
ihnen werden qualifi zierte Fachkräfte, die Objektverant wortung<br />
übernehmen und damit völlig neue Karriereperspektiven erhalten.<br />
Die entsprechende Qualifi kation, e<strong>in</strong> anerkannter Berufsabschluss,<br />
ist demnach das A und O. Für an- o<strong>der</strong> ungelernte Mi-<br />
24<br />
grant<strong>in</strong>nen und Migranten zum e<strong>in</strong>en und für die kle<strong>in</strong>en und<br />
mittleren Unternehmen ohneh<strong>in</strong>.«<br />
Ganz so e<strong>in</strong>fach, wie es kl<strong>in</strong>gen mag, ist es dann allerd<strong>in</strong>gs<br />
doch nicht. Bevor es <strong>in</strong> die Weiterbildung geht,<br />
führen geschulte Jobtra<strong>in</strong>er/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong>dividuelle Beratungen<br />
durch, erfassen die Kompetenzen und<br />
Interessen und entwickeln geme<strong>in</strong>sam mit<br />
den Interessenten/<strong>in</strong>nen grobe Zielplanungen.<br />
»Das erfor<strong>der</strong>t viel E<strong>in</strong>fühlungsvermögen<br />
und <strong>in</strong>terkulturelles<br />
Verständnis von unseren Jobtra<strong>in</strong>ern/<strong>in</strong>nen«,<br />
berichtet Geschäftsführer<br />
Klasen. »Zudem<br />
begleiten sie ihre Teilnehmer<strong>in</strong>nen<br />
und Teilnehmer<br />
und unterstützen sie gerade<br />
zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Weiterbildung sehr<br />
<strong>in</strong>tensiv. Gerde zu<br />
Anfang tauchen<br />
erfahrungsgemäß<br />
die größten<br />
Hürden auf und<br />
das Abbruchsrisiko<br />
ist immens.<br />
Weiterbildung will<br />
gelernt se<strong>in</strong>. Auch<br />
dafür braucht es<br />
das richtige Angebot.<br />
Wir haben<br />
mit den Jobtra<strong>in</strong>er<strong>in</strong>nen<br />
und Jobtra<strong>in</strong>ern<br />
e<strong>in</strong>e Lösung<br />
gefunden, mit <strong>der</strong> wir<br />
die Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
Weiterbildung sehr<br />
<strong>in</strong>dividuell lösen. Viel Sozialarbeit<br />
gehört unzweifelhaft dazu.
Das richtige Coach<strong>in</strong>g sowie die fachsprachliche und gewerblichtechnische<br />
Qualifi zierung ist allerd<strong>in</strong>gs nur die<br />
e<strong>in</strong>e Seite. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en setzen<br />
wir auf die Betriebe<br />
und die Heranführung<br />
<strong>in</strong> Form<br />
von Praktika,<br />
die wir vermitteln.<br />
Nur<br />
so ent-<br />
stehen wichtige<br />
Kontakte, die<br />
den Teilnehmern<br />
nach <strong>der</strong> Qualifi<br />
kation helfen.<br />
Nicht selten,<br />
dass es hierbei<br />
auch direkt funkt<br />
und e<strong>in</strong> neues Beschäftigungsverhältnis entsteht. Zudem tragen<br />
wir viel dazu bei, dass gerade kle<strong>in</strong>ere und mittlere Unternehmen<br />
sich <strong>in</strong> Sachen Personal weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturell öffnen. Ganz praktisch.<br />
Ganz wirtschaftsnah, so unser Motto.«<br />
Was die <strong>in</strong>terkulturelle Verständigung anbelangt, so ist <strong>der</strong> Chef<br />
des Bildungskreises Handwerk, Klasen, allerd<strong>in</strong>gs auch außerhalb<br />
<strong>der</strong> Dortmun<strong>der</strong> Nordstadt unterwegs. Weit weg, mitten im Reich<br />
<strong>der</strong> Mitte, <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a, genau genommen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pro</strong>v<strong>in</strong>z Sichuan<br />
(Land des Überfl usses), <strong>in</strong> <strong>der</strong> 2008 e<strong>in</strong> Erdbeben 5,8 Millionen<br />
Menschen obdachlos werden ließ. Er konzipiert und plant<br />
berufl iche Bildungse<strong>in</strong>richtungen. »Ganz an<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> Deutschland<br />
ist hier das Berufsbildungssystem. Praktisches Handwerk<br />
und das Erlernen des hierfür notwendigen Geschicks zählen <strong>in</strong><br />
Ch<strong>in</strong>a gleich Null. Alles ist verschult, re<strong>in</strong> auf die Theorie und<br />
das Wissen kommt es an. Hier s<strong>in</strong>d die Ch<strong>in</strong>esen absolute Kopf-<br />
Meister. Die technisch-gewerbliche Praxis allerd<strong>in</strong>gs, Fehlanzeige.<br />
Die meisten Ch<strong>in</strong>esen können kaum nachvollziehen, dass bei<br />
uns zum Beispiel e<strong>in</strong> Maurer drei Jahre bis zur Gesellenprüfung<br />
braucht und erst dann den Beruf wirklich beherrscht. Berufsbildung<br />
auf Ch<strong>in</strong>esisch heißt: <strong>in</strong>tensiver Frontalunterricht, e<strong>in</strong> paar<br />
Tage Praxis, fertig. Entsprechend fehlt es an wirklich gut ausgebildeten<br />
Fachkräften im Handwerk.«<br />
_ZUR PERSON: Helmut Klasen, stellvertreten<strong>der</strong> Hauptgeschäftsführer<br />
<strong>der</strong> Kreishandwerkerschaft Dortmund<br />
und Lünen<br />
25
BILDUNGSEINRICHTUNGEN<br />
Stephan Antonoglou, 38 Jahre jung, griechischer Staatsbürger, Familienvater,<br />
selbstständiger Gebäu<strong>der</strong>e<strong>in</strong>iger und Dozent bei <strong>der</strong> Handwerkskammer<br />
für Schwaben <strong>in</strong> Augsburg. Se<strong>in</strong> Vater ist Grieche, se<strong>in</strong>e Mutter stammt aus<br />
Ex-Jugoslawien. Hier <strong>in</strong> Bayern ist er geboren und hier hat er sich 2005 mit e<strong>in</strong>er<br />
Firma für Gebäu<strong>der</strong>e<strong>in</strong>igung selbstständig gemacht.<br />
Für die Arbeit mit Fensterle<strong>der</strong>, Scheuersaugmasch<strong>in</strong>en und Hochdruckstrahler<br />
beschäftigt Herr Antonoglou heute rund 20 Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter.<br />
Und er selbst? Kümmert sich um die Verwaltung se<strong>in</strong>es Betriebs. Kundenterm<strong>in</strong>e<br />
koord<strong>in</strong>ieren, Re<strong>in</strong>igungskolonnen e<strong>in</strong>teilen, Angebote kalkulieren, Nachschub<br />
bestellen, Rechnungen schreiben, Urlaubsanträge abheften, Gehälter berechnen.<br />
Ganz schön viele Zahlen kommen da tagtäglich zusammen.<br />
»Ohne me<strong>in</strong>e Excel-Tabellen geht da nichts mehr«, beschreibt <strong>der</strong> Unternehmer<br />
se<strong>in</strong> vielleicht wichtigstes Handwerkszeug. Das war auch <strong>der</strong> Grund, weshalb<br />
er am Lehrgang Kalkulation für Gebäu<strong>der</strong>e<strong>in</strong>iger bei <strong>der</strong> Handwerkskammer<br />
für Schwaben <strong>in</strong> Augsburg teilgenommen hat. »Ich habe die Dozent<strong>in</strong> mit<br />
me<strong>in</strong>en Fragen immer weiter gelöchert, wollte mehr und immer mehr wissen.<br />
Und irgendwann hat sie mich gefragt, ob ich nicht selbst Dozent werden will.<br />
Klar. Heute zeige ich jungen Menschen, wie Tabellenkalulationen dafür e<strong>in</strong>gesetzt<br />
werden können, um Berechnungen zu erleichtern. Mir ist es wichtig, mit<br />
Menschen zu arbeiten, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen Branche wie ich tätig s<strong>in</strong>d. Und von<br />
ihnen kann ich selbst schließlich noch viel h<strong>in</strong>zulernen.«<br />
26
Gut kalkuliert<br />
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