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Altstadtsanierung am "Pelô"

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Bewohnerschicksale nach der Räumung<br />

Ronaldo, 34 Jahre, erzählte mir, daß er nach seiner Vertreibung im Januar 1994 zunächst bei<br />

seiner Schwester im Stadtviertel "Subúrbio" untergekommen sei, mit dem Bus ca. 20 km vom<br />

Zentrum entfernt. Dort konnte er dann nach ein paar Monaten selbst "ein Haus machen"<br />

(fazer uma casa), nach seinen Worten eine aus Holz, Steinen und Wellblech gebaute Hütte<br />

(barraca), die in der Nähe der Abruchkante eines Hügels stehe. Wenn es im Winter 59) stark<br />

regne, sei es gefährlich, da es zu einem Erdrutsch kommen könne. Das Grundstück, auf dem<br />

er seine Baracke errichtet habe, sei frei gewesen, da es den meisten zu gefährlich erschien,<br />

dort zu bauen. Früher habe er als <strong>am</strong>bulante" (Straßenverkäufer) im Zentrum gearbeitet, aber<br />

das sei nun zu weit weg und den Bus könne er sich nicht leisten. Derzeit helfe er einem<br />

Nachbarn, Früchte auf der Feira de São Joaquim 60) zu verkaufen. Seine Entschädigung hat<br />

er zum größten Teil seiner Schwester gegeben, d<strong>am</strong>it sie Schulden bezahlen konnte. Darum<br />

durfte er dort auch zunächst wohnen. Das Verhältnis mit seiner Schwester, die zus<strong>am</strong>men mit<br />

ihren drei Kindern in zwei Zimmern lebt, sei allerdings nicht besonders gut. Das Geld für die<br />

Baracke st<strong>am</strong>me nur zum Teil aus dem Rest seiner Entschädigung, das übrige Baumaterial<br />

habe er sich von verschiedenen Nachbarn geliehen, zum Teil auch geschenkt bekommen.<br />

Dafür arbeite er jetzt gelegentlich unentgeltlich für seine Nachbarn. Früher sei es ihm wesent-<br />

lich besser gegangen, sagt er, aber, so Gott will, werde er es schon wieder schaffen.<br />

Renata, 21 Jahre, erzählt, daß sie im August 1993 aus ihrem Haus ausziehen mußte. Sie ist<br />

doméstica (Hausmädchen), hat aber seit fast zwei Jahren keine feste Arbeit, da sie schwanger<br />

geworden ist. Ihre Mutter, die in der unmittelbaren Nachbarschaft wohnte, hat ihr dann ein<br />

bißchen geholfen und vom Vater ihrer Tochter hat sie auch ein bißchen Geld bekommen.<br />

Gelegentlich hat sie auch den Nachbarn die Haare geschnitten, dafür hat sie aber nur selten<br />

etwas Geld bekommen. Von ihrer Entschädigung hat sie sich einen Kühlschrank, einen<br />

Fernseher, einen Herd, eine kleine Stereoanlage und "noch ein paar Sachen" gekauft. Die<br />

Sachen hatte sie schon vor der Räumung bei ihrer Mutter untergestellt. Als "das IPAC k<strong>am</strong>",<br />

ist sie zum Vater ihrer 14 Monate alten Tochter gezogen. Da der aber die Sachen unbedingt<br />

wieder verkaufen wollte, die sie sich von ihrer Entschädigung angeschafft hatte, und es<br />

59) Die Regenzeit von Mai bis September wird von vielen Baianos als Winter bezeichnet, obwohl die<br />

Temperaturen selten unter 20 Grad fallen.<br />

60) Ein großer informeller Markt in der Nähe des Fährhafens.<br />

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