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Altstadtsanierung am "Pelô"

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Historische Einflüsse auf kontemporäre ethnische Orientierungen<br />

scheidend störten" (Franzke 1994: 438). Zerstört wurde dabei auch die Kultur der Stämme,<br />

die sich nur rudimentär in den verschiedenen Religionen erhalten konnte (vgl. Wöhlcke 1987:<br />

24). Herausgerissen aus ihrer Heimat, tausende Kilometer vom Zus<strong>am</strong>menleben mit der<br />

eigenen F<strong>am</strong>ilie entfernt und zwangsweise als "Amerikaner" vereinigt, spielte ethnische<br />

Zugehörigkeit keine signifikante Rolle mehr. Hinzu k<strong>am</strong> der Prozeß der "Rassenmischung"<br />

(miscigenação) zwischen Afrikanern, Kolonisten und Indios, insbesondere aufgrund des<br />

extremen Frauenunterschusses in der ehemaligen portugiesischen Kolonie 27) (vgl. Azevedo<br />

1966: 84). Eine Folge war, daß der Anteil der Mischlinge in der Bevölkerung ständig<br />

zunahm. In den 30er Jahren dieses Jahrhunderts gab es nahezu keine Afrikaner mehr in<br />

Bahia, dem Bundesstaat mit der höchsten schwarzen Bevölkerungskonzentration Brasi-<br />

liens. 28)<br />

Afrikaner oder Brasilianer, als Sklaven wurden sie von den dominanten Gruppen nur als<br />

Objekte betrachtet, Produktionsinstrumente, identifiziert als Neger (negro) ohne Rücksicht auf<br />

ethnische und kulturelle Unterschiede. Auf diese Weise stabilisierte sich seit Beginn der<br />

Kolonisierung Brasiliens ein System sozialer Schichtung, das die soziale Position der Indivi-<br />

duen mit ihrer Hautfarbe verband. Gleichzeitig führte die repressive Einwirkung der Portugie-<br />

sen auf die aus Afrika eingeführten Ethnien dazu, daß die farbige Bevölkerung sukzessive<br />

ihre Zugehörigkeit zur einer bestimmten afrikanischen ethnischen Gruppe vergaß. Die soziale<br />

Position innerhalb der brasilianischen Gesellschaft gewann für die aus Afrika st<strong>am</strong>mende<br />

Bevölkerung gegenüber den eigenen ethnischen Ursprüngen zunehmend an Bedeutung. Diese<br />

Entwicklung kann bereits in der Zeit der Sklavenhaltergesellschaft beobachtet werden, in der<br />

es auch "fortschrittliche" Tendenzen gab, denn schon vor der Abschaffung der Sklaverei<br />

wurden Möglichkeiten für den eigenen Freikauf geschaffen, Neugeborene und die über<br />

Siebzigjährigen erhielten automatisch die Freiheit. 29) Außerdem kannte die brasilianische<br />

Form der Sklaverei die Institution der Manumission, d.h. die Freilassung der Sklaven beim<br />

27) Schwarze Frauen wurden oft gezwungen, sich ihren "Herren" zur Verfügung zu halten, "die schwarze<br />

Konkubine ("muc<strong>am</strong>a") [war] eine regelrechte Institution innerhalb dieser patriarchalischen und oligarchischen<br />

Gesellschaft" (Wöhlcke 1987: 21). Vgl. zum Prozeß der miscigenação auch Kap. II.B.1.<br />

28) Vgl. Wilhelmy und Borsdorf 1985: 375ff.; vgl. Abbildung 18.<br />

29) Festgeschrieben in der "Lei do Ventre Livre" (dem Gesetz des freien Leibes) und in der "Lei dos Septuagenários"<br />

(dem Gesetz der Siebzigjährigen) (vgl. Wöhlcke 1987: 22).<br />

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