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Altstadtsanierung am "Pelô"

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164 Die Bedeutung der F<strong>am</strong>ilie als Institution sozialer Integration<br />

Integration dar. Die Grundeinheit der menschlichen Gesellschaft, die F<strong>am</strong>ilie, übernimmt auf<br />

der gesellschaftlichen Mikroebene die soziale Integration der auf der Makroebene Ausge-<br />

grenzten. Neben der Funktion der Überlebenssicherung kommt der F<strong>am</strong>ilie als ökonomische<br />

Einheit hier auch die Rolle zu,"Ausgrenzungsfrustration" zu kompensieren. Der schwierige<br />

Alltag wird über soziale Nähe und ein solidarisches Beziehungsgefüge bewältigt. Die "typi-<br />

sche" F<strong>am</strong>ilie im historischen Zentrum ist dabei nicht auf die engere Blutsverwandtschaft be-<br />

schränkt, sie umfaßt auch die Nebenlinien der Blutsverwandtschaft. Tanten, Onkel, Nichten<br />

und Neffen sind häufig darin eingeschlossen. Darüber hinaus werden oft auch "entfernte Ver-<br />

wandte oder angeheiratete Mitglieder und fiktive Verwandte aufgrund ritualisierter Beziehun-<br />

gen (zeremonielle Partnerschaften) oder durch Adoption (durch zivile Adoption oder aufgrund<br />

von Gewohnheitsrecht) angenommene Mitglieder (...) gleichermaßen inkorporiert" (Lewin<br />

1987: 131; vgl. Rott 1994: 114). So erklärt sich die hohe Mitgliederzahl der F<strong>am</strong>ilien, die bei<br />

den befragten Personen im Durchschnitt 7,42 Personen umfaßte. Bei einer kleinen F<strong>am</strong>ilie,<br />

die sich nur auf die engsten Blutsverwandten beschränkt, wäre die ökonomische Reproduk-<br />

tion unter den gegebenen Bedingungen der verbreiteten Armut gefährdet. Die im historischen<br />

Zentrum übliche Angliederung von entfernten Blutsverwandten trägt so zur Überlebens-<br />

sicherung bei. Ihrer Zus<strong>am</strong>mensetzung nach kann man die Mehrheit der F<strong>am</strong>ilien als "female-<br />

headed households" 46) charakterisieren, d.h., daß in der Regel die Haushalte von einer oder<br />

von mehreren Frauen geführt werden, deren Lebenspartner nicht mehr zum Haushalt gehören.<br />

Sie übernehmen alle häuslichen Tätigkeiten und die Kinderfürsorge, insbesondere weil es<br />

gerade für Frauen in Brasilien schwer ist, einen Zugang zu formeller Lohnarbeit zu finden<br />

(vgl. Gottschalk und Hellmann 1991: 83). Hier findet sich eine weitere Erklärung für das<br />

Streben nach einer hohen Mitgliederzahl, denn nur eine große F<strong>am</strong>ilie kann als Solidarge-<br />

meinschaft unter den gegebenen ökonomischen Bedingungen finanziell abhängige Mitglieder<br />

unterstützen.<br />

Das Lösen der schwierigen Alltagsprobleme beschränkt sich in der Regel nur auf den eigenen<br />

F<strong>am</strong>ilienkreis. Die alteingesessenen Bewohner der nichtrenovierten Häuser in der historischen<br />

Altstadt verbindet zwar das gemeins<strong>am</strong>e Schicksal der Vertreibung, doch eine nachbar-<br />

schaftliche "Schicksalsgemeinschaft", die versuchen könnte, beispielsweise eine gemeins<strong>am</strong>e<br />

46) Vgl. Merrick und Schmink 1983.

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