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Altstadtsanierung am "Pelô"

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160 Stigmatisierung und soziale Differenzierung<br />

Präsenz der Militärpolizei auch demokratische Bürgerrechte eingeschränkt werden. So werden<br />

die häufigen und oft sehr gewalttätigen Übergriffe auf die Besucher der Feste im historischen<br />

Zentrum seitens der Militärpolizei eher gerechtfertigt als kritisiert. Bira Reis, einer der<br />

Bewohner, erzählt in diesem Zus<strong>am</strong>menhang: "Letzte Woche beim Ensaio 43) haben sie hier<br />

direkt vor der "Casa de Olodum" drei Schwarze verprügelt, obwohl die mit auseinanderge-<br />

spreizten Beinen an der Wand standen. Soetwas passiert hier oft. Aber ich verstehe das. Die<br />

Polizisten verdienen doch auch nur einen Hungerlohn, und dafür müssen sie den ganzen Müll<br />

wegräumen. Kein Wunder, daß die aggressiv sind. Würdest du dich für einen Mindestlohn<br />

von ein paar Marginalen verprügeln oder erschießen lassen? Die meisten Marginalen, die<br />

auf die Feste kommen, haben hier doch früher gewohnt. Sie kommen aus den Favelas, um<br />

sich mit Cachaça (Zuckerrohrschnaps) zu betrinken und sich dann zu prügeln. Einige von<br />

denen haben sogar eine Waffe. Da muß die Polizei doch etwas gegen unternehmen". Die<br />

autoritäre Linie der baianischen Regierung, deren exekutives Instrument gerade die öffentli-<br />

che Demonstration einer starken, militärisch organisierten Polizei ist, findet so ihre politische<br />

Legitimation. Aus der Sicht der lokalen Politiker kommt der Stigmatisierung der baianischen<br />

Bevölkerungsmehrheit als "potentiell kriminell" folglich vor allem die Funktion der System-<br />

stabilisierung zu.<br />

Ausgrenzung und Distanzierung, die dominierenden Merkmale der Beziehung zwischen der<br />

Mittel- und der Oberschicht einerseits und der Unterschicht andererseits, werden durch einen<br />

sozialen Prozeß der "Selbststigmatisierung" (s.u.) der diskriminierten Bevölkerungsmehrheit<br />

noch verstärkt. Die Stigmatisierung der Farbigen bzw. der unteren sozialen Schicht führte im<br />

Verlauf der Geschichte bei den Betroffenen zur Identifikation mit dem Stigma und zur<br />

Herausbildung des bereits angesprochenen Minderwertigkeitsgefühls. Merton (1963) bezeich-<br />

nete diesen Prozeß als "self-fulfilling-prophecy", und meinte d<strong>am</strong>it, daß die Stigmatisierung<br />

bei den Stigmatisierten selbst einen Zwang zur Identifizierung mit diesem Stigma auslöst.<br />

Stigmatisierungen beinhalten eine gesellschaftliche Rollenzuweisung, die von den Betroffenen<br />

unter mehr oder weniger Druck von außen angenommen wird: "Aus ständig zugeschriebenen<br />

und d<strong>am</strong>it erwarteten Eigenschaften werden schließlich tatsächliche. (...) Stigmatisierte<br />

43) Öffentliche Probe zur Vorbereitung auf den Karneval, z.B. der schwarzen Kulturvereinigungen wie Olodum<br />

auf dem Largo do Pelourinho.

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