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Altstadtsanierung am "Pelô"

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Die "Rassendemokratie" - die Genese eines Mythos<br />

Diese soziale Differenzierung hält Freyre für ein "Spezifikum Brasiliens", insbesondere im<br />

Vergleich zu den USA, denn "während man bezüglich des sozialen Verhältnisses von<br />

Europäern und Afrikanern in Brasilien von einer Dreiteilung in "Weiße", "Mischlinge" und<br />

"Schwarze" sprechen kann, gibt es in den USA nur zwei Kategorien: Schwarze und Weiße"<br />

(Schelsky 1994b: 275). Mischlinge werden in den USA der Kategorie "Schwarz" untergeord-<br />

net und dementsprechend in der nord<strong>am</strong>erikanischen Gesellschaft sozial verortet. In Brasilien<br />

ist dagegen der "Grad der Zivilisation" ebenso wichtig wie die phänotypische Erscheinungs-<br />

form; so kann "ein gebildeter oder wohlhabender Farbiger von seiner Umgebung sozial wie<br />

ein Weißer behandelt" werden (Schelsky 1994a: 131), und gerade dies war für Freyre der<br />

Grund, von einer "Rassendemokratie" zu sprechen. Sicher ist dieser Begriff vor allem<br />

aufgrund des allgemeinen Demokratiedefizits in Brasilien schlecht gewählt. Freyre ging es<br />

jedoch offensichtlich nicht um die Orientierung an einem demokratischen Ideal, sondern für<br />

ihn war die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs für Farbige der entscheidende "demokrati-<br />

sche" Aspekt Brasiliens im Vergleich zu den d<strong>am</strong>aligen nord<strong>am</strong>erikanischen Verhältnissen,<br />

in denen die Hautfarbe zu einer "fixen" sozialen Verortung führte.<br />

Seine optimistische Sicht der Beziehungen der "Rassen" zueinander brachte Freyre heftige<br />

Kritik ein, insbesondere von der sogenannten Escola Paulista. 10) Freyres "Vorstellung von<br />

der «rassischen Demokratie» wurde von ihnen als «Mythos» oder gar als «Lüge der rassi-<br />

10) Als Escola Paulista wird eine Gruppe von Historikern und Sozialwissenschaftlern aus São Paulo bezeichnet,<br />

die alle eines gemeins<strong>am</strong> haben: Sie erklären die Ursachen des brasilianischen Rassismus aus der Zeit<br />

der Sklaverei heraus und vertreten die Ansicht, daß es keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem<br />

Rassismus in den USA und dem in Brasilien gibt und daß der Gegensatz zwischen Schwarz und Weiß<br />

bedeutender ist als es die vorhandenen "Zwischenkategorien" sind. Ihr Datenmaterial erhoben sie vor allem<br />

in jenen Bundesstaaten Brasiliens, die durch starke Einwanderung aus Mittel- und Südeuropa geprägt<br />

worden sind (vgl. Schelsky 1994a: 130). Die bekanntesten Vertreter sind Florestan Fernandes (1969 und<br />

1971) und Roger Bastide (1959); zur Escola Paulista gehören aber auch Octavio Ianni (1966) sowie<br />

Fernando Henrique Cardoso (1960), der derzeitige Präsident Brasiliens. Nach der Verabschiedung einer<br />

Resolution der UNESCO im Jahre 1950 [116(VI)B(iii)], die verstärkte internationale Forschung zu<br />

"Rassenvorurteilen" und eine weite Verbreitung der ges<strong>am</strong>melten wissenschaftlichen Informationen forderte,<br />

um eine Bildungsk<strong>am</strong>pagne gegen "Rassenvorurteile" ins Leben zu rufen, die auf diesen Informationen<br />

basiert, entstanden eine ganze Reihe von neuen Publikationen, deren zentrales Merkmal es ist, daß sie die<br />

Rassenunterschiede als Klassenunterschiede interpretieren. Die wichtigsten Vertreter, die ihre Arbeiten auf<br />

Bahia konzentrierten, sind Thales de Azevedo (1966 und 1975), Harry W. Hutchinson (1952), Charles<br />

Wagley (1963), Marvin Harris (1964) und Donald Pierson (1967). Die bekannteste UNESCO-Studie aus<br />

Rio de Janeiro st<strong>am</strong>mt von Luiz de Aguiar Costa Pinto (1953). Eine Zus<strong>am</strong>menfassung der wichtigsten<br />

Publikationen aus dem UNESCO-Progr<strong>am</strong>m bietet UNESCO (1969 und 1952).<br />

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