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Altstadtsanierung am "Pelô"

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Die "Rassendemokratie" - die Genese eines Mythos<br />

1. Die "Rassendemokratie" - die Genese eines Mythos<br />

Wenn in Brasilien von der sogenannten democracia racial ("Rassendemokratie") die Rede ist,<br />

ist den meisten die Herkunft und die mißverständliche soziologische Bedeutung dieses<br />

Begriffs nicht bewußt. Im Alltagsverständnis wird er in der Regel als Synonym für die<br />

Beschreibung einer Gesellschaft verwendet, die sich dadurch auszeichnet, daß sie ein<br />

Schmelztiegel der unterschiedlichsten menschlichen Phänotypen ohne diskriminierende Aus-<br />

grenzung einzelner Teile ist: "Es existiert kein Rassismus, es gibt keine Vorurteile aufgrund<br />

der Farbe, wir leben in einer "Harmonie der Rassen" - die democracia racial bietet allen<br />

Schwarzen und Weißen die gleichen Chancen" (Movimento Negro Unificado 1988: 20). 6) In<br />

diesem Verständnis wurde und wird der Begriff immer wieder von den Politikern zur<br />

Verschleierung gesellschaftlicher Mißstände ideologisiert: "The racial democracy idea was<br />

grafted into official ideology by the mostly conservative and military elite that had ruled<br />

Brazil since the 1930s to forestall racial uprisings and to showcase Brazil internationally as<br />

a positive ex<strong>am</strong>ple of race relations" (Telles 1992: 187; vgl. Skidmore 1972).<br />

Gilberto Freyre, der geistige Vater der "Rassendemokratie", verwendete den Begriff allerdings<br />

in einem anderen Sinne. Im ersten und bekanntesten Buch seiner Trilogie ("Herrenhaus und<br />

Sklavenhütte", Freyre 1965) beschreibt er sehr ausführlich das soziale Zus<strong>am</strong>menleben<br />

zwischen Herren und Sklaven auf der fazenda, einem großen Landgut. Dieses Zus<strong>am</strong>men-<br />

leben stellte als "ein vollständiges wirtschaftliches, soziales und politisches System" (ebd.:<br />

550) das Grundelement des sozialen Systems der Kolonialzeit dar. Charakteristisch waren<br />

dabei die vertikale, herrschaftliche Beziehung zwischen Patron und von ihm abhängigem<br />

Knecht sowie eine besondere Sozialethik, die Freyre im Vorwort seiner Untersuchung der<br />

brasilianischen patriarchalischen Gesellschaft wie folgt beschreibt: "Innerhalb dieses Systems<br />

gab es eine starke Kommunikation zwischen Herrenhaus und Sklavenhütte, zwischen mehr-<br />

stöckigem Stadthaus (sobrado) und Armenhütten (muc<strong>am</strong>bos), und nicht nur Absonderung<br />

und Differenzierung. Synthese und nicht nur Antithese. Affektive Ergänzung und nicht nur<br />

6) Das Zitat gibt natürlich nicht die Position des Movimento Negro Unificado wider, sondern wird in der<br />

betreffenden Monographie nur als Beispiel für das Alltagsverständnis des Begriffs democracia racial verwendet.<br />

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