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3. 1.2 Schulen und Bildungseinrichtungen - UniFr Web Access

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<strong>3.</strong> <strong>1.2</strong> <strong>Schulen</strong> <strong>und</strong> <strong>Bildungseinrichtungen</strong><br />

als Sozialis ations ins tanzen<br />

ln den vorangehenden Abschnitten wurden die strukturellen Rahmenbedin-<br />

Diese verarbeitung wird vor allem durch die sozialen organisationsformen<br />

von Schule, Berufsausbildung <strong>und</strong> Hochschule geprägt. Es handelt sich um<br />

sen müssen, wobei sie zugleich auch Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung<br />

einiger der Handlungsanforderungen haben.<br />

in die<br />

oziale<br />

damit<br />

Alle Sozialisationsinstanzen haben einen Doppelcharakter als gesellschaft -<br />

lich prägende <strong>und</strong> zugleich individuell gestalibare l¡rstitutionen. si" köno"n<br />

erst dann erfolgreich ihre Aufgabe der Integration des gesellschaftlichen<br />

Nachwuchses in die bestehenden sozialstrukturen erfüllei, wenn sie einen<br />

ausreichenden Spielraum für die Individuation, die individuelle Gestaltung<br />

<strong>und</strong> B edeutungs gebung anbieten.<br />

93


deutung, die hochwertige Schulabschlüsse haben, bestimmt die Sozialisationsinstãnz<br />

Schule inzwischen für praktisch alle Angehörigen der jungen<br />

Generation den zeitlichen Tages-, Wochen- <strong>und</strong> Jahresplan <strong>und</strong> wichtige<br />

soziale Orientierungen. Sie ist der ,,Arbeitsplatz" def Jugendlichen, der über<br />

eine lange Spanne der Lebenszeit hinweg Intellekt, Emotion <strong>und</strong> soziales<br />

Verhalten prägt (Brusten <strong>und</strong> Hurrelmann 1973).<br />

Soziale <strong>und</strong> qualifÌkatorische Funktionen der Schule<br />

Der hohe Stellenwert der Schule als Sozialisationsinstanz im Jugendalter<br />

erscheint uns heute selbstverständlich, doch er hat sich erst in derjüngeren<br />

Geschichte herausgebildet. Noch zur Zeit der Industrialisierung war die<br />

schule nur für einen sehr kleinen Teil der bürgerlichen Jugendlichen von<br />

Bedeutung, denn es war die Aufgabe der Familie <strong>und</strong> der Verwandtschaft,<br />

die Einweisung in berufliche <strong>und</strong> gesellschaftliche Qualifikationen vorzunehmen.<br />

Diese Funktion hat die Familie inzwischen vollständig an die Spezialinstitution<br />

Schule abgegeben. Jugendliche erlernen gesellschaftliche<br />

Handlungsvollzüge <strong>und</strong> dafür notwendige Kenntnisse nicht mehr im unmittelbaren<br />

Lebensalltag zusammen mit ihren Eltem <strong>und</strong> anderen Verwandten,<br />

sondern sie werden nur mit ihresgleichen in speziell hierfür geschaffenen<br />

Organisationen von gesondert hierfür ausgebildeten professionellen Lehrkräften<br />

unterrichtet (Helsper <strong>und</strong> Böhme 2002; Mead 1971).<br />

<strong>Schulen</strong> haben vielf¿iltige Funktionen im Sozialisationsprozess (Fend 1988,<br />

S. 133; Tillmann 2000, S. 160)<br />

- Sie erfüllen die Funktion der Wissensvermittlung <strong>und</strong> der intellektuellen<br />

<strong>und</strong> sozialen Kompetenzbildung für ihre ,,Klienten", die Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler.<br />

- Sie leisten für die Gesellschaft die Aufgabe der sozialen Integration, indem<br />

sie Jugendliche auf die vorherrschenden Normen <strong>und</strong> Werte einstimmen<br />

<strong>und</strong> deren Anpassungsbereitschaft gegenüber den gesellschaftlichen<br />

Lebens- <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen einfordern.<br />

- Sie haben eine Auslesefunktion, indem sie die soziale Platzierung im Arbeitsprozess<br />

vorbereiten <strong>und</strong> legitimieren. Das K¡iterium für diesen Selektionsprozess<br />

sind die individuellen Leistungen, die einzelne Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler erbringen.<br />

<strong>Schulen</strong> spiegeln den Charakter heutiger Gesellschaften als Leistungsgesellschaft<br />

wider, weil sie den gesellschaftlichen Nachwuchs mit den Spielregeln<br />

einer Wettbewerbsgesellschaft vertraut machen, in der im Prinzip<br />

nur die individuelle Leistung über die Platzierung in einem Gefiige von sozialen<br />

Privilegien entscheidet. Die Schule gehört zu denjenigen gesellschaftlichen<br />

Instanzen, in denen das Leistungsprinzip als Basis der Selektionsfunktion<br />

<strong>und</strong> damit der Vergabe von Privilegien in der reinsten Form in<br />

Kraft ist. Hierdurch soll die Schule den Jugendlichen Vorstellungen von so-<br />

zialer Rangfolge uncl Erfahrungen von Erfolg <strong>und</strong> Misserfolg vermitteln,<br />

die auf die Lebensrealität im Arbeitsleben vorbereiten.<br />

Struktur der Sozialbeziehungen in der Schule<br />

Typisch für die sozialisationsinstanz schule sind die stark reglementierten<br />

sozialen Beziehungen der Jugendlichen zu professionell ãusgebildeten<br />

Lehrkräften.


1980; Hurrelmann <strong>und</strong> Wolf 1986):<br />

- Die entscheidende Bes<br />

von der Mehrzahl der<br />

mit den Lehrern <strong>und</strong> E<br />

gesehen.<br />

- Der Schule wird<br />

Sinn für die eigene Le-<br />

bensplanungnurtwasfiirdieGestaltung<br />

<strong>und</strong> Bewältigung<br />

- Die gesellschaftliche Auslese- <strong>und</strong> Platzierungsfunktion der Schule wird<br />

.,,ror, ã"r, Jugendlichen erkannt <strong>und</strong> für notwendig <strong>und</strong> legitim gehalten.<br />

werbstätigkeit gleichgesetzt wird.<br />

Dieses Deutungsmust<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

verbreitet. Es iwingt<br />

en Sicht der Schule. Der<br />

Wert des schulischen<br />

sich demnach maßgeblich<br />

in dem wert des Abschlusszertifikats aus. Die schüler bewältigen diese orientierung,<br />

indern sie die schulische Tätigkeit wie eine industrielle, quasi<br />

den Gesetzen von Lohnarbeit folgende Beschäftigung, definieren <strong>und</strong> gestalten.<br />

Der Lohn ist für sie das Zeugnis mit seinem Tauschwert für vermeintlich<br />

erfüllendere Lebensbereiche.<br />

Diese Untersuchungsergebnisse sind aus erziehungswissenschaftlicher <strong>und</strong><br />

biografi etheoretischer Perspektive ernüchtemd, denn der Sozialisationsinstanz<br />

Schule wird keine pädagogisch wertvolle Bildungsfunktion, sondem<br />

nur eine Qualifizierungsfunktion zugeschrieben. Die Jugendlichen fühlen<br />

sich zu einer die Berufs- <strong>und</strong> Lebenschancen sichernden ,,Optimierungsstrategie"<br />

gezwungen, die gegenüber den Bildungsinhalten der Schule offen<br />

oder sogar indifferent ist. Die schulischen Bildungsgänge werden im Rahmen<br />

dieser Strategie instrumentalisiert. Sie sind Mittel zvm Zweck des Erwerbs<br />

eines Abschlusszertifikates. Was dabei gelernt wird, erscheint als<br />

zweitrangig.<br />

Die biografìsche Bedeutung von Schulerfolg <strong>und</strong> Schulversâgen<br />

Aus diesen Bewertungen des schulischen Bildungsganges durch die Jugendlichen<br />

lässt sich ableiten, welche hohe biografische Bedeutung Erfblg <strong>und</strong><br />

Versagen im schulischen Bildungsprozess haben. Versagensereignisse werden<br />

von den Jugendlichen als empfindliche Rückschläge im Lebenslauf<br />

empf<strong>und</strong>en. Das umso mehr, als die versagenden Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

die Legitimität der bestehenden Lem-, Beurteilungs- <strong>und</strong> Auslesemechanismen<br />

der Schule ausdri.icklích nicht in Frage stellen, obwohl sie davon<br />

negativ betroffen sind.<br />

- Die Leishrngsanforderungen der Schule werden als unvermeidbar <strong>und</strong><br />

formal gerechtfertigt verstanden <strong>und</strong> hingenommen (Hurrelmann <strong>und</strong><br />

Wolf 1986). Auch die versagenden Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler haben die<br />

Anforderungen so stark verinnerlicht, dass sie die eigentliche ,,Schuld"<br />

für ihr Versagen bei sich selbst suchen. Das heißt: Sie können ihre<br />

schmerzlichen Enttäuschungen <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene ldentitätsbedrohung<br />

nicht öffentlich innerhalb der Institution Schule artikulieren <strong>und</strong><br />

abarbeiten. lVas ihnen - außer Resignation - bleibt, ist eine mechanische<br />

<strong>und</strong> fast opportunistische Leistungsanstrengung, um vielleicht doch noch<br />

einen akzeptablen Schulabschluss zu erreichen. Gelingt auch das nicht,<br />

bleibt vielen Jugendlichen als Ausweg nur noch ein Ausweichen auf Anerkennungsfelderjenseits<br />

der offiziellen schulkultur, also auf sozial abweichendes<br />

Verhalten wie Aggressivität, Gewalt <strong>und</strong> Drogenkonsum.<br />

- Vor allem an Hauptschulen <strong>und</strong> Sonderschulen <strong>und</strong> dort vor allem bei<br />

Jüngeren treten solche Ausweichmuster auf. schlechte Schulleistungen<br />

schwächen das Selbstwertgefühl der Jugendlichen <strong>und</strong> führen zu Anerkennungsdefiziten<br />

mit starken inneren Spannungen. Vor allem die männlichen<br />

Jugendlichen an Haupt- <strong>und</strong> Sonderschulen können diesen Druck<br />

nicht lange aushalten. sie fühlen sich als die ,,verlierer der v/ettbewerbsgesellschaft"<br />

<strong>und</strong> reagieren auf diese für sie unerträgliche situation<br />

mit unsicherheit <strong>und</strong> Beschämung, oft auch mit einem Rückgriff auf traditionelle<br />

Männerklischees mit Machtausübung <strong>und</strong> demonstrativer Ablehnung<br />

gegenüber Fremden <strong>und</strong> gesellschaftlich Schwachen. Dahinter<br />

verbirgt sich eine irritierte <strong>und</strong> verängstigte persönlichkeit, die den Spielregeln<br />

der ,,individualisierten" Gesellschaft nicht gewachsen ist (Shell<br />

Jugendstudie 2002, S. 68).<br />

Der 'heimliche" Lehrplan der <strong>Schulen</strong><br />

wie die hier vorgestellten studien zeigen, stellt die Schule für die meisten<br />

schule, sondern für das (Erwachsenen-) Leben" geworden ist. Sie wissen,<br />

dass der Schulabschluss zrvar eine notwendige, aber keinesfalls eine hinrei-


chende voraussetzung für den Eintritt in das Erwerbsleben ist (classen'<br />

Berg-Winkels <strong>und</strong> Merkens 1998; Fend 2000, S' 330)'<br />

Die schule übt ihre sozialisationseffekte nicht nur über die Lehrpläne <strong>und</strong><br />

ihre Leistungsanforderungen aus, sondem auch über einen ,,heimlichen<br />

Lehrplan", der sich aus den<br />

ergibt. Die Schule ist deshalb<br />

kognitiven <strong>und</strong> intellektuelle<br />

hängig von den Interaktionen mit L<br />

VitJcñtite¡nnen <strong>und</strong> Mitschülem aufgebaut <strong>und</strong> Solidaritäts- <strong>und</strong> Spannungserlebnisse<br />

im umgang mit anderen Jugendlichen erfahren (Böhme<br />

200õ; Keuffer, Krüger, Reinhardt, Weise <strong>und</strong> Wenzel 1998)'<br />

Auch im Unterricht spielt nicht nur die ,,offizielle" Leistungs- <strong>und</strong> Beziehungsebene<br />

eine Ro[è, vielmehr bieten unterschwellige <strong>und</strong> versteckte Ritualã<br />

zahlreiche Anknüpfungen für soziale Erfahrungen. Hier lernen Jugendliche<br />

wie sie sich piäsentieren <strong>und</strong> durchsetzen können, soziale Regeln<br />

ãushandeln, <strong>und</strong> sich ìhnen unterwerfen müssen, Diskriminierungen <strong>und</strong><br />

Enttäuschungen verarbeiten <strong>und</strong> Anerkennung <strong>und</strong> Erfolg erleben. Der Lebensbereich<br />

-Schule ist so gesehen auf verschiedenen Erfahrungsebenen ein<br />

Bestandteil des ,,ernsten" Lebens im Jugendalter <strong>und</strong> stellt eine mächtige<br />

Sozialisationsinstanz dar (Fend 2000, S. 355; Krappmann <strong>und</strong> Oswald<br />

1e9s).<br />

Ges<strong>und</strong>heitliche Belastungen durch Leistungsdruck<br />

Die hohe biografische Bedeutung der schulischen Erfolgs- <strong>und</strong> Misserfolgsbilanz<br />

wiikt sich auf die psychische <strong>und</strong> körperliche Befindlichkeit der<br />

Jug-endlichen aus. So sind körperliche <strong>und</strong> psychische Auffâlligkeits- <strong>und</strong><br />

Belastungssymptome, Drogenkonsum <strong>und</strong> delinquentes Verhalten verstärkt<br />

bei denjenigen- Jugendlichen anzutreffen, die sich in schwierigen schulischen<br />

Leistungssituationen befinden. Bei diesen Jugendlichen treten überdurchschnittlich<br />

häufig psychosomatische Beeinträchtigungen wie Konzentrationsschwierigkeiten,<br />

Schlafstörungen, Verdauungsstörungen <strong>und</strong><br />

Rückenschmerzen auf (Engel <strong>und</strong> Hurrelmann 1992,1993).<br />

- Wie wissenschaftliche Analysen zeigen, liegen viele der persönlichen<br />

Ausgangsbedingungen für psychosoziale <strong>und</strong> psychosomatische Belastungen<br />

in den verunsicherten ,,statuserwartungen" der Jugendlichen, der<br />

teilweise uneingestandenen Angst vor,,sozialem Abstieg". Vor allem die<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die von zu Hause aus unter dem Druck stehen,<br />

den sozialen Status der Eltern qua schulischer Bildung zu erhalten oder<br />

zu übertreffen, werden angesichts einer unendlich lang erscheinenden<br />

Durststrecke formalisierter Leistungsanforderungen mit ungewissem<br />

Ausgang <strong>und</strong> unsicher werdendem ,,Tauschwert" für später stark belastet<br />

(Mansel <strong>und</strong> Hurrelmann 1991, S.132).<br />

- Die Selbstansprüche Jugendlicher an ihre schulische Leistungsfühigkeit<br />

sind nach den vorliegenden Studien sehr hoch. Die Jugendlichen sind<br />

sehr leistungsbereit <strong>und</strong> haben hohe Ziele an ihre eigene Schullaufbahn.<br />

Da aus der Sicht der Jugendlichen die eigenen Leisfungen entscheidend<br />

fiir das Erreichen des angestrebten Schulabschlusses sind, ist es ihnen<br />

auch sehr wichtig, in der Schule gute Leisfungen zu erbringen (Shell Jugendstudie<br />

2002, S. 62). Traditionelle leistungsorientierte Werte werden<br />

seit den l990er Jahren wieder stark betont. Ganz offensichtlich identifizieren<br />

sich die meisten Jugendlichen mit dem Leistungsprinzip <strong>und</strong> akzeptieren<br />

es als geeignetes Kriterium für die gesellschaftliche Verteilung<br />

von chancen. Zumindest bek<strong>und</strong>en die schülerinnen <strong>und</strong> schüler eine<br />

hohe Leistungsbereitschaft <strong>und</strong> geben an, dass gute Leistungen für sie<br />

von hoher persönlicher Bedeutung sind. Stellen sich die erwarteten <strong>und</strong><br />

ersehnten guten Leistungen nicht ein, reagieren sie mit Nervosität <strong>und</strong><br />

unruhe, aus denen ges<strong>und</strong>heitliche Beeinträchtigungen erwachsen können.<br />

Auslöser von Stress in der Schule<br />

Nach diesen studien sind Jugendliche mit hoher Leistungsrnotivation heute<br />

sonders stark zum Ausdruck. sie können sich in unges<strong>und</strong>em stress manifestieren.<br />

Die psychische Ausgangsdisposition hierfür kann bereits im Kindesalter<br />

gebildet werden, insbesondere, wenn übersteigerte Kontrollambitionen<br />

schon in der Gr<strong>und</strong>schule vorherrschen (ulich l99l). Häufìge Reaktionen<br />

bei Misserfolg sind Aggressionen gegen andere <strong>und</strong> gegen sich selbst.<br />

Auch Jugendliche mit niedriger Leistungsmotivation sind ,,stressgeführdet,.,<br />

sie reagieren bei Belastungen mit Macht- <strong>und</strong> Hilflosigkeit. TrCIen bei ihnen<br />

Leistungseinbrüche <strong>und</strong> Misserfolge ein, dann sehen sie keine Ansätze<br />

für eine aktive Behebung <strong>und</strong> Bewältigung dieser Situation. sie fühlen sie<br />

sserfolgserle zur<br />

Die Folgen sive<br />

rminderung Or_


sprechend hoch ist der psychische <strong>und</strong> soziale ,,Druck im System", der von<br />

den meisten Jugendlìchen sensibel gespürt wird. Die intemational vergleichenden<br />

Studien zu den Schulleistungen im weiterführenden Schulsystem<br />

durch das Programme for International Student Assessment (PISA) <strong>und</strong> die<br />

mathematisch naturwissenschaftlichen Vergleiche (TIMSS) haben diesen<br />

Druck noch weiter erhöht, weil die deutschen Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler relativ<br />

schlecht abgeschnitten haben (Baumert <strong>und</strong> Lehmann 1997; Deutsches<br />

PlSA-Konsortium 200 I ).<br />

<strong>3.</strong>1.3 Sozialisationsfunktion der Berufs- <strong>und</strong><br />

H o c hs c hu I ins t ituti onen<br />

Für Jugendliche, die nach neun oder zehn Jahren Schulausbildung in das<br />

,,Duale System" übergehen, bei dem die theoretische Unterrichtung in Berufsschulen<br />

<strong>und</strong> die praktische Unterrichtung am Arbeitsplatz kombiniert<br />

werden, beginnt der erste Schritt der Übernahme der Erwerbstätigenrolle<br />

biografisch deutlich früher als für die Jugendlichen in den gymnasialen Oberstufen<br />

<strong>und</strong> den anderen Bildungsgängen der Vollzeitberufsschule. Bis in<br />

die 1980er Jahre hinein mündete die überwältigende Mehrheit eines jeden<br />

Jahrganges nach der allgemein bildenden Schule direkt in das Duale Ausbildungssystem<br />

ein. Seit den l990er Jahren wird der Langzeitausbildungsgang<br />

Gymnasium - Gymnasiale Oberstufe - Hochschulstudium immer häufiger<br />

gewählt, oft mit einer Kombination von Ausbildungselementen des<br />

Dualen Systems. Er bietet seinen Klienten nicht nur eine hochwertige Allg"rtt"inbild.tng,<br />

"o.ráern zugleich auch einen langen biografischen Spielraum<br />

fiir die Festlegung auf bestimmte Berufsfelder unabhängig von konjunkturellen<br />

<strong>und</strong> betrieblichen Zwängen (Huber l99l).<br />

Steigende Attraktivität der akademischen Ausbildung<br />

Durch die immer höhere Bewertung des akademisch orientierten Bildungsstranges<br />

gehen die für die Persönlichkeitsentfaltung interessanten Potenziale<br />

des unmittelbar berufsbezogenen Ausbildungsgangs im Dualen System in<br />

der Wahrnehmung vieler Jugendlicher fast unter.<br />

- Der Statusübergang von der Schule in die betriebliche Berufsausbildung<br />

ist sozialstrukturell gesehen ein Übertritt von einer staatlich reglementierten<br />

<strong>und</strong> gelenkten Bildungsinstitution mit strukturell geringen Verhaltensspielräumen<br />

in einen überwiegend privatwirtschaftlich organisierten<br />

Bereich, in dem es um die Produktion von Waren oder die Erstellung von<br />

Dienstleistungen geht <strong>und</strong> potentiell große Möglichkeiten der Persönlichkeitsentfaltun<br />

g bestehen.<br />

- Im beruflichen Ausbildungsstrang werden viel früher als irn akademischen<br />

unmittelbare Verantwortlichkeiten <strong>und</strong> produktive Wirksamkeiten<br />

ermöglicht.<br />

- Jugendliche können sich aus der überwiegend passiven Rolle des Schülers<br />

oder der Schülerin in die aktivere des Produzenten <strong>und</strong> Dienstleistungsanbieters<br />

bewegen <strong>und</strong> haben vor allem die Möglichkeit, ein selbst<br />

verdientes Einkommen zu erwirtschaften (Mansel <strong>und</strong> Hunelmann 1 991 ,<br />

S. 93). Mit dem Eintritt in die Berufsausbildung ist ein deutlicher Schritt<br />

in Richtung der Übernahme des Status eines Erwachsenen verb<strong>und</strong>en.<br />

Wie vergleichende Untersuchungen zeigen, empfinden trotz dieser Vorteile<br />

immer mehr Jugendliche den schritt in das Erwerbsleben traditioneller Art<br />

als unangemessen oder zu füih. Sie scheuen davor zurück, sich auf den festen<br />

Rhythmus der Produktions- <strong>und</strong> Dienstleistungsarbeit einzurichten <strong>und</strong><br />

sich den Anforderungen <strong>und</strong> Ritualen des Berufslebens zu unterwerfen. Im<br />

Vergleich zu den gleichaltrigen Jugendlichen, die in vollzeitschulischen<br />

Ausbildungsgängen verbleiben, ist insbesondere das Ausmaß der zeitlichen<br />

Bindung im Tagesrh¡hmus höher. viele Jugendliche fiihlen sich schon aus<br />

diesem Gr<strong>und</strong> in ihrem Freiheitsspielraum für die Gestaltung des eigenen<br />

Lebens eingeschränkt. Hinzu kommt die Erfahrung, sich durch die ersten<br />

schritte in das Berufsleben auf bestimmte wege festgelegt zu haben, die<br />

andere optionen ausschließen. Mit dem voranschreiten der Berufsausbildung<br />

wird es tatsächlich auch immer schwieriger, alternative Berufsbereiche<br />

zu erschließen (Hoff 1996).<br />

sch sehr hohen Ansprüche Jugendberuflichen<br />

Leben noch gestärkt.<br />

spielt die Chance, sich in der Ar<strong>und</strong><br />

selbstbestimmt eigene<br />

inzubringen, eine sehr gro-<br />

Vergleich nicht so sehr im<br />

vordergr<strong>und</strong>. Die Jugendlichen gehen also nicht in erster Linie mit materiellen,<br />

sondern eher ideellen, auf Selbstverwirklichung orientierten Moti-


Reformbedarf im beruflichen Ausbildungssystem<br />

gen.<br />

eitstätigkeiten heran. Ofdurch<br />

die heutige Orgabei<br />

immer mehr Jugend-<br />

Neben diesen Verbesserungen der eualität in der Ausbildung, die auch<br />

durch eine Intensivierung der Fort- <strong>und</strong> weiterbildung der Ausbilder erreicht<br />

werden muss, sollten veränderungen der Ausbildungsstruktur treten.<br />

Hierzu gehört vor allem eine Stärkung des theoretischen Gr<strong>und</strong>lagenwissens<br />

<strong>und</strong> der berußfeldübergreifenden Ausbildungselemente, sodass<br />

eine spätere Flexibilität des Berufsweges möglictr wir¿. weiterhin<br />

müssen die tatsächlich gegebenen Anschluss- <strong>und</strong> Außtiegsmöglichkeiten<br />

der Jugendlichen verbessert werden, die das Duale Sfstemier Beru<br />

fsausbildun g durchlaufen.

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