BOUR DIEU

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30.12.2012 Aufrufe

22 wand erfordert. Die Macht über den Raum, die vom Kapital in seinen verschiedenen Formen verliehen wird, ist dem entsprechend immer zugleich auch Macht über die Zeit). Sie können aber auch die Form von Besetzungs- bzw. Dichte- Profiten annehmen: die Verfügung über einen physischen Raum (weitläufige Parks, große Wohnungen etc.) kann ein Mittel darstellen, jedwede Art unerwünschten Eindringens fernzuhalten (dies sind gerade die „erfreulichen Aussichten“ des englischen Landhauses, das, wie Raymond William es in Town and Country formulierte, das Land und seine Bauern zur Erbauung seiner Bewohner in Landschaft verwandelt, man denke aber auch an die „unverbaubare Aussicht“ aus der Immobilien-Werbung). Die Fähigkeit, den Raum zu beherrschen, hauptsächlich ba- sierend auf der (materiellen oder symbolischen) Aneignung der seltenen (öffentlichen oder privaten) Güter, die sich in ihm verteilt finden, hängt vom Kapitalbesitz ab. Das Kapital erlaubt es, unerwünschte Personen oder Sachen auf Distanz zu halten und zugleich sich den (gerade hinsichtlich ihrer Verfügung über Kapital) erwünschten Personen und Sachen zu nähern. Hierbei werden die zur Aneignung von Kapital nötigen Ausgaben, insbesondere an Zeit, minimiert. Die Nähe im physischen Raum erlaubt es der Nähe im Sozial- raum, alle ihre Wirkungen zu erzielen, indem sie die Akku- mulation von Sozialkapital erleichtert, bzw. genauer gesagt, indem sie es ermöglicht, dauerhaft von zugleich zufälligen und voraussehbaren Sozialkontakten zu profitieren, die durch das Frequentieren wohlfrequentierter Orte garantiert ist. (Die Verfügung über Kapital sichert des Weiteren eine Quasi-Allgegenwart, ermöglicht durch die ökonomische und

symbolische Beherrschung von Transport- und Kommunika- tionsmitteln, und wird darüber hinaus durch den Effekt des Delegierens – das Vermögen, auf Distanz zu existieren und qua vermittelnden Dritten zu agieren – verdoppelt.) Umgekehrt werden aber die Kapitallosen gegenüber den gesellschaftlich begehrtesten Gütern, sei es physisch, sei es symbolisch, auf Distanz gehalten. Sie sind dazu verdammt, mit den am wenigsten begehrten Menschen und Gütern Tür an Tür zu leben. Der Mangel an Kapital verstärkt die Erfah- rung der Begrenztheit: er kettet an einen Ort. 1 Die Kämpfe um die Aneignung des Raums können eine indi- viduelle Form annehmen: die intra- oder intergenerationelle räumliche Mobilität – also z.B. die Ortswechsel zwischen Hauptstadt und Provinz in beiderlei Richtung oder die auf- einander folgenden Anschriften innerhalb des hierarchisier- ten Raumes der Kapitale – sind ein guter Indikator für die in diesen Kämpfen erreichten Erfolge bzw. erlittenen Niederla- gen. Aber auch noch in einem breiteren Sinne eignen sie sich als ein guter Anzeiger jedweder gesellschaftlichen Flugbahn (natürlich unter der Vorbedingung, das bestimmte Faktoren in Rechnung gestellt werden). Als Beispiel mag dienen, dass sich Akteure unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Flugbahn, wie etwa junge Führungskräfte und mittlere Angestellte fortgeschrittenen Alters, zu einem bestimmten Zeitpunkt in denselben Positionen und damit einhergehend – wenn auch nur „vorläufig“ – in benachbarten Wohngebie- ten wieder finden können. Der Erfolg hängt bei diesen Kämpfen vom verfügbaren Kapital (in seinen verschiedenen Formen) ab. Tatsächlich konkretisieren sich die mittleren Aneignungschancen 2

symbolische Beherrschung von Transport- und Kommunika-<br />

tionsmitteln, und wird darüber hinaus durch den Effekt des<br />

Delegierens – das Vermögen, auf Distanz zu existieren und<br />

qua vermittelnden Dritten zu agieren – verdoppelt.)<br />

Umgekehrt werden aber die Kapitallosen gegenüber den<br />

gesellschaftlich begehrtesten Gütern, sei es physisch, sei es<br />

symbolisch, auf Distanz gehalten. Sie sind dazu verdammt,<br />

mit den am wenigsten begehrten Menschen und Gütern Tür<br />

an Tür zu leben. Der Mangel an Kapital verstärkt die Erfah-<br />

rung der Begrenztheit: er kettet an einen Ort. 1<br />

Die Kämpfe um die Aneignung des Raums können eine indi-<br />

viduelle Form annehmen: die intra- oder intergenerationelle<br />

räumliche Mobilität – also z.B. die Ortswechsel zwischen<br />

Hauptstadt und Provinz in beiderlei Richtung oder die auf-<br />

einander folgenden Anschriften innerhalb des hierarchisier-<br />

ten Raumes der Kapitale – sind ein guter Indikator für die in<br />

diesen Kämpfen erreichten Erfolge bzw. erlittenen Niederla-<br />

gen. Aber auch noch in einem breiteren Sinne eignen sie sich<br />

als ein guter Anzeiger jedweder gesellschaftlichen Flugbahn<br />

(natürlich unter der Vorbedingung, das bestimmte Faktoren<br />

in Rechnung gestellt werden). Als Beispiel mag dienen, dass<br />

sich Akteure unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher<br />

Flugbahn, wie etwa junge Führungskräfte und mittlere<br />

Angestellte fortgeschrittenen Alters, zu einem bestimmten<br />

Zeitpunkt in denselben Positionen und damit einhergehend<br />

– wenn auch nur „vorläufig“ – in benachbarten Wohngebie-<br />

ten wieder finden können.<br />

Der Erfolg hängt bei diesen Kämpfen vom verfügbaren<br />

Kapital (in seinen verschiedenen Formen) ab. Tatsächlich<br />

konkretisieren sich die mittleren Aneignungschancen<br />

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