Rosa Luxemburg Die Akkumulation des Kapitals Ein ... - Attac Berlin

Rosa Luxemburg Die Akkumulation des Kapitals Ein ... - Attac Berlin Rosa Luxemburg Die Akkumulation des Kapitals Ein ... - Attac Berlin

30.12.2012 Aufrufe

Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 30. Kapitel Angora 48,7 Millionen Franc, für die Eski-Schehr-Konia-Strecke 1,8 Millionen türkische Pfund, zusammen also zirka 90,3 Millionen Franc.(12) Endlich durch die Konzession von 1907 sind der Gesellschaft die Arbeiten für die Trockenlegung des Sees von Karaviran und die Bewässerung der Koniaebene übertragen worden. Diese Arbeiten sind für die Rechnung der Regierung innerhalb sechs Jahren auszuführen. Diesmal streckt die Gesellschaft der Regierung die erforderlichen Kapitalien vor bis zur Höhe von 19,5 Millionen Franc, mit 5 Prozent Verzinsung und Rückzahlung binnen 36 Jahren. Dafür hat die türkische Regierung verpfändet: 1. 25.000 türkische Pfund pro Jahr aus den Überschüssen der für den Dienst der Kilometergarantien und verschiedener Anleihen verpfändeten Zehnten, die unter der Verwaltung der Administration de la Dette Publique Ottomane stehen: 2. die auf den bewässerten Ländereien erzielten Mehrerträgnisse an Zehnten im Vergleich zu dem in den letzten fünf Jahren vor der Konzession erbrachten Durchschnittserträge; 3. die aus dem Betriebe der Irrigationsanlagen sich ergebenden Nettoeinnahmen; 4. den Ertrag des Verkaufs der trockengelegten oder bewässerten Ländereien. Zur Ausführung der Anlagen hat die Gesellschaft in Frankfurt a.M. eine Baugesellschaft "für die Bewässerung der Koniaebene" mit einem Kapital von 135 Millionen Franc gegründet. 1908 erhielt die Gesellschaft eine Konzession für die Verlängerung der Koniabahn bis Bagdad und zum Persischen Golf, wieder mit Kilometergarantie. Die 4prozentige Bagdadbahnanleihe in drei Serien (54, 108 und 119 Millionen Franc), die als Zahlung für den Kilometerzuschuß aufgenommen wurde, ist sichergestellt durch die Verpfändung der Zehnten der Wilajets Aidin, Bagdad, Mossul, Diarbekr, Urfa und Aleppo, durch die Verpfändung der Hammelsteuer der Wilajets Konia, Adana und Aleppo u.a.(13) Hier tritt die Grundlage der Akkumulation ganz klar zutage. Das deutsche Kapital baut in der asiatischen Türkei Eisenbahnen. Häfen, Bewässerungsanlagen. Es preßt bei all diesen Unternehmungen aus den Asiaten, die es als Arbeitskraft verwendet, neuen Mehrwert aus. Dieser Mehrwert muß aber mitsamt den in der Produktion verwendeten Produktionsmitteln aus Deutschland (Eisenbahnmaterial, Maschinen usw.) realisiert werden. Wer hilft sie realisieren? Zum Teil der durch die Eisenbahnen, Hafenanlagen usw. hervorgerufene Warenverkehr, der inmitten der naturalwirtschaftlichen Verhältnisse Kleinasiens großgezogen wird. Zum Teil, sofern der Warenverkehr für die Realisierungsbedürfnisse des Kapitals nicht rasch genug wächst, werden Naturaleinkünfte der Bevölkerung vermittels der Staatsmaschinerie gewaltsam in Ware verwandelt, zu Geld gemacht und zur Realisierung des Kapitals samt Mehrwert verwendet. Das ist der Sinn der "Kilometergarantie" für Bruttoeinnahmen bei selbständigen Unternehmungen des fremden Kapitals sowie der Pfandbürgschaften bei Anleihen. Die in beiden Fällen in unendlichen Variationen verpfändeten sogenannten "Zehnten" (Üschür) sind Naturalabgaben der türkischen Bauern, die nach und nach ungefähr auf 12 bis 12 1/2 Prozent erhöht worden sind. Der Bauer in den asiatischen Wilajets muß "Zehnten" zahlen, weil sie ihm sonst mit Hilfe der Gendarmen und der Staats- und Ortsbeamten einfach abgepreßt werden. Die "Zehnten", die hier selbst eine uralte Äußerung der auf Naturalwirtschaft gegründeten asiatischen Despotie sind, werden von der türkischen Regierung nicht direkt, sondern durch Pächter in der Art der Steuereinnehmer des Ancien régime eingestrichen, denen der Staat den voraussichtlichen Ertrag der Abgabe im Wege der Auktion für jedes Wilajet (Provinz) einzeln verkauft. Ist der Zehnt einer Provinz von einem einzelnen file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR10.6343/lu/lu05/lu05_365.htm (15 of 21) [19.07.2004 21:14:11]

Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 30. Kapitel Spekulanten oder einem Konsortium erstanden, so verkaufen diese den Zehnten jedes einzelnen Sandschaks (Kreises) an andere Spekulanten, die ihren Anteil wiederum einer ganzen Reihe kleinerer Agenten abtreten. Da jeder seine Spesen decken und soviel Gewinn als möglich einstreichen will, so wächst der Zehnt in dem Maße, wie er sich den Bauern nähert, lawinenartig. Hat sich der Pächter in seinen Berechnungen geirrt, so sucht er sich auf Kosten des Bauern zu entschädigen. Dieser wartet, fast immer verschuldet, mit Ungeduld auf den Augenblick, seine Ernte verkaufen zu können; wenn er aber sein Getreide geschnitten hat, muß er mit dem Dreschen oft wochenlang Warten, bis es dem Zehntpächter beliebt, sich den ihm gebührenden Teil zu nehmen. Der Zehntpächter, der gewöhnlich Getreidehändler ist, benutzt diese Lage des Bauern, dem die ganze Ernte auf dem Felde zu verfaulen droht, um ihn zu zwingen, ihm die Ernte zu niedrigem Preise zu verkaufen, und weiß sich gegen Beschwerden Unzufriedener die Hilfe der Beamten und besonders der Muktars (Ortsvorsteher) zu sichern.(14) Dem internationalen Conseil d'Administration de la Dette Publique Ottomane, der u.a. die Steuern von Salz, Tabak, Spirituosen, den Seidenzehnt und die Fischereiabgaben direkt verwaltet, sind die Zehnten als Kilometergarantie oder als Anleihesicherheit mit der jedesmaligen Klausel verpfändet, daß der Conseil an der Stipulierung der Pachtkontrakte betreffs dieser Zehnten teilnimmt und daß die Erträgnisse der Zehnten von den Pächtern direkt in die Kassen und Kontore des Conseil in den Wilajets abgeführt werden. Falls es unmöglich ist, einen Pächter für die Zehnten zu finden, werden sie von der türkischen Regierung in natura in Magazinen aufgespeichert, deren Schlüssel dem Conseil eingehändigt wird, der den Verkauf der Zehnten für eigene Rechnung übernimmt. Der ökonomische Stoffwechsel zwischen der kleinasiatischen, syrischen und mesopotamischen Bauernschaft und dem deutschen Kapital vollzieht sich also auf folgenden Wegen. Das Korn kommt auf den Fluren der Wilajets Konia, Bagdad, Basra usw. als einfaches Gebrauchsprodukt der primitiven Bauernwirtschaft zur Welt und wandert sogleich als Staatstribut in die Hand des Steuerpächters. Erst in seiner Hand wird das Korn zur Ware und als Ware zu Geld, das in die Hand des Staates übergeht. Dieses Geld, das nur verwandelte Form des bäuerlichen Korns ist, welches nicht einmal als Ware produziert war, dient jetzt dazu, als Staatsgarantie den Eisenbahnbau und -betrieb zum Teil zu bezahlen, d.h. den Wert der darin verbrauchten Produktionsmittel sowie den beim Bau und Betrieb der Eisenbahn aus dem asiatischen Bauern und Proletarier ausgepreßten Mehrwert zu realisieren. Da ferner bei dem Eisenbahnbau in Deutschland hergestellte Produktionsmittel verwendet werden, dient das in Geld verwandelte asiatische Bauernkorn zugleich dazu, den bei der Herstellung jener Produktionsmittel aus deutschen Arbeitern ausgepreßten Mehrwert zu vergolden. Bei dieser Funktion wandert das Geld aus der Hand des türkischen Staates in die Kassen der Deutschen Bank, um hier als Gründergewinne, Tantiemen, Dividenden und Zinsen in den Taschen der Herren Gwinner, Siemens, ihrer Mitverwalter, der Aktionäre und Kunden der Deutschen Bank sowie des ganzen Schlingpflanzensystems ihrer Tochtergesellschaften als kapitalistischer Mehrwert akkumuliert zu werden. Fällt - wie es in den Konzessionen vorgesehen ist - der Steuerpächter weg, so reduziert sich die verwickelte Reihe der Metamorphosen auf ihre einfachste und klarste Form: Das bäuerliche Korn wandert direkt in die Hände der Administration de la Dette Publique Ottomane, d.h. der Vertretung des europäischen Kapitals, und wird hier schon in seiner Naturalgestalt Einnahme des deutschen und sonstigen auswärtigen Kapitals, es vollzieht die Akkumulation des europäischen Kapitals, selbst bevor es seine eigene bäuerlich-asiatische file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR10.6343/lu/lu05/lu05_365.htm (16 of 21) [19.07.2004 21:14:11]

<strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong> - <strong>Die</strong> <strong>Akkumulation</strong> <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong>, 30. Kapitel<br />

Angora 48,7 Millionen Franc, für die Eski-Schehr-Konia-Strecke 1,8 Millionen türkische Pfund,<br />

zusammen also zirka 90,3 Millionen Franc.(12) Endlich durch die Konzession von 1907 sind der<br />

Gesellschaft die Arbeiten für die Trockenlegung <strong>des</strong> Sees von Karaviran und die Bewässerung der<br />

Koniaebene übertragen worden. <strong>Die</strong>se Arbeiten sind für die Rechnung der Regierung innerhalb sechs<br />

Jahren auszuführen. <strong>Die</strong>smal streckt die Gesellschaft der Regierung die erforderlichen Kapitalien vor bis<br />

zur Höhe von 19,5 Millionen Franc, mit 5 Prozent Verzinsung und Rückzahlung binnen 36 Jahren. Dafür<br />

hat die türkische Regierung verpfändet: 1. 25.000 türkische Pfund pro Jahr aus den Überschüssen der für<br />

den <strong>Die</strong>nst der Kilometergarantien und verschiedener Anleihen verpfändeten Zehnten, die unter der<br />

Verwaltung der Administration de la Dette Publique Ottomane stehen: 2. die auf den bewässerten<br />

Ländereien erzielten Mehrerträgnisse an Zehnten im Vergleich zu dem in den letzten fünf Jahren vor der<br />

Konzession erbrachten Durchschnittserträge; 3. die aus dem Betriebe der Irrigationsanlagen sich<br />

ergebenden Nettoeinnahmen; 4. den Ertrag <strong>des</strong> Verkaufs der trockengelegten oder bewässerten<br />

Ländereien. Zur Ausführung der Anlagen hat die Gesellschaft in Frankfurt a.M. eine Baugesellschaft "für<br />

die Bewässerung der Koniaebene" mit einem Kapital von 135 Millionen Franc gegründet.<br />

1908 erhielt die Gesellschaft eine Konzession für die Verlängerung der Koniabahn bis Bagdad und zum<br />

Persischen Golf, wieder mit Kilometergarantie.<br />

<strong>Die</strong> 4prozentige Bagdadbahnanleihe in drei Serien (54, 108 und 119 Millionen Franc), die als Zahlung<br />

für den Kilometerzuschuß aufgenommen wurde, ist sichergestellt durch die Verpfändung der Zehnten der<br />

Wilajets Aidin, Bagdad, Mossul, Diarbekr, Urfa und Aleppo, durch die Verpfändung der Hammelsteuer<br />

der Wilajets Konia, Adana und Aleppo u.a.(13)<br />

Hier tritt die Grundlage der <strong>Akkumulation</strong> ganz klar zutage. Das deutsche Kapital baut in der<br />

asiatischen Türkei Eisenbahnen. Häfen, Bewässerungsanlagen. Es preßt bei all diesen Unternehmungen<br />

aus den Asiaten, die es als Arbeitskraft verwendet, neuen Mehrwert aus. <strong>Die</strong>ser Mehrwert muß aber<br />

mitsamt den in der Produktion verwendeten Produktionsmitteln aus Deutschland (Eisenbahnmaterial,<br />

Maschinen usw.) realisiert werden. Wer hilft sie realisieren? Zum Teil der durch die Eisenbahnen,<br />

Hafenanlagen usw. hervorgerufene Warenverkehr, der inmitten der naturalwirtschaftlichen Verhältnisse<br />

Kleinasiens großgezogen wird. Zum Teil, sofern der Warenverkehr für die Realisierungsbedürfnisse <strong>des</strong><br />

<strong>Kapitals</strong> nicht rasch genug wächst, werden Naturaleinkünfte der Bevölkerung vermittels der<br />

Staatsmaschinerie gewaltsam in Ware verwandelt, zu Geld gemacht und zur Realisierung <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong><br />

samt Mehrwert verwendet. Das ist der Sinn der "Kilometergarantie" für Bruttoeinnahmen bei<br />

selbständigen Unternehmungen <strong>des</strong> fremden <strong>Kapitals</strong> sowie der Pfandbürgschaften bei Anleihen. <strong>Die</strong> in<br />

beiden Fällen in unendlichen Variationen verpfändeten sogenannten "Zehnten" (Üschür) sind<br />

Naturalabgaben der türkischen Bauern, die nach und nach ungefähr auf 12 bis 12 1/2 Prozent erhöht<br />

worden sind. Der Bauer in den asiatischen Wilajets muß "Zehnten" zahlen, weil sie ihm sonst mit Hilfe<br />

der Gendarmen und der Staats- und Ortsbeamten einfach abgepreßt werden. <strong>Die</strong> "Zehnten", die hier<br />

selbst eine uralte Äußerung der auf Naturalwirtschaft gegründeten asiatischen Despotie sind, werden von<br />

der türkischen Regierung nicht direkt, sondern durch Pächter in der Art der Steuereinnehmer <strong>des</strong><br />

Ancien régime eingestrichen, denen der Staat den voraussichtlichen Ertrag der Abgabe im Wege der<br />

Auktion für je<strong>des</strong> Wilajet (Provinz) einzeln verkauft. Ist der Zehnt einer Provinz von einem einzelnen<br />

file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR10.6343/lu/lu05/lu05_365.htm (15 of 21) [19.07.2004 21:14:11]

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!