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Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 30. Kapitel 29. Kapitel | Inhalt | 31. Kapitel Rosa Luxemburg - Gesammelte Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Band 5. Berlin/DDR. 1975. "Die Akkumulation des Kapitals", S. 365-391. 1. Korrektur. Erstellt am 20.10.1998 Dreißigstes Kapitel Die internationale Anleihe Die imperialistische Phase der Kapitalakkumulation oder die Phase der Weltkonkurrenz des Kapitals umfaßt die Industrialisierung und kapitalistische Emanzipation der früheren Hinterländer des Kapitals, in denen es die Realisierung seines Mehrwerts vollzog. Die spezifischen Operationsmethoden dieser Phase sind: auswärtige Anleihen, Eisenbahnbauten, Revolutionen und Kriege. Das letzte Jahrzehnt, 1900-1910, ist besonders charakteristisch für die imperialistische Weltbewegung des Kapitals, namentlich in Asien und dem an Asien angrenzenden Teil Europas: Rußland, Türkei, Persien, Indien, Japan, China, sowie in Nordafrika. Wie die Ausbreitung der Warenwirtschaft an Stelle der Naturalwirtschaft und der Kapitalproduktion an Stelle der einfachen Warenproduktion sich durch Kriege, soziale Krisen und Vernichtung ganzer sozialer Formationen durchsetzte, so setzt sich gegenwärtig die kapitalistische Verselbständigung der ökonomischen Hinterländer und Kolonien inmitten von Revolutionen und Kriegen durch. Die Revolution ist in dem Prozeß der kapitalistischen Emanzipation der Hinterländer notwendig, um die aus den Zeiten der Naturalwirtschaft und der einfachen Warenwirtschaft übernommene, deshalb veraltete Staatsform zu sprengen und einen für die Zwecke der kapitalistischen Produktion zugeschnittenen modernen Staatsapparat zu schaffen. Dahin gehören die russische, die türkische und die chinesische Revolution. Daß diese Revolutionen, wie namentlich die russische und die chinesische, gleichzeitig mit den direkten politischen Anforderungen der Kapitalsherrschaft teils allerlei veraltete vorkapitalistische Rechnungen, teils ganz neue, sich bereits gegen die Kapitalsherrschaft richtende Gegensätze aufnehmen und an die Oberfläche zerren, bedingt ihre Tiefe und ihre gewaltige Tragkraft, erschwert aber und verzögert zugleich ihren siegreichen Verlauf. Der Krieg ist gewöhnlich die Methode eines jungen kapitalistischen Staates, um die Vormundschaft der alten abzustreifen, die Feuertaufe und Probe der kapitalistischen Selbständigkeit eines modernen Staates, weshalb die Militärreform und mit ihr die Finanzreform überall die Einleitung zur wirtschaftlichen Verselbständigung bilden. Die Entwicklung des Eisenbahnnetzes widerspiegelt ungefähr das Vordringen des Kapitals. Das Eisenbahnnetz wuchs am raschesten in den 40er Jahren in Europa, in den 50er Jahren in Amerika, in den 60er Jahren in Asien, in den 70er und 80er Jahren in Australien, in den 90er Jahren in Afrika.(1) file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR10.6343/lu/lu05/lu05_365.htm (1 of 21) [19.07.2004 21:14:10]
Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 30. Kapitel Die mit dem Eisenbahnbau wie mit den Militärrüstungen verknüpfte öffentliche Anleihe begleitet alle Stadien der Kapitalakkumulation: die Einführung der Warenwirtschaft, die Industrialisierung der Länder und kapitalistische Revolutionierung der Landwirtschaft wie auch die Emanzipation der jungen kapitalistischen Staaten. Die Funktionen der Anleihe in der Kapitalakkumulation sind mannigfache: Verwandlung von Geld nichtkapitalistischer Schichten, Geld als Warenäquivalent (Ersparnisse des kleinen Mittelstandes) oder Geld als Konsumtionsfonds des Anhanges der Kapitalistenklasse in Kapital, Verwandlung von Geldkapital in produktives Kapital vermittelst staatlicher Eisenbahnbauten und Militärlieferungen, Übertragung akkumulierten Kapitals aus alten kapitalistischen Ländern in junge. Die Anleihe übertrug im 16. und 17. Jahrhundert das Kapital aus den italienischen Städten nach England, im 18. Jahrhundert aus Holland nach England, im 19. Jahrhundert aus England nach den amerikanischen Republiken und nach Australien, aus Frankreich, Deutschland und Belgien nach Rußland, gegenwärtig aus Deutschland nach der Türkei, aus England, Deutschland, Frankreich nach China und unter Vermittlung Rußlands nach Persien. In der imperialistischen Periode spielt die äußere Anleihe die hervorragendste Rolle als Mittel der Verselbständigung junger kapitalistischer Staaten. Das Widerspruchsvolle der imperialistischen Phase äußert sich handgreiflich in den Widersprüchen des modernen Systems der äußeren Anleihen. Diese sind unentbehrlich zur Emanzipation der aufstrebenden kapitalistischen Staaten und zugleich das sicherste Mittel für alte kapitalistische Staaten, die jungen zu bevormunden, die Kontrolle ihrer Finanzen und den Druck auf ihre auswärtige Politik, Zoll- und Handelspolitik auszuüben. Sie sind das hervorragendste Mittel, dem akkumulierten Kapital alter Länder neue Anlagesphären zu eröffnen und zugleich jenen Ländern neue Konkurrenten zu schaffen, den Spielraum der Kapitalakkumulation im ganzen zu erweitern und ihn gleichzeitig einzuengen. Diese Widersprüche des internationalen Anleihesystems sind ein klassischer Beleg dafür, wie sehr die Bedingungen der Realisierung und die der Kapitalisierung des Mehrwerts zeitlich und örtlich auseinanderfallen. Die Realisierung des Mehrwerts erfordert nur die allgemeine Verbreitung der Warenproduktion, seine Kapitalisierung hingegen erfordert die fortschreitende Verdrängung der einfachen Warenproduktion durch die Kapitalproduktion, wodurch sowohl die Realisierung wie die Kapitalisierung des Mehrwerts in immer engere Schranken eingezwängt werden. Die Verwendung des internationalen Kapitals zum Ausbau des Welteisenbahnnetzes widerspiegelt diese Verschiebung. In den 30er bis 60er Jahren des 19. Jahrhunderts dienten die Eisenbahnbauten und die hierfür aufgenommenen Anleihen hauptsächlich der Verdrängung der Naturalwirtschaft und der Ausbreitung der Warenwirtschaft. So die mit europäischem Kapital errichteten nordamerikanischen Eisenbahnen, so die russischen Eisenbahnanleihen der 60er Jahre. Hingegen dient der Eisenbahnbau in Asien seit zirka 20 Jahren sowie in Afrika fast ausschließlich den Zwecken der imperialistischen Politik, der wirtschaftlichen Monopolisierung und der politischen Unterwerfung der Hinterländer. So die ostasiatischen und zentralasiatischen Eisenbahnbauten Rußlands. Die militärische Besetzung der Mandschurei durch Rußland war bekanntlich durch die Truppensendungen zur Sicherung der russischen Ingenieure bei ihren Arbeiten an der Mandschurischen Bahn vorbereitet worden. Denselben Charakter tragen die Rußland gesicherten Eisenbahnkonzessionen in Persien, die deutschen Eisenbahnunternehmungen in Kleinasien und Mesopotamien, die englischen und deutschen in Afrika. file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR10.6343/lu/lu05/lu05_365.htm (2 of 21) [19.07.2004 21:14:11]
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29. Kapitel | Inhalt | 31. Kapitel<br />
<strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong> - Gesammelte Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Band<br />
5. <strong>Berlin</strong>/DDR. 1975. "<strong>Die</strong> <strong>Akkumulation</strong> <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong>", S. 365-391.<br />
1. Korrektur.<br />
Erstellt am 20.10.1998<br />
Dreißigstes Kapitel<br />
<strong>Die</strong> internationale Anleihe<br />
<strong>Die</strong> imperialistische Phase der Kapitalakkumulation oder die Phase der Weltkonkurrenz <strong>des</strong><br />
<strong>Kapitals</strong> umfaßt die Industrialisierung und kapitalistische Emanzipation der früheren Hinterländer <strong>des</strong><br />
<strong>Kapitals</strong>, in denen es die Realisierung seines Mehrwerts vollzog. <strong>Die</strong> spezifischen Operationsmethoden<br />
dieser Phase sind: auswärtige Anleihen, Eisenbahnbauten, Revolutionen und Kriege. Das letzte<br />
Jahrzehnt, 1900-1910, ist besonders charakteristisch für die imperialistische Weltbewegung <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong>,<br />
namentlich in Asien und dem an Asien angrenzenden Teil Europas: Rußland, Türkei, Persien, Indien,<br />
Japan, China, sowie in Nordafrika. Wie die Ausbreitung der Warenwirtschaft an Stelle der<br />
Naturalwirtschaft und der Kapitalproduktion an Stelle der einfachen Warenproduktion sich durch Kriege,<br />
soziale Krisen und Vernichtung ganzer sozialer Formationen durchsetzte, so setzt sich gegenwärtig die<br />
kapitalistische Verselbständigung der ökonomischen Hinterländer und Kolonien inmitten von<br />
Revolutionen und Kriegen durch. <strong>Die</strong> Revolution ist in dem Prozeß der kapitalistischen Emanzipation<br />
der Hinterländer notwendig, um die aus den Zeiten der Naturalwirtschaft und der einfachen<br />
Warenwirtschaft übernommene, <strong>des</strong>halb veraltete Staatsform zu sprengen und einen für die Zwecke der<br />
kapitalistischen Produktion zugeschnittenen modernen Staatsapparat zu schaffen. Dahin gehören die<br />
russische, die türkische und die chinesische Revolution. Daß diese Revolutionen, wie namentlich<br />
die russische und die chinesische, gleichzeitig mit den direkten politischen Anforderungen der<br />
<strong>Kapitals</strong>herrschaft teils allerlei veraltete vorkapitalistische Rechnungen, teils ganz neue, sich bereits<br />
gegen die <strong>Kapitals</strong>herrschaft richtende Gegensätze aufnehmen und an die Oberfläche zerren, bedingt ihre<br />
Tiefe und ihre gewaltige Tragkraft, erschwert aber und verzögert zugleich ihren siegreichen Verlauf. Der<br />
Krieg ist gewöhnlich die Methode eines jungen kapitalistischen Staates, um die Vormundschaft der alten<br />
abzustreifen, die Feuertaufe und Probe der kapitalistischen Selbständigkeit eines modernen Staates,<br />
weshalb die Militärreform und mit ihr die Finanzreform überall die <strong>Ein</strong>leitung zur wirtschaftlichen<br />
Verselbständigung bilden.<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung <strong>des</strong> Eisenbahnnetzes widerspiegelt ungefähr das Vordringen <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong>. Das<br />
Eisenbahnnetz wuchs am raschesten in den 40er Jahren in Europa, in den 50er Jahren in Amerika, in den<br />
60er Jahren in Asien, in den 70er und 80er Jahren in Australien, in den 90er Jahren in Afrika.(1)<br />
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