Rosa Luxemburg Die Akkumulation des Kapitals Ein ... - Attac Berlin

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Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 29. Kapitel bis dahin in der Alten und Neuen Welt unbekannt war. Hier wurde die Mehrwertproduktion mit allen Hilfsmitteln der modernen Wissenschaft und Technik betrieben. "Olivier Dairymple, dessen Name heute auf beiden Seiten des Atlantischen Ozeans bekannt ist", schrieb Lafargue 1885, "kann als der beste Repräsentant der Finanzlandwirtschaft betrachtet werden. Seit 1874 leitet er gleichzeitig eine Dampferlinie auf dem Roten Flusse und sechs Farmen, die einer Gesellschaft von Finanzleuten gehören, mit einem Gesamtumfang von 30.000 Hektar. Er teilte dieselben in Abteilungen von je 800 Hektar, deren jede wieder in drei Unterabteilungen von je 267 Hektar zerfiel. Diese stehen unter Werkführern und Unterwerkführern. Auf jeder Sektion sind Baracken errichtet, in denen sich Unterkunft für fünfzig Menschen und Ställe für ebensoviel Pferde und Maultiere befinden, sowie Küchen, Magazine für Lebensmittel für Menschen und Vieh, Schuppen zum Unterbringen der Maschinen, endlich Schmiede- und Schlosserwerkstätten. Jede Sektion hat ihr vollständiges Inventar: 20 Paar Pferde, 8 Doppelpflüge, 12 Sämaschinen, die vom Pferde aus dirigiert werden, 12 Eggen mit Stahlzähnen, 12 Schneide- und Garbenbindemaschinen, 2 Dreschmaschinen und 16 Wagen; alle Maßregeln sind getroffen, daß Maschinen und Arbeitstiere (Menschen, Pferde, Maultiere) in gutem Zustand und fähig sind, die größtmögliche Summe von Arbeit zu leisten. Alle Sektionen stehen untereinander und mit der Zentralleitung in telephonischer Verbindung. Die sechs Farmen von 30.000 Hektar werden von einer Armee von 600 Arbeitern bestellt, welche militärisch organisiert sind; zur Zeit der Ernte wirbt die Zentralleitung noch 500 bis 600 Hilfsarbeiter an, welche sie unter die Sektionen verteilt. Sind die Arbeiten im Herbst beendigt, dann werden die Arbeiter entlassen, mit Ausnahme der Werkführer und von zehn Mann per Sektion. Auf manchen Farmen Dakotas und Minnesotas überwintern die Pferde und Maultiere nicht am Arbeitsorte. Sobald die Stoppeln umgepflügt sind, treibt man sie in Herden von 100 bis 200 Paaren 1.000 bis 1.500 Kilometer weit nach dem Süden, von wo sie erst im Frühjahr wieder zurückkehren. Mechaniker zu Pferde folgen den Pflüge-, Sä- und Erntemaschinen bei der Arbeit; sobald etwas in Unordnung gerät, galoppieren sie zur betreffenden Maschine, um sie unverzüglich zu reparieren und wieder in Gang zu bringen. Das geerntete Getreide wird zu den Dreschmaschinen geschafft, die Tag und Nacht ununterbrochen arbeiten; diese werden mit Strohbündeln geheizt, welche durch Röhren von Eisenblech in den Feuerherd geschoben werden. Das Korn wird durch Maschinen gedroschen, geworfelt, gewogen und in Säcke gefüllt, worauf man es zur Bahn bringt, die an der Farm entlang führt; von da geht es nach Duluth oder Buffalo. Jedes Jahr vermehrt Dalrymple sein Saatland um 2.000 Hektar. 1880 betrug es 10.000 Hektar."(9) Es gab schon Ende der 70er Jahre einzelne Kapitalisten und Gesellschaften, die Gebiete von 14.000 bis 18.000 Hektar unter Weizen ihr eigen nannten. Seit Lafargue dies geschrieben, haben die technischen Fortschritte in der amerikanischen großkapitalistischen Landwirtschaft und die Maschinenanwendung noch ganz gewaltig zugenommen.(1) Mit solchen kapitalistischen Unternehmungen konnte der amerikanische Farmer die Konkurrenz nicht bestehen. In derselben Zeit. wo ihn die allgemeine Umwälzung in den Verhältnissen: den Finanzen, der Produktion und dem Transportwesen der Union, zwang, jede Produktion für den Selbstbedarf aufzugeben und alles für den Markt zu produzieren, wurden die Preise der landwirtschaftlichen Produkte durch die kolossale Ausbreitung der Ackerkultur außerordentlich herabgedrückt. Und in derselben Zeit, file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR99.140/lu/lu05/lu05_342.htm (6 of 19) [19.07.2004 21:14:03]

Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 29. Kapitel wo die Masse der Farmer in ihren Schicksalen an den Markt gekettet wurde, verwandelte sich der landwirtschaftliche Markt der Union plötzlich aus dem lokalen Absatzgebiet in den Weltmarkt, auf dem wenige Riesenkapitale und deren Spekulation ihr wildes Spiel begannen. Mit dem in der Geschichte der europäischen wie der amerikanischen Agrarverhältnisse denkwürdigen Jahre 1879 beginnt der Massenexport des Weizens der Union nach Europa.(11) Die Vorteile dieser Erweiterung des Absatzgebietes wurden selbstverständlich von dem Großkapital monopolisiert: Einerseits wuchsen die Riesenfarmen, die den kleinen Farmer mit ihrer Konkurrenz erdrückten, andererseits wurde er zum Opfer der Spekulanten, die ihm sein Getreide aufkauften, um damit auf den Weltmarkt einen Druck auszuüben. Hilflos den gewaltigen Mächten des Kapitals preisgegeben, verfiel der Farmer in Schulden - die typische Form des Unterganges der Bauernwirtschaft. Die Verschuldung der Farmen wurde bald zur öffentlichen Kalamität. Im Jahre 1890 schrieb der Landwirtschaftsminister der Union, Rusk in einem speziellen Rundschreiben aus Anlaß der verzweifelten Lage der Farmer: "Die Last der Hypotheken auf den Farmen, den Häusern und dem Boden nimmt zweifellos höchst beunruhigende Dimensionen an; wiewohl in einzelnen Fällen die Anleihen zweifellos übereilig aufgenommen wurden, so führte dazu nichtsdestoweniger in der beträchtlichen Mehrzahl der Fälle die Notwendigkeit ... Diese Anleihen, die auf hohe Prozente aufgenommen wurden, sind infolge des Preisfalls der landwirtschaftlichen Produkte höchst drückend geworden und bedrohen den Farmer in vielen Fällen mit dem Verlust des Hauses und des Bodens. Das ist eine äußerst schwierige Frage für alle diejenigen, die die Übel zu kurieren bestrebt sind, an denen die Farmer leiden. Es stellt sich heraus, daß bei den gegenwärtigen Preisen der Farmer, um einen Dollar zu bekommen, mit dem er seine Schuld bezahlt, viel mehr Produkte verkaufen muß als damals, wo er diesen Dollar lieh. Die Prozente wachsen, während die Tilgung der Schuld offenbar eine ganz hoffnungslose Sache geworden, angesichts dieser gedrückten Lage aber, von der wir reden, ist die Erneuerung der Hypothekenaufnahme äußerst schwierig."(12) Die allgemeine Verschuldung des Bodens erstreckte sich nach dem Zensus vom 29. Mai 1891 auf 2,5 Millionen Wirtschaften, davon zwei Drittel Betriebe der Farmereigentümer, die Höhe der Schuld dieser letzteren auf nahezu 2,2 Milliarden Dollar. "Auf diese Weise", schließt Peffer, "ist die Lage der Farmer höchst kritisch (farmers are passing through the "valley and shadow of death"); die Farm ist eine gewinnlose Sache geworden; der Preis der landwirtschaftlichen Produkte ist seit dem großen Kriege um 50 Prozent gefallen, der Wert der Farmen ist im letzten Jahrzehnt um 25 bis 50 Prozent gesunken; die Farmer stecken bis über die Ohren in Schulden, die durch Hypotheken auf ihren Betrieben gesichert sind, ohne in vielen Fällen imstande zu sein, die Anleihe zu erneuern, da die Hypothek selbst immer mehr entwertet wird; viele Farmer gehen ihrer Betriebe verlustig, und die Mühlsteine der Verschuldung fahren fort, sie zu zermalmen. Wir befinden uns in den Händen einer erbarmungslosen Macht; die Farm geht zugrunde."(13) Dem verschuldeten und ruinierten Farmer blieb nichts anderes übrig, als entweder in Nebenverdiensten als Lohnarbeiter sein Heil zu suchen oder seine Wirtschaft ganz zu verlassen und den Staub des "gelobten Landes" des "Weizenparadieses", das für ihn zur Hölle geworden, von seinen Pantoffeln zu schütteln, vorausgesetzt, daß seine Farm nicht schon wegen Zahlungsunfähigkeit in die Krallen des Gläubigers geriet, was mit Tausenden der Farmen der Fall war. Verlassene und verfallende Farmen file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR99.140/lu/lu05/lu05_342.htm (7 of 19) [19.07.2004 21:14:03]

<strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong> - <strong>Die</strong> <strong>Akkumulation</strong> <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong>, 29. Kapitel<br />

bis dahin in der Alten und Neuen Welt unbekannt war. Hier wurde die Mehrwertproduktion mit allen<br />

Hilfsmitteln der modernen Wissenschaft und Technik betrieben. "Olivier Dairymple, <strong>des</strong>sen Name heute<br />

auf beiden Seiten <strong>des</strong> Atlantischen Ozeans bekannt ist", schrieb Lafargue 1885, "kann als der beste<br />

Repräsentant der Finanzlandwirtschaft betrachtet werden. Seit 1874 leitet er gleichzeitig eine<br />

Dampferlinie auf dem Roten Flusse und sechs Farmen, die einer Gesellschaft von Finanzleuten gehören,<br />

mit einem Gesamtumfang von 30.000 Hektar. Er teilte dieselben in Abteilungen von je 800 Hektar, deren<br />

jede wieder in drei Unterabteilungen von je 267 Hektar zerfiel. <strong>Die</strong>se stehen unter Werkführern und<br />

Unterwerkführern. Auf jeder Sektion sind Baracken errichtet, in denen sich Unterkunft für fünfzig<br />

Menschen und Ställe für ebensoviel Pferde und Maultiere befinden, sowie Küchen, Magazine für<br />

Lebensmittel für Menschen und Vieh, Schuppen zum Unterbringen der Maschinen, endlich Schmiede-<br />

und Schlosserwerkstätten. Jede Sektion hat ihr vollständiges Inventar: 20 Paar Pferde, 8 Doppelpflüge,<br />

12 Sämaschinen, die vom Pferde aus dirigiert werden, 12 Eggen mit Stahlzähnen, 12 Schneide- und<br />

Garbenbindemaschinen, 2 Dreschmaschinen und 16 Wagen; alle Maßregeln sind getroffen, daß<br />

Maschinen und Arbeitstiere (Menschen, Pferde, Maultiere) in gutem Zustand und fähig sind, die<br />

größtmögliche Summe von Arbeit zu leisten. Alle Sektionen stehen untereinander und mit der<br />

Zentralleitung in telephonischer Verbindung.<br />

<strong>Die</strong> sechs Farmen von 30.000 Hektar werden von einer Armee von 600 Arbeitern bestellt, welche<br />

militärisch organisiert sind; zur Zeit der Ernte wirbt die Zentralleitung noch 500 bis 600 Hilfsarbeiter an,<br />

welche sie unter die Sektionen verteilt. Sind die Arbeiten im Herbst beendigt, dann werden die Arbeiter<br />

entlassen, mit Ausnahme der Werkführer und von zehn Mann per Sektion. Auf manchen Farmen Dakotas<br />

und Minnesotas überwintern die Pferde und Maultiere nicht am Arbeitsorte. Sobald die Stoppeln<br />

umgepflügt sind, treibt man sie in Herden von 100 bis 200 Paaren 1.000 bis 1.500 Kilometer weit nach<br />

dem Süden, von wo sie erst im Frühjahr wieder zurückkehren.<br />

Mechaniker zu Pferde folgen den Pflüge-, Sä- und Erntemaschinen bei der Arbeit; sobald etwas in<br />

Unordnung gerät, galoppieren sie zur betreffenden Maschine, um sie unverzüglich zu reparieren und<br />

wieder in Gang zu bringen. Das geerntete Getreide wird zu den Dreschmaschinen geschafft, die Tag und<br />

Nacht ununterbrochen arbeiten; diese werden mit Strohbündeln geheizt, welche durch Röhren von<br />

Eisenblech in den Feuerherd geschoben werden. Das Korn wird durch Maschinen gedroschen, geworfelt,<br />

gewogen und in Säcke gefüllt, worauf man es zur Bahn bringt, die an der Farm entlang führt; von da geht<br />

es nach Duluth oder Buffalo. Je<strong>des</strong> Jahr vermehrt Dalrymple sein Saatland um 2.000 Hektar. 1880 betrug<br />

es 10.000 Hektar."(9) Es gab schon Ende der 70er Jahre einzelne Kapitalisten und Gesellschaften, die<br />

Gebiete von 14.000 bis 18.000 Hektar unter Weizen ihr eigen nannten. Seit Lafargue dies geschrieben,<br />

haben die technischen Fortschritte in der amerikanischen großkapitalistischen Landwirtschaft und die<br />

Maschinenanwendung noch ganz gewaltig zugenommen.(1)<br />

Mit solchen kapitalistischen Unternehmungen konnte der amerikanische Farmer die Konkurrenz<br />

nicht bestehen. In derselben Zeit. wo ihn die allgemeine Umwälzung in den Verhältnissen: den Finanzen,<br />

der Produktion und dem Transportwesen der Union, zwang, jede Produktion für den Selbstbedarf<br />

aufzugeben und alles für den Markt zu produzieren, wurden die Preise der landwirtschaftlichen Produkte<br />

durch die kolossale Ausbreitung der Ackerkultur außerordentlich herabgedrückt. Und in derselben Zeit,<br />

file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR99.140/lu/lu05/lu05_342.htm (6 of 19) [19.07.2004 21:14:03]

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