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Rosa Luxemburg Die Akkumulation des Kapitals Ein ... - Attac Berlin

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<strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong> - <strong>Die</strong> <strong>Akkumulation</strong> <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong>, 27. Kapitel<br />

der herrschenden fieberhaften Bodenspekulation und in der Hoffnung auf baldige Zurückgewinnung <strong>des</strong><br />

Bodens veräußerten viele <strong>Ein</strong>geborene ihre Grundstücke an Franzosen, wobei sie häufig an zwei und drei<br />

Käufer zugleich dasselbe Grundstück verkauften, das sich obendrein gar nicht als ihr Eigentum, sondern<br />

als unveräußerliches Geschlechtereigentum herausstellte. So glaubte eine Spekulantengesellschaft aus<br />

Rouen 20.000 Hektar gekauft zu haben, während sie im Resultat nur 1.370 Hektar strittigen Gebietes ihr<br />

eigen nennen durfte. In einem anderen Falle stellte sich ein verkauftes Gebiet von 1.230 Hektar nach der<br />

Aufteilung als 2 Hektar aus. Es folgte eine unendliche Reihe von Prozessen, wobei die französischen<br />

Gerichte prinzipiell alle Aufteilungen und Ansprüche der Käufer unterstützten. Unsicherheit der<br />

Verhältnisse, Spekulation, Wucher und Anarchie wurden allgemein. Aber der Plan der französischen<br />

Regierung, sich mitten in der arabischen Bevölkerung eine starke Stütze in einer französischen<br />

Kolonistenmasse zu schaffen, hat elend Schiffbruch gelitten. Deshalb nimmt die französische Politik<br />

unter dem Zweiten Kaiserreich eine andere Wendung: <strong>Die</strong> Regierung, die sich nach 30 Jahren<br />

hartnäckigen Leugnens <strong>des</strong> Gemeineigentums in ihrer europäischen Borniertheit eines Besseren hat<br />

belehren lassen müssen, erkannte endlich offiziell die Existenz <strong>des</strong> ungeteilten Geschlechtereigentums<br />

an, doch nur, um im gleichen Atem die Notwendigkeit seiner gewaltsamen Aufteilung zu proklamieren.<br />

<strong>Die</strong>sen Doppelsinn hat der Senatuskonsult vom 22. April 1863. "<strong>Die</strong> Regierung", erklärte General Allard<br />

im Staatsrat, "verliert nicht aus dem Auge, daß das allgemeine Ziel ihrer Politik dies ist, den <strong>Ein</strong>fluß der<br />

Geschlechtervorsteher zu schwächen und die Geschlechter aufzulösen. Auf diese Weise wird es die<br />

letzten Reste <strong>des</strong> Feudalismus (!) beseitigen, als <strong>des</strong>sen Verteidiger die Gegner der Regierungs- <br />

vorlage auftreten. <strong>Die</strong> Herstellung <strong>des</strong> Privateigentums, die Ansiedelung europäischer Kolonisten<br />

inmitten der arabischen Geschlechter ..., das werden die sichersten Mittel zur Beschleunigung <strong>des</strong><br />

Auflösungsprozesses der Geschlechtsverbände sein."(10) Das Gesetz vom Jahre 1863 schuf zum Zwecke<br />

der Aufteilung der Ländereien besondere Kommissionen, die folgendermaßen zusammengesetzt waren:<br />

ein Brigadegeneral oder Hauptmann als Vorsitzender, ferner ein Unterpräfekt, ein Beamter der<br />

arabischen Militärbehörden und ein Beamter der Domänenverwaltung. <strong>Die</strong>sen geborenen Kennern<br />

wirtschaftlicher und sozialer Verhältnisse Afrikas wurde die dreifache Aufgabe gestellt: erst die Grenzen<br />

der Geschlechtergebiete genau abzustecken, dann das Gebiet je<strong>des</strong> einzelnen Geschlechts unter seine<br />

einzelnen Zweige oder Großfamilien aufzuteilen und endlich auch diese Großfamilienländereien in<br />

einzelne Privatparzellen zu zerschlagen. Der Feldzug der Brigadegeneräle ins Innere Algeriens wurde<br />

pünktlich ausgeführt, die Kommissionen begaben sich an Ort und Stelle, wobei sie Feldmesser,<br />

Landaufteiler und obendrein Richter in allen Landstreitigkeiten in einer Person waren. Der<br />

Generalgouverneur von Algerien sollte die Aufteilungspläne in letzter Instanz bestätigen. Nachdem die<br />

Kommissionen 10 Jahre lang im Schweiße ihres Angesichts gearbeitet hatten, war das Resultat<br />

folgen<strong>des</strong>: Von 1863 bis 1873 wurden von den 700 arabischen Geschlechtergebieten zirka 400 unter die<br />

Großfamilien aufgeteilt. Schon hier wurde zur künftigen Ungleichheit, zum Großgrundbesitz und zur<br />

kleinen Parzelle der Grund gelegt. Denn je nach der Größe <strong>des</strong> Gebietes und der Zahl der Mitglieder<br />

eines Geschlechts entfiel pro Mitglied bald 1 bis 4 Hektar, bald 100 und selbst 180 Hektar Land. <strong>Die</strong><br />

Aufteilung blieb jedoch bei den Großfamilien stehen. <strong>Die</strong> Aufteilung <strong>des</strong> Familiengebietes begegnete<br />

trotz aller Brigadegeneräle unüberwindlichen Schwierigkeiten in den Sitten der Araber. Der Zweck der<br />

französischen Politik: die Schaffung <strong>des</strong> individuellen Eigentums und <strong>des</strong>sen Überführung in den Besitz<br />

der Franzosen, war also wieder einmal im großen und ganzen gescheitert.<br />

Erst die Dritte Republik, das unumwundene Regiment der Bourgeoisie, hat den Mut und den Zynismus<br />

file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR97.843/lu/lu05/lu05_316.htm (9 of 14) [19.07.2004 21:13:36]

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