Rosa Luxemburg Die Akkumulation des Kapitals Ein ... - Attac Berlin

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Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 23. Kapitel stellen, ob denn das "Schema" stimmt, daß er, statt das Schema zu beweisen, umgekehrt das Schema selbst, die arithmetische Übung auf dem Papier, für einen Beweis betrachtet, daß auch in Wirklichkeit die Dinge sich so verhalten. Bulgakow suchte das Marxsche Schema mit ehrlicher Mühe auf die wirklichen konkreten Verhältnisse der kapitalistischen Wirtschaft und des kapitalistischen Austausches zu projizieren, suchte sich durch die Schwierigkeiten, die sich daraus ergaben, durchzuringen, was er freilich nicht fertiggebracht hat und wobei er schließlich in der Analyse von Marx steckenblieb, die er selbst mit voller Klarheit als unfertig, abgebrochen ansah. Tugan-Baranowski braucht gar keine Beweise, er zerbricht sich nicht viel den Kopf: Da sich die arithmetischen Proportionen zur Zufriedenheit lösen und nach Belieben fortsetzen lassen, so ist ihm das just ein Beweis, daß sich die kapitalistische Akkumulation - vorbehaltlich der bewußten "Proportionalität", die aber, wie auch Tugan nicht bestreiten wird, vorn oder hinten doch hineinkommt - ebenso restlos und unendlich fortwinden könne. Tugan-Baranowski hat freilich einen indirekten Beweis, daß das Schema mit seinen seltsamen Ergebnissen der Wirklichkeit entspricht, ihr treues Spiegelbild darstellt. Das ist die Tatsache, daß in der kapitalistischen Gesellschaft, ganz im Einklang mit dem Schema, die menschliche Konsumtion hinter die Produktion gesetzt, jene zum Mittel, diese zum Selbstzweck wie auch menschliche Arbeit der "Arbeit" der Maschine gleichgesetzt werde: "Der technische Fortschritt gelangt darin zum Ausdruck, daß die Bedeutung der Arbeitsmittel, der Maschine immer mehr, im Vergleich mit der lebendigen Arbeit, dem Arbeiter selbst, zunimmt. Die Produktions- mittel spielen eine immer größere Rolle im Produktionsprozeß und auf dem Warenmarkt. Der Arbeiter tritt gegenüber der Maschine in den Hintergrund, und zugleich tritt in den Hintergrund die aus der Konsumtion des Arbeiters entstehende Nachfrage im Vergleich mit der Nachfrage, welche aus der produktiven Konsumtion der Produktionsmittel entsteht. Das ganze Getriebe der kapitalistischen Wirtschaft nimmt den Charakter eines gleichsam für sich selbst existierenden Mechanismus an, in welchem die Konsumtion der Menschen als ein einfaches Moment des Prozesses der Reproduktion und der Zirkulation des Kapitals erscheint."(8) Diese Entdeckung betrachtet Tugan als das Grundgesetz der kapitalistischen Wirtschaftsweise, und ihre Bestätigung kommt in einem ganz handgreiflichen Phänomen zum Ausdruck: Mit dem Fortgang der kapitalistischen Entwicklung wächst die Abteilung der Produktionsmittel im Verhältnis zur Abteilung der Konsumtionsmittel und auf ihre Kosten immer mehr. Gerade Marx hat bekanntlich dieses Gesetz selbst aufgestellt, und seine schematische Darstellung der Reproduktion beruht auf diesem Gesetz, obschon Marx die dadurch herbeigeführten Verschiebungen der Einfachheit halber nicht in der weiteren Entwicklung seines Schemas zahlenmäßig berücksichtigt hat. Hier also, in dem automatischen Wachstum der Abteilung der Produktionsmittel im Vergleich zu der Abteilung der Konsumtionsmittel hat Tugan den einzigen objektiven exakten Beweis für seine Theorie gefunden, daß in der kapitalistischen Gesellschaft die menschliche Konsumtion immer unwichtiger, die Produktion immer mehr Selbstzweck wird. Diesen Gedanken macht er zum Eckstein seines ganzen theoretischen Gebäudes. "In allen industriellen Staaten", verkündet er, "tritt uns dieselbe Erscheinung entgegen - überall folgt die Entwicklung der Volkswirtschaft demselben fundamentalen Gesetz. Die Montanindustrie, welche die Produktionsmittel für die moderne Industrie schafft, wird immer mehr in den Vordergrund gerückt. Somit kommt in der relativen Abnahme des Exports derjenigen britischen Fabrikate, die in den unmittelbaren Verbrauch eingehen, auch das Grundgesetz der kapitalistischen Entwicklung zum Ausdruck: Je mehr die Technik fortschreitet, desto mehr treten die Konsumtionsmittel zurück gegenüber den Produktionsmitteln. Die Menschenkonsumtion spielt eine immer geringere Rolle file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR94.922/lu/lu05/lu05_263.htm (4 of 11) [19.07.2004 21:13:05]

Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 23. Kapitel gegenüber der produktiven Konsumtion der Produktionsmittel ..."(9) Wiewohl Tugan auch dieses "fundamentale Gesetz" leibhaftig und fertig direkt von Marx bezogen hat, wie seine sämtlichen " fundamentalen" Gedanken sonst, sofern sie etwas Greifbares und Exaktes darstellen, so ist er wieder damit nicht zufrieden und beeilt sich, Marx sofort mit der von Marx bezogenen Weisheit zu belehren. Marx habe da wieder wie ein blindes Huhn eine Perle gefunden, wisse aber nicht, was er damit anfangen soll. Erst Tugan-Baranowski hat die "fundamentale" Entdeckung für die Wissenschaft zu fruktifizieren verstanden, in seiner Hand beleuchtet plötzlich das gefundene Gesetz das gesamte Getriebe der kapitalistischen Wirtschaft: Hier in diesem Gesetz des Wachstums der Abteilung der Produktionsmittel auf Kosten der Abteilung der Konsumtionsmittel kommt klar, deutlich, exakt, meßbar zum Ausdruck, daß für die kapitalistische Gesellschaft die menschliche Konsumtion immer unwichtiger, daß der Mensch von ihr dem Produktionsmittel gleichgesetzt wird, daß also Marx gründlich irrte, einmal als er annahm, daß nur der Mensch den Mehrwert schaffe und nicht auch die Maschine, daß die menschliche Konsumtion eine Schranke für die kapitalistische Produktion darstelle, woraus sich heute periodische Krisen und morgen der Zusammenbruch und das Ende mit Schrecken der kapitalistischen Wirtschaft ergeben müßten. Kurz, in dem "Grundgesetz" des Wachstums der Produktionsmittel auf Kosten der Konsumtionsmittel spiegelt sich die kapitalistische Gesellschaft als Ganzes mit ihrem spezifischen Wesen, wie es von Marx nicht verstanden und von Tugan-Baranowski endlich glücklich entziffert worden ist. Wir haben schon früher gesehen, welche entscheidende Rolle das besagte kapitalistische "Grundgesetz" in der Kontroverse der russischen Marxisten mit den Skeptikern spielte. Bulgakows Äußerungen kennen wir. Genauso drückt sich ein anderer Marxist in seiner Polemik gegen die "Volkstümler", der von uns bereits erwähnte W. Iljin, aus: "Bekanntlich besteht das Entwicklungsgesetz des Kapitals darin, daß das konstante Kapital schneller wächst als das variable, d.h., ein immer größerer Teil der sich neu bildenden Kapitalien wendet sich der Produktionsmittel erzeugenden Abteilung der gesellschaftlichen Produktion zu. Folglich wächst diese Abteilung notwendigerweise schneller als die Konsumtionsmittel erzeugende Abteilung, d.h., es tritt gerade das ein, was Sismondi als 'unmöglich', 'gefährlich' usw. hinstellte. Folglich nehmen die Produkte der individuellen Konsumtion in der Gesamtmasse der kapitalistischen Produktion einen immer geringeren Platz ein. Und das entspricht völlig der historischen 'Mission' des Kapitalismus und seiner spezifischen sozialen Struktur: die erste besteht gerade in der Entwicklung der Produktivkräfte der Gesellschaft (Produktion für die Produktion); die zweite schließt ihre Utilisation durch die Masse der Bevölkerung aus." (10) [Hervorhebung - R. L.] Tugan-Baranowski geht natürlich auch hier weiter als die anderen. In seinem Gefallen an Paradoxen leistet er sich sogar den Witz, mathematisch den Nachweis zu liefern, daß die Akkumulation des Kapitals und die Produktionserweiterung sogar bei absolutem Rückgang der Konsumtion möglich sei. Hier ertappt ihn K. Kautsky bei einem wissenschaftlich wenig salonfähigen Manöver, nämlich dabei, daß er seine kühne Deduktion ausschließlich auf einen spezifischen Moment: den Übergang von der einfachen file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR94.922/lu/lu05/lu05_263.htm (5 of 11) [19.07.2004 21:13:05]

<strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong> - <strong>Die</strong> <strong>Akkumulation</strong> <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong>, 23. Kapitel<br />

stellen, ob denn das "Schema" stimmt, daß er, statt das Schema zu beweisen, umgekehrt das Schema<br />

selbst, die arithmetische Übung auf dem Papier, für einen Beweis betrachtet, daß auch in Wirklichkeit die<br />

Dinge sich so verhalten. Bulgakow suchte das Marxsche Schema mit ehrlicher Mühe auf die wirklichen<br />

konkreten Verhältnisse der kapitalistischen Wirtschaft und <strong>des</strong> kapitalistischen Austausches zu<br />

projizieren, suchte sich durch die Schwierigkeiten, die sich daraus ergaben, durchzuringen, was er<br />

freilich nicht fertiggebracht hat und wobei er schließlich in der Analyse von Marx steckenblieb, die er<br />

selbst mit voller Klarheit als unfertig, abgebrochen ansah. Tugan-Baranowski braucht gar keine Beweise,<br />

er zerbricht sich nicht viel den Kopf: Da sich die arithmetischen Proportionen zur Zufriedenheit lösen<br />

und nach Belieben fortsetzen lassen, so ist ihm das just ein Beweis, daß sich die kapitalistische<br />

<strong>Akkumulation</strong> - vorbehaltlich der bewußten "Proportionalität", die aber, wie auch Tugan nicht bestreiten<br />

wird, vorn oder hinten doch hineinkommt - ebenso restlos und unendlich fortwinden könne.<br />

Tugan-Baranowski hat freilich einen indirekten Beweis, daß das Schema mit seinen seltsamen<br />

Ergebnissen der Wirklichkeit entspricht, ihr treues Spiegelbild darstellt. Das ist die Tatsache, daß in der<br />

kapitalistischen Gesellschaft, ganz im <strong>Ein</strong>klang mit dem Schema, die menschliche Konsumtion hinter die<br />

Produktion gesetzt, jene zum Mittel, diese zum Selbstzweck wie auch menschliche Arbeit der "Arbeit"<br />

der Maschine gleichgesetzt werde: "Der technische Fortschritt gelangt darin zum Ausdruck, daß die<br />

Bedeutung der Arbeitsmittel, der Maschine immer mehr, im Vergleich mit der lebendigen Arbeit, dem<br />

Arbeiter selbst, zunimmt. <strong>Die</strong> Produktions- mittel spielen eine immer größere Rolle im<br />

Produktionsprozeß und auf dem Warenmarkt. Der Arbeiter tritt gegenüber der Maschine in den<br />

Hintergrund, und zugleich tritt in den Hintergrund die aus der Konsumtion <strong>des</strong> Arbeiters entstehende<br />

Nachfrage im Vergleich mit der Nachfrage, welche aus der produktiven Konsumtion der<br />

Produktionsmittel entsteht. Das ganze Getriebe der kapitalistischen Wirtschaft nimmt den Charakter<br />

eines gleichsam für sich selbst existierenden Mechanismus an, in welchem die Konsumtion der<br />

Menschen als ein einfaches Moment <strong>des</strong> Prozesses der Reproduktion und der Zirkulation <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong><br />

erscheint."(8) <strong>Die</strong>se Entdeckung betrachtet Tugan als das Grundgesetz der kapitalistischen<br />

Wirtschaftsweise, und ihre Bestätigung kommt in einem ganz handgreiflichen Phänomen zum Ausdruck:<br />

Mit dem Fortgang der kapitalistischen Entwicklung wächst die Abteilung der Produktionsmittel im<br />

Verhältnis zur Abteilung der Konsumtionsmittel und auf ihre Kosten immer mehr. Gerade Marx hat<br />

bekanntlich dieses Gesetz selbst aufgestellt, und seine schematische Darstellung der Reproduktion beruht<br />

auf diesem Gesetz, obschon Marx die dadurch herbeigeführten Verschiebungen der <strong>Ein</strong>fachheit halber<br />

nicht in der weiteren Entwicklung seines Schemas zahlenmäßig berücksichtigt hat. Hier also, in dem<br />

automatischen Wachstum der Abteilung der Produktionsmittel im Vergleich zu der Abteilung der<br />

Konsumtionsmittel hat Tugan den einzigen objektiven exakten Beweis für seine Theorie gefunden, daß<br />

in der kapitalistischen Gesellschaft die menschliche Konsumtion immer unwichtiger, die Produktion<br />

immer mehr Selbstzweck wird. <strong>Die</strong>sen Gedanken macht er zum Eckstein seines ganzen theoretischen<br />

Gebäu<strong>des</strong>. "In allen industriellen Staaten", verkündet er, "tritt uns dieselbe Erscheinung entgegen -<br />

überall folgt die Entwicklung der Volkswirtschaft demselben fundamentalen Gesetz. <strong>Die</strong><br />

Montanindustrie, welche die Produktionsmittel für die moderne Industrie schafft, wird immer mehr in<br />

den Vordergrund gerückt. Somit kommt in der relativen Abnahme <strong>des</strong> Exports derjenigen britischen<br />

Fabrikate, die in den unmittelbaren Verbrauch eingehen, auch das Grundgesetz der kapitalistischen<br />

Entwicklung zum Ausdruck: Je mehr die Technik fortschreitet, <strong>des</strong>to mehr treten die Konsumtionsmittel<br />

zurück gegenüber den Produktionsmitteln. <strong>Die</strong> Menschenkonsumtion spielt eine immer geringere Rolle<br />

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