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Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 21. Kapitel 20. Kapitel | Inhalt | 22. Kapitel Rosa Luxemburg - Gesammelte Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Band 5. Berlin/DDR. 1975. "Die Akkumulation des Kapitals", S. 246-251. 1. Korrektur. Erstellt am 20.10.1998 Einundzwanzigstes Kapitel Die "dritten Personen" und die drei Weltreiche Struves Wir wenden uns nun zu der Kritik der obigen Ansichten, wie sie von den russischen Marxisten gegeben worden ist. Peter v. Struve, der 1894 im "Sozialpolitischen Centralblatt" (3. Jahrgang, Nr. 1) unter dem Titel "Zur Beurtheilung der kapitalistischen Entwickelung Rußlands" eine eingehende Würdigung des Buches von Nikolai-on gegeben hatte, veröffentlichte 1894 in russischer Sprache ein Buch. "Kritische Bemerkungen zur Frage der ökonomischen Entwicklung Rußlands", worin er die "volkstümlerischen" Theorien einer vielseitigen Kritik unterzieht. In der uns hier beschäftigenden Frage jedoch beschränkt sich Struve sowohl in bezug auf Woronzow wie Nikolai-on hauptsächlich auf den Nachweis, daß der Kapitalismus seinen inneren Markt nicht verringere, sondern umgekehrt erweitere. Der Schnitzer Nikolai-ons, den er von Sismondi übernommen hat, liegt in der Tat auf der Hand. Beide schilderten nur die eine Seite des Prozesses der kapitalistischen Zerstörung althergebrachter Produktionsformen des Kleinbetriebes. Sie sahen nur die sich daraus ergebende Herabdrückung des Wohlstands, die Verelendung breiter Schichten der Bevölkerung. Sie bemerkten nicht, was die andere ökonomische Seite dieses Prozesses bedeutet: Beseitigung der Naturalwirtschaft und Einzug an ihre Stelle der Warenwirtschaft auf dem Lande. Das besagt aber, daß der Kapitalismus durch Einbeziehung immer neuer Kreise früher selbständiger und abgeschlossener Produzenten in sein Bereich mit jedem Schritt neue Schichten in Käufer seiner Waren verwandelt, die es früher nicht waren. Der Gang der kapitalistischen Entwicklung ist also ein gerade umgekehrter, als ihn die "Volkstümler" nach Sismondis Vorbild schildern: Der Kapitalismus vernichtet nicht seinen inneren Markt, sondern er schafft sich ihn gerade zunächst durch das Umsichgreifen der Geldwirtschaft Was speziell die Theorie Woronzows über die Unrealisierbarkeit des Mehrwerts auf dem inneren Markte betrifft, so wird sie von Struve folgendermaßen widerlegt. Die Grundlage der Woronzowschen Theorie bestehe darin, daß eine entwickelte kapitalistische Gesellschaft sich lediglich aus Unternehmern und Arbeitern zusammensetze. Nikolai-on operiert gleichfalls die ganze Zeit mit dieser Vorstellung. Von diesem Standpunkt lasse sich die Realisierung des kapitalistischen Gesamtprodukts allerdings nicht file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR92.484/lu/lu05/lu05_246.htm (1 of 5) [19.07.2004 21:12:50]
Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 21. Kapitel begreifen. Die Theorie Woronzows sei auch insofern richtig, "als sie die Tatsache konstatiert, daß der Mehrwert weder durch die Konsumtion der Kapitalisten noch durch diejenige der Arbeiter realisiert werden könne, sondern die Konsumtion dritter Personen voraussetze"(1). Demgegenüber sei aber festzustellen, daß es solche "dritten Personen" in jeder kapitalistischen Gesellschaft wohl gebe. Die Vorstellung Woronzows und Nikolai-ons sei nichts als eine Fiktion, "die uns nicht um Haaresbreite vorwärtsbringen kann im Verständnis irgendeines historischen Prozesses"(2). Es gibt keine kapitalistische Gesellschaft, und mag sie noch so hochentwickelt sein, die lediglich aus Unternehmern und Arbeitern bestände. "Selbst in England mit Wales entfallen von 1.000 erwerbsfähigen Einwohnern 545 auf die Industrie, 172 auf den Handel, 140 auf die Landwirtschaft, 81 auf unbestimmte und wechselnde Lohnarbeit und 62 auf Staatsdienst, liberale Berufe usw." Also selbst in England gibt es massenhaft "dritte Personen", und diese sind es eben, die den Mehrwert, sofern er von den Unternehmern nicht konsumiert wird, durch ihre Konsumtion realisieren helfen. Ob die Konsumtion der "dritten Personen" zur Realisierung des ganzen Mehrwerts ausreicht, das läßt Struve offen, jedenfalls müßte "das Gegenteil erst noch bewiesen werden"(3). Für Rußland als ein großes Land mit enormer Bevölkerung sei dies sicher nicht zu beweisen. Rußland sei gerade in der glücklichen Lage, auswärtige Märkte entbehren zu können, darin - hier macht Struve eine Anleihe aus dem Ideenschatz der Professoren Wagner, Schäffle und Schmoller - vom gleichen Schicksal begünstigt wie die Vereinigten Staaten von Amerika. "Wenn das Beispiel der nordamerikanischen Union etwas beweise, dann nur eins, nämlich die Tatsache, daß unter Umständen die kapitalistische Industrie eine sehr hohe Entwicklung erreichen kann, fast ausschließlich auf den inneren Markt gestützt."(4) Dieser Satz wird illustriert an der Hand der geringen industriellen Ausfuhr der Vereinigten Staaten im Jahre 1882. Als allgemeine These stellt Struve den Satz auf: "Je umfangreicher das Territorium und je zahlreicher die Bevölkerung eines Landes, um so weniger bedarf es auswärtiger Märkte für seine kapitalistische Entwicklung." Von diesem Standpunkt aus deduziert er für den Kapitalismus in Rußland - gerade umgekehrt wie die "Volkstümler" - eine glänzendere Zukunft als in anderen Ländern. "Die fortschrittliche Entwicklung der Landwirtschaft auf der Basis der Warenproduktion muß einen Absatzmarkt schaffen, auf den sich der russische Industriekapitalismus in seiner Entwicklung stützen wird. Dieser Absatzmarkt kann in dem Maße, wie die ökonomische und kulturelle Hebung des Landes und Hand in Hand damit die Verdrängung der Naturalwirtschaft fortschreiten wird, unbestimmt wachsen. In dieser Beziehung befindet sich der Kapitalismus in Rußland in günstigeren Bedingungen als in anderen Ländern."(5) Und Struve schildert im einzelnen ein farbenprächtiges Bild der Erschließung neuer Absatzmärkte in Rußland, dank der Sibirischen Eisenbahn in Sibirien, in Zentralasien, in Vorderasien, in Persien, in den Balkanländern. Struve hat nicht bemerkt, daß er im Schwung seiner Prophezeiungen von dem "unbestimmt wachsenden" inneren Markt auf ganz bestimmte auswärtige Absatzmärkte übergegangen ist. Wenige Jahre später stand er auch politisch im Lager dieses hoffnungsfreudigen russischen Kapitalismus, dessen liberales Programm der imperialistischen Expansion er schon als "Marxist" theoretisch begründet hatte. Aus der Argumentation Struves spricht in der Tat nur ein starker Optimismus in bezug auf die unbeschränkte Entwicklungsfähigkeit der kapitalistischen Produktion. Um die ökonomische Begründung dieses Optimismus hingegen ist es ziemlich schwach bestellt. Struves Hauptpfeiler für die Akkumulation des Mehrwerts sind die "dritten Personen". Was er darunter versteht, hat er nicht mit genügender Deutlichkeit verraten, doch zeigen namentlich seine Hinweise auf die englische Berufsstatistik, daß er file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR92.484/lu/lu05/lu05_246.htm (2 of 5) [19.07.2004 21:12:50]
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<strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong> - <strong>Die</strong> <strong>Akkumulation</strong> <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong>, 21. Kapitel<br />
20. Kapitel | Inhalt | 22. Kapitel<br />
<strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong> - Gesammelte Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Band<br />
5. <strong>Berlin</strong>/DDR. 1975. "<strong>Die</strong> <strong>Akkumulation</strong> <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong>", S. 246-251.<br />
1. Korrektur.<br />
Erstellt am 20.10.1998<br />
<strong>Ein</strong>undzwanzigstes Kapitel<br />
<strong>Die</strong> "dritten Personen" und die drei Weltreiche Struves<br />
Wir wenden uns nun zu der Kritik der obigen Ansichten, wie sie von den russischen Marxisten<br />
gegeben worden ist.<br />
Peter v. Struve, der 1894 im "Sozialpolitischen Centralblatt" (3. Jahrgang, Nr. 1) unter dem Titel "Zur<br />
Beurtheilung der kapitalistischen Entwickelung Rußlands" eine eingehende Würdigung <strong>des</strong> Buches von<br />
Nikolai-on gegeben hatte, veröffentlichte 1894 in russischer Sprache ein Buch. "Kritische Bemerkungen<br />
zur Frage der ökonomischen Entwicklung Rußlands", worin er die "volkstümlerischen" Theorien einer<br />
vielseitigen Kritik unterzieht. In der uns hier beschäftigenden Frage jedoch beschränkt sich Struve<br />
sowohl in bezug auf Woronzow wie Nikolai-on hauptsächlich auf den Nachweis, daß der Kapitalismus<br />
seinen inneren Markt nicht verringere, sondern umgekehrt erweitere. Der Schnitzer Nikolai-ons, den er<br />
von Sismondi übernommen hat, liegt in der Tat auf der Hand. Beide schilderten nur die eine Seite <strong>des</strong><br />
Prozesses der kapitalistischen Zerstörung althergebrachter Produktionsformen <strong>des</strong> Kleinbetriebes. Sie<br />
sahen nur die sich daraus ergebende Herabdrückung <strong>des</strong> Wohlstands, die Verelendung breiter Schichten<br />
der Bevölkerung. Sie bemerkten nicht, was die andere ökonomische Seite dieses Prozesses bedeutet:<br />
Beseitigung der Naturalwirtschaft und <strong>Ein</strong>zug an ihre Stelle der Warenwirtschaft auf dem Lande. Das<br />
besagt aber, daß der Kapitalismus durch <strong>Ein</strong>beziehung immer neuer Kreise früher selbständiger und<br />
abgeschlossener Produzenten in sein Bereich mit jedem Schritt neue Schichten in Käufer seiner Waren<br />
verwandelt, die es früher nicht waren. Der Gang der kapitalistischen Entwicklung ist also ein gerade<br />
umgekehrter, als ihn die "Volkstümler" nach Sismondis Vorbild schildern: Der Kapitalismus vernichtet<br />
nicht seinen inneren Markt, sondern er schafft sich ihn gerade zunächst durch das Umsichgreifen der<br />
Geldwirtschaft<br />
Was speziell die Theorie Woronzows über die Unrealisierbarkeit <strong>des</strong> Mehrwerts auf dem inneren Markte<br />
betrifft, so wird sie von Struve folgendermaßen widerlegt. <strong>Die</strong> Grundlage der Woronzowschen Theorie<br />
bestehe darin, daß eine entwickelte kapitalistische Gesellschaft sich lediglich aus Unternehmern und<br />
Arbeitern zusammensetze. Nikolai-on operiert gleichfalls die ganze Zeit mit dieser Vorstellung. Von<br />
diesem Standpunkt lasse sich die Realisierung <strong>des</strong> kapitalistischen Gesamtprodukts allerdings nicht<br />
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